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August/September 2003 - Der Fels

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aber in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit<br />

rückte: Die eheliche<br />

Gemeinschaft von Mann und Frau<br />

mit ihren Kindern.<br />

Diese Entwicklung traf nun – das<br />

hat sich im Laufe der Geschichte<br />

schlicht so ergeben – mit dem soeben<br />

beschriebenen rationalistisch-aufklärerischen<br />

Menschenbild zusammen.<br />

Die Verbindung von beidem, Entstehung<br />

der arbeitsteiligen modernen<br />

Industriegesellschaft<br />

einerseits und die Durchsetzung<br />

des rationalistisch-aufklärerischen<br />

Menschenbildes andererseits<br />

führte dazu, Ehe<br />

und Familie als Hort des<br />

Gefühlslebens neu zu<br />

entdecken, um sie der<br />

rauhen Wirklichkeit des<br />

wirtschaftlichen und politischen<br />

Lebens zu entziehen.<br />

Damit wurde die<br />

Gesellschaft und mit ihr<br />

der Mann zur Trägerin<br />

der Erwerbsfunktion, die<br />

Ehe, die Familie und mit<br />

ihr die Frau zur Trägerin<br />

des Privaten und zur Stätte<br />

der Liebe und des Gefühls.<br />

Die Verkürzung von<br />

Ehe und Familie auf Liebe<br />

und Gefühl führte<br />

aber bald zu der modernistischen<br />

Frage, ob<br />

man sich denn nicht<br />

außerhalb von Ehe und<br />

Familie besser lieben<br />

könne, ob nicht vielleicht die Ehe<br />

eine Einschränkung sei, in der man<br />

die wahre Liebe nicht voll ausleben<br />

könne, weil man doch nicht mehr<br />

völlig frei sei. Also führte die Forderung,<br />

die Ehe vornehmlich als<br />

Liebesgemeinschaft zu sehen dazu,<br />

Liebe außerhalb der Ehe zu suchen<br />

wegen der geringeren Verbindlichkeit<br />

und scheinbar größeren Freiheit.<br />

So führte das Verständnis von<br />

Ehe als Liebesgemeinschaft paradoxerweise<br />

mit zu ihrer Zerstörung<br />

(Rhonheimer).<br />

Natürlich ist die Ehe eine Liebesgemeinschaft,<br />

aber ihr spezifisches<br />

Wesen besteht nicht darin. Die Liebe<br />

ist nicht das Wesen der Ehe, sondern<br />

ihr Fundament, das worauf sie<br />

in zweifacher Hinsicht baut. In ei-<br />

nem ersten Sinne, indem die Liebe<br />

die Voraussetzung der ehelichen<br />

Gemeinschaft ist, und in einem<br />

zweiten Sinne als ein in eine gemeinsame<br />

Zukunft hineintragendes<br />

Band. Dieser Ansatz kann nur nachvollzogen<br />

werden, wenn man versteht,<br />

was das Wesen der Liebe ausmacht.<br />

Sie besteht aus zwei Momenten,<br />

einem passiven Moment<br />

der Leidenschaft – to fall in love, in<br />

die Liebe fallen – sagt man in Eng-<br />

„Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“<br />

(Mk, 10,9): Ehe und Familie sind der Lebensentwurf<br />

Gottes für die Menschen.<br />

lisch, und meint damit den Vorgang<br />

des „Sich Verliebens“, und einem<br />

aktiven Moment, nämlich die willentliche<br />

Hinordnung auf den anderen.<br />

Dieses zweite Moment lässt die<br />

Liebe nicht nur als eine Sache des<br />

Gefühls erleben, sondern auch als<br />

einen Akt des Willens, durch welche<br />

der andere als Gut erstrebt und<br />

für ihn das Gute gewollt wird. Liebe<br />

gibt es im Übrigen nicht nur in<br />

der Ehe, sondern auch in der Beziehung<br />

der Eltern zu ihren Kindern,<br />

unter Geschwistern, Nächstenliebe,<br />

Gottesliebe usw. Die Liebe in<br />

der Ehe, also die Liebe zwischen<br />

Mann und Frau, ist eine besondere<br />

Form von Liebe und man könnte sie<br />

als „erotische Form der Freundschaft“<br />

bezeichnen. Dabei verleiht<br />

ihr die Freundschaft das Moment<br />

der Dauer und Reife, weil sie nicht<br />

nur um der Leidenschaft willen besteht,<br />

sondern den anderen um seiner<br />

selbst willen annimmt. Wenn die<br />

Liebe in diesem Sinne als das Fundament<br />

der Ehe verstanden und gelebt<br />

wird, ist sie in der Lage, die Realität<br />

des Alltags zu bewältigen.<br />

Denn die Realität des Lebens und<br />

somit auch die Realität der Ehe besteht<br />

in der Regel in der Bewältigung<br />

des Alltags und nicht in der<br />

Bewältigung von entrücktenAusnahmezuständen.<br />

Darum muss<br />

die Liebe auch das Fundament<br />

und der tragende<br />

Grund und nicht der<br />

Zweck der Ehe sein.<br />

<strong>Der</strong> Ort für eine gelebte<br />

Sexualität ist die<br />

Ehe – diese These hat<br />

heute ihren Selbstverständlichkeitscharakter<br />

verloren. Ein<br />

Grund liegt darin, die<br />

Ehe in ihrem Wesen und<br />

Zweck einseitig als<br />

Liebesgemeinschaft<br />

zwischen Mann und<br />

Frau zu interpretieren,<br />

die sich dabei dann<br />

eventuell einstellende<br />

Nachkommenschaft als<br />

ein naturhaftes, biologisches<br />

und nicht wesentliches<br />

Nebenprodukt zu<br />

begreifen. Die Ehe wird<br />

zum Selbstzweck, insofern<br />

ihr hauptsächliches<br />

Ziel in der persönlichen<br />

und sexuellen Selbstverwirklichung<br />

der beiden Träger dieser Verbindung<br />

gesehen wird. Die Erzeugung von<br />

Nachkommenschaft als ein wesentliches<br />

Merkmal der Ehe anzusehen,<br />

wird dagegen als antiquiert angesehen.<br />

Nachkommenschaft gehört<br />

aber genauso wie die Einheit und<br />

die Unauflöslichkeit zu den Wesensmerkmalen<br />

von Ehe.<br />

Das Mittelalter kannte neben dem<br />

„domus“ als soziologischer Größe<br />

auch noch das „matrimonium“, die<br />

Verbindung von Mann und Frau in<br />

der Lebensgemeinschaft mit ihren<br />

Kindern; das wurde als natürliche<br />

menschliche Grundgemeinschaft<br />

angesehen. In dem Begriff „matrimonium,“<br />

übersetzt als Ehe,<br />

steckt der Begriff „mater“ Mutter.<br />

DER FELS 8-9/<strong>2003</strong> 255

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