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Das Lachen und das Komische I - bei LiTheS

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Marion Linhardt: Die Komik der Extravaganza<br />

Die Handlung von The Drama at Home setzt noch vor dieser Neuregelung ein, <strong>und</strong><br />

zwar in einer für Drama äußerst prekären Situation: Drama hat kein Heim mehr,<br />

weil auch Covent Garden <strong>und</strong> Drury Lane sich längst anderen, gewinnträchtigeren<br />

Genres zugewandt haben. Beim Gedanken an die hoffnungslose Lage all ihrer<br />

Kinder wünscht sich Drama nur noch eines: sie möchte sterben. Ihre Verzweiflung<br />

ruft Puff her<strong>bei</strong>, der sich als Ratgeber anbietet. Für Covent Garden schlägt er ein<br />

Kaltwasserduschprojekt vor, <strong>das</strong> die Idee der Wasser-Melodramen des Sadler’s Wells<br />

Theatre weiterführen würde, alternativ ein Projekt auf der Gr<strong>und</strong>lage des animalischen<br />

Magnetismus oder Mesmerismus, in dem Lady Macbeth <strong>und</strong> Julia mitwirken<br />

könnten. Um Drama begreiflich zu machen, <strong>das</strong>s ihre traditionellen Vorstellungen<br />

endgültig passé sind, führt Puff ihr die aktuellen Publikumsattraktionen von Covent<br />

Garden <strong>und</strong> Drury Lane vor. In Drury Lane zeigt sich ihr zunächst ein Tableau<br />

aus Richard III. – allerdings nicht aus Shakespeares Original, sondern aus<br />

der Bear<strong>bei</strong>tung von Colley Cibber, wogegen die Statue Shakespeares sich heftig,<br />

aber vergeblich verwahrt. Es folgt <strong>das</strong> Duett Arnold / Matilde aus dem II. Akt von<br />

Rossinis Guillaume Tell, jener Oper, in der der französische Tenor Gilbert Duprez<br />

<strong>das</strong> Londoner Publikum <strong>und</strong> die Presse seinerzeit in einen Begeisterungstaumel<br />

versetzte. In <strong>das</strong> Zentrum der Londoner Ballettomania schließlich führt ein Ausschnitt<br />

aus Jean Corallis romantisch-fantastischem Haremsballett La Péri; Alfred<br />

Bunn, Direktor an Drury Lane, beförderte insbesondere <strong>das</strong> Ballett <strong>und</strong> brachte<br />

1843 La Péri mit der vom Publikum vergötterten Carlotta Grisi <strong>und</strong> Lucien Petipa<br />

in den Hauptpartien heraus. Zur Sensation geriet jene Szene im „Pas de songe“,<br />

in der die Grisi sich aus einer Wolke in drei Metern Höhe in die Arme ihres Partners<br />

fallen ließ – <strong>und</strong> genau diesen Sprung als aus dem Zusammenhang gelöste<br />

Spektakelnummer zeigt Puff Drama. Ebenso hoffnungslos wie an Drury Lane erweist<br />

sich die Situation an Covent Garden: hier gibt der französische Kapellmeister<br />

Louis Antoine Jullien „Promenade Concerts“ mit Aufsehen erregendem szenischen<br />

Beiwerk, aktuell unter größtem Zulauf <strong>das</strong> Programm The Destruction of Pompeii<br />

mit spektakulären Bild- <strong>und</strong> Pyrotechnikeffekten. Da offensichtlich ist, <strong>das</strong>s es für<br />

Drama in ihren angestammten Häusern keinen Platz mehr gibt, schlägt Puff ihr<br />

vor auszuwandern. Für den Transport könne man Ariel engagieren, der nicht mehr<br />

in Prosperos Diensten steht, sondern in der Adelaide Gallery Vorträge über „Ariel<br />

Navigation“ hält 21 <strong>und</strong> seine alten Streiche an der Polytechnic Institution vorführt.<br />

Wie sich herausstellt, haben auch Dramas andere Kinder ein neues Auskommen<br />

gef<strong>und</strong>en: Othello hausiert mit Schuhschwärze, Macbeth hat einen Zigarrenladen<br />

eröffnet, <strong>und</strong> Shylock betreibt einen Altkleiderladen in der Nähe des Tower. Schon<br />

ist Drama entschlossen, England zu verlassen, als Portia <strong>und</strong> Nerissa mit der Nachricht<br />

von der Theaterfreiheit erscheinen: Drama ist gerettet, da sie jetzt auch in die<br />

Minor Theatres in Islington, Lambeth oder Whitechapel einziehen kann <strong>und</strong> <strong>das</strong><br />

Haymarket Theatre Drama nun nicht mehr nur im Sommer, sondern <strong>das</strong> ganze<br />

21 Vgl. zum Umfeld: Iwan Rhys Morus: Th e Electric Ariel. Telegraphy and Commercial Cul-<br />

Vgl. zum Umfeld: Iwan Rhys Morus: The Electric Ariel. Telegraphy and Commercial Culture<br />

in Early Victorian England. In: Victorian Studies 39 (1996), S. 339–378.<br />

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