90 FM: Seit wann fotografierst du? JB: So richtig damit beschäftigt habe ich mich seit 1997. Wenig später kaufte ich mir die erste vernünftige KB-Spiegelreflexkamera und dann kam eins zum anderen. Ich habe eine Ausbildung zum Werbefotografen in einem renommierten Werbestudio in Ulm gemacht. Sobald es Richtung Wasser ging, war die Kamera dabei. Sind die Wellen an manchen Tagen zu hoch für mich, mache ich Fotos. Wenn sie passen, gehe ich selbst surfen. FM: Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass es in unserer Branche eher schwierig ist, mit der Wassersportfotografie Kohle zu verdienen. JB: Das ist prinzipiell richtig, doch die Hoffnung stirbt zuletzt! FM: Womit verdienst du dein Geld? JB: Zusammen mit meinem Co. Lars arbeite ich in der Werbefotografie unter unserem eigenen Label freerideshots.com und habe zumeist noch zusätzliche Jobs. Wir nehmen derzeit die verschiedensten Aufträge an, denn die Miete will jeden Monat gezahlt sein. Aber ich hoffe natürlich, dass sich im Wassersportbereich der eine oder andere Auftrag ergeben wird. Das Photofolio in eurem Heft ist dahingehend sicherlich nützlich. Neulich hatten wir den Auftrag, im Rahmen der Beachvolleyball-Weltmeisterschaft in Berlin zu fotografieren. Das war schon mal unsere Richtung, wir kommen der Sache also langsam näher! FM: Was würdest du Hobbyfotografen raten, die auch gerne in den professionellen Bereich aufsteigen wollen? Was muss man machen, um als Fotograf erfolgreich zu sein? JB: Erst einmal muss man von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt sein. Außerdem darf man die Fotografie nicht nur als Job verstehen, sondern muss sich mit ihr identifizieren. Weiterhin muss dir klar sein, dass du früher oder später selbstständig arbeiten wirst. In den seltensten Fällen findet man eine dauerhafte, feste Anstellung. Viele, die ich während meiner Ausbildung kennen gelernt habe, sind irgendwann umgeschwenkt und arbeiten jetzt zum Beispiel als Mediengestalter. Das bedeutet, eine Menge Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen, und das ist nicht mein Ding. FM: Woran erkennt man als Hobbyfotograf, dass man dazu geeignet ist, auch als professioneller Fotograf zu arbeiten und sich selbstständig zu machen? JB: Ob man das selbst erkennt, weiß ich nicht, aber es gibt einen Punkt, an dem die Begeisterung einfach so groß wird, dass man sich vorstellen kann, mit Fotografieren Geld zu verdienen. Man bekommt zudem Feedback für die eigenen Sachen, aus dem oftmals der Entschluss resultiert, sein Hobby zu professionalisieren. Als Fotograf siehst du immer deine Ergebnisse, welche bei genialen Aufnahmen natürlich ungemein pushen. Das ist nicht bei jedem Job so und bei der Fotografie ein zusätzlicher Motivationsfaktor. FM: Wie wichtig ist das Equipment? JB: Meine erste professionelle Mittelformat- Ausrüstung, die ich vor vier Jahren gekauft habe, hat schon eine Menge Geld gekostet, das man erst wieder reinbekommen muss. Fakt ist: Du musst wirklich gutes Equipment haben, um auch qualitativ gute Aufnahmen abzuliefern. Als meine Kamera (Mamiya 645 AF) das erste Mal in „Pipeline“ eintauchte, hatte ich für sie ein eigenes Unterwassergehäuse konstruiert, denn im Mittelformatbereich gab es keine entsprechenden Gehäuse zu kaufen; eines anfertigen zu lassen war unbezahlbar. Neben dem Equipment spielt die Erfahrung eine große Rolle. Keiner der Fotografen in „Pipeline“ war jünger als 40 Jahre, also habe ich noch Zeit, entsprechende Erfahrungen zu sammeln. FM: Bei „Pipeline“ im Wasser zu sein ist nicht gerade ungefährlich, oder? JB: Kann man so sagen. Als ich das erste Mal an diesem Spot war, bin ich auch nicht ins Wasser gegangen, sondern habe vom Strand aus Aufnahmen gemacht. Als ich das zweite Mal an den Spot reiste, hatte ich am ersten Tag noch zu viel Respekt, aber am zweiten Tag war die Begeisterung größer und ich bin ins Wasser gegangen. Es war schon sehr schwierig durch die Sets rauszukommen, aber noch schlimmer wieder an Land zu kommen. Man sieht nicht, was da draußen so anrollt. Ist schon viel Glück Jan Böhme/freerideshots.com Jan Böhme/freerideshots.com dabei, nicht auf das Riff zu geraten. Am gleichen Tag wollte ein Kameramann mit einer großen Fernsehkamera ins Wasser, die richtig dick mit Schaumstoff isoliert war. Gleich die erste Welle hat ihn direkt wieder zum Strand geschickt, ohne dass er nur eine Aufnahme machen konnte. Das passiert jedem irgendwann. FM: Welche Spots sind am schönsten zu fotografieren? JB: Von den Wellen ist Hawaii weit vorn. Es gibt wohl kaum einen anderen Spot, an dem man so oft gute Wellen, gutes Licht und gute Surfer hat. Aber ich habe bis jetzt nur eine begrenzte Auswahl an Spots gesehen. FM: Bist du hier in Deutschland zufrieden oder hast du schon einmal mit dem Gedanken gespielt, die Zelte hier abzubauen? JB: Mit Sicherheit habe ich das. Mich halten eigentlich nur meine Familie und Freunde in Deutschland, ohne sie würde ich schon längst irgendwo am Meer leben. FM: Hast du diese Einstellung wegen des deutschen Meeres oder generell wegen des Landes? JB: Ich würde sagen, wegen beidem. Zunächst hat Deutschland keine konstanten Wellenreit- Spots. Klar, Ost- und Nordsee sind sehr schön, aber selten zum Wellenreiten geeignet. Dann kommt hinzu, dass das Leben in Deutschland sehr organisiert und arg materiell ist. FM: Inwiefern? JB: Es gibt andere Sachen, die wichtiger sind, als ständig in der Gesellschaft seine Statussymbole hochzuhalten, zum Beispiel einfach glücklich zu sein. FM: Empfindest du das in Deutschland so extrem? JB: Pauschalisierungen sind immer schwierig. Es gibt in Deutschland auf jeden Fall regionale Unterschiede. Wenn ich mich in Berlin bewege, merkt man schon, dass die Leute offener und toleranter als in Stuttgart oder München sind. Es fällt generell auf, dass sich 91
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