Der Setting-Ansatz in der Gesundheitsförderung ... - Bibliothek - WZB
Der Setting-Ansatz in der Gesundheitsförderung ... - Bibliothek - WZB
Der Setting-Ansatz in der Gesundheitsförderung ... - Bibliothek - WZB
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
welches Wissen relevant ist, um die jeweilige Situation zu bewältigen. Schütz bezeichnet<br />
diese Form <strong>der</strong> Relevanz – das Motiv zur Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Situation – als<br />
„Motivationsrelevanz“. Darüber h<strong>in</strong>aus führt Schütz die Begriffe <strong>der</strong> „Relevanz“ und<br />
<strong>der</strong> „Interpretationsrelevanz“ e<strong>in</strong>. Die thematische Relevanz bestimme, welche Typenstruktur<br />
e<strong>in</strong> Gegenstand für e<strong>in</strong> Individuum aufweist. 3 Die Interpretationsrelevanz<br />
werde dann aktiviert, wenn e<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit bearbeiteter Typus für<br />
die aktuelle Situation relevant wird und e<strong>in</strong>en Bezug zum aktuellen Thema hat. Die<br />
biographisch, kulturell und sozial bed<strong>in</strong>gte Auswahl des Interpretationsrelevanten<br />
sei Resultat des Lernens. Schütz (2003) resümiert:<br />
Jede lebensweltliche Entscheidung ernsthafterer Art stellt den Menschen vor e<strong>in</strong>e<br />
Serie thematischer Relevanzen hypothetischer Natur, die <strong>in</strong>terpretiert und nach ihrer<br />
motivationsmässigen E<strong>in</strong>bezogenheit <strong>in</strong> den Lebensplan befragt werden wollen<br />
... Zweitens setzt aber jede Kommunikation mit an<strong>der</strong>en Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebenswelt<br />
e<strong>in</strong>e ähnliche Struktur zum m<strong>in</strong>desten <strong>der</strong> thematischen Interpretationsrelevanzen<br />
voraus. (S. 341 f.)<br />
Schütz beschrieb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Theorie die komplexen Wechselwirkungen zwischen<br />
Individuum und Lebenswelt. Etliche Kerngedanken <strong>der</strong> „Strukturen <strong>der</strong> Lebenswelt“<br />
flossen <strong>in</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ungs- und Public Health-Konzepte e<strong>in</strong>. Die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> sozialräumlichen Umwelt (Sektor <strong>der</strong> räumlichen Welt) o<strong>der</strong> des sozialen Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s<br />
arbeitete Schütz klar heraus. Weitere Anknüpfungspunkte ergeben sich<br />
im H<strong>in</strong>blick auf Schütz´ Überlegungen zu sozialen Gruppen, dem Wissen, welches<br />
sie generieren, und dazu, wie diese Genierung erfolgt. Die Relevanz <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen<br />
Biographie für das Verhalten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebenswelt wird deutlich hervorgehoben.<br />
<strong>Der</strong> von Schütz beschriebene Prozess des Lernens hat erheblichen E<strong>in</strong>fluss auf<br />
die Entscheidungsf<strong>in</strong>dung und die Entscheidung selbst. Im Kontext sett<strong>in</strong>gorientierter<br />
Gesundheitsför<strong>der</strong>ung stellt sich die Frage, was die Grundlage dieser Entscheidungen<br />
ist (Bekanntheitswissen, Vertrautheitswissen, Glauben).<br />
Relevant ist, dass die Lebenswelt gestaltbar ist, dass Individuen wirken können<br />
und Strukturen verän<strong>der</strong>bar s<strong>in</strong>d. Die Theorien <strong>der</strong> Lebenswelt können e<strong>in</strong>en Beitrag<br />
zur Theorieentwicklung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zum <strong>Sett<strong>in</strong>g</strong>-<strong>Ansatz</strong><br />
leisten. Die Gesundheitsför<strong>der</strong>ung ist aber <strong>der</strong>zeit – trotz differenzierter<br />
Beschreibungen komplexer Wechselwirkungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebenswelt (siehe exemplarisch<br />
Göpel, 2005) – noch nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, mit Hilfe e<strong>in</strong>er eigenen Theorie die<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>er immer komplexer werdenden Lebenswelt und <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>fluss<br />
auf die Gesundheit komplett zu erfassen. Ergebnisse h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Verbesserung<br />
geistiger, körperlicher und sozialer Gesundheitsressourcen können kaum<br />
prognostiziert werden.<br />
3 Schütz erklärt die thematische Relevanz am Beispiel e<strong>in</strong>es Hundes, <strong>der</strong> als Individuum, Säugetier,<br />
Lebewesen, deutscher Schäferhund etc. typisiert werden kann (Schütz, 2003, S. 336).<br />
15