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Nr. 5/2005 September & Oktober Ausgabe 21

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FM: Seit wann fotografierst du?<br />

JB: So richtig damit beschäftigt habe ich mich seit 1997. Wenig später kaufte ich mir die<br />

erste vernünftige KB-Spiegelreflexkamera und dann kam eins zum anderen. Ich habe<br />

eine Ausbildung zum Werbefotografen in einem renommierten Werbestudio in Ulm<br />

gemacht. Sobald es Richtung Wasser ging, war die Kamera dabei. Sind die Wellen an<br />

manchen Tagen zu hoch für mich, mache ich Fotos. Wenn sie passen, gehe ich selbst surfen.<br />

FM: Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass es in unserer Branche eher schwierig ist,<br />

mit der Wassersportfotografie Kohle zu verdienen.<br />

JB: Das ist prinzipiell richtig, doch die Hoffnung stirbt zuletzt!<br />

FM: Womit verdienst du dein Geld?<br />

JB: Zusammen mit meinem Co. Lars arbeite ich in der Werbefotografie unter unserem eigenen<br />

Label freerideshots.com und habe zumeist noch zusätzliche Jobs. Wir nehmen derzeit<br />

die verschiedensten Aufträge an, denn die Miete will jeden Monat gezahlt sein. Aber ich<br />

hoffe natürlich, dass sich im Wassersportbereich der eine oder andere Auftrag ergeben<br />

wird. Das Photofolio in eurem Heft ist dahingehend sicherlich nützlich. Neulich hatten wir<br />

den Auftrag, im Rahmen der Beachvolleyball-Weltmeisterschaft in Berlin zu fotografieren.<br />

Das war schon mal unsere Richtung, wir kommen der Sache also langsam näher!<br />

FM: Was würdest du Hobbyfotografen raten, die auch gerne in den professionellen<br />

Bereich aufsteigen wollen? Was muss man machen, um als Fotograf erfolgreich zu sein?<br />

JB: Erst einmal muss man von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt sein. Außerdem darf<br />

man die Fotografie nicht nur als Job verstehen, sondern muss sich mit ihr identifizieren.<br />

Weiterhin muss dir klar sein, dass du früher oder später selbstständig arbeiten wirst. In den<br />

seltensten Fällen findet man eine dauerhafte, feste Anstellung. Viele, die ich während meiner<br />

Ausbildung kennen gelernt habe, sind irgendwann umgeschwenkt und arbeiten jetzt<br />

zum Beispiel als Mediengestalter. Das bedeutet,<br />

eine Menge Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen,<br />

und das ist nicht mein Ding.<br />

FM: Woran erkennt man als Hobbyfotograf,<br />

dass man dazu geeignet ist, auch als professioneller<br />

Fotograf zu arbeiten und sich<br />

selbstständig zu machen?<br />

JB: Ob man das selbst erkennt, weiß ich nicht,<br />

aber es gibt einen Punkt, an dem die Begeisterung<br />

einfach so groß wird, dass man sich vorstellen<br />

kann, mit Fotografieren Geld zu verdienen. Man<br />

bekommt zudem Feedback für die eigenen<br />

Sachen, aus dem oftmals der Entschluss resultiert,<br />

sein Hobby zu professionalisieren. Als<br />

Fotograf siehst du immer deine Ergebnisse, welche<br />

bei genialen Aufnahmen natürlich ungemein<br />

pushen. Das ist nicht bei jedem Job so und bei<br />

der Fotografie ein zusätzlicher Motivationsfaktor.<br />

FM: Wie wichtig ist das Equipment?<br />

JB: Meine erste professionelle Mittelformat-<br />

Ausrüstung, die ich vor vier Jahren gekauft habe,<br />

hat schon eine Menge Geld gekostet, das man<br />

erst wieder reinbekommen muss. Fakt ist: Du<br />

musst wirklich gutes Equipment haben, um auch<br />

qualitativ gute Aufnahmen abzuliefern. Als<br />

meine Kamera (Mamiya 645 AF) das erste Mal in<br />

„Pipeline“ eintauchte, hatte ich für sie ein eigenes<br />

Unterwassergehäuse konstruiert, denn im<br />

Mittelformatbereich gab es keine entsprechenden<br />

Gehäuse zu kaufen; eines anfertigen zu lassen<br />

war unbezahlbar. Neben dem Equipment<br />

spielt die Erfahrung eine große Rolle. Keiner der<br />

Fotografen in „Pipeline“ war jünger als 40 Jahre,<br />

also habe ich noch Zeit, entsprechende Erfahrungen<br />

zu sammeln.<br />

FM: Bei „Pipeline“ im Wasser zu sein ist<br />

nicht gerade ungefährlich, oder?<br />

JB: Kann man so sagen. Als ich das erste Mal an<br />

diesem Spot war, bin ich auch nicht ins Wasser<br />

gegangen, sondern habe vom Strand aus<br />

Aufnahmen gemacht. Als ich das zweite Mal an<br />

den Spot reiste, hatte ich am ersten Tag noch zu<br />

viel Respekt, aber am zweiten Tag war die<br />

Begeisterung größer und ich bin ins Wasser<br />

gegangen. Es war schon sehr schwierig durch<br />

die Sets rauszukommen, aber noch schlimmer<br />

wieder an Land zu kommen. Man sieht nicht,<br />

was da draußen so anrollt. Ist schon viel Glück<br />

Jan Böhme/freerideshots.com Jan Böhme/freerideshots.com<br />

dabei, nicht auf das Riff zu geraten. Am gleichen Tag wollte ein Kameramann mit einer großen<br />

Fernsehkamera ins Wasser, die richtig dick mit Schaumstoff isoliert war. Gleich die<br />

erste Welle hat ihn direkt wieder zum Strand geschickt, ohne dass er nur eine Aufnahme<br />

machen konnte. Das passiert jedem irgendwann.<br />

FM: Welche Spots sind am schönsten zu fotografieren?<br />

JB: Von den Wellen ist Hawaii weit vorn. Es gibt wohl kaum einen anderen Spot, an dem<br />

man so oft gute Wellen, gutes Licht und gute Surfer hat. Aber ich habe bis jetzt nur eine<br />

begrenzte Auswahl an Spots gesehen.<br />

FM: Bist du hier in Deutschland zufrieden oder hast du schon einmal mit dem<br />

Gedanken gespielt, die Zelte hier abzubauen?<br />

JB: Mit Sicherheit habe ich das. Mich halten eigentlich nur meine Familie und Freunde in<br />

Deutschland, ohne sie würde ich schon längst irgendwo am Meer leben.<br />

FM: Hast du diese Einstellung wegen des deutschen Meeres oder generell wegen<br />

des Landes?<br />

JB: Ich würde sagen, wegen beidem. Zunächst hat Deutschland keine konstanten Wellenreit-<br />

Spots. Klar, Ost- und Nordsee sind sehr schön, aber selten zum Wellenreiten geeignet.<br />

Dann kommt hinzu, dass das Leben in Deutschland sehr organisiert und arg materiell ist.<br />

FM: Inwiefern?<br />

JB: Es gibt andere Sachen, die wichtiger sind, als ständig in der Gesellschaft seine<br />

Statussymbole hochzuhalten, zum Beispiel einfach glücklich zu sein.<br />

FM: Empfindest du das in Deutschland so extrem?<br />

JB: Pauschalisierungen sind immer schwierig. Es gibt in Deutschland auf jeden Fall regionale<br />

Unterschiede. Wenn ich mich in Berlin bewege, merkt man schon, dass die Leute<br />

offener und toleranter als in Stuttgart oder München sind. Es fällt generell auf, dass sich<br />

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