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Das Lachen und das Komische I - bei LiTheS

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Beatrix Müller-Kampel: Komik <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Komische</strong><br />

chen, stets standen Konfession, Moral oder <strong>das</strong> Schöne Wache vor dem Tollhaus des<br />

possenhaften <strong>Komische</strong>n <strong>und</strong> des <strong>Lachen</strong>s, <strong>das</strong> diesem folgte. In diesem Tollhaus<br />

regierten über Jahrh<strong>und</strong>erte, ja Jahrtausende hinweg, 126 Zügellosigkeit, Verzückung<br />

<strong>und</strong> Schamlosigkeit; <strong>das</strong> Fressen, Saufen, Furzen, Scheißen <strong>und</strong> Vögeln; <strong>das</strong> Exaggerierte<br />

<strong>und</strong> Exorbitante, <strong>das</strong> Schrille <strong>und</strong> Grelle, auch Skelette, der Teufel <strong>und</strong> der<br />

Tod. Dieses Lachhafte galt dem mittelalterlichen <strong>und</strong> frühneuzeitlichen Christentum,<br />

<strong>bei</strong> allen komischen Repertoires des Heiligen von Narrenfest <strong>und</strong> Eselsmesse<br />

über „risus paschalis“, Obszönitäten in Oster- <strong>und</strong> Mysterienspielen bis hin zu den<br />

zu Drôlerien in Handschriften, als Ausdruck der Torheit <strong>und</strong> letztlich als sündhaft.<br />

127 Die Poetologie seit dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert wiederum verwarf es als unmoralisch<br />

<strong>und</strong> geschmacklos (wenn auch stets ‚ästhetische‘ Argumente ins Treffen geführt<br />

wurden) – wo<strong>bei</strong> die Regulierungsversuche in eine erstaunlich ähnliche Richtung<br />

gingen: Die üblichen Ridicula (auf dem Theater) seien blasphemisch <strong>und</strong> obszön,<br />

auf die Verletzung der Verlachten, also die Erregung bloßer Schadenfreude aus <strong>und</strong><br />

sympathisierten mit dem Unmäßigen, indem sie es lustvoll zelebrierten. 128 Außerdem<br />

stünden sie „mit dem Körper <strong>und</strong> der ‚niederen‘ Lebenswelt im B<strong>und</strong>e.“ 129<br />

Im deutschen Sprachraum setzt die Neuzeit poetologischer Komik-Reflexion (zumindest<br />

der kanonisierten) ein mit Opitz <strong>und</strong> damit – der protestantischen Moral.<br />

In geradezu entrüstetem Ton heißt es im Buch von der Deutschen Poeterey von<br />

1624:<br />

„Die Comödie bestehet in schlechtem Wesen <strong>und</strong> Personen: redet von Hochzeiten<br />

/ Gastgebotten / Spielen / Betrug <strong>und</strong> Schalckheit der Knechte / ruhmräthigern<br />

Landsknechten / Buhlersachen / Leichtfertigkeit der Jugend / Geitze<br />

des Alters / Kupplerey <strong>und</strong> solchen Sachen / die täglich unter gemeinen Leuten<br />

vorlauffen. Haben derowegen die welche heutiges Tages Comödien geschrie-<br />

126 „Die Groteske ist <strong>das</strong> Zentrum der Lachkultur der bäuerlichen Welt, also der Geschichte<br />

des <strong>Lachen</strong>s zwischen etwa 8000 vor unserer Zeit <strong>und</strong> dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert, <strong>und</strong> der<br />

Witz ist <strong>das</strong> Zentrum der Lachkultur von Stadtbewohnern, also dominant etwa seit dem<br />

18. Jahrh<strong>und</strong>ert.“ Stollmann, <strong>Das</strong> <strong>Lachen</strong> <strong>und</strong> seine Anlässe, S. 17.<br />

127 Vgl. Stefanie Wolff: Todesverlachen. <strong>Das</strong> <strong>Lachen</strong> in der religiösen <strong>und</strong> profanen Kultur <strong>und</strong><br />

Literatur im Frankreich des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang 2009, bes.<br />

S. 87, 115, 192 <strong>und</strong> S. 217–232. Vgl. auch Katja Gvozdeva <strong>und</strong> Werner Röcke: Performative<br />

Kommunikationsfelder von Sakralität <strong>und</strong> Gelächter. In: „risus sacer – sacrum risibile“.<br />

Interaktionsfelder von Sakralität <strong>und</strong> Gelächter im kulturellen <strong>und</strong> historischen Wandel.<br />

Herausgegeben von K. G. <strong>und</strong> W. R. Berlin [u. a.]: Lang 2009. (= Publikationen zur Zeitschrift<br />

für Germanistik. Neue Folge 20.) S. 9–28, hier S. 9–10.<br />

128 Vgl. Manfred Pfister: „An Argument of Laughter“: Lachkultur <strong>und</strong> Theater im England der<br />

Frühen Neuzeit. In: Semiotik, Rhetorik <strong>und</strong> Soziologie des <strong>Lachen</strong>s. Vergleichende Studien<br />

zum Funktionswandel des <strong>Lachen</strong>s vom Mittelalter zur Gegenwart. Herausgegeben<br />

von Lothar Fietz, Joerg O. Fichte <strong>und</strong> Hans-Werner Ludwig. Tübingen: Niemeyer 1996,<br />

S. 202–227, hier S. 211.<br />

129 Janz, Erhaben <strong>und</strong> lächerlich, S. 16.<br />

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