Das Lachen und das Komische I - bei LiTheS
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Beatrix Müller-Kampel: Komik <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Komische</strong><br />
barkeit der Störungen <strong>und</strong> Störenfriede verbürgt, ist seinerseits sozialisiert. Denn<br />
wer nicht weiß, <strong>das</strong>s er es, allein vor dem TV-Gerät sitzend, mit einer Komödie zu<br />
tun hat, nichts <strong>Komische</strong>s daran findet, da er dieses weder zu erkennen noch über<br />
lachende Dritte zu erschließen weiß (<strong>und</strong> sei es durch Gelächter aus dem Off), wird<br />
auch mit der abschließenden Heirat nicht eines <strong>Komische</strong>n belehrt. Mag <strong>das</strong> Happy<br />
End, genauer: <strong>das</strong> Vorwissen darum, nahezu unverzichtbar für gelungene Komik<br />
sein, so ist es doch nur Teil eines Bündels rezeptionspsychologischer Bedingungen<br />
für <strong>das</strong> <strong>Lachen</strong> über <strong>Komische</strong>s. Rainer Warning hat diese Bedingungen nach Freud<br />
hierarchisiert <strong>und</strong> einen Katalog angelegt; er enthält als Wichtigstes eine „allgemein<br />
heitere Stimmung“, „die Erwartung des <strong>Komische</strong>n“ sowie die Ausblendung von<br />
Gefühls- oder Interessenbeteiligung. 153<br />
Im Gr<strong>und</strong>e laufen sie alle, ob ‚Happy End‘ oder ‚heitere Stimmung‘, ob ‚Entlastung<br />
von Ernst‘, ‚schwache Affektbindung‘ oder, in den Worten Bergsons, „zeitweilige<br />
Anästhesie des Herzens“, 154 auf die (im Publikum oder in der Gruppe: kollektive)<br />
emotionale Einstimmung auf die Harmlosigkeit dessen hinaus, was man hört, sieht,<br />
worüber man also lachen darf <strong>und</strong> kann. 155<br />
Die vorausgehende Situationsdefinition (wie die Soziologie es nennt) bestimmt jeweils<br />
den Ort <strong>und</strong> die Zeit als Zonen der Heiterkeit, des Humors <strong>und</strong> des <strong>Lachen</strong>s<br />
(mitunter selbst über <strong>das</strong> andernorts am allerwenigsten Belachbare, die Krankheit<br />
<strong>und</strong> den Tod).<br />
≡ In Abwandlung des jedem Studenten der Soziologie bekannten Satzes von William<br />
Isaac Thomas „If men define situations as real, they are real in their consequences“ („Thomas-Theorem“)<br />
formuliert Peter L. Berger: „Wenn man eine Situation als komisch definiert,<br />
wird ihre Wirkung eine komische sein.“ 156 Definitionsmacht kommt wohl auch<br />
den an der komischen Kommunikation beteiligten Individuen zu, doch weitaus stärker<br />
den übergeordneten sozialen Institutionen <strong>und</strong> kulturellen Praktiken: <strong>das</strong> eine Mal<br />
kommunikativen Institutionen (Theater, Musik- <strong>und</strong> Filmgenres, Textsorten), <strong>das</strong> andre<br />
Mal, <strong>und</strong> vielfach zugleich, bestimmten Typen (Pausenkasperl, Ulk-Nudel, Witzeerzähler)<br />
<strong>und</strong> Professionen (Clown, Komiker, Komödiant, Kabarettist), die wiederum stets<br />
abhängig sind von den Wertvorstellungen des intendierten Publikums. 157 ≡<br />
Was wir als ‚komisch‘ rubrizieren, „ist soziokulturell (bildungs-, klassen- oder schichtenspezifisch)<br />
<strong>und</strong> historisch“ modelliert <strong>und</strong> nichts anderes als „eine Funktion von<br />
153 Warning, Elemente einer Pragmasemiotik der Komödie, S. 304.<br />
154 Bergson, <strong>Das</strong> <strong>Lachen</strong>, S. 8.<br />
155 Vgl. Zijderveld, Humor <strong>und</strong> Gesellschaft, S. 45.<br />
156 Berger, Erlösendes <strong>Lachen</strong>, S. 80. Vgl. auch Zijderveld, Humor <strong>und</strong> Gesellschaft,<br />
S. 60–61.<br />
157 Vgl. Zijderveld, Humor <strong>und</strong> Gesellschaft, S. 74.<br />
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