GoebbelsJoseph-DerSteileAufstieg1944159S.Text c20130123 [159].
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noch heute am Kriege und seinen Aufgaben und Sorgen vorbei und nimmt sich das Recht heraus, wenn schon seinem<br />
gesetzlichen, dann aber nicht seinem moralischen Zwang zu gehorchen. Das schafft auf die Dauer eine Verschiedenheit der<br />
Pflichten, die unerträglich ist und im ganzen Volke nur aufreizend wirkt. Die Regierung ist auch im Kriege nicht in der Lage,<br />
alle staatsbürgerlichen Verpflichtungen in Gesetzesform zu fassen. Sehr viel muß sie dem Anstand, der Einsicht und dem<br />
patriotischen Empfinden des einzelnen überlassen. Sie kann beispielsweise gesetzlich kaum festlegen, wer heute noch mit der<br />
Eisenbahn fahren darf oder wer einen Anspruch auf Platz in einem Winterkurort hat und wer nicht. Sie appelliert deshalb an die<br />
Vernunft und an den guten Willen des Volkes. Die weitaus überwiegende Mehrheit fügt sich diesem moralischen Appell. Es<br />
gibt aber eine kleine Minderheit, die gerade darin ihren persönlichen Vorteil sucht, indem sie hier eine willkommene<br />
Gelegenheit findet, sich um so breiter zu machen. Weil die Fleißigen und Anständigen — das sind bezeichnenderweise immer<br />
dieselben — auf ihren Urlaub, zu dem sie jedes Anrecht besitzen, verzichten, können etliche Faulenzer und Parasiten um so<br />
länger in Urlaub fahren. Sie überfüllen die Eisenbahn, lungern in den Winterkurorten herum, tratschen sich die neuesten<br />
Gerüchte zu, bedauern, daß nicht getanzt werden darf, und füttern den Bauern ihre Butter und ihre Würste weg.<br />
Das muß aufhören! Unser anständiges Volk hat keine Lust, sich durch solche Nichtstuer seinen guten Ruf diskreditieren zu<br />
lassen.<br />
122<br />
Wie kommen beispielsweise die Hunderttausende fleißiger Berliner und Berlinerinnen dazu, stillzuschweigen, wenn ein<br />
paar hundert feine Leute, die zufällig auch in Berlin beheimatet sind, in den Winterkurorten dem Krieg zu entfliehen<br />
versuchen und durch ihr provokatorisches Auftreten für die Reichshauptstadt eine Propaganda machen, die ihr<br />
keineswegs zur Ehre gereicht? Es sind das dieselben Zeitgenossen, die den Krieg nicht als Kampf um unser nationales<br />
und individuelles Leben, sondern nur als lästige Unterbrechung ihres Daueramusements ansehen. Sie respektieren<br />
meist den nationalsozialistischen Staat nur, soweit er ihnen Vorteile verschafft, geben höchst ungern und gänzlich<br />
unzulänglich zum Winterhilfswerk, drücken sich an den Gemeinschaftspflichten vorbei, machen die Regierung<br />
vielleicht noch für das Wetter verantwortlich, der OKW.-Bericht langweilt sie, und den Rundfunk hören sie nur ab,<br />
wenn er Tanzmusik bringt. Der Himmel weiß, woher sie noch ihre Butter und Eier, ihre Stoffe, Schuhe und Kleider<br />
bekommen; aber sie bekommen sie. Sie leben fast wie im Frieden, während wir Krieg führen, und zwar auch für sie.<br />
Wir hoffen, im ganzen Volke Glauben zu finden, wenn wir feststellen, daß wir für die kriegsbedingten Sorgen der arbeitenden<br />
Massen in Stadt und Land das größte Verständnis haben. Wenn wir nicht so oft davon sprechen, so deshalb, weil wir uns soviel<br />
damit in der Praxis des Alltags beschäftigen müssen. Für die kleinen Wehwehchen dieser parasitären Nichtstuer aber besitzen<br />
wir überhaupt kein Organ. Sie sind zu nichts nütze. Sie stehlen dem lieben Herrgott die Zeit. Ihr Herz und ihr Gehirn ist vollkommen<br />
leer. Sie verdienen gar nicht, in einer großen Zeit zu leben, weil sie sie nicht verstehen. Wir würden sie auch keiner<br />
Beachtung für wert halten, wenn sie nicht ein so schlechtes Beispiel gäben und damit vielen anständigen und fleißigen<br />
Volksgenossen allmählich den guten Mut verdürben. Denn nicht nur Tugenden, sondern auch Untugenden sind ansteckend, und<br />
auf keinen Fall<br />
123<br />
darf es so weit kommen, daß der, der treu und brav seine Pflicht erfüllt, am guten Schluß für dumm angesehen wird, und der,<br />
der sich daran vorbeizudrücken versteht, als Ausbund der Schlauheit gilt. Es ist natürlich angenehmer, bequem zu leben und<br />
den Krieg aus der Entfernung zu betrachten. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die, die vor den Pflichten des Krieges fliehen,<br />
auch von den Vorteilen des kommenden Sieges auszuschließen, dann ließe sich darüber reden. Aber die gibt es nicht, und<br />
darum ist daraus die Folgerung zu ziehen: da alle einmal in den Genuß des Sieges kommen, haben alle auch dem Zwang des<br />
Krieges zu gehorchen.<br />
Wir müssen heute einem gewissen Teil der Front, und zwar dem in vorderster Linie kämpfenden, sehr viel zumuten; einem<br />
kleinen Teil der Heimat, und zwar dem in hinterster Linie zuschauenden, dagegen wird nur sehr wenig zugemutet. Hier liegt das<br />
Problem. Da man die Belastungen des besagten Teiles der Front nicht vermindern kann, muß man die Belastungen des besagten<br />
Teiles der Heimat vermehren, um damit einen gewissen Ausgleich der Kriegspflichten herbeizuführen. Das ist schon deshalb<br />
notwendig, weil wir im vierten Kriegsjahr vor ungleich viel schwierigeren Aufgaben stehen als im ersten und demgemäß schon<br />
dafür gesorgt werden muß, daß die öffentliche Kriegsmoral sauber und intakt bleibt. Wir kämpfen im Osten gegen ein System,<br />
das die Totalität des Krieges bis zur barbarischen Grausamkeit gesteigert und vollendet hat. Dem Ansturm des Bolschewismus<br />
sind wir auf die Dauer nur dann überlegen, wenn wir, soweit das überhaupt tunlich und möglich erscheint, auch unser eigenes<br />
Potential ganz ausschöpfen.<br />
Es können hier keine Sonderwünsche und Privatinteressen Berücksichtigung finden. Wie wir früher dem Frieden gaben, was<br />
des Friedens ist, so müssen wir heute dem Kriege geben, was des Krieges ist. Die Gemeinschaft verlangt vom Soldaten, daß er<br />
für ihr Leben und ihren Fortbestand sein eigenes Leben opfert. Wie<br />
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sollte sie nicht von jedem Teil der Heimat verlangen können, daß er sich dem harten Zwang des Krieges beugt und nicht Rechte<br />
für sich in Anspruch nimmt, die ihm zwar im Frieden zustanden, für die im Kriege aber kein Platz mehr ist!