Das Lachen und das Komische I - bei LiTheS
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Beatrix Müller-Kampel: Komik <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Komische</strong><br />
außertheatraler Wirklichkeit wie letztlich jedes Bühnenspiel; was deren komische<br />
Varianten jedoch auszeichnet, ist eine bestimmte Art der Wirklichkeitsstilisierung,<br />
die ich deiktisch nennen möchte:<br />
≡ Im <strong>Komische</strong>n <strong>und</strong> in der Komödie wird <strong>das</strong> „Als-ob“, diese stillschweigende Übereinkunft<br />
zwischen Autor Protagonisten <strong>und</strong> Publikum, die Fiktion als zeitlich begrenzte<br />
virtuelle Realität gelten zu lassen, oft deiktisch thematisiert <strong>und</strong> dergestalt spielerisch<br />
relativiert. ≡<br />
Zu diesen deiktischen Fiktionsdurchbrechungen zählen spielexterne Figuren (Spielleiter,<br />
Erzähler, Chor) <strong>und</strong> spielinterne Figuren wie „epische Randfiguren auf der<br />
Grenze zwischen Spiel <strong>und</strong> Wirklichkeit (Hanswurst, Harlekin, Gracioso)“, die ad<br />
spectatores (Beiseitesprechen, Kommentierung des Spiels) oder ex persona (Ausder-Rolle-Fallen)<br />
sprechen. 77 Zu den impliziten Fiktionsdurchbrechungen gehören<br />
die meisten Spielarten der Intertextualität, <strong>bei</strong>spielsweise Selbstzitation, Parodie,<br />
„Bloßlegung stereotyper Handlungsschemata“, reichhaltige Verwendung von Theatermetaphorik,<br />
Spiel im Spiel. 78 Hier nützt der dafür von Ralf Simon wieder ins<br />
Spiel gebrachte, aus Schlegels Überlegungen zur Ironie übernommene Begriff der<br />
„Parekbase“ beziehungsweise „Parabasis“. Dieses ‚Heraustreten‘ (griech. παράβασις<br />
< παραβαίνειν) in der griechischen Alten Komödie meinte eine mitten im Stück<br />
eingeschaltete Ansprache des Chors an <strong>das</strong> Publikum, oft in Form eines satirischen<br />
Kommentars. Demnach sei die Gattung Komödie per definitionem „in sich<br />
selbst parabatisch“, <strong>und</strong> <strong>das</strong> Spiel im Spiel gehöre als „Metahandlung“ <strong>und</strong> „Art<br />
<strong>und</strong> Weise selbstreflexiver Fabelkonstruktion […] zu den gattungskonstitutiven<br />
Komponenten.“ 79 Wenn es auch komiktheoretischer Leersprech ist zu behaupten,<br />
„Komödie“ bedeute stets, „<strong>das</strong>s sie ihre eigene Phylogenese reflektiert“ (wie Peter von<br />
Matt), 80 so verweist die Formel doch auf die spezifischen Doppelungen rezeptionsästhetischer<br />
Gr<strong>und</strong>kategorien in der Komödie <strong>und</strong> hier vor allem auf <strong>das</strong> Prinzip von<br />
Handlung über Handlung, Spiel im Spiel. 81<br />
77 Ahnen, <strong>Das</strong> <strong>Komische</strong> auf der Bühne, S. 137.<br />
78 Vgl. Warning, Elemente einer Pragmasemiotik, S. 311–313, <strong>und</strong> Trautwein, Komödientheorien<br />
<strong>und</strong> Komödie, S. 92.<br />
79 Ralf Simon: Theorie der Komödie. In: Theorie der Komödie – Poetik der Komödie, S. 47–<br />
66, hier S. 52–53.<br />
80 Peter von Matt: <strong>Das</strong> letzte <strong>Lachen</strong>. Zur finalen Szene in der Komödie. In: Theorie der Komödie<br />
– Poetik der Komödie, S. 127–140, hier S. 127.<br />
81 Deren Verhältnis untereinander wie auch zur außertheatralen Wirklichkeit über die Kategorien<br />
der „hyperbolischen“, „hypothetischen“ <strong>und</strong> „natürlichen Wahrscheinlichkeit“ zu<br />
rubrizieren (wie Elder Olson <strong>und</strong> nach ihm Wolfgang Trautwein), greift komik- / komödienanalytisch<br />
zu kurz <strong>und</strong> widerspricht überdies dem deutschen Sprachgebrauch. Vgl. Elder<br />
Olson: The Theory of Comedy. Bloomington [u. a.]: Indiana University Press 1968. Vgl.<br />
Trautwein, Komödientheorien <strong>und</strong> Komödie, S. 99.<br />
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