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fiel in Vergessenheit. Niemand zitiert es, keine Bibliographie verzeichnet es, der<br />

Autor selbst erwähnt es in seinen Memoiren nicht. Bis vor kurzem war selbst<br />

seine Existenz unbekannt, niemand konnte einen Blick in das Buch werfen, denn<br />

es war in keiner öffentlichen Bibliothek vorhanden. Erst im Sommer 2006<br />

meldete die UB Tübingen den Besitz eines Exemplars. Wer den Standard der<br />

Aufnahmen alter Bücher in Deutschland kennt, den wird es nicht verwundern,<br />

daß als Verfasser "Wahrist" angesetzt wird, als Übersetzer "Hartlob Rittersporn"<br />

und als Verlagsort "Ohrenstadt". Dem ist natürlich nicht so, aber Bibliothekare<br />

schreiben heute ja keine Aufnahmen, sondern verwalten Datensätze.<br />

Und damit sind wir bei den entscheidenden Fragen angelangt. Wer ist der<br />

Autor? Wogegen richtet sich seine Satire? Warum wurde sie vergessen? Drei<br />

Fragen, auf deren Beantwortung keine Festungshaft mehr steht, auch wenn die<br />

referierten politischen Anschauungen des Autors selbst heute noch revolutionär<br />

klingen. Am einfachsten ist die Frage nach der Autorschaft zu beantworten.<br />

Selbst wer nur Weniges von Lang gelesen hat, erkennt die Eigentümlichkeit<br />

seines Stiles in allen seinen Texten leicht wieder 4 . Das Verzopfte, Mäandernde,<br />

zu keinem Ende Findende, in unendlichen Parenthesen Verschachtelte seiner<br />

Prosa ist so typisch, daß man es kaum nachahmen kann (Parodien auf ihn sind<br />

nicht bekannt). Der Klang dieser Prosa hat etwas Unpoliertes, auch wenn die<br />

Melodie direkt aus dem 18. Jahrhundert stammt. Rabener und der frühe Jean<br />

Paul standen Pate. Sprachinseln des 18. mitten im 19. Jahrhundert 5 .<br />

Wer ihn aufgrund der stilistischen Befunde nicht erkennt, hätte zumindest<br />

Schwierigkeiten. Natürlich geht aus dem Werk hervor, daß der Autor recht<br />

genaue Kenntnisse der Landtagsverhandlungen der beiden ersten bayrischen<br />

Landtage von 1819 und 1822/23 haben mußte 6 und deshalb vermutlich in<br />

Bayern zu finden sein würde. Aber dann kämen immer noch einige andere<br />

Kandidaten in Frage. Aber hier war es einfach: "Le style, c'est l'homme", und<br />

zwar auch im intendierten doppelten Sinne; in der Spracheigentümlichkeit und<br />

in der Mitteilungsqualität. Hier steht ein Mann und kann nicht anders.<br />

Er fängt recht klein und unterhaltsam an: das unerträgliche Brimborium, die<br />

allenthalben anzutreffende Speichelleckerei, die zum Byzantinismus ausgeartete<br />

Weichrauchschwenkerei, das alles ist ihm einfach zuwider und er setzt einen<br />

bärbeißigen Republikanismus dagegen. Heute ist das nur allzu verständlich,<br />

denn wenn man das "Programm über die Feierlichkeiten bei Eröffnung der<br />

Stände-Versammlung" durchliest, gleitet man auf einer Ölspur aus und findet<br />

4<br />

Der überragende Kenner der alten bayrischen Literatur, Professor Reinhard Wittmann, rief nach bloßer Lesung<br />

des Titels aus: "Lang!"<br />

5<br />

Die beste Charakterisierung von Langs Sprachstil findet sich in Sengles "Biedermeierzeit", Bd. II, S. 168: "Er<br />

schreibt Prosa, aber einen merkwürdig verzopften, weilweise auch bewußt archaisierenden Kanzleistil in der<br />

Tradition des 16. und 17. Jahrhunderts."<br />

6<br />

Über die Tätigkeit Langs in der Verfassungskommission und die Durchsetzung fortschrittlicher Prinzipien in<br />

der bayrischen Verfassung von 1818 siehe den vorzüglichen Artikel von Eberhard Weis "Zur<br />

Entstehungsgeschichte der bayerischen Verfassung von 1818 in der ZBLG 48 (1985), S. 413-444.

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