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Patienten-Forum<br />
Ängste überwinden und<br />
mit dem Kind stärker werden<br />
Elterngruppengespräche in der Kinder- und Jugend-<br />
psychiatrie Uchtspringe<br />
»Magersucht – wir hatten darüber mal<br />
einen Bericht im Fernsehen gesehen«,<br />
erinnern sich Marion und Hans-Georg<br />
Schneider.* »Schlimm, dachten wir, aber<br />
es betraf uns nicht.« Das ist jetzt anders.<br />
Ihre Tochter Carolin leidet an dieser Ess-<br />
Störung und wird auf der Station 8A der<br />
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie<br />
Uchtspringe behandelt.<br />
Und wie ergeht es dabei den Eltern?<br />
Wichtig ist, dass wir von Beginn<br />
an in die Therapie einbezogen<br />
wurden. Egal, welches Anliegen<br />
oder welche Frage wir haben, ob wir<br />
ängstlich oder besorgt sind, einfach mal<br />
Trost brauchen: Wir finden immer ein<br />
Dieses Bild malte die neunjährige Adriana aus Gardelegen beim<br />
Sommerfest des Fachkrankenhauses Uchtspringe. Sie beteiligte<br />
sich damit am Wettbewerb des Ministeriums für Gesundheit und<br />
Soziales unter dem Leitmotiv »Familie macht stark« – wie man<br />
hier sieht, auch die Mini-Familie<br />
56 ASKLEPIOS intern 27/2006<br />
offenes Ohr.« Auch in den monatlich<br />
stattfindenden Elterngruppengesprächen<br />
unter Leitung von Oberärztin Dr. Ute<br />
Ebersbach haben die Schneiders eine<br />
wertvolle Möglichkeit entdeckt, sich mit<br />
anderen Betroffenen auszutauschen. »Das<br />
geschieht in entspannter Atmosphäre, die<br />
Eltern kennen sich, und Neuankömmlinge<br />
spüren schnell, wie gut es tut, wenn<br />
man über seine Sorgen sprechen kann<br />
oder auch nur zuhört.« Zu einem besseren<br />
Verständnis trage bei, dass zugleich ein<br />
großer Fundus an Informationen anboten<br />
werde, zum Beispiel über den Einfluss der<br />
Familie bei der Entwicklung im Säuglingsund<br />
Kleinkindalter oder über das tiefenpsychologisch-analytisch<br />
orientierte Psychotherapie-Konzept<br />
der Station.<br />
Aus Sicht von Diana Trautmann, Stationsärztin<br />
auf der benachbarten 8B, können<br />
Eltern im psychodynamischen Gruppenprozess<br />
selbst erfahren, was ihre Kinder<br />
in der täglichen Psychotherapie leisten:<br />
»In der Elterngruppe werden Konflikte<br />
bewusst gemacht und bearbeitet. Es<br />
geht um das Verstehen eigener psychischer<br />
Prozesse, die in der Interaktion mit<br />
den Kindern eine große Rolle spielen.«<br />
Ziel sei es, über neue Möglichkeiten des<br />
Miteinanders in der Familie nachzudenken<br />
und diese später auch im Alltag<br />
gemeinsam zu leben.<br />
Um bei den Elterngesprächen kein<br />
Thema auszusparen, nehmen Vertreter<br />
vieler Berufsgruppen teil: Ärzte, Psychologen,<br />
Stationsschwestern, Sozialarbeiter<br />
und Lehrer. »Häufig sind Eltern in Sorge,<br />
wie es mit ihrem Kind nach der Entlassung<br />
weitergeht«, hat Krankenschwester<br />
Annett Fischer von der 8B beobachtet.<br />
»Da sind auch ganz praktische Tipps und<br />
Ratschläge gefragt.« Zum Beispiel darüber,<br />
welche Unterstützung man beim<br />
Jugendamt bekommt oder wie die Rückkehr<br />
in die Heimatschule am besten gelingen<br />
kann.<br />
Engagierte Eltern, die mit ihrem Kind<br />
gemeinsam stärker werden und sich dabei<br />
auch selbstkritisch hinterfragen, sind in<br />
der Kinder- und Jugendpsychiatrie allerdings<br />
keine Selbstverständlichkeit. So<br />
leben fast 50 Prozent der 12- bis 18-Jährigen,<br />
die auf der Uchtspringer Station 48 B<br />
behandelt werden, im Heim. Mitunter<br />
besteht zu den leiblichen Eltern kein Kontakt.<br />
Andere kommen aus Familien,<br />
denen die sozialen Probleme und ihre<br />
Erziehungsverantwortung längst über den<br />
Kopf gewachsen sind.<br />
Häufig reagieren Mütter und Väter,<br />
die unter Alkohol- oder anderen psychischen<br />
Problemen leiden, recht unreflektiert<br />
und unbeherrscht, wenn es um die<br />
Entwicklungs- und Verhaltensstörungen<br />
ihres Kindes geht. »Trotz all dieser<br />
Schwierigkeiten geben wir nicht auf.<br />
Diese Eltern brauchen unsere individuelle,<br />
aufklärende und stützende Begleitung<br />
besonders dringend«, ist Stationsärztin<br />
Mechthild Bauer überzeugt.<br />
Ein Vorteil der tagesklinischen Elternarbeit<br />
sei, dass die jungen Patienten nach<br />
der Therapie täglich zu Hause sind:<br />
»Dadurch ist die Familie unmittelbar in<br />
den Behandlungsprozess einbezogen,<br />
kann Hilfen und Hinweise zur Problembewältigung<br />
gleich im Alltag erproben.«<br />
*Name geändert Franka Petzke