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Das Lachen und das Komische I - bei LiTheS

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<strong>LiTheS</strong> Nr. 7 (März 2012) http://lithes.uni-graz.at/lithes/12_07.html<br />

dungen stellen sich selber durch <strong>und</strong> in ihre(r) groteske(n) Plattheit bloß. „Sezieren<br />

ist eine Rache“, so<strong>das</strong>s selbst <strong>das</strong> Urteil Frédérics über „diese Dummheit“ nicht mehr<br />

nötig ist.<br />

Flaubert schildert im selben Roman <strong>bei</strong>m Sturm auf die Tuilerien <strong>das</strong> Volk als bestialische<br />

Masse, die schreit <strong>und</strong> trampelt <strong>und</strong> sich frenetisch dem Zerstörungstrieb<br />

hingibt. Er entwickelt dazu eine parallele Szene blinder Gewalt auf Seiten des Bürgertums<br />

vor einem Verließ der Tuilerien. Der Roman legt diese Parallele explizit<br />

nahe, wenn von einer „Gleichheit der brutalen Tiere“ die Rede ist. „Und die seidenen<br />

Mützen erwiesen sich nicht als weniger hässlich als die roten Mützen.“ 36<br />

<strong>Das</strong>s Flaubert eine negative Gleichwertigkeit anzeigen wollte, geht auch aus einem<br />

Brief hervor, den er an George Sand richtete: „Die Patrioten werden mir dieses Buch<br />

nicht verzeihen, die Reaktionäre ebenso wenig.“ 37<br />

Flaubert zeigt sich extrem skeptisch gegenüber jeder finalistischen oder progressiven<br />

Geschichtsphilosophie. Schon als junger Mann schrieb er so an einen Fre<strong>und</strong>: „Wenn<br />

man die Geschichte liest, sieht man stets dieselben Räder auf denselben Straßen sich<br />

drehen, inmitten von Ruinen auf dem Staub des Weges der Menschheit.“ 38 Flaubert<br />

stellt die Idee einer linearen <strong>und</strong> logischen Kohärenz der Geschichte radikal in Frage.<br />

Der Roman der Diskontinuität organisiert diese Diskontinuität jedoch durch<br />

eine poetische Kohärenz. 39 Nur die ästhetische Vollendung vermag die Unordnung<br />

der Welt zu überwinden. „Wenn es in einem Wort“, so Flaubert hinsichtlich seines<br />

Romans Salammbô, „keine Harmonie gibt, liege ich falsch, sonst aber nicht. Alles<br />

steht miteinander in Verbindung.“ 40<br />

Angesichts des Fehlens eines Sinnes der Geschichte bleibt bloß mehr <strong>das</strong> Rabelais’sche<br />

<strong>Lachen</strong>, ein <strong>Lachen</strong>, <strong>das</strong> alles ironisch betrachtet <strong>und</strong> letztlich alles rettet durch die<br />

alleinige Macht der Form.<br />

36 Gustave Flaubert: L’Education sentimentale. Paris: Garnier 1964, S. 338 (übersetzt von<br />

J. J.).<br />

37 Flaubert, Correspondance, Bd. III, S. 770 (übersetzt von J. J.).<br />

38 Ebenda, Bd. I, S. 51 (übersetzt von J. J.).<br />

39 Vgl. Gisèle Séginger: Flaubert. Une poétique de l’histoire. Strasbourg: Presses universitaires<br />

de Strasbourg 2000.<br />

40 Flaubert, Correspondance, Bd. III, S. 282–283 (übersetzt von J. J.).

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