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Bericht - Eawag

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Kivu-See: Zeitbombe oder Energiequelle?<br />

AQUATiSCHE ÖKOSYSTEME 35<br />

Seit Jahren beobachtet die <strong>Eawag</strong> den afrikanischen Kivu-See genau. Denn in dessen Tiefe lauert Gefahr<br />

in Form von Milliarden Kubikmetern an gelösten Gasen. Nun könnte eine kontrollierte Nutzung von<br />

Methan zwei Fliegen auf einen Schlag erledigen: die Stromversorgung in der Region sichern und das<br />

Risiko eines tödlichen Gasausbruchs mindern. Martin Schmid, Natacha Pasche, Lukas Jarc, Alfred Wüest<br />

Der Kivu-See an der Grenze zwischen<br />

Ruanda und der Demokratischen Republik<br />

Kongo ist in vielerlei Hinsicht<br />

einer der spannendsten Seen der<br />

Welt. Die grösste Aufmerksamkeit<br />

gilt den enormen Gasmengen, welche<br />

in seinem Tiefenwasser gespeichert<br />

sind: etwa 300 km 3 Kohlendioxid<br />

und 60 km 3 Methan. Verteilt<br />

auf die Oberfläche des Sees würden<br />

diese Gase eine Schicht von mehr als<br />

100 Metern bilden.<br />

Gaskonzentration steigt an<br />

Die gelösten Gase sind eine Gefahr,<br />

weil sie aus dem See ausbrechen<br />

und eine Katastrophe verursachen<br />

könnten. 1986 hat ein Gasausbruch<br />

des Nyos-Sees in Kamerun 1800<br />

Menschenleben gefordert. Die Wahrscheinlichkeit<br />

für ein solches Ereignis<br />

am Kivu-See ist zwar heute sehr gering,<br />

dürfte aber zunehmen, denn wir<br />

haben steigende Gaskonzentrationen<br />

gemessen. Das Methan ist aber auch<br />

ein wichtiger Rohstoff. insbesondere<br />

Ruanda hat kaum andere Energieressourcen.<br />

Die Regierung hat deshalb<br />

erste Konzessionen für Pilotanlagen<br />

vergeben, welche gegen Ende 2008<br />

Sedimentfallen fangen absinkende Algen<br />

auf – einer der Faktoren im Nährstoffkreislauf<br />

des Sees.<br />

den Betrieb aufnehmen sollen. Lang-<br />

fristig ist eine Stromproduktion in<br />

der Grössenordnung von 100 bis<br />

300 MW geplant – eine enorme<br />

Steigerung gegenüber der heute im<br />

ganzen Land installierten Leistung<br />

von rund 30 MW.<br />

Schichtung im Auge behalten<br />

Die Ausbeutung des Methans aus<br />

dem See könnte aber auch unerwünschte<br />

Folgen haben: wenn die<br />

stabile Schichtung gestört oder der<br />

Anstieg des Nährstoffeintrags aus<br />

dem Tiefen- ins Oberflächenwasser<br />

zu einer starken Eutrophierung<br />

führen würde. Die <strong>Eawag</strong> hat nun<br />

ein numerisches Simulationsmodell<br />

erstellt, mit welchem diese Auswirkungen<br />

für verschiedene Szenarien<br />

der Methanausbeutung abgeschätzt<br />

werden können. Die Ergebnisse dieser<br />

Simulationsrechnungen dienen<br />

den Regierungen von Ruanda und<br />

Kongo zum Festlegen der Richtlinien,<br />

die bei der Methanextraktion von den<br />

Konzessionären eingehalten werden<br />

sollen. Daneben beteiligt sich die<br />

<strong>Eawag</strong> auch an der Ausarbeitung<br />

eines Konzeptes für die begleitende<br />

Überwachung, ob die Auswirkungen<br />

der Methanausbeutung auf den See<br />

im Rahmen der Vorhersagen liegen.<br />

Die Methanproduktion im Kivu-See<br />

hängt direkt von den seeinternen<br />

Nährstoffkreisläufen ab. in Zusammenarbeit<br />

mit dem institut Supé rieur<br />

Pédagogique de Bukavu (Kongo)<br />

und der staatlichen Universität von<br />

Ruanda untersucht und quantifiziert<br />

die <strong>Eawag</strong> die externen Nährstoffeinträge<br />

und die seeinternen Nährstoffflüsse.<br />

Abenteuerliche Forschung<br />

Erste Auswertungen von Sedimentkernen<br />

zeigen eine massive Veränderung<br />

des sedimentierenden Materials<br />

in den letzten rund 40 Jahren. Das<br />

könnte einerseits auf das starke Be-<br />

Um die Nährstoffkreisläufe im See bilanzieren zu können, müssen<br />

auch die Zuflüsse untersucht werden.<br />

völkerungswachstum in der Region<br />

zurückzuführen sein, andererseits<br />

vermuten wir aber auch, dass mit der<br />

Einführung einer Sardine aus dem<br />

Tanganyikasee in den 1950er-Jahren<br />

die biologischen Nahrungsketten im<br />

See stark verändert wurden.<br />

Die Arbeit vor Ort ist manchmal von<br />

unerwarteten Schwierigkeiten begleitet.<br />

Zum Beispiel, wenn einen die<br />

Zöllner nach ein paar Tagen in Bukavu<br />

nicht nach Ruanda zurück einreisen<br />

lassen wollen, weil die Regeln wieder<br />

einmal geändert wurden und ein<br />

bestimmtes Papier fehlt oder wenn<br />

man in einer Piroge mitten auf dem<br />

See von einem Sturm überrascht<br />

wird. Aber dies verblasst neben der<br />

schönen Landschaft, den vielfältigen<br />

Erlebnissen und den spannenden<br />

wissenschaftlichen Resultaten.<br />

i i i<br />

Schmid M. et al. (2005): Weak mixing<br />

in Lake Kivu: new insights indicate<br />

increasing risk of uncontrolled gas<br />

eruption. Geochemistry, Geophysics,<br />

and Geosystems 6/7, Q07009,<br />

doi:10.1029/2004GC000892.<br />

Schmid M. et al. (2004): How hazardous<br />

is the gas accumulation in Lake Kivu?<br />

Arguments for a risk assessment<br />

in light of the Nyiragongo Volcano<br />

eruption of 2002. Acta vulcanologica<br />

14/15 (2002–2003), 115–121.

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