GoebbelsJoseph-DerSteileAufstieg1944159S.Text c20130123 [159].
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australischen. Die Russen neigen in ihren ganzen Auffassungen mehr nach dem Osten als nach dem Westen, und die<br />
Amerikaner sehen in dem gegenwärtigen Konflikt in der Hauptsache eine Auseinandersetzung der Hemisphären, nicht der<br />
Erdteile. Keine dieser drei Großmächte hat je einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung oder zum Leben unseres Kontinents<br />
beigesteuert; im Gegenteil, sie sahen immer nur in seiner blutigen Zerrissenheit eine der wichtigsten Voraussetzungen ihres<br />
eigenen Wohlbefindens. Deshalb lief auch ihre ganze Politik jahrhundertelang darauf hinaus, Europa innerlich zu entzweien,<br />
mindestens aber, es nicht zu einer kontinentalen Ordnung und politischen Konsolidierung kommen zu lassen. Die unglücklichen<br />
staatlichen Verhältnisse auf unserem Erdteil leisteten diesem Bestreben geradezu Vorschub. Neid, Zwietracht, Kurzsichtigkeit<br />
und beschränktes Denken der europäischen Völker und ihrer Regierungen waren die Ursache ihres Mangels an<br />
Gemeinschaftssinn, den sie durch unzählige schwere und blutige Kriege teuer bezahlen mußten.<br />
10<br />
Solange die anderen Kontinente eine gleiche oder ähnliche innere Problematik aufwiesen, war das zwar bedauerlich, aber nicht<br />
lebenbedrohend. Das ist im Verlaufe fast der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anders geworden. Die Völker außerhalb unseres<br />
Kontinents haben angefangen, raumpolitisch zu denken. Sie schließen sich mehr und mehr zu großen wirtschafts-, sprach- und<br />
kulturpolitischen Gebilden zusammen und stehen dabei im Begriff, eine Konzentration der Kräfte zu vollziehen, der wir etwas<br />
auch nur annähernd Gleichwertiges nicht entgegenzustellen haben. Unser Erdteil ist zwar alt und reich an Geschichte und<br />
Tradition, er kann in seiner schöpferischen Unrast mit ihren zum Teil fruchtbarsten Spannungen aus dem Leben der Menschheit<br />
überhaupt nicht weggedacht werden, aber was seine politische Zielstrebigkeit anlangt, ist er seinen kontinentalen Konkurrenten<br />
gegenüber hilflos unterlegen. Europa geht, wenn es keinen Ausweg aus diesem Dilemma findet, an seinem traditionellen<br />
Vorsprung zugrunde. Unsere inneren Gegensätze rauben uns jene Vitalität der politischen und wirtschaftlichen Raumgestaltung,<br />
die es uns gestatten würde, uns auch für das kommende Jahrhundert erfolgreich zu behaupten.<br />
Nicht als wenn wir den anderen Erdteilen ihre Zusammenarbeit verwehren wollten. Im Gegenteil, wir sehen darin sogar die<br />
Voraussetzung für eine klare und präzise Unterscheidung der Wesenheiten der Kontinente und eine gerechte Ausbalancierung<br />
der gegenseitigen Interessen. Es gibt kaum ein Volk in Europa, das nicht einen wertvollen Beitrag zum Werden und zur<br />
Geschichte unseres Erdteils beigesteuert hätte. So sehr man diese Tatsache im einzelnen respektieren mag, so klar ist doch auch<br />
andererseits, daß eine Koordinierung der nationalpolitischen Bestrebungen der einzelnen europäischen Staaten überhaupt nur<br />
stattfinden kann, wenn eine Mächtegruppe dabei die Führung übernimmt. Die Erfahrung der Vergangenheit seit dem Ende des<br />
ersten Weltkrieges und die geschichtliche Erfahrung im ganzen weisen nach, daß ein Zusammen-<br />
11<br />
gehen von Völkergruppen zum Zwecke der einheitlichen Vertretung gemeinsamer Interessen überhaupt nur auf dem Wege<br />
eines im Kampf gewordenen und von allen anerkannten Führungsanspruchs des Stärkeren ermöglicht werden kann. Man mag<br />
das bedauern, aber es ist so, daß nur der Krieg jene Aufweichung von Erstarrungen und Verkrustungen bewerkstelligt, die die<br />
Voraussetzung für die Bildung neuer nationalpolitischer Gemeinschaften ist.<br />
Es kann dabei in unserem Falle wenigstens von Vergewaltigung überhaupt nicht die Rede sein. Das kommende neue Europa<br />
wird ein Gebilde darstellen, das seinen Teilnehmern und Nutznießern entschieden mehr Vorteile als Nachteile bieten wird. Mit<br />
verhältnismäßig geringen Zugeständnissen an die neue Ordnung erwerben sich die daran beteiligten Völker und Staaten eine<br />
wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Sicherheit, die sie in den schweren Stürmen der noch vor uns liegenden Zeit<br />
großer Umwälzungen sonst gar nicht behaupten könnten. Fast jeder Krieg von geschichtlich entscheidender Bedeutung hat nicht<br />
nur neue Macht- und Interessenverlagerungen mit sich gebracht, er hat auch immer eine Gesellschaftsschicht abgelöst und<br />
durch eine andere ersetzt. Diese Tatsache verleiht ihm für die lebende Generation oft einen Charakter der Melancholie<br />
dergestalt, daß sie leicht zu glauben geneigt ist, mit dieser Schicht gehe auch eine Kultur zugrunde. Das ist aber nicht der Fall.<br />
Nur ein Zeitalter neigt sich dabei seinem Ende zu, und wo es weicht, macht es einem anderen, jüngeren Platz. Das ist der Lauf<br />
der Welt und schließlich auch der tiefere Sinn der geschichtlichen Entwicklung.<br />
Der ist am ungeeignetsten, einen solchen Prozeß objektiv zu beurteilen, der mit seiner Gesellschaftsschicht auch selbst durch<br />
ihn abgelöst wird. Die Emigrantencliquen aus den europäischen Staaten, die, als ihre Länder, und zwar fast ausschließlich durch<br />
ihre eigene Schuld, in Gefahr gerieten, nach London ausrissen, um der britischen Regierung mehr oder weniger gut bezahlte<br />
12<br />
Zutreiberdienste in ihren antieuropäischen Bestrebungen zu leisten, sind die schlechtesten Sachwalter der Interessen ihrer<br />
Völker. Sie gehören ja zu jener Schicht, die überflüssig geworden ist, die der Neuformung unseres Kontinents im Wege steht,<br />
die die Gefahr floh, weil sie zum Kämpfen zu müde und zu verbraucht war, und nun keinen anderen Ausweg aus dem Dilemma<br />
mehr sieht als die stupide Rückkehr zu jenem Zustand, der die heutige Katastrophe heraufbeschworen hat und sie, wenn er<br />
wiederhergestellt wäre, immer wieder aufs neue heraufbeschwören würde.<br />
Das ist auch der Grund, warum sich diese verwahrloste Bande von feigen Ignoranten, parasitären Nichtstuern und<br />
monarchischen Geschichtskomparsen in London einer so ausgesuchten Pflege und großzügigen Unterstützung erfreut. Mit<br />
ihnen hofft England jenes Europa wieder etablieren zu können, das ihm gefällt, das auf seinen Wink gehorcht, das keinen<br />
eigenen kontinentalen Willen besitzt und nach Bedarf und Belieben in seine Bestandteile aufgelöst und damit politisch und