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Gefahr durch deutsche Islamisten - Die Welt

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MITTWOCH, 6. OKTOBER 2010 * WELT KOMPAKT<br />

THEMA 3<br />

Jetzt muss er hinter Gitter und 180 000 Jahre lang Strafe zahlen<br />

lichkeiten und Lücken im Kontrollsystem<br />

der Société Générale. Kerviel<br />

selbst hatte stets darauf beharrt, mit<br />

Billigung seines Arbeitgebers gehandelt<br />

zu haben. Seine Vorgesetzten<br />

hätten solange beide Augen zugedrückt,<br />

wie er mit seinen gewagten<br />

Transaktionen Gewinne machte.<br />

In seinen jetzt auch auf deutsch<br />

erschienen Memoiren „Nur ein Rad<br />

im Getriebe“ klagt Kerviel den Zynismus<br />

eines Finanzsystems als<br />

■ <strong>Die</strong> Höhe des Strafgelds entspricht<br />

genau dem Verlust, den Kerviel im<br />

Jahr 2008 verursacht hatte<br />

Ganzes an: Es sei eine vollkommen<br />

von der Realität abgekoppelte Sphäre,<br />

die „Kapitel aus denjenigen<br />

schlägt, die darin arbeiten, das sie<br />

aber bedenkenlos fallen lässt, wenn<br />

sie versagen.“ En detail schildert er<br />

zahlreiche Auswüchse: Seinen Darstellungen<br />

zufolge lud die Bank ausgewählte<br />

Händler zu Lustwochenenden<br />

ein. Der Alkohol floss in Strömen<br />

und Stars boten ein Unterhaltungsprogramm<br />

für teures Geld.<br />

Bei solchen Anlässen hätten die<br />

Risikomanager, die eigentlich dafür<br />

zuständig sind, für Disziplin zu sorgen,<br />

<strong>durch</strong>blicken lassen, dass die Finanzmarkt-Regularien<br />

nicht allzu<br />

ernst zu nehmen seien. „<strong>Die</strong> Chefin<br />

der Risikoabteilung, die wissen<br />

musste, wovon sie sprach, sang leise<br />

und verführerisch: ‚<strong>Die</strong> Risiken, die<br />

wir eingehen, liegen jenseits aller<br />

Gesetze…’“ So ist es in seinem Buch<br />

zu lesen. An einer anderen Stelle beschreibt<br />

er den Sketch eines Chefverkäufers<br />

der Bank in einem Hütchenspiel:<br />

„‚Sehr verehrte Damen<br />

und Herren, es geht für Sie genau<br />

wie für die Kunden darum, die Marge<br />

zu finden… Wo ist sie denn hin,<br />

die Marge? Da nicht … Da auch nicht<br />

… Ah! Sie ist in meiner Tasche!’ Hysterisches<br />

Gelächter.“<br />

Der Finanzsektor scheint Betrüger<br />

und Zocker geradezu anzuziehen.<br />

Immer wieder brachten Händler<br />

und Manager mit gewagten Wetten<br />

an den Rand des Ruins oder sogar<br />

darüber hinaus. Der Engländer<br />

Nick Leeson ru-<br />

inierte in den<br />

Neunzigerjahren<br />

die traditionsreichebritischeHandelsbank<br />

Barings mit<br />

Handelsverlusten von 1,4 Milliarden.<br />

Dollar. Er wurde dafür 1995 in Singapur<br />

zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.<br />

Er erhielt für jede verzockte<br />

Milliarde 4,7 Jahre Gefängnis. Japans<br />

bekanntester Schurkenhändler Yasuo<br />

Hamanaka büßte jede Milliarde,<br />

die er verspielte, mit drei Jahren ab.<br />

Bei Kerviel, der mehr Minus machte,<br />

als jeder andere Händler, betrug das<br />

Strafmaß umgerechnet ein halbes<br />

Jahr pro Dollarmilliarde.<br />

Kein Trader war Bernard Madoff,<br />

der in Geschichtsbücher als der<br />

größte Finanzbetrüger eingeht: Der<br />

leutselig wirkende Amerikaner baute<br />

ein 65 Milliarden Dollar schweres<br />

Schneeball-System auf: Statt das ihm<br />

anvertraute Geld zu investieren,<br />

brachte er es im großen Stil <strong>durch</strong>.<br />

Er besaß mehrere Luxusappartements,<br />

unter anderem am New Yorker<br />

Central Park, und lebte in Saus<br />

und Braus. Madoff schädigte die Anleger,<br />

darunter viele Prominente, um<br />

die unglaubliche Summe von insgesamt<br />

20 Milliarden Dollar. Im Jahr<br />

2009 wurde er dafür zu 150 Jahren<br />

Gefängnis verurteilt. Während andere<br />

Milliardenbetrüger im Luxus<br />

schwelgten, führte Kerviel ein eher<br />

bescheidenes Leben. Seine Mutter<br />

betrieb bis zu ihrer Pensionierung<br />

einen Friseursalon in Pont l’Abbé, einem<br />

malerischen Ort in der Bretagne.<br />

Sein Vater, ein Kunstschmied,<br />

arbeitete bis zu seinem Tod als Ausbilder<br />

in einer Lehrlingswerkstatt.<br />

Elitäre Wirtschaftshochschulen<br />

blieben dem einst pummeligen jungen<br />

Mann, den Mitschüler als Teenager<br />

„Doppelzentner“ nannten, verschlossen<br />

und so musste er an den<br />

weniger renommierten Universitäten<br />

von Nantes und Lyon studieren.<br />

Als Aktienhändler lebte Kerviel<br />

stets bescheiden in einer kleinen<br />

Wohnung in einem Pariser Vorort.<br />

Von seinen Bonuszahlungen kaufte<br />

er sich weder einen Porsche noch<br />

maßgefertigte Anzüge, sondern einen<br />

kleinen weißen Hund. „Mister<br />

Nobody“ spöttelten damals einige<br />

seiner Kollegen über ihn. Zumindest<br />

das dürfte sich geändert haben. Und<br />

die Hollywood-Verfilmung dürfte<br />

ziemlich sicher kommen.<br />

http://bit.ly/c0uUJy<br />

Folgen Sie<br />

Michael Bee<br />

auf Twitter<br />

twitter.com/wk_bee<br />

AP/LAURENT CIPRIANI<br />

Der frühere Wertpapierhändler<br />

Jérôme<br />

Kerviel muss 4,9<br />

Milliarden Euro<br />

erstatten. Das Video<br />

zum Urteil.<br />

Finanzbetrüger richten<br />

immense Schäden an<br />

Abgezockt: die spektakulärsten Fälle<br />

Berlin – Betrüger haben schon<br />

mehrfach riesige Schäden mit Finanzgeschäften<br />

angerichtet. Bei<br />

einigen wie bei Bernard Madoff<br />

oder Jérôme Kerviel ging es um<br />

Milliarden. <strong>Die</strong> Zahl der Geschädigten<br />

geht in die Tausende. Einige<br />

spektakuläre Fälle:<br />

Dezember 2009: Der Milliardär und<br />

Hedgefonds-Chef Raj Rajaratnam<br />

wird in New York wegen Betrugs<br />

und Verschwörung angeklagt. Zusammen<br />

mit 21 Komplizen soll er<br />

<strong>durch</strong> Insider-Geschäfte bei großen<br />

Firmenzusammenschlüssen<br />

laut US-Börsenaufsicht SEC illegale<br />

Gewinne von 53 Millionen<br />

Dollar (36 Millionen Euro) eingestrichen<br />

haben. Unter anderem<br />

ging es um Aktien von IBM, Google<br />

und der Hilton- Hotelkette.<br />

Juni 2009: Der US-Milliardenbetrüger<br />

Bernard Madoff wird von<br />

einem Gericht in New York zu 150<br />

Jahren Gefängnis verurteilt. Der<br />

Ex-Broker hatte mit einem rund 65<br />

Milliarden Dollar (46 Milliarden<br />

Euro) schweren Schneeball-System<br />

beim bis dahin größten Betrugsfall<br />

der Finanzgeschichte<br />

weltweit tausende Anleger geschädigt.<br />

Februar 2009: US-Behörden decken<br />

den Milliarden-Schwindel um die<br />

texanische Stanford International<br />

Investment Bank auf. Nach Angaben<br />

der US-Börsenaufsicht SEC<br />

soll Robert Allan Stanford mit seiner<br />

Bank Anleger um rund acht<br />

Milliarden Dollar (6,3 Milliarden<br />

Euro) geprellt haben. Im Juni wird<br />

Stanford festgenommen.<br />

Januar 2009: <strong>Die</strong> spanische Polizei<br />

hebt eine Betrügerbande aus, die<br />

an der Londoner Börse 450 Millionen<br />

Euro erschwindelt haben soll.<br />

<strong>Die</strong> Bande soll über fünf Jahre die<br />

Aktienkurse einer Scheinfirma<br />

mit komplizierten Transaktionen<br />

und gefälschten Papieren künst-<br />

lich in die Höhe getrieben und<br />

dann mit großen Gewinnen verkauft<br />

haben.<br />

Januar 2005: Der Betrug der Frankfurter<br />

Firma Phoenix Kapitaldienst<br />

fliegt auf. Das Unternehmen<br />

hatte seit Anfang der 1990er<br />

Jérôme Kerviel betrog das französische<br />

Institut Société Générale<br />

Jahre mit Hilfe gefälschter Unterlagen<br />

Wertpapiergeschäfte vorgetäuscht<br />

und Anleger so um insgesamt<br />

gut 600 Millionen Euro geprellt.<br />

Zwei Ex-Manager werden<br />

2006 zu mehrjährigen Haftstrafen<br />

verurteilt.<br />

Juni 2002: Ein Bilanzbetrug des<br />

zweitgrößten USA-Anbieters von<br />

Ferngesprächen WorldCom im<br />

Umfang von 3,85 Milliarden Dollar<br />

(3,97 Milliarden Euro zum damaligen<br />

Wechselkurs) erschüttert<br />

weltweit die Börsen. Im August<br />

gibt das zahlungsunfähige Unternehmen<br />

zusätzliche Falschbuchungen<br />

in Höhe von 3,2 Milliarden<br />

Euro zu. Im März 2005 wird<br />

Ex-WorldCom-Chef Bernard Ebbers<br />

in New York wegen Betrugs<br />

zu einer Gefängnisstrafe über 25<br />

Jahre verurteilt.<br />

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AFP/JACQUES DEMARTHON

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