Bericht - Eawag
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14 CHEMiKALiEN UND EFFEKTE<br />
Ob eine dezentrale<br />
Behandlung des<br />
Spitalabwassers<br />
sinnvoll ist,<br />
kann noch nicht<br />
gesagt werden.<br />
Tagesfracht [g/Tag]<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
Wohin mit dem Spitalabwasser?<br />
Spitäler gelten gemeinhin als Punktquellen für Arzneimittel. Eine Studie im Kantonsspital<br />
Winterthur hat gezeigt, dass stark schwankende Konzentrationen vorliegen und längst<br />
nicht alle im Spital abgegebenen Stoffe auch dort ausgeschieden werden. Ob sich unter diesen<br />
Aspekten eine separate Behandlung von Spitalabwasser lohnt, muss noch näher geklärt<br />
werden. Christa S. McArdell, David Weissbrodt, Lubomira Kovalova, Juliane Hollender, Hansruedi Siegrist<br />
Rund 18 % der in der Schweiz verkauften<br />
Medikamente werden in<br />
Spitälern abgegeben. Das zeigen Abschätzungen<br />
der Verbrauchszahlen<br />
von Arzneimitteln im Rahmen des<br />
Projektes MicroPoll (Seite 9). Es gibt<br />
jedoch spezifische Medikamente, die<br />
zu einem deutlich höheren Prozentsatz<br />
in Spitälern zum Einsatz kommen,<br />
zum Beispiel Röntgenkontrastmittel<br />
oder Krebsmittel (Zytostatika).<br />
Abgabe ≠ Ausscheidung<br />
Die Menge der abgegebenen Medikamente<br />
kann nicht einfach mit der<br />
im Spitalabwasser wieder<br />
gefundenen Menge<br />
gleichgesetzt werden.<br />
Die ausgeschiedenen<br />
Anteile variieren je nach<br />
Wirkstoff stark, und zudem<br />
werden Medikamente<br />
im Spital auch<br />
an ambulante Patienten<br />
abgegeben. Um den wirklichen<br />
Anteil an Arzneimitteln im Spitalabwasser<br />
zu ermitteln, haben wir daher<br />
Verbrauchsstatistiken und bekannte<br />
Daten über die Ausscheidungsraten<br />
zusammengetragen. Ausserdem ha-<br />
0<br />
0<br />
Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo<br />
Iopromid<br />
Iopamidol<br />
Iomeprol<br />
Iohexol<br />
Wochenende<br />
Ioxitalaminsäure<br />
Diatrizoat<br />
Massenflüsse von Röntgenkontrastmitteln im Abwasser des Kantonsspitals<br />
Winterthur während acht Tagen.<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
Mittlerer Wasserfluss [m 3 /h]<br />
ben wir ausgewählte Arzneistoffe<br />
analysiert und deren Massenflüsse<br />
im Spitalabwasser erfasst.<br />
Erste Analysen wurden im Kantonsspital<br />
Winterthur im Mai 2007 durchgeführt.<br />
Während 8 Tagen wurden<br />
dem Abwasserkanal proportional zur<br />
Abflussmenge Proben entnommen.<br />
Analysiert wurden Vertreter der<br />
Zytostatika, die aufgrund ihrer häufig<br />
Krebs erregenden Wirkung in der<br />
Umwelt unerwünscht sind, sowie<br />
Röntgenkontrastmittel. Diese sind<br />
zwar toxikologisch weniger relevant,<br />
werden jedoch in der Umwelt lange<br />
nicht abgebaut.<br />
Viele ambulante Patienten<br />
Die Resultate zeigen, dass die Mengen<br />
im Abwasser im Tagesverlauf<br />
und von Tag zu Tag stark schwanken,<br />
in Abhängigkeit vom Verbrauch im<br />
Spital. Das Röntgenkontrastmittel<br />
iomeprol wurde in den höchsten<br />
Konzentrationen gefunden – bis zu<br />
1700 µg/l. Dagegen massen wir für<br />
das Krebsmittel 5-Fluorouracil nur<br />
Konzentrationen bis maximal 30 ng/l.<br />
Das Konzentrationsprofil der 3-Stunden-Sammelproben<br />
widerspiegelt<br />
die erwarteten Ausscheidungsraten.<br />
Röntgenkontrastmittel werden<br />
zu 50 % innerhalb zweier Stunden<br />
wieder ausgeschieden und ergeben<br />
so nach Einnahme am Vormittag ein<br />
Konzentrationsmaximum um die Mittagszeit.<br />
Der Vergleich zu den Verbrauchszahlen<br />
der Röntgenkontrastmittel von<br />
2006 zeigt, dass die gemessenen<br />
Frachten 25 – 50 % des durchschnittlichen<br />
Verbrauchs entsprechen. Für<br />
die Zytostatika liegen genaue Verbrauchszahlen<br />
für die Zeit der Messungen<br />
vor. Wir fanden aber nur gerade<br />
1– 4 % der erwarteten Menge<br />
an 5-Fluorouracil und Gemcitabin im<br />
Abwasser. Teilweise erklären lässt<br />
sich das mit dem hohen Anteil (70 %)<br />
dieser Mittel, welcher an ambulante<br />
Patienten abgegeben wurde.<br />
Einen «Stand der Technik»<br />
gibt es noch nicht<br />
Um zu verhindern, dass Arzneimittel<br />
aus Spitalabwasser in die Umwelt gelangen,<br />
sind verschiedene Strategien<br />
denkbar. Unter Leitung der <strong>Eawag</strong><br />
hat sich daher eine Arbeitsgruppe<br />
«Spitalabwasser» konstituiert, die<br />
Fachleute des Bundesamtes für Umwelt,<br />
aus Kantonen und ingenieurbüros<br />
umfasst. Eines der Hauptziele<br />
ist es, zu einer wissenschaftlich abgestützten<br />
Haltung zu kommen, ob<br />
Spitalabwasser eine Sonderbehandlung<br />
nötig macht, und wenn ja, ob<br />
dies sinnvoller direkt im Spital oder<br />
mit einem Ausbau von Kläranlagen<br />
erfolgen soll. Zurzeit wird im Kantonsspital<br />
Baden eine Pilotanlage mit<br />
Membranbioreaktor und anschliessender<br />
oxidativen Behandlung des<br />
Abwassers installiert, um weitere<br />
Erfahrungen zu sammeln, denn einen<br />
«Stand der Technik» zur Behandlung<br />
von Spitalabwasser gibt es bisher<br />
nicht. i i i<br />
Mittlerer Wasserfluss Moser R., McArdell C.S., Weissbrodt D.<br />
(2007): Mikroverunreinigungen:<br />
Vorbehandlung von Spitalabwasser.<br />
GWA 11, 869–875.