Nr. 5/2005 September & Oktober Ausgabe 21
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FM: Wenn ich hier auf der Insel neue Leute kennen lerne, sind sie wirklich alle<br />
super nett und freundlich. Ich habe aber das Gefühl, dass das auch daran liegt,<br />
dass in den meisten Situationen dann auch „Einheimische“ bei mir sind. …<br />
MM: Zurückhaltung ist vielleicht auch ein bisschen Selbstschutz. Natürlich haben wir alle<br />
Angst davor, dass bei uns alles total überlaufen wird. Jeder, der schon mal in Dänemark zum<br />
Surfen war, weiß, was ich meine. Ich war vor zwölf Jahren zum ersten Mal dort und dachte<br />
schon damals, dass mir die Fischer alle Leid tun, weil sie mit Wohnmobilen zugebombt werden.<br />
Wir haben auch Angst davor, dass so etwas passieren könnte. Zwar „schützt“ uns noch<br />
immer der Hindenburgdamm, weil man bezahlen muss, um auf die Insel zu kommen, aber<br />
wer weiß … Die Menschen, die bei uns unfreundlich gegenüber Fremden sind, sind meist<br />
diejenigen, die selbst nie wegfahren sind und woanders Gastfreundschaft genossen haben.<br />
Im Grunde haben wir hier doch genug Platz. Aber man erlebt Unfreundlichkeiten nicht nur<br />
beim Surfen. Geh mal sonntagmittags im Ruhrpott auf einen öffentlichen Bolzplatz. Wenn<br />
die Locals kommen, die dort jeden Sonntag spielen, wirst du ruckzuck vom Platz gejagt!<br />
FM: Ja, aber die Fußballer sind im Gegensatz zu den Surfern anders gepolt. Ich<br />
spiele selbst und in meiner Mannschaft habe ich noch nie jemanden über den<br />
„Spirit des Balles“ philosophieren hören …<br />
MM: Aber wir reden auch nicht über den Spirit des Surfens. Wir gehen einfach surfen. Es ist<br />
unser Leben, aber da wird kein Film von gemacht.<br />
FM: Magst du Filme über den Spirit des Surfens nicht so gerne?<br />
MM: Ich finde, es wird viel zu viel darüber geredet, um es Leuten zu erklären. Wenn mich<br />
jemand fragt, warum ich surfe, sage ich, dass ich es herrlich finde, es mich fit hält und es<br />
Spaß bringt. Es gibt sehr geile Filme, die das mit Worten erklären, die ich niemals finden<br />
würde, aber viele übertreiben es auch mit ihrem Soul-Scheiß. Das ist mir alles zu fanatisch.<br />
Für uns gehört Surfen einfach zum Leben. Wir treffen uns auf dem Wasser, erzählen uns ein<br />
paar versaute Witze und reden über unsere Familien – das ist unser Leben. Aber es gibt geile<br />
Filme. Ich habe neulich RIDING GIANTS und STEP INTO LIQUID gesehen und die fand ich<br />
echt toll. Mit solchen Filmen kann man „normalen Menschen“ gut verklickern, was für ein<br />
Sport Surfen ist, und nicht durch überhebliche Sprüche wie „Ich bin ein geiler Macker, weil<br />
ich surfe.“ Auch diese Geschichte, dass man andere schief anguckt, wenn sie ein anderes<br />
Board fahren, geht mir so was von auf die Nerven. Soll doch jeder damit rausgehen, womit<br />
er am meisten Spaß hat, denn das ist doch unser oberstes Ziel: Spaß haben auf dem Wasser.<br />
Mittlerweile ist das hier auch so. Erst schreien sie alle, dass wir alte Männer sind, weil wir mit<br />
unseren Longboards rausgehen. Aber irgendwann,<br />
wenn ich genügend Kreise um sie rumgefahren<br />
bin, stellen auch sie ihren Stick in die Ecke.<br />
Das ist es doch! Ich schnapp mir dann wieder meinen<br />
Stick, wenn es größer wird.<br />
FM: Was ist eigentlich aus dieser Brandenburger<br />
Local-Gang geworden? Hießen die nicht BLP?<br />
MM: Weißt du, wie wir sie immer genannt haben?<br />
Brainless people! Die sind immer rumgerannt und<br />
haben an die Buhnen „Locals only“ geschrieben.<br />
Keine Ahnung, was das sollte. Sie wollten sich einfach<br />
nur groß machen. Wir haben sie immer drauf<br />
angesprochen, worauf sie alles geleugnet haben.<br />
Ich versteh den Scheiß nicht, denn eigentlich sind<br />
das feine Kerle, wenn du sie triffst. Aber sie haben<br />
der Insel ein schlechtes Image eingebracht.<br />
FM: Wann bist du deinen ersten Contest<br />
mitgefahren?<br />
MM: Ich habe 1983 mit Wellenreiten angefangen<br />
und ein Jahr später mit dem Windsurfen. Da<br />
Windsurfen damals mehr gepusht wurde, habe<br />
ich mit Windsurfcontests angefangen. Ich bin<br />
über Jürgen Höhnscheid 1987 in den Worldcup<br />
reingekommen. 1988 folgten die Deutschen<br />
Meisterschaften, der Toyota-Wavecup, bei dem<br />
ich sie alle fertig gemacht habe – das war echt<br />
geil. Meine Kumpels saßen am Strand und haben<br />
mich angefeuert, als ich den ersten Platz gemacht<br />
habe. Irre! Na ja, danach habe ich noch zwei, drei<br />
Mal die Deutsche Meisterschaft mitgemacht und<br />
bin sogar noch von Fanatic unterstützt worden,<br />
aber da ging es dann 1991/1992 los, dass<br />
Windsurfen kalte Füße gekriegt hat. Da habe ich<br />
aufgehört. Etwa 1996 ist Billabong auf mich aufmerksam<br />
geworden, weil in einem Surfshop ein<br />
Foto von mir hing. Sie sprachen mich an, ob ich Lust<br />
hätte, von ihnen Material für günstig zu bekommen,<br />
und sie fänden es toll, wenn ich sie hier oben<br />
in der Szene präsentieren könnte. Das habe ich<br />
dann auch gemacht und bin auf der Insel Contests<br />
für sie gefahren. Da gab es dann den Bon-Croque-<br />
Contest und das Longboardfestival. Irgendwann<br />
wollte ich die Deutschen Meisterschaften mitmachen,<br />
durfte aber nicht, weil ich keinen deutschen,<br />
sondern einen österreichischen Pass besitze. Das<br />
fand ich schon ein bisschen dusselig, weil ich, seitdem<br />
ich sechs Monate alt bin, in Deutschland lebe.<br />
Aber mehr Contests habe ich nicht mitgefahren. Es<br />
geht nur um Geld und Prestige und darauf hatte ich<br />
keinen Bock mehr. Hut ab vor den Leuten, die das<br />
so können – ich kann es nicht.<br />
FM: Hast du eine Vorstellung davon, wie<br />
dein weiteres Leben aussehen soll oder<br />
machst du dir darüber keine Gedanken?<br />
MM: Ich denke natürlich über mein weiteres<br />
Leben nach, zumal ich Kinder habe. Ich würde<br />
gerne meinen Job weitermachen, aber ich weiß<br />
noch nicht wie. Ich will auf jeden Fall die Sommer<br />
auf der Insel verbringen und mit meinen Kindern<br />
surfen und segeln gehen. Im Winter will ich<br />
weiterhin meine Kurztrips machen, entweder mit<br />
oder ohne Kinder. Mittlerweile sind sie auch<br />
schon alt genug, um mal ein Stündchen alleine am<br />
Strand zu spielen, wenn Papa surfen geht – herrlich!<br />
Das Interview mit Markus führte Alexander.<br />
Tom Körber Tom Körber<br />
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