Kurzfassungen der Vorträge - TLL
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Thüringer Ministerium<br />
für Landwirtschaft,<br />
Naturschutz und Umwelt<br />
Thüringer Landesanstalt<br />
für Landwirtschaft<br />
8. Jahrestagung<br />
Thüringer Landwirtschaft<br />
9. Februar 2006<br />
Kongresszentrum <strong>der</strong> Messe Erfurt AG<br />
Carl-Zeiss-Saal<br />
<strong>Kurzfassungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong>
PLENARVORTRÄGE<br />
PLENARVORTRÄGE<br />
Die ländliche Entwicklungspolitik 2007 bis 2013 –<br />
Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes<br />
Dr. Martin Scheele<br />
* * * * *<br />
Nationale und regionale Umsetzung <strong>der</strong> ELER-Verordnung – Abschätzung <strong>der</strong><br />
Weiterentwicklung KULAP, Ausgleichszulage und investive För<strong>der</strong>ung<br />
Dr. Joachim Ernst<br />
* * * * *<br />
Einfluss <strong>der</strong> Weltagrarmärkte auf die nationalen Märkte - Tendenzen des Nahrungsmittel- und<br />
Rohstoffbedarfs <strong>der</strong> Erde und Auswirkungen auf die Landwirtschaft<br />
Dr. Josef Schmidhuber<br />
* * * * *<br />
Chancen und Risiken des globalen Schweinefleischmarktes<br />
Matthias Kohlmüller<br />
* * * * *<br />
Neue Arbeitsplätze im ländlichen Raum<br />
Adalbert Kienle<br />
* * * * *<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 2<br />
9. Februar 2006
Die ländliche Entwicklungspolitik 2007 bis 2013 –<br />
Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes<br />
Dr. Martin Scheele *)<br />
(Generaldirektion Landwirtschaft, Europäische Kommission Brüssel)<br />
*) Dieser Beitrag reflektiert die Auffassungen des Autors und deckt sich daher nicht notwendigerweise in allen<br />
Punkten mit <strong>der</strong> Position <strong>der</strong> Europäischen Kommission.<br />
Zielsetzungen einer nachhaltigen Entwicklung <strong>der</strong> Landwirtschaft und des ländlichen Raums<br />
Die Landwirtschaft - und mit ihr die Agrarpolitik - stehen unter dem Druck vielfältiger Ansprüche.<br />
Und in den lebhaften Diskussionen um die Finanzierung <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik<br />
ist deutlich geworden, dass nur die Beachtung dieser Ansprüche die Akzeptanz und den Bestand<br />
<strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik sichern kann.<br />
Das Spektrum <strong>der</strong> gesellschaftlichen Zielsetzungen ist weit: Die Sicherheit <strong>der</strong> Lebensmittel<br />
und <strong>der</strong>en Qualität stehen auf <strong>der</strong> Prioritätenliste ganz oben. Saubere Luft, Wasser, Artenvielfalt<br />
und Habitatschutz sind zentrale Anliegen. Ein größeres Engagement wird hinsichtlich <strong>der</strong><br />
Sicherstellung artgerechter Haltungsformen angemahnt. Und jenseits solcher, teilweise auf<br />
intangible Werte gerichteten For<strong>der</strong>ungen, manifestiert sich <strong>der</strong> Verbraucherwille im Kaufverhalten<br />
als Jagd nach niedrigen Preisen.<br />
In <strong>der</strong> konfliktgeladenen Diskussion um die Gemeinsame Agrarpolitik hat sich mehr und mehr<br />
<strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Nachhaltigkeit als Konsens stiftendes Konzept etabliert, und es ist gewiss kein<br />
Zufall, dass die Zielformulierungen <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik programmatisch auf die<br />
Nachhaltigkeit Bezug nehmen. In den verschiedenen Facetten des Nachhaltigkeitsbegriffs<br />
spiegeln sich Anliegen von Landwirten, Verbrauchern und Umweltschützern wie<strong>der</strong>. Nachhaltigkeit<br />
umfasst den Schutz unserer ökologisch wertvollen Kulturlandschaften und natürlichen<br />
Ressourcen ebenso wie die sozial ausgewogene Entwicklung <strong>der</strong> Lebensbedingungen im ländlichen<br />
Raum. Und es ist evident, dass ökonomische Tragfähigkeit eine grundlegende Voraussetzung<br />
nachhaltiger Entwicklung ist.<br />
Reformen als Antwort auf neue Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
Die Gemeinsame Agrarpolitik hat sich seit ihrem Bestehen beständig fortentwickelt. Dabei hat<br />
die Notwendigkeit einer fortwährenden Anpassung <strong>der</strong> Politik in Richtung einer stärkeren<br />
Wettbewerbs- und Marktorientierung eine bestimmende Rolle gespielt. Außerdem wurde <strong>der</strong><br />
Notwendigkeit von Maßnahmen zur besseren Einhaltung von Standards im Bereich Umwelt,<br />
Nahrungssicherheit und Tierschutz Rechnung getragen.<br />
In Bezug auf die genannten Zielsetzungen haben die zwischen 2003 und 2005 beschlossenen<br />
Reformen <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik - und zwar die Rückführung <strong>der</strong> Preisstützung für<br />
ausgewählte Produkten, die Entkopplung und Neugestaltung <strong>der</strong> Direktzahlungen, und Maßnahmen<br />
zur besseren Einhaltung von Standards - wichtige Beiträge geleistet.<br />
Als vorerst letzter Schritt in einer langen Reihe von Reformen bietet die Neugestaltung <strong>der</strong><br />
Ländlichen Entwicklungspolitik ein weites Spektrum zielgerichteter Instrumente, <strong>der</strong>en Einsatz<br />
auf den regionsspezifischen Handlungsbedarf zugeschnitten werden kann.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 3<br />
9. Februar 2006
Europäische Entwicklungspolitik für den ländlichen Raum<br />
Die ländliche Entwicklungspolitik möchte Lösungen für neue Herausfor<strong>der</strong>ungen und für die<br />
Sicherung neuer Funktionen <strong>der</strong> Landwirtschaft und des ländlichen Raums bereitstellen. Sie<br />
zielt auf eine Verbesserung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit des Agrar- und Ernährungssektors. Sie<br />
för<strong>der</strong>t die Diversifizierung und Innovation in den ländlichen Gebieten. Und sie trägt mit gezielten<br />
Anreizen für die Landwirtschaft zum Erhalt <strong>der</strong> ländlichen Umwelt und Landschaften<br />
und damit <strong>der</strong> Lebensqualität und Attraktivität ländlicher Räume bei.<br />
Kurz – die ländliche Entwicklungspolitik för<strong>der</strong>t Anpassungsprozesse und die Wahrnehmung<br />
gesellschaftlicher Funktionen <strong>der</strong> Landwirtschaft im Sinne einer stärker von Wertschöpfung<br />
und Flexibilität geprägten Wirtschaft und ist daher ein wichtiger Beitrag <strong>der</strong> Gemeinsamen<br />
Agrarpolitik zur Umsetzung <strong>der</strong> Lissabon-Strategie.<br />
Die europäische Entwicklungspolitik für den ländlichen Raum basiert auf gemeinschaftlich<br />
festgelegten Zielen; aber sie muss zugleich den Unterschieden in den ländlichen Gebieten<br />
innerhalb <strong>der</strong> EU Rechnung tragen. Die unterschiedlichen administrativen Strukturen in den<br />
EU-Mitgliedstaaten, verschiedene Kulturen <strong>der</strong> Politikumsetzung und die Unterschiede hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> komplementären nationalen Politiken für den ländlichen Raum müssen in die<br />
Gestaltung <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik einbezogen werden. Schließlich ist es zwingend,<br />
die Nachvollziehbarkeit <strong>der</strong> Mittelverwendung sicherzustellen und Rechenschaft über Ziele<br />
und Effektivität des Mitteleinsatzes abzulegen.<br />
Die Verordnungen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung des ländlichen Raumes<br />
Die neuen Verordnungen für die Finanzierung und inhaltliche Ausrichtung <strong>der</strong> Ländlichen<br />
Entwicklungsprogramme <strong>der</strong> För<strong>der</strong>periode 2007 bis 2013 wurden im Sommer 2005 vom Rat<br />
angenommen. Dabei handelt es sich zum einen um die Ratsverordnung (EG) 1290/2005 zur<br />
Finanzierung <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik und zum an<strong>der</strong>en um die Ratsverordnung (EG)<br />
1698/2005 über die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung des ländlichen Raumes.<br />
Diese Verordnungen schreiben Bewährtes fort und führen darüber hinaus wichtige Neuerungen<br />
ein.<br />
• So wurde die bislang komplizierte, aus verschiedenen Fonds gespeiste Finanzierung durch<br />
ein einziges Finanzierungs- und Programmplanungsinstrument, den Europäischen<br />
Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), ersetzt.<br />
• Die Zusammenfassung <strong>der</strong> Finanzierung in einem einzigen Fond erlaubt die bisher drei<br />
Systeme für Finanzmanagement und Kontrollen auf ein einziges System zu reduzieren. Statt<br />
bisher fünf Programmplanungsvarianten gibt es ab 2007 nur noch ein Programmplanungssystem.<br />
• Neu sind auch <strong>der</strong> strategische Ansatz zur Programmierung und dessen Einbettung in eine<br />
systematische Überprüfung <strong>der</strong> Zielerreichung. Die Programminhalte müssen sich am Bedarf<br />
vor Ort wie auch an auf <strong>der</strong> EU Ebene verabschiedeten strategischen Orientierungen<br />
ausrichten.<br />
• Ein besser abgestimmtes Monitoring- und Evaluierungssystem soll eine Überprüfung <strong>der</strong><br />
Leistungsfähigkeit des eingesetzten Instrumentariums und damit eine bessere Anpassungs-<br />
und Lernfähigkeit <strong>der</strong> Ländlichen Entwicklungspolitik erlauben.<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 4<br />
9. Februar 2006
Inhaltliche Orientierungen <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik 2007 bis 2013<br />
Die neue Verordnung zur Ländlichen Entwicklungspolitik identifiziert drei große Ziele:<br />
• Stärkung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit von Land- und Forstwirtschaft durch die För<strong>der</strong>ung von<br />
Umstrukturierung, Mo<strong>der</strong>nisierung und Qualitätserzeugung<br />
• Umweltschutz und Landschaftspflege durch die För<strong>der</strong>ung eines angemessenen nachhaltigen<br />
Landmanagements<br />
• Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität in ländlichen Gebieten und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Diversifizierung<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen Tätigkeit<br />
Jedem <strong>der</strong> drei großen Ziele entspricht im Rahmen <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungsprogramme<br />
eine thematische „Achse“. Die drei thematischen Achsen werden ergänzt durch eine methodische<br />
Achse, die auf dem LEADER-Ansatz basiert.<br />
• Die thematische Schwerpunktachse 1, ist <strong>der</strong> „Verbesserung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong><br />
Land- und Forstwirtschaft“ gewidmet. Sie enthält unter an<strong>der</strong>em Maßnahmen wie Investitionsbeihilfen,<br />
Vermarktungsför<strong>der</strong>ung, Vorruhestand, Fortbildung und Beratung und Infrastrukturmaßnahmen.<br />
• Die thematische Schwerpunktachse 2 betrifft den „Erhalt <strong>der</strong> Umwelt und Kulturlandschaft“.<br />
Diese Achse enthält die Ausgleichszulagen, Ausgleichszahlungen im Rahmen von NATURA<br />
2000, Forstmaßnahmen, Tierschutzmaßnahmen und schließlich die Agrarumweltmaßnahmen,<br />
<strong>der</strong>en Aufnahme in die Programme verbindlich bleibt.<br />
• Die thematische Schwerpunktachse 3 zielt schließlich auf die „Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität<br />
und Diversifizierung“. Diese Achse enthält unter an<strong>der</strong>em Maßnahmen zur Diversifizierung<br />
von Einkommensquellen, die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gründung von Kleinstunternehmen, die<br />
För<strong>der</strong>ung des Fremdenverkehrs und die Dorferneuerung.<br />
• Mit <strong>der</strong> LEADER-Achse werden Maßnahmen <strong>der</strong> Achsen 1 bis 3 auf <strong>der</strong> Grundlage von Entwicklungsstrategien<br />
nach dem LEADER-Konzept umgesetzt. Zentrale Elemente dieses Ansatzes<br />
sind Bürgerbeteiligung, För<strong>der</strong>ung lokaler Initiativen, sowie die Vernetzung von Aktionsgruppen<br />
zum Zweck des Erfahrungsaustausches und gegenseitigen Lernens.<br />
Die Ausgewogenheit des Mitteleinsatzes für die verschiedenen Achsen wird durch Mindestsätze<br />
abgesichert. Mindestens 10 % <strong>der</strong> für einen jeweiligen Mitgliedstaat vorgesehenen Mittel<br />
müssen für die Schwerpunktachsen 1 und 3 und mindesten 25 % für die Schwerpunktachse 2<br />
verwendet werden. Für LEADER sind insgesamt 5 % <strong>der</strong> Mittel, deckungsfähig aus Maßnahmen<br />
<strong>der</strong> Achsen 1 bis 3, vorzusehen.<br />
Die Kofinanzierung durch die EU beträgt für die Achsen 1 und 3 als Standardsatz höchstens<br />
50 %, darf aber in den Konvergenzregionen bis 75 % gehen. Für die Achse 2 betragen die<br />
entsprechenden Kofinanzierungssätze 55 o<strong>der</strong> 80 %.<br />
Der strategischer Ansatz für die Programmplanung<br />
Eine weitere Herausfor<strong>der</strong>ung besteht darin, die ländliche Entwicklungspolitik an einem gemeinschaftlichen<br />
strategischen Rahmen zu orientieren und die Umsetzung auf den Bedarf<br />
unterschiedlicher ländlicher Räume abzustimmen. Die übergreifenden gemeinschaftlichen<br />
Ziele <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik sind in den strategischen Leitlinien <strong>der</strong> EU festgelegt,<br />
die in den nationalen Strategien aufgegriffen und schließlich in den Programmen, unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> regionsspezifischen Beson<strong>der</strong>heiten, umzusetzen sind.<br />
In den strategischen Leitlinien <strong>der</strong> Gemeinschaft werden diejenigen Bereiche identifiziert, in<br />
denen die EU-För<strong>der</strong>ungen für die ländliche Entwicklung den höchsten Zielbetrag erwarten<br />
lässt. Mit den strategischen Leitlinien wird eine direkte Verbindung zwischen zentralen EU-<br />
Prioritäten (Lissabon-Strategie, Göteborg-Strategie) und den strategischen Orientierungen <strong>der</strong><br />
ländlichen Entwicklungspolitik hergestellt. Die strategischen Leitlinien sollen die Kohärenz in<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 5<br />
9. Februar 2006
Bezug auf an<strong>der</strong>e EU-Politiken gewährleisten, insbeson<strong>der</strong>e zu den Bereichen Regionalentwicklung<br />
und Umwelt, und sie sollen sicherstellen, dass die ländliche Entwicklungspolitik die<br />
Reformen <strong>der</strong> ersten Säule <strong>der</strong> Agrarpolitik und die daraus resultierenden strukturellen Anpassungen<br />
adäquat begleitet.<br />
Eine Übertragung <strong>der</strong> EU-Prioritäten auf die jeweilige nationale Situation wird durch nationale<br />
Strategiepläne gewährleistet. Die nationalen Strategiepläne bringen den Bedarf und die Prioritäten<br />
des jeweiligen Mitgliedstaates zum Ausdruck, wie<strong>der</strong>um unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Kohärenz<br />
und Komplementarität zu an<strong>der</strong>en Politiken, insbeson<strong>der</strong>e zur Kohäsionspolitik. Aus<br />
den jeweiligen nationalen Strategieplänen entwickeln sich dann die spezifischen nationalen<br />
o<strong>der</strong> regionalen Entwicklungsprogramme mit klar definierten Maßnahmen zur Erreichung <strong>der</strong><br />
jeweiligen strategischen Ziele in den einzelnen Regionen.<br />
Dieser strategische Ansatz zielt auf die Verwirklichung eines an konsistenten Zielen überprüfbaren<br />
Mitteleinsatzes. Eine logische Konsequenz dieses Ansatzes ist die Einbettung in ein<br />
leistungsfähiges Monitoring- und Evaluierungssystem. Die Evaluierung gewährleistet die Bewertung<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Umsetzungsschritte, von <strong>der</strong> Programmformulierung bis zur Umsetzung<br />
und nachgängigen Programmüberprüfung, nach gemeinschaftlichen Standards. Sie<br />
legt Rechenschaft über Erfolg o<strong>der</strong> Misserfolg <strong>der</strong> Programmumsetzung ab und erlaubt so<br />
eine systematische Programmüberprüfung und gegebenenfalls Programmkorrektur.<br />
Durch den Aufbau eines „Europäischen Netzwerks zur ländlichen Entwicklungspolitik“ soll die<br />
Programmumsetzung sowie die Funktionsfähigkeit des Programm begleitenden Monitoring-<br />
und Evaluierungssystems unterstützt werden. Dieses Netzwerk soll den Erfahrungsaustausch<br />
zwischen verschiedenen Akteuren <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik för<strong>der</strong>n, bei <strong>der</strong> Etablierung<br />
von Daten- und Informationssystemen behilflich sein, das für die Programmevaluierung<br />
erfor<strong>der</strong>liche analytische Instrumentarium fortentwickeln, und durch begleitende Studien und<br />
Seminare zur Verbesserung zur Informationsübermittlung beitragen.<br />
Ausblick<br />
Spätestens seit <strong>der</strong> Agenda 2000 orientiert sich die Fortentwicklung <strong>der</strong> Agrarpolitik an Zielen<br />
<strong>der</strong> stärkeren Marktorientierung, <strong>der</strong> verbesserten Transfereffizienz, <strong>der</strong> besseren Einhaltung<br />
von Standards in den Bereichen Umwelt, Tierschutz und Nahrungsmittelsicherheit, <strong>der</strong> strikten<br />
budgetären Disziplin sowie <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik.<br />
Die Reformen seit 2003 sind mit ihren Elementen <strong>der</strong> Marktpolitikreform, <strong>der</strong> Entkopplung,<br />
Cross Compliance, Modulation, und finanzieller Disziplin und <strong>der</strong> Erweitung des Instrumentariums<br />
<strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik klar darauf ausgerichtet, die Gemeinsame Agrarpolitik<br />
im Sinne dieser Zielsetzungen zu konsolidieren.<br />
In all diesen Reformschritten zeigt sich ein breiter Konsens hinsichtlich <strong>der</strong> großen Leitthemen,<br />
nämlich <strong>der</strong> Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Landwirtschaftssektors, <strong>der</strong> Bewahrung<br />
und <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong> ländlichen Umwelt und <strong>der</strong> Kulturlandschaften, <strong>der</strong> Stärkung des sozialen<br />
Gefüges sowie <strong>der</strong> Lebensqualität und kulturellen Vielfalt im ländlichen Raum. Hier weitere<br />
Forschritte zu erreichen, ist die Herausfor<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong> wir uns in den kommenden Jahren<br />
stellen müssen – sei es bei <strong>der</strong> europäischen Agrarmarktpolitik, sei es bei <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong><br />
neuen Verordnung zur ländlichen Entwicklungspolitik.<br />
* * * * *<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 6<br />
9. Februar 2006
Nationale und regionale Umsetzung <strong>der</strong> ELER-Verordnung – Abschätzung <strong>der</strong><br />
Weiterentwicklung KULAP, Ausgleichszulage und investive För<strong>der</strong>ung<br />
Dr. Joachim Ernst<br />
(Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt)<br />
Mit Ablauf des Jahres 2006 endet die Programmperiode für die För<strong>der</strong>ung aus den Europäischen<br />
Finanzfonds.<br />
Das zentrale Dokument für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung des ländlichen Raums ab 2007 ist<br />
künftig die Verordnung des Rates über die „För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung des ländlichen Raums“<br />
durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, kurz<br />
ELER genannt.<br />
Mit Blick auf den Vortrag von Dr. Martin Scheele, <strong>der</strong> uns ja bereits ausführlich über Inhalte<br />
und Ziele <strong>der</strong> ELER-VO informiert hat, beschränke ich mich in meinem Vortrag auf folgende<br />
Themen:<br />
• EU-Finanzierungsinstrumente<br />
• Programmplanung auf drei Ebenen<br />
• strategische Überlegungen<br />
• Finanzierung <strong>der</strong> 2. Säule<br />
• regionale Schwerpunkte<br />
• Arbeitsstand im TMLNU<br />
EU-Finanzierungsinstrumente<br />
Vergleicht man die bisherige und die künftige Struktur zur Finanzierung <strong>der</strong> Gemeinsamen<br />
Agrarpolitik, besteht eine <strong>der</strong> wesentlichen Än<strong>der</strong>ungen darin, dass sich die Kommission<br />
(KOM) dafür entschieden hat, ab 2007 die Finanzmittel für die Entwicklung des ländlichen<br />
Raums (ELER) in einem Fonds zusammenzufassen.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 7<br />
9. Februar 2006
Programmplanung auf drei Ebenen<br />
Für die neue Programmplanungsperiode ist erstmalig ein dreistufiger Planungsprozess vorgeschrieben.<br />
Die Strategischen Leitlinien <strong>der</strong> Gemeinschaft liegen vor und müssen lediglich noch formal verabschiedet<br />
werden.<br />
Der Nationale Strategieplan für die Entwicklung ländlicher Räume soll das Bindeglied zwischen<br />
den Strategischen Leitlinien <strong>der</strong> EU und den Entwicklungsprogrammen <strong>der</strong> 16 Bundeslän<strong>der</strong><br />
sein. Die Nationale Strategie wird seit Wochen gemeinsam mit den Bundeslän<strong>der</strong>n sowie unter<br />
Beteiligung <strong>der</strong> repräsentativen Wirtschafts- und Sozialpartner und Verbänden erarbeitet<br />
und <strong>der</strong>zeit zwischen Bund, Län<strong>der</strong>n und KOM diskutiert.<br />
In <strong>der</strong> nationalen Gesamtstrategie werden deshalb Schwerpunkt übergreifend folgende zentrale<br />
Ziele verfolgt:<br />
1. Stärkung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Landwirtschaft und Forsten, Erschließung neuer<br />
Einkommenspotenziale sowie Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen.<br />
Ich halte dies für sehr wichtig, dass dieser Punkt an 1. Stelle steht, denn nur wenn wir leistungsfähige<br />
und stabile Betriebe haben, können auch die an<strong>der</strong>en Ziele umgesetzt werden<br />
wie Verbesserung des Bildungsstandes und des Innovationspotenzials.<br />
2. Stärkung <strong>der</strong> Umwelt, Natur und des Tierschutzes sowie Verbesserung <strong>der</strong> Produktqualität;<br />
3. Sicherung <strong>der</strong> Kulturlandschaften vor allem durch die Landbewirtschaftung;<br />
4. Erhaltung und Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität im ländlichen Raum.<br />
Bei <strong>der</strong> Erreichung dieser Ziele kommen demzufolge<br />
• <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Investitionen,<br />
• den freiwilligen Agrar- und Waldumweltmaßnahmen und<br />
• den Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile<br />
eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu.<br />
Strategische Überlegungen<br />
Die künftigen Schwerpunkte werden durch einen Strauß vielfältiger Maßnahmen untersetzt.<br />
Betrachtet man die Maßnahmen stellt man fest, dass das Maßnahmenspektrum im Wesentlichen<br />
dem <strong>der</strong> gegenwärtigen För<strong>der</strong>periode entspricht. Allerdings wurde insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong><br />
dritten Schwerpunktachse das Maßnahmespektrum erweitert. Und genau darin liegt für die<br />
Programmplaner in den Regionen - also auch für uns in Thüringen - das Grundproblem.<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 8<br />
9. Februar 2006
Die mit <strong>der</strong> Erweiterung des Maßnahmespektrums geweckte Erwartungshaltung und die Mittelanfor<strong>der</strong>ungen<br />
übersteigen die voraussichtlich zur Verfügung stehenden Finanzmittel ganz<br />
erheblich.<br />
Dies resultiert zum einen aus den künftigen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> KOM an die Län<strong>der</strong>. Beispielhaft<br />
nenne ich hierfür die Umsetzung <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie und die Anfor<strong>der</strong>ungen im<br />
Zusammenhang mit Natura 2000. Zum an<strong>der</strong>en haben wir bei den etablierten Maßnahmen<br />
nach wie vor erheblichen Finanzmittelbedarf, beispielsweise im investiven Bereich, bei den<br />
Umweltmaßnahmen, bei <strong>der</strong> Dorferneuerung o<strong>der</strong> den strukturellen Maßnahmen wie Flurbereinigung<br />
und Wegebau.<br />
Hinzu kommt ein weiteres Problem. Die Struktur <strong>der</strong> ELER-Verordnung mit ihrem umfangreichen<br />
Maßnahmenspektrum weckt insbeson<strong>der</strong>e im dritten Schwerpunkt „Diversifizierung <strong>der</strong><br />
ländlichen Wirtschaft“ und „Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität im ländlichen Raum“ Erwartungen<br />
an<strong>der</strong>er Ressorts, die unsere finanziellen Möglichkeiten bei Weitem übersteigen.<br />
Unsere Programmerstellung muss also die Balance zwischen dem Notwendigen und dem<br />
finanziell Machbaren leisten!<br />
Finanzierung <strong>der</strong> 2. Säule<br />
Die Einigung <strong>der</strong> Regierungschefs über die finanzielle Vorausschau ist begrüßenswert, damit<br />
wir in <strong>der</strong> Vorbereitung für die kommende EU-För<strong>der</strong>periode 2007 bis 2013 weiter kommen.<br />
Allerdings muss noch das Europäische Parlament (EP) hierzu befinden. Immerhin klafft zwischen<br />
den Vorstellungen des EP und dem Rat ein erhebliches Finanzloch und es gibt zahlreiche<br />
kritische Stimmen im EP zum Einsatz <strong>der</strong> EU-Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik.<br />
Die Abbildung zur „Finanziellen Vorausschau“ zeigt, dass in <strong>der</strong> künftigen För<strong>der</strong>periode mit<br />
erheblichen finanziellen Einbußen bei den Agrarausgaben <strong>der</strong> KOM zu rechnen ist. Dies betrifft<br />
natürlich auch die 2. Säule zur För<strong>der</strong>ung des ländlichen Raumes.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 9<br />
9. Februar 2006
Auch wenn die Zahlen des Bundes noch unverbindlich und mit Unsicherheiten behaftet sind,<br />
geben sie eine erste Orientierung und zeigen die zu erwartende Größenordnung. Was seit längerem<br />
bereits befürchtet wurde, bestätigen die vorliegenden Zahlen. Es sind Einbußen von ca.<br />
30 % für die 2. Säule zu erwarten. Die Abbildung verdeutlicht die Differenzen zwischen dem<br />
Gesamtvolumen <strong>der</strong> aktuellen För<strong>der</strong>phase 2000 bis 2006 und <strong>der</strong> neuen För<strong>der</strong>phase ab<br />
2007.<br />
Unsere Unsere regionalen regionalen Schwerpunkte<br />
Schwerpunkte<br />
Wie bereits angedeutet, besteht für eine Vielzahl von Maßnahmen die sich in den einzelnen<br />
Schwerpunktachsen wie<strong>der</strong> finden Finanzbedarf. Die nachfolgende Abbildung gibt hierzu einen<br />
Überblick.<br />
Unter dem Aspekt <strong>der</strong> reduzierten finanziellen Mittel gilt es eindeutig und klar Prioritäten zu<br />
setzen, wobei bestimmten rechtlichen Aspekten <strong>der</strong> EU (Wasserrahmenrichtlinie – Natura<br />
2000) Rechnung getragen werden muss.<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 10<br />
9. Februar 2006
Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Land- und Forstwirtschaft sowie des ländlichen Raumes<br />
sind für mich folgende Maßnahmen prioritär:<br />
Es ist unbestritten, dass die investive För<strong>der</strong>ung und die Umweltmaßnahmen, sprich KULAP<br />
und die Ausgleichszulage sowohl in <strong>der</strong> Vergangenheit als für die neue För<strong>der</strong>phase oberste<br />
Priorität haben. Für diese drei Bereiche haben wir im Durchschnitt <strong>der</strong> letzten Jahre ca. 75 Mio.<br />
EUR pro Jahr ausgegeben. Ob diese Größenordnung zukünftig realistisch ist, bleibt abzuwarten,<br />
ich möchte dies ein wenig bezweifeln.<br />
Arbeitsstand <strong>der</strong> Programmierung im TMLNU<br />
Das TMLNU ist bereits seit Mitte des letzten Jahres mit den vorbereitenden Arbeiten befasst. Dazu<br />
wurde eine hausinterne Arbeitsgruppe eingerichtet.<br />
Seit Ende letzten Jahres stehen das Erarbeiten einer programmatischen Strategie sowie die inhaltliche<br />
Schwerpunktsetzung im Planungsdokument im Vor<strong>der</strong>grund. Die Diskussionen werden in den<br />
nächsten Wochen unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Belange an<strong>der</strong>er Ressorts intensiv fortgeführt. Dazu<br />
werden <strong>der</strong>en Vertreter regelmäßig zu gemeinsamen Besprechungen eingeladen. Eine erste Abstimmungsrunde<br />
fand Anfang Dezember 2005 statt.<br />
Die inhaltliche Ausrichtung ist nicht möglich, ohne Kohärenz zu den weiteren Fondsinterventionen<br />
herzustellen. Dazu dienen u.a. die ressortübergreifenden Beratungen, insbeson<strong>der</strong>e mit den Fondsverwaltern<br />
EFRE (Europäischer Wirtschaftsfonds) und ESF (Europäischer Sozialfonds).<br />
Wesentliche Entscheidungen und Weichenstellungen stehen in den nächsten Wochen und<br />
Monaten an. Von Seiten <strong>der</strong> KOM steht die Durchführungsverordnung ELER für uns an erster<br />
Stelle, damit wir unser Programm konkret erarbeiten können. Auf nationaler Ebene ist es das<br />
Strategiedokument damit exakte Finanzzuordnungen erfolgen können und die endgültigen<br />
Beschlüsse zum Rahmenplan für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung <strong>der</strong> Agrarstruktur<br />
und des Küstenschutzes. Den künftigen Thüringer Entwicklungsplan für den ländlichen<br />
Raum müssen wir gemeinsam mit Augenmaß abstimmen. Mit Blick auf die Finanzausstattung<br />
muss es uns gelingen, dass wir uns auf die wesentlichsten Maßnahmen konzentrieren. Ein<br />
Festhalten an Besitzständen und ein `Weiter so` nur mit weniger Finanzmittel, das kann nicht<br />
unsere Strategie sein.<br />
Meinen Vortrag möchte ich mit einem Satz als Gesamtfazit abschließen:<br />
„Alle Erwartungen können nicht erfüllt werden, aber ich hoffe auf ein Maßnahmenbündel mit<br />
dem die Existenz <strong>der</strong> Land- und Forstwirtschaft in Thüringen am besten gesichert werden<br />
kann.“<br />
* * * * *<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 11<br />
9. Februar 2006
Einfluss <strong>der</strong> Weltagrarmärkte auf die nationalen Märkte -Tendenzen des<br />
Nahrungsmittel- und Rohstoffbedarfs <strong>der</strong> Erde und Auswirkungen auf die<br />
Landwirtschaft<br />
Dr. Josef Schmidhuber<br />
(FAO)<br />
Determinanten Determinanten <strong>der</strong> <strong>der</strong> Nachfrage<br />
Nachfrage<br />
Bevölkerungsentwicklung<br />
• Die Weltbevölkerung wird laut Schätzungen <strong>der</strong> Vereinten Nationen (VN, 2004) von 6,1 in<br />
2000, auf 8,1 in 2030 und ca. 9,1 Milliarden Menschen in 2050 wachsen. Die Wachstumsrate<br />
nimmt damit nicht nur prozentual ab, auch die absoluten Zuwächse werden geringer.<br />
• Auch künftig werden starke län<strong>der</strong>- bzw. regionsspezifische Unterschiede im Bevölkerungswachstum<br />
erwartet. Bis 2030 wird hohes Bevölkerungswachstum für Afrika südlich<br />
<strong>der</strong> Sahara (2,1% p.a.) erwartet, dagegen immer niedrigeres in Ostasien (0,65 % p.a.) und<br />
schrumpfende Bevölkerungszahlen in den Transformationslän<strong>der</strong>n Osteuropas und <strong>der</strong> ehemaligen<br />
Sowjetunion (-0,26 % p.a.).<br />
• Insgesamt entfallen praktisch 100 % des globalen Bevölkerungswachstums bis 2030 (ca. 2<br />
Mrd. Menschen) auf die Entwicklungslän<strong>der</strong> (EL). Aus Sicht <strong>der</strong> Stadt-Land Verteilung ist<br />
bemerkenswert, dass mehr als <strong>der</strong> gesamte Zuwachs (2,1 Mrd.) auf städtische Gebiete<br />
(starke Urbanisierung) entfallen wird.<br />
• Gleichzeitig wird sich die Altersstruktur deutlich verschieben, die auch in vielen EL zu einer<br />
rapiden Veralterung führen wird. In China z.B. wird sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Übersechzigjährigen<br />
von heute weniger als 10 % auf mehr als 30 % bis zum Jahr 2050 erhöhen.<br />
Einkommensentwicklung<br />
• Die Weltbank prognostiziert mit einer jährlichen Zuwachsrate von 2,1 % ein durchaus robustes<br />
globales Wirtschaftswachstum über die nächsten 30 Jahre hinweg.<br />
• Die EL werden dazu entscheidend beitragen und mit 3,6 % Wachstum im Bruttosozialprodukt<br />
(BSP) deutlich über dem globalen Mittel liegen. Beson<strong>der</strong>s hoch soll das Wachstum in<br />
Asien ausfallen, das auf 4,7 % in Südasien und 5,3 % in Ostasien veranschlagt wird. Wichtige<br />
Gründe für das Wachstum ergeben sich aus <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Altersstruktur (Bevölkerungsdividende,<br />
Zunahme <strong>der</strong> Erwerbsbevölkerung), <strong>der</strong> zunehmenden Integration in einen<br />
freieren Welthandel (Globalisierung) und <strong>der</strong> Steigerungen in <strong>der</strong> Gesamtfaktorproduktivität<br />
dieser Län<strong>der</strong> infolge zunehmen<strong>der</strong> Investitionen in Bildung und Forschung. Dagegen<br />
wird Afrika südlich <strong>der</strong> Sahara, <strong>der</strong> Sub-Kontinent mit dem höchsten prozentualen Bevölkerungswachstum,<br />
gleichzeitig das geringste BSP-Wachstum pro Kopf verzeichnen.<br />
• Die BSP-Schätzungen für die Region Naher Osten/Nordafrika erscheinen mit 2,4 % pro<br />
Kopf und Jahr relativ bescheiden. Allerdings sollte die Kaufkraft in dieser Region bei Berücksichtigung<br />
positiver Terms-of-Trade (ToT) Effekte durch steigende Energiepreise deutlich<br />
stärker steigen. Diese Region ist schon heute weltweit die wichtigste Importregion für Nahrungsmittel.<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 12<br />
9. Februar 2006
Politikumfeld<br />
• Das Politikumfeld in <strong>der</strong> Landwirtschaft in den OECD Län<strong>der</strong>n ist nach wie vor durch hohe<br />
Subventionen gekennzeichnet. Die Produzentensubventionsäquivalente (PSEs) <strong>der</strong> OECD<br />
liegen für diese Län<strong>der</strong> seit fast 20 Jahren bei 250 Mrd. US$ pro Jahr.<br />
• Die zunehmende Verschiebung <strong>der</strong> Subventionen weg von Preisstützungen im Produkt-<br />
und Vorleistungsbereich und hin zu direkten Transfers sollte (im Vergleich zur Referenzsituation<br />
ohne Reform) zu etwas höheren Preisen auf den Weltmärkten und niedrigeren Preisen<br />
in den bislang geschützten OECD Län<strong>der</strong>n führen. Die Preisän<strong>der</strong>ungen auf den Weltmärkten<br />
werden je nach Produkt auf -2 bis 25 % geschätzt, die Preissenkungen in stark geschützten<br />
OECD Län<strong>der</strong>n können allerdings deutlich höher ausfallen.<br />
• In den EL sind und bleiben dagegen Subventionen für die Landwirtschaft die Ausnahme.<br />
Viele EL besteuern nach wie vor ihre Landwirtschaft entwe<strong>der</strong> durch direkte Maßnahmen<br />
(Exportsteuern, staatliche Ablieferungszwänge, Höchstpreise) o<strong>der</strong> indirekt durch überhöhte<br />
Wechselkurse.<br />
• Die Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft hat sich über die 90er Jahre hinweg real betrachtet<br />
von 9 Mrd. auf 4.5 Mrd. US Dollar praktisch halbiert. Die externen Impulse zur<br />
Stärkung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Landwirtschaft und <strong>der</strong> Nachfrage in den ärmsten<br />
Län<strong>der</strong>n waren damit begrenzt.<br />
• Allerdings ist die Entwicklungshilfe insgesamt in den letzten Jahren deutlich gestiegen und<br />
hat 2003 immerhin ein Niveau von 69 Mrd. US Dollar erreicht. Gemäß <strong>der</strong> Monterrey Verpflichtungen<br />
sollten die Transfers bis 2006 auf rd. 0,30 % ihres Bruttonationaleinkommens<br />
bzw. rd. 88 Mrd. US$ (in Preisen von 2003) angehoben werden. Dies entspräche einem realen<br />
Zuwachs in Höhe von rd. 50 % im Vergleich zu 2001. Eine Erfüllung dieser Versprechen<br />
könnte sich durchaus stimulierend auf die Nachfrage nach Konsumgütern im Allgemeinen<br />
und auf die für Nahrung im Beson<strong>der</strong>en auswirken.<br />
Sich än<strong>der</strong>nde Ernährungsgewohnheiten<br />
• Die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ernährungsgewohnheiten mit einer zunehmenden Verschiebung von<br />
pflanzlichen zu tierischen Produkten hat in den meisten Industriestaaten bereits ihren Zenit<br />
erreicht o<strong>der</strong> sogar überschritten. Mit zunehmen<strong>der</strong> Sättigung, Problemen mit Übergewicht<br />
und Fettleibigkeit und damit verbundenen ernährungsbedingten Gesundheitsproblemen,<br />
sowie nur noch geringem Bevölkerungswachstum wird sich das weitere Wachstumspotential<br />
<strong>der</strong> Nahrungsmittelmärkte dieser Län<strong>der</strong> in engen Grenzen halten.<br />
• Auch in den EL werden die Effekte eines langsameren Bevölkerungswachstums und einer<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Kalorienversorgung pro Kopf immer wichtiger für die künftige Nahrungsmittelnachfrage.<br />
Allerdings werden kulturelle und/o<strong>der</strong> religiöse Gründe gerade auch<br />
in bevölkerungsstarken Regionen (z.B. Indien) die Zuwachsraten auch bei hohem Einkommenswachstum<br />
begrenzen. Ingesamt betrachtet jedoch ist in den EL <strong>der</strong> Übergang von<br />
pflanzlichen zu tierischen Produkten noch lange nicht abgeschlossen.<br />
Projektionen <strong>der</strong> globalen Nahrungsmittelnachfrage bis 2030 im Überblick<br />
• Die Tabellen 1 und 2 fassen die prognostizierte Nachfrage nach Nahrungsmitteln bis zum<br />
Jahr 2030 zusammen. Sie repräsentieren die Ergebnisse <strong>der</strong> neuesten Langfristprojektionen<br />
<strong>der</strong> FAO. Die Nahrungsmittelnachfrage wird hier als Summe <strong>der</strong> verfügbaren Kalorien dargestellt<br />
(pro Kopf und Region in Tabelle 1 sowie als verfügbare Gesamtkalorien pro Region<br />
und Jahr in Tab. 2).<br />
• Global betrachtet wird sich das Wachstum <strong>der</strong> Nahrungsmittelnachfrage von ca. 2,2 % p.a.<br />
in den letzten 30 Jahren auf 1,3 % p.a. in den nächsten 30 Jahren verlangsamen (Tab. 2).<br />
• Praktisch 95 % des zusätzlichen Nahrungsverbrauchs <strong>der</strong> nächsten 30 Jahren wird in den<br />
EL stattfinden.<br />
• Die Verbesserungen in den EL fallen allerdings nach Regionen sehr unterschiedlich aus. Die<br />
Pro-Kopf-Versorgung in Afrika südlich <strong>der</strong> Sahara sollte sich deutlich verbessern, allerdings<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 13<br />
9. Februar 2006
von einer noch ungenügenden Ausgangssituation aus. Damit werden zwar Fortschritte in<br />
<strong>der</strong> Hungerbekämpfung möglich, jedoch nicht in einem Umfang, <strong>der</strong> ausreichen würde, die<br />
internationalen Entwicklungsziele [World Food Summit (WFS), Millenium Development<br />
Goals (MGS)] bis zum Jahr 2015 zu erreichen.<br />
• In an<strong>der</strong>en Regionen <strong>der</strong> EL, insbeson<strong>der</strong>e in Teilen des Nahen Ostens, Nord Afrikas, Latein<br />
Amerikas o<strong>der</strong> Ostasiens wird sich die Versorgungslage nicht nur weiter verbessern -<br />
mehr Kaufkraft, Urbanisierung und eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ernährungsgewohnheiten erhöhen<br />
sogar die Gefahr <strong>der</strong> Überversorgung und <strong>der</strong> damit verbundenen Gesundheitsprobleme.<br />
Tabelle 1: Verfügbare Kalorien pro Kopf und Tag (Durchschnitt)<br />
Verfügbare Kalorien (pro Kopf und Tag) Wachstumsraten in % p.a.<br />
1970* 2000* 2015 2030<br />
1970*<br />
-2000*<br />
2000*<br />
-2030<br />
2000<br />
-2015<br />
2015<br />
-2030<br />
Welt 2411 2789 2950 3030 0,49 0,28 0,37 0,18<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong> 2111 2654 2855 2950 0,77 0,35 0,49 0,22<br />
• Afrika, südlich <strong>der</strong> Sahara 2100 2194 2420 2600 0,15 0,57 0,66 0,48<br />
• Naher Osten/Nordafrika 2382 2974 3080 3130 0,4 0,17 0,23 0,11<br />
• Lateinamerika & Karibik 2465 2836 2990 3120 0 ,47 0,32 0,35 0,28<br />
• Südasien 2066 2392 2660 2790 0,49 0,51 0,71 0,32<br />
• Ostasien 2012 2872 3100 3175 1,19 0,33 0,51 0,16<br />
Industrielän<strong>der</strong> 3046 3446 3480 3520 0,41 0,07 0,07 0,08<br />
Transformationslän<strong>der</strong> 3323 2900 3030 3145 -0,45 0,27 0,29 0,25<br />
Tabelle 2: Verfügbare Kalorien pro Region und Jahr (Durchschnitt)<br />
Verfügbare Kalorien pro Jahr (10 15 ) Wachstumsraten in % p.a.<br />
1970 2000 2015 2030<br />
1970*<br />
-2000*<br />
2000*<br />
-2030<br />
2000<br />
-2015<br />
2015<br />
-2030<br />
Welt 3249 6180 7749 8991 2,7 1,6 1,52 1,00<br />
Welt (mit FAO<br />
Nahrungsmittelbilanzen)<br />
3240 6156 7713 8949 2,16 1,25 1,51 1,00<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong> 2006 4583 6046 7224 2,79 1,53 1,86 1,19<br />
• Afrika, südlich <strong>der</strong> Sahara 201 486 753 1076 2,99 2,68 2,96 2,41<br />
• Naher Osten/Nordafrika 159 426 586 735 3,33 1,84 2,15 1,52<br />
• Latein Amerika & Karibik 253 533 680 803 2,52 1,37 1,63 1,11<br />
• Südasien 534 1170 1636 2008 2,65 1,82 2,26 1,38<br />
• Ostasien 858 1968 2398 2614 2,80 0,95 1,33 0,58<br />
Industrielän<strong>der</strong> 808 1138 1226 1289 1,15 0,41 0,49 0,33<br />
Transformationslän<strong>der</strong> 426 435 441 436 0,07 0,01 0,09 -0,08<br />
*) Mittleres Jahr eines Dreijahresdurchschnitts, Quelle: Weltlandwirtschaft 2050, FAO 2006 (in Vorbereitung)<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 14<br />
9. Februar 2006
Die Die Nachfrage Nachfrage nach nach Agrarprodukten Agrar<br />
Agrar produkten aus aus dem dem Nicht Nicht-Nahrungssektor: Nicht<br />
Nahrungssektor: Nahrungssektor: Auswirkunge<br />
Auswirkungen<br />
Auswirkunge n<br />
einer einer ve verstärkten ve ve stärkten stärkten Biomasseverwendung<br />
Biomasseverwendung<br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Landwirtschaft in <strong>der</strong> Energiewirtschaft<br />
• Hohe Preise für fossile Energieträger werden sich künftig immer stärker die landwirtschaftlichen<br />
Erzeugerpreise und damit auch die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel beeinflussen.<br />
• Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass die seit 2004 deutlich gestiegenen<br />
Preise für Energie auch künftig auf einem relativ hohen Niveau bleiben werden. Mit dem<br />
Anstieg <strong>der</strong> Ölpreise über 35 bis 40 Dollar/barrel (US$/bbl) wirken sich Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Energiepreise direkt auf die Weltmarktpreise für Agrarprodukte aus. Ab diesem Niveau<br />
kann Brasilien Ethanol auf Zuckerrohrbasis ohne Subventionen o<strong>der</strong> Steuervergünstigen<br />
herstellen. Mit <strong>der</strong> Verwendung von Zuckerrohr für Ethanol steht weniger Zucker für den<br />
Export zur Verfügung was dazu beigetragen hat, dass die Weltmarktpreise für Zucker parallel<br />
mit den Weltmarktpreisen für Öl gestiegen sind.<br />
• Bei höheren Preisen werden immer mehr landwirtschaftliche Rohstoffe als Energiequelle<br />
wettbewerbsfähig. Allerdings hängen die „break-even“ Preise stark vom Preis des Agrarrohstoffs<br />
selbst ab, daneben auch von den jeweiligen Wechselkursen, dem angestrebten Endprodukt<br />
sowie von Größe und Stand <strong>der</strong> Konversionsanlagen und –technologie ab.<br />
• Bei landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen und Wechselkursen von 2001/03 wurden folgende<br />
Paritätspreise für Ethanol und Biodiesel errechnet: Zuckerrohr, Brasilien („Süden/Zentral“):<br />
28 bis 35 US$/bbl; Zuckerrohr, Brasilien (Nordosten): $36 bis 42/bbl; Maniok, Thailand 38<br />
bis 46 US$/bbl, Palmöl, Malaysia (Biodiesel) 44 US$/bbl; Mais, USA 55 bis 59 US$/bbl, Getreide<br />
EU 80 bis 85 US$/bbl. Diese Gleichgewichtspreise berücksichtigen die Kosten für die<br />
Agrarrohstoffe, Arbeit, Kapital, Transport- und Konversionskosten.<br />
• Die großtechnische Konversion von ligno-cellulosehaltigen Rohstoffen wird sich das Rohstoffpotenzial<br />
<strong>der</strong> Agrar- und Forstwirtschaft deutlich erhöhen. Die dafür notwendige Technologie<br />
ist allerdings bislang auf den Pilotprojektstatus begrenzt. Die Verfügbarkeit <strong>der</strong><br />
großindustriellen Nutzung wird sehr unterschiedlich eingeschätzt, Angaben schwanken<br />
zwischen 5 und 15 Jahren.<br />
Das Potenzial von Agrar- und Forstrohstoffen zur Energienutzung<br />
• Biomasse spielt bereits heute eine nicht unerhebliche Rolle für die globale Energieversorgung.<br />
Mit 47 Exajoule 1) (10 18 J) entfielen 2002 laut IEA rund 11 % des Weltenergieangebots<br />
auf Biomasse, 70 % dieser Bioenergie werden in den EL genutzt. Gerade für die ärmsten EL<br />
stellen Holzkohle, Brennholz, o<strong>der</strong> Produkte wie Dung wichtige Energieträger dar. Für die<br />
internationalen Agrar- und Energiemärkte spielen diese, nur bedingt marktgängigen Energiequellen,<br />
allerdings keine wichtige Rolle.<br />
• Noch geringer ist <strong>der</strong> Beitrag vollkommen marktgängiger Bioenergieträger. Schränkt man<br />
dabei die Auswahl auf Ethanol und Biodiesel ein, so liegt <strong>der</strong> Beitrag bei nur 0,9 EJ/a und<br />
damit bei weniger als 0,25 % des globalen Energieangebots.<br />
• Wesentlich besser wird das langfristige Potenzial <strong>der</strong> Gesamtbiomasseproduktion beurteilt.<br />
SCHRATTENHOLZER und FISCHER (2000) schätzen, dass das technologische Energiepotenzial<br />
von Biomasse 1990 bei ca. 225 EJ lag und bis 2050 auf ca. 400 EJ ansteigen könnte.<br />
Das ökonomisch ausbeutbare Potential wird für 2050 mit ca. 160 EJ/a angegeben. In dieses<br />
Potenzial einbezogen ist die Nutzung von noch ungenutzten Grasflächen, Wäl<strong>der</strong>n, freien<br />
Koppelprodukten von genutzten Flächen sowie von landwirtschaftlichen und urbanen Abfällen.<br />
Nicht einbezogen ist die landwirtschaftliche Nutzfläche, die für die Erzeugung von<br />
Nahrungsmitteln bis zum Jahr 2050 gebraucht wird.<br />
1) Exajoule = EJ<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 15<br />
9. Februar 2006
• Das ökonomisch nutzbare Potential von 160 EJ in 2050 würde bei heutiger Konversionseffizienz<br />
und Rohstoffbasis ein Potential von 53 EJ für die Erzeugung von Ethanol und Biodiesel<br />
geben. Dies würde in etwa den heutigen Gesamtverbrauch an Energie für den Straßenverkehr<br />
decken, läge aber immer noch unter dem Gesamtenergiebedarf für Transportzwecke<br />
<strong>der</strong> bei ca. 77 EJ/a und liegt weit unter dem globalen Gesamtenergieverbrauch von über<br />
350 EJ/a. Noch geringer erscheint <strong>der</strong> Beitrag relativ zum Energieverbrauch, <strong>der</strong> bis zum<br />
Jahr 2030 nochmals um 60% steigen wird.<br />
• In <strong>der</strong> Realität <strong>der</strong> Konkurrenz um knappe Ressourcen lässt sich eine „Reservierung“ von<br />
Flächen für die Nahrungsmittelproduktion, wie bei SCHRATTENHOLZER und FISCHER<br />
angenommen, nicht darstellen. Bereits die aktuelle Nutzung von Bioenergie findet vor allem<br />
auf Basis von Produkten statt, die in unmittelbarer Konkurrenz zu marktgängigen Rohstoffen<br />
aus dem Agrar- und Forst-Bereich steht. (Bioethanolproduktion auf Basis von Zuckerrohr<br />
und Mais, Biodiesel auf Basis von Ölsaaten.)<br />
• Würde man versuchen, mit marktgängigen Agrarrohstoffen wie Getreide, Zucker o<strong>der</strong> Ölsaaten<br />
den gegenwärtigen Energiebedarf im Transportsektor zu decken, so müsste man – bei heutigen<br />
Erträgen und bei heutiger Konversionstechnologie - eine Fläche von 850 Millionen Hektar ausschließlich<br />
für Bioenergie reservieren. Dies entspräche <strong>der</strong> gesamten Ackerfläche, die gegenwärtig<br />
in den EL genutzt wird.<br />
• Die Größe des Energiemarktes relativ zu den Agrar- und Forstmärkten verdeutlicht, dass<br />
das Bioenergie insgesamt nur einen begrenzten Beitrag zum Energiebedarf leisten kann;<br />
dieser Beitrag zwar sehr sinnvoll für einen breit angelegten, globalen Energiemix ist aber<br />
keine Lösung des globalen Energieproblems darstellt und dass die Energiemärkte künftig<br />
die Agrarmärkte und Agrarpreise beeinflussen, nicht aber umgekehrt.<br />
Die Die Auswirkungen Auswirkungen eines eines Nachfrageanstiegs Nachfrageanstiegs für für Biomasse Biomasse auf auf auf die die die Weltmarktpreise<br />
Weltmarktpreise<br />
Die neuen Agrarpreisniveaus<br />
• Energiepreise über 35US$/bbl erzeugen ein Mindestpreisniveau für verschiedene Agrarprodukte.<br />
Der Effekt des Mindestpreisniveaus gilt nur für die Weltmarktpreisniveaus. In geschützten<br />
und gestützten Märkten können höhere Weltmarktpreise allerdings zu einer Verringerung<br />
des effektiven Stützungsniveaus führen.<br />
• Bei weiter steigenden Energiepreisen wird es zu einer weiteren Steigerung <strong>der</strong> Weltmarktpreise<br />
für Agrarprodukte kommen. Allerdings können durch steigende Energiepreise die<br />
Agrarpreise langfristig nicht stärker als die Energiepreise selbst steigen. Ein schnellerer Anstieg<br />
würde die Agrarrohstoffe für die Energienutzung zu teuer machen.<br />
• Damit schaffen hohe Energiepreise künftig möglicherweise ein neues Gleichgewicht auf den<br />
Agrarmärkten und bestimmen mithin die Schwankungsbreite <strong>der</strong> Agrarpreise.<br />
• Überschreiten die Energiepreise das Paritätspreisniveau für das jeweilige Agrarprodukt, so<br />
entsteht ein impliziter Mindestpreis. Weitere langfristige Preisanstiege sind dann nur im<br />
Rahmen von Energiepreisanstiegen möglich, o<strong>der</strong> aber über nicht-energiebedingten Nachfrageimpulse<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e, allgemeine Angebotsbegrenzungen.<br />
• Der Einsatz von verschiedenen Agrarrohstoffen hat sehr unterschiedliche Auswirkungen auf<br />
die Höhe und Richtung <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Agrarpreise. Die Verwendung von proteinhaltigen<br />
Rohstoffen wie Ölsaaten o<strong>der</strong> Getreide erhöht zwar die Preise für diese Produkte<br />
selbst, kann aber zu deutlichen Preissenkungen bei den anfallenden Koppelprodukten (Ölkuchen/-schrote)<br />
führen. Ein deutliches Auseinan<strong>der</strong>driften <strong>der</strong> Preise für Produkt und<br />
Koppelprodukt (Energie und Protein) ist allerdings u.a. aufgrund entstehen<strong>der</strong> Substitutionsmöglichkeiten<br />
auf <strong>der</strong> Nachfrageseite langfristig nicht zu erwarten.<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 16<br />
9. Februar 2006
Die Kanäle <strong>der</strong> Preistransmission<br />
• Der Preistransmissionseffekt findet über direkte und indirekte Wege statt. Eine Verwendung<br />
von Agrarrohstoffen für Bioenergie stützt zunächst direkt den Preis für dieses Produkt. Über<br />
eine erhöhte Flächennutzung für das verwendete Produkt erniedrigt sich das Flächenangebot<br />
für an<strong>der</strong>e Produkte und stützt damit auch die Preise dieser Produkte.<br />
• Eine indirekte Preistransmission findet auch auf <strong>der</strong> Nachfrageseite statt, zumindest insofern,<br />
als höhere Energiepreise die Preise für Substitute auf <strong>der</strong> Nachfrageseite erhöhen. Mit<br />
<strong>der</strong> Verteuerung von Kunstkautschuk z.B. erhöht sich die Wettbewerbsfähigkeit von Naturkautschuk.<br />
Ebenso treiben höhere Preise für Nylon und an<strong>der</strong>e Kunstfasern die Preise von<br />
Baumwolle nach oben, auch wenn we<strong>der</strong> Baumwolle noch Kunstkautschuk direkt für die<br />
Verwendung als Bioenergieträger in Frage kommen.<br />
Die Auswirkungen: landwirtschaftliche „Renaissance“ aber auch Ernährungssicherungsprobleme<br />
• Langfristig hohe Energiepreise könnten einen Paradigmenwechsel für die internationale<br />
Landwirtschaft einläuten. Angesichts <strong>der</strong> Größe des Energiemarktes kann davon ausgegangen<br />
werden, dass die Nachfrage nach Agrarprodukten für Energiezwecke weitgehend preiselastisch<br />
ist. Damit kann die Landwirtschaft über höhere Energiepreise langfristig <strong>der</strong> Tretmühle<br />
steigen<strong>der</strong> Produktivitätsanstiege bei schrumpfenden Nachfragezuwächsen und<br />
mithin fallenden Realpreisen entkommen. Landwirtschaft und ländliche Räume insgesamt<br />
könnten damit nach jahrzehntelangen Realpreisverlusten eine „Renaissance’ erleben.<br />
• Eine Stabilisierung <strong>der</strong> Realpreise wird Ressourcen in die Landwirtschaft zurückbringen,<br />
damit verbunden sind höhere Investitionen in die landwirtschaftliche Produktion aber auch<br />
in die ländlichen Räume insgesamt, in <strong>der</strong>en Infrastruktur und Märkte. Höhere Preise sollten<br />
sich langfristig aber auch in höheren Kauf- und Pachtpreisen kapitalisieren (diese erhöhen)<br />
und weiteres Kapital für ländliche Räume anziehen.<br />
• Län<strong>der</strong>, die sowohl Nettoimporteure für Nahrungsmittel als auch für Energie sind, können<br />
mit steigenden Energie- und Agrarpreisen einen erheblichen ToT Verlust erleiden. Für die<br />
ärmsten EL kann damit auch eine Verschlechterung <strong>der</strong> allgemeinen Ernährungssicherung<br />
verbunden sein.<br />
• Wie sich die positiven Impulse für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume in den EL<br />
tatsächlich auswirken werden, ob Armut und Hunger verringert o<strong>der</strong> erhöht werden, ob<br />
Umwelteffekte positiv o<strong>der</strong> negativ ausfallen und ob gesamtwirtschaftliche Entwicklung<br />
insgesamt geför<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>t wird, wird ganz entscheidend von den institutionellen<br />
Rahmenbedingungen in den jeweiligen Län<strong>der</strong>n abhängen. Die Stärkung von Institutionen<br />
wird damit eine noch wichtige Aufgabe <strong>der</strong> Entwicklungspolitik werden.<br />
* * * * *<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 17<br />
9. Februar 2006
Chancen und Risiken des globalen Schweinefleischmarktes<br />
Matthias Kohlmüller<br />
(Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle)<br />
Produktion und Verbrauch von Schweinefleisch steigt weltweit<br />
Die Schweinefleischerzeugung entwickelt sich nach Geflügel- und vor Rindfleisch weltweit dynamisch.<br />
Im abgelaufenen Jahr profitierte <strong>der</strong> weltweite Schweinefleischabsatz von BSE bedingten<br />
Handelsrestriktionen beim Rindfleisch und <strong>der</strong> Verbraucherverunsicherung bei Geflügelfleisch<br />
im Zuge <strong>der</strong> Vogelgrippe, beson<strong>der</strong>s in Asien. Zusätzlich bekam <strong>der</strong> internationale<br />
Handel Auftrieb durch die für den Export günstigen Wechselkurse des US Dollars. Beson<strong>der</strong>s<br />
durch das Bevölkerungswachstum in Asien und Südamerika und die steigende Kaufkraft in<br />
den östlichen Län<strong>der</strong>n Europas und Asiens wird <strong>der</strong> Fleischverbrauch kontinuierlich zunehmen.<br />
Die globale Produktion von Schweinefleisch erreichte 2005 laut FAO Angaben eine Menge<br />
von schätzungsweise 103 Mio. t. Das ist ein Zuwachs von 14 % in den letzten fünf Jahren.<br />
Für 2006 wird ein Anstieg <strong>der</strong> Produktion und des Verbrauchs von 2 bis 3 % erwartet, bei Geflügel<br />
hingegen wird jeweils ein Plus von rund 4 % prognostiziert. Von <strong>der</strong> Gesamtfleischerzeugung<br />
entfallen rund 40 % auf Schweinefleisch, 30 % auf Geflügel- und 24 % auf Rindfleisch.<br />
Schweinefleischproduktion Kontinente<br />
Kontinent Produktion Welt (%) Produktion Welt (%)<br />
(Mio. t)<br />
2005<br />
2000:2005 2000<br />
Asien 57,9 56,4 20,5 53,3<br />
Europa 21,2 20,6 3,0 19,5<br />
Amerika 17,3 16,9 13,4 17<br />
Südamerika 4,5 4,4 29,1 3,9<br />
Afrika 0,8 0,8 17,7 0,8<br />
Ozeanien 0,5 0,5 8,0 0,5<br />
Welt<br />
Quelle: FAO / EUROSTAT<br />
102,7 100,0 14,0 100<br />
Asien produziert über die Hälfte des Weltschweinefleisches<br />
Über die Hälfte des weltweiten Schweinefleischaufkommens wird in Asien produziert. 60 %<br />
<strong>der</strong> Weltbevölkerung leben in Asien, in China allein ein Fünftel <strong>der</strong> Weltbevölkerung. Hier findet<br />
man auch nach Südamerika (hauptsächlich Brasilien) das größte Wachstum <strong>der</strong> Schweinfleischerzeugung.<br />
In Europa mit 750 Mio. Verbrauchern, 11 % <strong>der</strong> Welt, wird ein Fünftel des<br />
Weltschweinefleisches erzeugt. Während in <strong>der</strong> EU die Bevölkerung schrumpft, wird allein in<br />
China die Bevölkerung laut UN Schätzungen bis 2015 um 100 Mio. Menschen wachsen.<br />
Globaler Schweinefleischmarkt (in 1.000 t Schlachtgewicht)<br />
Produktion Verbrauch Export Import<br />
2005 06 (%) 2005 06 (%) 2005 06 (%) 2005 06 (%)<br />
China 48.900 + 4,1 China 48.570 + 4,0 EU-25 1.309 + 1,4 Japan 1.243 - 0,6<br />
EU-25 21.190 + 0,9 EU-25 19.895 + 0,8 USA 1.208 + 3,6 Russland 600 + 3,8<br />
USA 9.402 + 2,4 USA 8.648 + 2,1 Kanada 1.075 + 2,3 Mexiko 495 + 2,0<br />
Brasilien 2.730 + 3,5 Russland 2.220 + 5,8 Brasilien 625 + 1,0 USA 455 0,0<br />
Kanada 1.960 + 0,8 Japan 2.531 + 1,8 China 400 + 3,8 Südkorea 300 + 17,0<br />
Russland 1.663 + 6,4 Brasilien 1.985 + 5,8 Mexiko 55 + 18,2 Hongkong 250 + 8,0<br />
Japan 1.260 - 1,6 Mexiko 1.615 + 1,5 Australien 55 + 5,5 Kanada 135 + 14,0<br />
Mexiko 1.175 + 2,1 Südkorea 1.328 + 1,7 Südkorea 5 + 100,0 Australien 90 + 5,6<br />
Phillipinen 1.100 + 2,0 Phillipinen 1.130 + 1,9 Ukraine 6 + 66,7 China 70 - 28,6<br />
Welt * 102.704 + 2,8 Welt * 102.613 + 2,8 Welt * 4.726 + 1,9 Welt * 4.660 + 1,5<br />
Quelle: ZMP nach USDA vom Nov. 2005; 2005 vorläufig, 2006 Prognose; * Welt laut FAO<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 18<br />
9. Februar 2006
China größter Wachstumsmarkt<br />
Chinas Produktion von Schweinefleisch erreichte 2005 voraussichtlich eine Menge von rund<br />
49 Mio. Tonnen. Das ist knapp die Hälfte <strong>der</strong> Welterzeugung. Seit 2001 hat sich <strong>der</strong> chinesische<br />
Schweinebestand um fast 17 % vergrößert. Auch für das kommende Jahr erwarten amerikanische<br />
Marktexperten vom US Landwirtschaftsministerium USDA eine Erhöhung <strong>der</strong> Erzeugung<br />
und des Verbrauchs von rund 4 %. Das Produktionswachstum resultiert in erster Linie<br />
auf verbesserte Tierleistungen sowie leistungsfähigere Genetik und Fütterung. In China wird<br />
die Bevölkerung (ein Fünftel <strong>der</strong> Weltbevölkerung) bis 2010 laut UNO Angaben um 3 % wachsen.<br />
Das rasante Wirtschaftswachstum und eine höhere Kaufkraft zieht eine steigende<br />
Fleischnachfrage nach sich. Hemmnisse <strong>der</strong> Produktionsausweitung sind Chinas begrenzte<br />
Ressourcen an landwirtschaftlicher Fläche (nur 7 % <strong>der</strong> Weltagrarfläche) Wasser und schlechte<br />
Infrastruktur (schlechte Transportwege, mangelnde Kühlfahrzeuge und Kühltechnik, fehlende<br />
Lebensmittelmärkte in strukturschwachen Gegenden). Außerdem muss die Seuchenbekämpfung<br />
im Land verbessert werden. Somit könnte ein attraktiver Absatzmarkt für exportorientierte<br />
Nationen entstehen. Hier sind jedoch schon mehrere absatzorientierte Nationen am Ball.<br />
Der Export aus <strong>der</strong> EU dorthin wird sich auf Nebenprodukte konzentrieren, die in Asien als<br />
Delikatesse gelten und eine höhere Wertschöpfung als bei uns erfahren. Dazu zählen Pfoten,<br />
Ohren und Innereien. Beim restlichen Schweinefleisch werden sicherlich die weltweit preislich<br />
günstigsten Anbieter zum Zuge kommen.<br />
Entwicklung des Fleischverbrauchs<br />
Gesamtverbrauch (Mio. t/Jahr)<br />
2005 2014 2030 2005-2030 (%)<br />
Industrielän<strong>der</strong><br />
Rindfleisch 27 28 29 7,4<br />
Schweinefleisch 36 38 39 8,3<br />
Geflügelfleisch 34 40 48 41,2<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong><br />
Rindfleisch 36 45 55 52,8<br />
Schweinefleisch 65 79 95 46,2<br />
Geflügelfleisch 40 50 110 175,0<br />
Quelle:ZMP nach OECD und FAO 2005, World agriculture: towards 2015/30<br />
EU ist größter Schweinefleischexporteur<br />
Die EU nimmt im Handel mit Schweinefleisch den ersten Platz mit 30 % aller Exporte <strong>der</strong> führenden<br />
Exportnationen, die von USDA ausgewertet werden (bzw. laut FAO ein Fünftel <strong>der</strong><br />
Weltexporte) ein. Jedoch stagniert das Wachstum. Vor vier Jahren lag <strong>der</strong> Anteil laut USDA<br />
noch bei 35 %. Kanada, USA und Brasilien gewannen Marktanteile hinzu.<br />
Europas Bedeutung in <strong>der</strong> Schweinefleischproduktion ist auf hohem Niveau stabil. Wenngleich<br />
die Produktion mehr o<strong>der</strong> weniger stagniert, so wird <strong>der</strong> innergemeinschaftliche EU Handel<br />
nicht an Bedeutung verlieren. Innerhalb <strong>der</strong> EU ist Dänemark <strong>der</strong> „Weltmeister“ im Schweinefleischexport.<br />
2005 dürften schätzungsweise 1,9 Mio. t (dreimal so viel wie Brasilien) Schweinefleisch<br />
die Landesgrenze verlassen haben. Neben Japan sind Deutschland und die östlichen<br />
neuen EU-Mitglie<strong>der</strong> die wichtigsten Zielmärkte Dänemarks. Deutschland konnte seine Position<br />
in <strong>der</strong> EU-Rangliste nach Dänemark im Export beson<strong>der</strong>s durch den Einfuhrbedarf in den<br />
neuen EU-Mitgliedstaaten dynamisch ausbauen. Da <strong>der</strong> Inlandsverbrauch mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
stagniert, konnte die Rekord-Schweinefleischproduktion in Deutschland von über 48 Mio.<br />
Schlachtschweinen in 2005 (+4 % gegenüber dem Vorjahr) nur durch eine deutliche Steigerung<br />
des Exports - von vermutlich +20 bis +25 % gegenüber 2004 - abgesetzt werden. Laut<br />
ZMP Schätzungen hat Deutschland 2005 1,1 Mio. t Schweinefleisch ausgeführt. Wichtigste<br />
Absatzgebiete für deutsche Schweinfleischvermarkter sind Italien, die Nie<strong>der</strong>lande, Österreich,<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 19<br />
9. Februar 2006
England und die neuen EU-Mitgliedstaaten. Russland ist in erster Linie bedeutsam für den<br />
Absatz von Schweinespeck.<br />
Schweinefleischexporte wichtiger Län<strong>der</strong><br />
Tsd. t Schlachtgewicht (SG) %<br />
2000 2005 2005:2000<br />
Dänemark 1500 1920 28<br />
Deutschland 584 1100 88<br />
Polen 131 195 49<br />
Brasilien 127 625 392<br />
USA 584 1208 107<br />
Kanada 660 1020 55<br />
Quelle: ZMP<br />
Brasiliens Potential am größten<br />
Eine verbesserte Inlands- und Exportnachfrage hat die Expansion des Schweinesektors in Brasilien<br />
vorangetrieben. Die schwächere Währung verbesserte Brasiliens Wettbewerbsfähigkeit<br />
auf dem Weltmarkt. Die Nettoexporte sind in den letzen Jahren kontinuierlich gestiegen, wurden<br />
im vergangenen Jahr, MKS bedingt, leicht ausgebremst. Zusätzlich schmälert <strong>der</strong> Währungsanstieg<br />
des brasilianischen REAL seit Oktober 2005 die Exporte. Im vergangenen Jahr<br />
konnten die Exporte dennoch ein Plus von über 20 % zum Vorjahr auf 625 000 t verbuchen.<br />
Brasilianische Marktexperten rechneten vor den MKS Fällen im Oktober mit einer Exportmenge<br />
von 650 000 t.<br />
Brasilien muss stark im Bereich Tierseuchen und Hygiene investieren, um die Standards <strong>der</strong><br />
Abnehmerlän<strong>der</strong> erfüllen zu können, da die dortigen Schlachthöfe z.B. nicht den EU-Standards<br />
entsprechen. Lediglich 60% aller Schlachthöfe in Brasilien haben eine Veterinärzulassung. Von<br />
diesen wird <strong>der</strong> Export bestritten.<br />
Landwirtschaftliche Fläche und Nutzung in bestimmten Gebieten<br />
Landw. Fläche<br />
in Mio. ha<br />
Genutzt<br />
in Mio. ha<br />
LN genutzt<br />
%<br />
Welt 4974 1364 27,4<br />
USA 418 176 42,1<br />
EU-15 140 73 52,1<br />
Brasilien 370 52 14,0<br />
Quelle: L. Roppa (2003)<br />
Wichtige Wettbewerbs- und Strukturvorteile <strong>der</strong> größten Produzenten 2003<br />
China USA EU15 Kanada Südamerika Brasilien<br />
Fläche in 1 000 km 2<br />
9596 9629 3238 9976 17844 8511<br />
Schweine in Mio. Stück 454,4 59,1 121,8 12,4 57,6 35,4<br />
Schweine/km 2<br />
47,3 6,1 37,6 1,2 3,2 4,1<br />
Jährl. Pro-Kopf-Verbrauch<br />
Produktionskosten<br />
33,7 30,1 43,8 31,0 10,2 12,4<br />
US$/kg Lebendgewicht 0,85-1,20 0,75-0,85 1,00-1,20 0,75-0,85 0,55-1,10 0,55-0,65<br />
Quelle: L. Roppa (2004)<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 20<br />
9. Februar 2006
Der Handel mit Schweinefleisch wächst<br />
Die EU kann im verschärften Wettbewerb allein über den Preis nicht punkten. Hier schlagen<br />
sich die hohen Standards im Verbraucherschutz, im Tier- und Umweltschutz in höhere Produktionskosten<br />
nie<strong>der</strong>. Die mit an <strong>der</strong> Spitze liegende Effektivität und Effizienz in <strong>der</strong> gesamten<br />
Wirtschaftskette kann diese Nachteile nur zum Teil kompensieren.<br />
Prognosen am Weltschweinefleischmarkt 2014<br />
Produktion Verbrauch<br />
2014 2014:2005 (%) 2014 2014:2005 (%)<br />
China 57549 + 19,2 China 57676 + 20,2<br />
EU-25 22704 + 7,5 EU-25 21331 + 6,6<br />
USA 10224 + 8,2 USA 9620 + 6,8<br />
Brasilien 3434 + 24,3 Russland 3363 + 45,0<br />
Kanada 2542 + 26,9 Japan 2745 + 8,6<br />
Russland 2139 + 15,9 Brasilien 2443 + 21,2<br />
Japan 1271 0,0 Mexiko 2050 + 30,1<br />
Mexiko 1543 + 30,3 Südkorea 1328 + 1,7<br />
Phillipinen 1507 + 21,4 Phillipinen 1631 + 32,2<br />
Quelle: ZMP nach FAPRI (2005) und eigenen Berechnungen<br />
Prognosen am Weltschweinefleischmarkt bis 2014<br />
Export Import<br />
2014 2014:2005 (%) 2014 2014:2005 (%)<br />
EU-25 1327 + 17,7 Japan 1470 + 16,3<br />
USA 1287 + 33,0 Russland 1224 + 100,0<br />
Kanada 1244 + 44,7 Mexiko 644 + 30,3<br />
Brasilien 1000 + 60,0 USA 682 + 35,3<br />
China 296 - 27,8 Südkorea 300 + 17,0<br />
Mexiko 0 0,0 Hongkong 390 + 18,2<br />
Australien 150 + 173,0 Rumänien 400 + 200,0<br />
Südkorea 5 + 100,0 Bulgarien 200 + 444,0<br />
Ukraine 6 + 66,7 China 423 + 244,0<br />
Quelle: ZMP nach FAPRI (2005) und eigenen Berechnungen<br />
Deutschland tendiert beim Schweinefleisch vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur.<br />
Vor fünf Jahren lag <strong>der</strong> Selbstversorgungsgrad beim Schweinefleisch noch bei 87 %, 2005 erreichte<br />
<strong>der</strong> Quotient aus Produktion und Verbrauch schätzungsweise 95 %.<br />
Deutsches Schweinfleisch genießt einen guten Ruf. Die Exportsteigerungen im vergangenen<br />
Jahr konnten durch den Wegfall <strong>der</strong> Handelsbarrieren im Zuge <strong>der</strong> EU-Erweiterung und durch<br />
den großen Einfuhrbedarf <strong>der</strong> östlichen Län<strong>der</strong> erreicht werden. Allein Tschechien, dass vor<br />
kurzem noch mit 100 % Selbstversorgungsgrad kaum auf Einfuhren angewiesen war, führte<br />
im vergangenen Jahr ungefähr 150 000 t Schweinefleisch ein (+60 % gegenüber 2004), sowie<br />
44 000 t aus.<br />
Das dynamische Wirtschaftswachstum in den östlichen Län<strong>der</strong>n und auch in Russland und<br />
<strong>der</strong> Ukraine wird von Jahr zu Jahr weiter anhalten. Damit verbunden sind höhere Löhne und<br />
eine steigende Kaufkraft. Somit wächst die Nachfrage nach Fleisch- und Fleischprodukten oft<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 21<br />
9. Februar 2006
asant. Allein in Russland prognostizieren Experten einen jährlichen Anstieg <strong>der</strong> Nachfrage<br />
nach Fleischwaren von fünf bis sieben Prozent. Nach Geflügelfleisch profitiert davon Schweinefleisch<br />
am meisten. Mit einem hohen Einfuhrbedarf an Fleisch kann man auch in Rumänien<br />
und Bulgarien rechnen. Die Handelsbarrieren werden im Zuge des geplanten EU-Beitritts<br />
2007 bzw. 2008 schrittweise wegfallen. An<strong>der</strong>e international bestehende Handelsschranken<br />
werden durch WTO Gespräche und Verhandlungen tendenziell gekürzt. Davon wird <strong>der</strong> weltweite<br />
Agrarhandel profitieren.<br />
Das expansive Produktionswachstum <strong>der</strong> Schweinfleischerzeugung stößt zunehmend auch<br />
auf seine Grenzen, wo bislang unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeiten prognostiziert wurden.<br />
Die verschärften Umwelt- und Genehmigungsverfahren in Dänemark, Deutschland und auch<br />
zunehmend in Spanien begrenzen die Produktionsausweitung in <strong>der</strong> EU. Ähnliche Tendenzen<br />
sind in den Anfängen aber auch in den USA und teils in Brasilien erkennbar.<br />
Zusätzlich gewinnen <strong>der</strong> Verbraucherschutz und die Diskussionen über weltweite Standards<br />
im Tierschutz an Bedeutung. Hierbei belegt Deutschland und Europa eine Spitzenposition im<br />
erreichten Niveau. Auch in Zukunft wird es in Deutschland eine bedeutsame und chancenreiche<br />
Schweineproduktion geben.<br />
* * * * *<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 22<br />
9. Februar 2006
Neue Arbeitsplätze im ländlichen Raum<br />
Adalbert Kienle<br />
(Deutscher Bauernverband e. V. )<br />
Nicht zufällig wurde <strong>der</strong> vorjährige Deutsche Bauerntag in Rostock unter das Motto „Landwirtschaft.Arbeit.<br />
Arbeit. Arbeit.Zukunft.“ Arbeit. gestellt. Denn <strong>der</strong> Standort Deutschland ist für die deutschen Bauern<br />
ohne Alternative. Das Agrarbusiness – mit <strong>der</strong> Landwirtschaft als Nukleus – beschäftigt<br />
rund 4,3 Millionen Erwerbstätige. Die deutschen Landwirte – dies hat <strong>der</strong> jüngste Konjunkturund<br />
Investitionsbarometer Agrar bewiesen – sind bereit, die wirtschaftlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> kommenden Jahre anzunehmen. Hierfür muss die Politik <strong>der</strong> heimischen Land- und<br />
Ernährungswirtschaft mehr Vertrauen entgegenbringen und Belastungen und Bremsklötze<br />
beseitigen. Der „Bürokratieabbau“ ist eine Herkules-Aufgabe, aber wenn jetzt – nach den Ankündigungen<br />
<strong>der</strong> neuen Bundesregierung und <strong>der</strong> EU-Kommission nichts geschieht -, dann<br />
haben wir den Frust total. Wir starten als Bauernverband eine große Kampagne, um den Druck<br />
zu erhöhen. Ohne Fortschritte schaffen wir auch keinen Aufbau <strong>der</strong> Tierbestände in den jungen<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n.<br />
Die Abgabenbelastung auf den Faktor Arbeit ist in Deutschland deutlich höher als in an<strong>der</strong>en<br />
EU-Staaten. Neue Arbeitsplätze werden häufig erst geschaffen, wenn alle an<strong>der</strong>en Möglichkeiten<br />
ausgeschöpft wurden. Es führt über kurz o<strong>der</strong> lang kein Weg daran vorbei, dass unsere<br />
Sozialversicherungssysteme (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung)<br />
zumindest zum Teil auf eine lohnunabhängige Finanzierung umgestellt werden müssen.<br />
In vielen ländlichen Regionen – gerade auch in den jungen Bundeslän<strong>der</strong>n – kommt hinzu:<br />
Viele junge Menschen sehen nach Schulbesuch und Ausbildung keine berufliche Perspektive<br />
in ihrer Heimat, sie wan<strong>der</strong>n schlicht ab – meist in die westdeutschen Ballungsgebieten.<br />
Gleichzeitig gibt es in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n seit 1990 einen vorher nicht gekannten Geburtenrückgang.<br />
Es kann also auch den landwirtschaftlichen Unternehmern schon bald passieren,<br />
dass sie trotz einer immer noch sehr hohen Arbeitslosigkeit keine geeigneten Fachkräfte<br />
mehr bekommen.<br />
Dies hat <strong>der</strong> landwirtschaftliche Berufsstand erkannt – wir werben verstärkt um Auszubildende<br />
in den „grünen Berufen“ und viele landwirtschaftliche Betriebe engagieren. Inzwischen sehen<br />
wir vielerorts auch einen Imagegewinn <strong>der</strong> Landwirtschaft und <strong>der</strong> Arbeit in <strong>der</strong> Landwirtschaft.<br />
Wir sind hier auf einem guten Weg.<br />
Unsere Landwirtschaft ist in Zukunft neben allem „High-Tech“ auch auf einfache Tätigkeiten<br />
angewiesen. Wir sehen dies aktuell bei Saisonarbeitskräften. Wir müssen immer noch um eine<br />
tragbare Regelung bei den Sozialabgaben für die Saisonarbeitskräfte kämpfen. Viele Politiker<br />
haben immer noch nicht erkannt, welches wirtschaftliche Potential im Sektor Obst und Gemüse<br />
steckt. Stattdessen droht <strong>der</strong> Arbeitsminister den Empfängern von Arbeitslosengeld II öffentlich<br />
mit Feldarbeit. Das löst keine Arbeitsmarktprobleme, son<strong>der</strong>n schafft neue. Denn die<br />
300 000 Saisonarbeitskräfte sorgen auch dafür, dass bis 20 000 feste Arbeitsplätze in<br />
Deutschland neu geschaffen wurden.<br />
Die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft, aber auch die Gastronomie, brauchen mehr<br />
als eine Duldung von Saisonarbeitskräften. Der Gesetzgeber sollte sich anstatt Arbeitskräfte<br />
aus an<strong>der</strong>en EU-Län<strong>der</strong>n abzuwehren, darauf konzentrieren, für vergleichbare Mindeststandards<br />
und Arbeitsbedingungen am „Arbeitsmarkt Europa“ zu sorgen.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 23<br />
9. Februar 2006
Gerade wenn wir über neue Märkte und Wertschöpfung reden, sollten wir als Landwirtschaft<br />
auch über unseren eigenen Tellerrand hinausschauen. Wir müssen stärker als bisher auf die<br />
Leistungsfähigkeit unserer Verarbeiter und Vermarkter schauen. Sind unsere Verarbeiter und<br />
Vermarkter bereit und in <strong>der</strong> Lage, sich an neuen Märkten – im Inland wie im Ausland – zu<br />
positionieren? Sind die Verarbeiter in <strong>der</strong> Lage, sich auf ein geän<strong>der</strong>tes Verbraucherverhalten<br />
(Stichwort z.B.: Convenience und Wellness) einzustellen und dafür neue Produkte zu entwickeln?<br />
Wenn aktuell die genossenschaftlichen Molkereien über ihre Aufstellung im Markt nachdenken,<br />
darf die Landwirtschaft nicht als Zuschauer am Rande stehen. Wir unterstützen alle Bemühungen<br />
<strong>der</strong> genossenschaftlichen Molkereien, durch Kooperation o<strong>der</strong> Zusammenschlüsse<br />
die Ergebnisse und die Stellung <strong>der</strong> Molkereien im Markt zu verbessern. Präsident Sonnleitner<br />
mischt sich aktiv in diese Diskussion ein – mit dem erklärten Ziel, aus den Erfahrungen beim<br />
Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> deutschen genossenschaftlichen Schlachtbranche zu lernen. Neben <strong>der</strong> Molkereiwirtschaft<br />
ist aus meiner Sicht zum Beispiel auch die ökologische Nahrungsmittelwirtschaft<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, an ihren Strukturen zu arbeiten. Häufig bleibt noch zu viel Geld buchstäblich<br />
„an den Reifen kleben“.<br />
Im Thema Erneuerbare Energien und Nachwachsende Rohstoffe steckt Musik. Schon in wenigen<br />
Jahren könnten allein in Deutschland 1,5 Millionen Tonnen Bioethanol o<strong>der</strong> mehr als Beimischung<br />
benötigt werden. Das entspricht zumindest etwa 5 Millionen Tonnen Getreide.<br />
Holzpelletsheizungen sind technisch ausgereift, komfortabel zu bedienen und gewinnen immer<br />
mehr Marktanteile. Die Nutzung von Getreide zu Heizzwecken wird folgen. Die höheren<br />
Energiepreise werden über kurz o<strong>der</strong> lang positive Auswirkungen auf die Märkte für Biomasse<br />
haben. Die Landwirtschaft und auch die Forstwirtschaft tun gut daran, sich rechtzeitig auf die<br />
verän<strong>der</strong>te Situation einzustellen. Ein Beispiel: Wenn wir die enormen Holzreserven in unseren<br />
Wäl<strong>der</strong>n mobilisieren wollen, dann müssen wir angesichts zersplitterter Eigentumsstrukturen<br />
noch stärker als bisher auf Forstbetriebsgemeinschaften und Kooperationen setzen.<br />
Damit bin ich auch hier bei den Rahmenbedingungen. Aktuell haben wir hier vor allem über<br />
die Besteuerung von Biokraftstoffen zu reden. Wir halten die im Koalitionsvertrag gefundene<br />
Formel „Beimischungszwang statt Steuerbefreiung“ für mehr als unglücklich. Wir werden alles<br />
dafür tun, dass <strong>der</strong> Markt für Biodiesel nicht durch eine Besteuerung abgewürgt wird. Wir<br />
brauchen auch die Befreiung für die Landwirtschaft bei den Biokraftstoffen.<br />
Zu den EU-Finanzen: Es ist für den Deutschen Bauernverband sehr wichtig, dass mit dem Beschluss<br />
<strong>der</strong> Staats- und Regierungschefs vom Dezember 2005 die finanzielle Ausstattung <strong>der</strong><br />
„ersten Säule“ <strong>der</strong> EU-Agrarpolitik bis zum Jahr 2013 gesichert ist. Doch gibt s harte Einschnitte<br />
in <strong>der</strong> "zweiten Säule". An<strong>der</strong>e EU-Staaten - vor allem Österreich - haben ihre Prioritäten in<br />
den Verhandlungen um die Finanzen ganz an<strong>der</strong>s gesetzt. Jetzt drohen vor allem in Westdeutschland<br />
drastische Kürzungen bei Agrarumweltprogrammen (KULAP, MeKa), Ausgleichszulage<br />
und an<strong>der</strong>en Programmen - bis hin zu För<strong>der</strong>stopps. Der Deutsche Bauernverband hat<br />
in seiner Präsidiumssitzung klar gesagt, dass wir jetzt keine neue Umverteilungsdiskussion<br />
um die Direktzahlungen vom Zaun brechen dürfen.<br />
* * * * *<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 24<br />
9. Februar 2006
Sektion<br />
Sektion<br />
„Umsetzung „Umsetzung gemeinsame gemeinsame Agrarpolitik“<br />
Agrarpolitik“<br />
Integrierte Ländliche Entwicklung – Zukunftsstrategie für die Landwirtschaft<br />
Dr. Karl-Friedrich Thöne<br />
* * * * *<br />
Ausgestaltung von KULAP und Ausgleichszulage ab 2007<br />
Dr. Ingo Zopf<br />
* * * * *<br />
Erste Erfahrungen aus <strong>der</strong> InVeKoS-Antragsstellung und Cross Compliance<br />
Peter Ritschel<br />
* * * * *<br />
Investitionsför<strong>der</strong>ung in Landwirtschaftsbetrieben, Ergebnisse und Aussichten<br />
Rüdiger Meyer<br />
* * * * *<br />
Partnerschaft im ländlichen Raum – Das Entwicklungsmodell LEADER<br />
Reinhard Krebs<br />
Markus Kunnen<br />
* * * * *<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 25<br />
9. Februar 2006
Integrierte Ländliche Entwicklung – Zukunftsstrategie für die Landwirtschaft<br />
Dr. Karl-Friedrich Thöne<br />
(Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt)<br />
Eckdaten zur Ausrichtung <strong>der</strong> Integrierten Ländlichen Entwicklung als Zukunftsstrategie für<br />
die Landwirtschaft<br />
1. Der Freistaat Thüringen wird weiterhin mit seiner För<strong>der</strong>politik die Entwicklung <strong>der</strong> Agrarstruktur<br />
und eine nachhaltige Stärkung <strong>der</strong> Wirtschaftskraft in den ländlichen Räumen im<br />
Rahmen integrierter ländlicher Entwicklungsansätze unterstützen.<br />
2. Die Landentwicklung hat seit ihrem Bestehen mit Hilfe von Agrarstrukturellen Entwicklungsplanungen,<br />
Dorferneuerung, Flurbereinigung, Zusammenführung von Boden- und<br />
Gebäudeeigentum, ländlichem Wegebau und Bodenmanagement als Kernmaßnahmen<br />
(Abb. 1) ein För<strong>der</strong>volumen von 800 Mio. EURO seit 1991 (Abb. 2) für die Landwirtschaft<br />
und für den ländlichen Raum umgesetzt. Die positiven Wirkungen sind allenthalben sichtbar.<br />
3. Die Institutionen, , Ämter für Landentwicklung und Flurneuordnung, Verband für Landentwicklung<br />
und Flurneuordnung, Thüringer Landgesellschaft, sind von <strong>der</strong> Landesregierung<br />
im Bestand und in <strong>der</strong> Organisationsform bestätigt worden.<br />
4. Der Thüringer Weg <strong>der</strong> Private-Public-Partnership, wonach privatwirtschaftliche Institutionen<br />
eng in Planung und Durchführung von Landentwicklungsmaßnahmen eingebunden<br />
werden, ist vor dem Hintergrund von Bürokratieabbau, Deregulierung und Privatisierung<br />
zukunftsfähig.<br />
5. Die Bündelung von Instrumenten in Form eines Gesamtpakets zur Integrierten Ländlichen<br />
Entwicklung mit klarer Agrarstrukturorientierung (Abb. 3) ist wegen <strong>der</strong> Kongruenz zu dem<br />
neuen ELER-Fonds ein Standortvorteil auch für die Einbindung <strong>der</strong> Thüringer Landwirtschaft.<br />
Dorferneuerung und Planungskompetenz in Form vom Integrierten Landentwicklungskonzept<br />
(ILEK) und Regionalmanagement sind auch von <strong>der</strong> För<strong>der</strong>quelle (EU, GAK<br />
= Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung <strong>der</strong> Agrarstruktur und des Küstenschutzes“) her<br />
unverzichtbare Elemente einer effizienten Agrarstruktur- und Landwirtschaftspolitik, <strong>der</strong>en<br />
Einsatz für eine allgemeine För<strong>der</strong>ung des ländlichen Raums als unzulässig angesehen<br />
wird.<br />
6. Die Rahmenbedingungen für eine Integrierte Ländliche Entwicklung sind mit Bezug auf die<br />
gesamtgesellschaftliche Entwicklung komplex und kompliziert (Abb. 4).<br />
7. Das in 2005 (rd. 59 Mio. €) und 2006 (Plan: rd. 56,6 Mio. €) zwar noch auskömmliche aber<br />
insgesamt rückläufige För<strong>der</strong>volumen (siehe Abb. 2) wird sich in <strong>der</strong> neuen EU-För<strong>der</strong>periode<br />
2007 bis 2013 Prognosen zufolge um etwa ein Drittel verringern. Knapper werdende<br />
Mittel und die demografische Entwicklung zwingen zur inhaltlichen Neuausrichtung.<br />
8. Konzentration von För<strong>der</strong>mitteln dort, wo<br />
• die Landwirtschaft eng in die regionale Entwicklung eingebunden ist o<strong>der</strong> gar selbst Impulsgeber<br />
ist,<br />
• mit ortsübergreifen<strong>der</strong> Dorferneuerung und stärkerem Raum- und Regionenbezug im<br />
Wege <strong>der</strong> Aufgabenteilung Ernst gemacht wird,<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 26<br />
9. Februar 2006
• Infrastrukturmaßnahmen einer regionalen Abstimmung unterzogen werden,<br />
• klare Aussagen über künftige Unterhaltung und Erhaltung im Blick auf das angesichts<br />
<strong>der</strong> demografischen Entwicklung zumutbare Infrastrukturerbe vorab gemacht werden,<br />
• inhaltliche Prioritäten <strong>der</strong> ländlichen Entwicklung unter den Aspekten Einkommenserwerb,<br />
Arbeitsplätze, Jugend, Familie, Bildung gesetzt werden,<br />
• <strong>der</strong> Entwicklungsimpuls als Eigeninitiative aus <strong>der</strong> Region selbst kommt.<br />
9. ILEK und Regionalmanagement sind hervorragend geeignet, die Landwirtschaft als Entwicklungsfaktor<br />
für die und in <strong>der</strong> Region herauszuarbeiten (s. Positionspapier des TBV als<br />
Ergebnis einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem TMLNU). Die jüngst angelaufenen<br />
Vorhaben unterstreichen dies.<br />
10. Die Flurbereinigung ist wegen <strong>der</strong> eigentums- und nutzungsregelnden Komponente und<br />
<strong>der</strong> Investitionsför<strong>der</strong>ung von hohem Interesse für die Landwirtschaft. Diskussionen über<br />
die För<strong>der</strong>höhe und den Verzicht <strong>der</strong> Bundeskompetenz im Zuge <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
dürfen nicht zur Marginalisierung dieses auch von <strong>der</strong> Landesevaluierung im Blick auf<br />
Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze als hocheffizient eingestuften Instruments führen.<br />
11. Die Integrierte Ländliche Entwicklung und LEADER sollen künftig besser miteinan<strong>der</strong> verzahnt<br />
werden, um Synergien dieser konzeptionell ähnlichen Instrumente besser zu nutzen.<br />
12. Das Bodenmanagement im Sinne <strong>der</strong> Verwertung und Verwaltung des staatlichen landwirtschaftlichen<br />
Grundbesitzes und einer Begleitung <strong>der</strong> BVVG-Flächenprivatisierung ist<br />
ein wichtiges Element <strong>der</strong> Agrarstrukturpolitik. Thüringen setzt auf eine Privatisierung seitens<br />
<strong>der</strong> BVVG, die sich an den strukturellen Beson<strong>der</strong>heiten des Agrarsektors und den<br />
län<strong>der</strong>spezifischen Belangen orientiert. Vorrangiges Interesse <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> ist eine weitere<br />
zeitliche Streckung <strong>der</strong> Flächenprivatisierung.<br />
13. Die Flächenhaushaltspolitik im Sinne eines intelligenten Flächenmanagements zum Inwertsetzen<br />
von Brachflächen als neues Politikziel muss im originären Interesse <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
liegen, um den Flächenverbrauch zu reduzieren und Brachen im ländlichen<br />
Raum umzuwidmen. Für sog. LPG-Brachen müssen Lösungen erarbeitet werden.<br />
14. Das GRÜNE BAND THÜRINGEN ist auch Dank des Engagements <strong>der</strong> Landwirtschaft in<br />
vielen lokalen und regionalen Projekten von einem Konfliktthema zu einem positiven<br />
Landentwicklungsvorhaben entwickelt worden, welches erhebliche Wertschöpfungspotenziale<br />
für die Regionen in sich birgt. Die Verhandlungen mit dem Bund zur Flächenübertragung<br />
stehen vor dem Durchbruch. Dies ist Voraussetzung für die vielen gemeinsam mit<br />
den Landwirtschaftsbetrieben erarbeitete Pflege- und Entwicklungskonzepte.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 27<br />
9. Februar 2006
8. Jahrestagung THÜRINGER LANDWIRTSCHAFT<br />
9. Februar 2006, Messe Erfurt<br />
Landentwicklung in Thüringen 1991-2005<br />
Agrarstrukturelle Entwicklungsplanung (AEP)<br />
232 AEP auf ca. 60 % <strong>der</strong> Landesfläche (ca. 950.000 ha)<br />
Dorfentwicklung von: - 2696 –<br />
1768 Gemeinden und Ortsteile in <strong>der</strong> Dorferneuerung<br />
Investitionsvolumen 1,6 Mrd. Euro<br />
Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz (FlurbG)<br />
157 Verfahren auf 96.000 ha<br />
Eigentumsregelung nach Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG)<br />
von 5425 Anträgen auf Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum<br />
sind 4430 Anträge bearbeitet<br />
Ländlicher Wegebau<br />
1.400 km außerhalb von Bodenordnungsverfahren und 550 km innerhalb<br />
von Verfahren nach dem FlurbG<br />
Management des staatlichen landwirtschaftlichen Grundbesitzes<br />
11.000 ha als strukturpolitisches Instrument<br />
Dr.-Ing. Karl-Friedrich Thöne<br />
Abteilungsleiter Ländlicher Raum im Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt<br />
Abbildung 1<br />
8. Jahrestagung THÜRINGER LANDWIRTSCHAFT<br />
9. Februar 2006, Messe Erfurt<br />
För<strong>der</strong>bereich Integrierte ländliche Entwicklung<br />
För<strong>der</strong>bereich<br />
AEP<br />
Freiwilliger Landtausch<br />
Flurbereinigung<br />
Ländlicher Wegebau<br />
Erosionsschutzpflanzung<br />
Dorferneuerung<br />
Erwerb v. Grundstücken<br />
f. landespfleg. Zwecke<br />
Kooperation / Umnutzung<br />
(ab 2005)<br />
SUMME<br />
480.000<br />
12.000<br />
10.600.000<br />
7.400.000<br />
20.000<br />
40.300.000<br />
200.000<br />
0<br />
59.000.000<br />
600.000<br />
--<br />
12.000.000<br />
7.000.000<br />
30.000<br />
36.200.000<br />
400.000<br />
300.000<br />
56.600.000<br />
Dr.-Ing. Karl-Friedrich Thöne<br />
Abteilungsleiter Ländlicher Raum im Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt<br />
Abbildung 2<br />
2005<br />
2006 (Plan)<br />
Gesamt<br />
1991- 2005 Mio €<br />
10,3<br />
6,2<br />
97,0<br />
79,0<br />
2,0<br />
590,0<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 28<br />
9. Februar 2006<br />
1,3<br />
800,0
ILEK<br />
Dorferneuerung<br />
Dorfentwicklung<br />
Infrastrukturmaßnahmen,<br />
insb. ländlicher Wegebau<br />
Bodenmanagement<br />
8. Jahrestagung THÜRINGER LANDWIRTSCHAFT<br />
9. Februar 2006, Messe Erfurt<br />
Schutzpflanzungen<br />
u.a.<br />
Integrierte<br />
ländliche<br />
Entwicklung<br />
GRÜNES BAND<br />
THÜRINGEN<br />
Dr.-Ing. Karl-Friedrich Thöne<br />
Abteilungsleiter Ländlicher Raum im Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt<br />
Abbildung 3<br />
Kunden/Adressaten/<br />
Konkurrenten:<br />
Land Land- und<br />
Forstwirtschaft<br />
Kommunal Kommunal- und<br />
Regionalentwicklung<br />
Umweltbereich<br />
Umweltbereich<br />
För<strong>der</strong>philosophie:<br />
horizontal horizontal<br />
vertikal vertikal<br />
Bündelung Bündelung<br />
Institutionen:<br />
bottom bottom-up up<br />
Professionalisierung<br />
Professionalisierung<br />
Private Private-Public Public-<br />
Partnership<br />
Integrierte ländliche Entwicklung<br />
Stadt Stadt-Land Land-<br />
Beziehungen<br />
demographischer<br />
demographischer<br />
Faktor<br />
Landentwicklung<br />
Integrierte<br />
ländliche Entwicklung<br />
Eigentum, Nutzung<br />
ländliche Infrastruktur<br />
spezieller Bodenordnungsbedarf<br />
neue Län<strong>der</strong><br />
Dr.-Ing. Karl-Friedrich Thöne<br />
Abteilungsleiter Ländlicher Raum im Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt<br />
Abbildung 4<br />
8. Jahrestagung THÜRINGER LANDWIRTSCHAFT<br />
9. Februar 2006, Messe Erfurt<br />
Finanzplafonds<br />
EU-Fonds<br />
GAK<br />
Landesmittel<br />
Regionalmanagement<br />
Kooperation<br />
Umnutzung<br />
Neuordnung<br />
ländlichen<br />
Grundbesitzes<br />
(FlurbG, LwAnpG)<br />
Flächenhaushaltspolitik<br />
Inwertsetzen von<br />
Brachflächen<br />
Instrumente:<br />
ILEK ILEK<br />
Regionalmanagement<br />
Regionalmanagement<br />
Flurbereinigung<br />
Flurbereinigung<br />
Flurneuordnung<br />
Flurneuordnung<br />
Ländlicher Ländlicher Wegebau<br />
Dorferneuerung<br />
Dorferneuerung<br />
Privatisierung,<br />
Privatisierung,<br />
Bodenfonds<br />
Bodenfonds<br />
Rahmenbedingungen:<br />
Agenda Agenda 21<br />
Agenda Agenda 2000<br />
Agrarreform Agrarreform 2003<br />
Planungen:<br />
integrierter Ansatz<br />
formale formale und informelle<br />
Planungen<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 29<br />
9. Februar 2006
KULAP 2007<br />
Ausgestaltung von KULAP und Ausgleichszulage ab 2007<br />
Dr. Ingo Zopf<br />
(Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt)<br />
Gemäß den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet,<br />
auch in <strong>der</strong> För<strong>der</strong>periode 2007 bis 2013 Agrarumweltmaßnahmen anzubieten. Angesichts<br />
<strong>der</strong> Zwänge, die aus finanzieller Sicht sowie aus Gründen <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Verpflichtungen<br />
im Rahmen von NATURA 2000 und Wasserrahmenrichtlinie entstehen, kann in<br />
Thüringen das KULAP nicht in <strong>der</strong> bekannten Form beibehalten werden. Das KULAP 2000<br />
wird zum KULAP 2007 weiterentwickelt.<br />
Ohne dass im Moment schon sichere Aussagen gemacht werden können, lassen die Beschlüsse<br />
<strong>der</strong> europäischen Regierungschefs zur finanziellen Vorausschau 2007 bis 2013 sowie<br />
<strong>der</strong> Stand <strong>der</strong> Planungen in Thüringen für das KULAP 2007 eine Kürzung des verfügbaren Ansatzes<br />
um 30 bis 50 % erwarten. Daneben ist zur Sicherung <strong>der</strong> nationalen Kofinanzierung<br />
eine Verstärkung <strong>der</strong> Anbindung an die Gemeinschaftsaufgabe erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Vor diesem Hintergrund sollen die Inhalte und die Verfahrensabläufe des KULAP 2007 wie<br />
folgt gestaltet werden:<br />
Zur Verbesserung <strong>der</strong> Transparenz des Programms wird die bisherige Glie<strong>der</strong>ung in die Programmteile<br />
A bis C aufgegeben und die Bezeichnung <strong>der</strong> Maßnahmen nach den Schwerpunkten<br />
Landwirtschaft/Gartenbau, Natur-, Tier- und Wasserschutz vorgenommen.<br />
Im Interesse <strong>der</strong> Konstanz <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung wird eine Reihe bewährter Maßnahmen fortgeführt,<br />
einige bekannte Maßnahmen stärker geän<strong>der</strong>t und neue Maßnahmen eingeführt. Damit werden:<br />
• auf dem Grünland bei Wegfall des betriebszweigbezogenen Ansatzes die tierbezogene Pflege<br />
verstärkt und Einschränkungen zum Betriebsmitteleinsatz reduziert,<br />
• die naturschutzorientierten Maßnahmen auf dem Ackerland deutlich verstärkt und<br />
• einige Maßnahmen speziell auf den Wasserschutz ausgerichtet.<br />
Mit dem KULAP 2007 entfallen einige bisher angebotene Maßnahmen. Das betrifft den kontrolliert-integrierten<br />
Gemüsebau und Heil-/Duft- und Gewürzpflanzenanbau (bisher A 4), den<br />
kontrolliert-integrierten Ackerbau (bisher A 7) sowie die Extensivierung von Wiesen (bisher<br />
B 3).<br />
Die Einführung und die Beibehaltung des ökologischen Landbaus werden in Thüringen weiterhin<br />
geför<strong>der</strong>t.<br />
Der Tierschutz soll im KULAP 2007 nicht berücksichtigt werden. Für die bislang vorgenommene<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> vom Aussterben bedrohten Tierrassen wird gegenwärtig geprüft, ob zukünftig<br />
ein eigenständiges För<strong>der</strong>programm außerhalb des KULAP installiert werden soll.<br />
Es ist vorgesehen, die meisten Maßnahmen nur noch in speziellen, naturschutzfachlich und<br />
wasserwirtschaftlich identifizierten Kulissen anzubieten. Der flächendeckende Ansatz, jede<br />
Maßnahme überall in Thüringen anwenden zu können, entfällt weitgehend. Das KULAP 2007<br />
ist insgesamt wesentlich stärker problem- und zielorientiert als das bislang angebotene Programm.<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 30<br />
9. Februar 2006
Wegen <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Referenz und wegen <strong>der</strong> stärkeren Orientierung an <strong>der</strong> Gemeinschaftsaufgabe<br />
wird die Höhe <strong>der</strong> Beihilfen insgesamt zurückgehen. Das trifft auf alle Programmteile<br />
vom Ökolandbau bis zum Vertragsnaturschutz zu.<br />
Auch für das Verwaltungsverfahren sind Neuerungen vorgesehen. Das betrifft das KULAP-Jahr,<br />
das Antragsverfahren sowie das Abstimmungsverfahren für die Maßnahmen des Vertragsnatur-<br />
und des Wasserschutzes.<br />
Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> erwarteten finanziellen Restriktionen wird es tatsächlich erst im Jahr<br />
2008 zum ersten Antragsverfahren für das KULAP 2007 kommen. Bis dahin werden die zurzeit<br />
laufenden Verpflichtungen im KULAP 2000 die vorhandenen Mittel binden. Mit den Genehmigungen<br />
in 2008 werden zudem die gesamten Mittel für das KULAP für fünf Jahre gebunden.<br />
Folge ist, dass in den Folgejahren bis 2013 keine weiteren Antragsverfahren für das<br />
KULAP mehr möglich sind.<br />
Ausgleichszulage in den benachteiligten Gebieten<br />
Für die Ausgleichszulage haben die heute gültigen Rechtsgrundlagen zunächst bis 2009 Bestand.<br />
Damit sind die Neuabgrenzung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>kulisse und die größenabhängige Degression<br />
<strong>der</strong> Beihilfe für die nächsten vier Jahre vom Tisch.<br />
Trotzdem wird es in Thüringen ab 2007 nicht möglich sein, die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> benachteiligten<br />
Gebiete ohne Verän<strong>der</strong>ungen fortzuführen. Ursachen dafür sind die Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> verfügbaren<br />
EU-Mittel um 30 bis 50 % und die Än<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> nationalen Kofinanzierung. Daraus<br />
ergeben sich Konsequenzen in zwei Richtungen:<br />
Das Landesprogramm entfällt ersatzlos. Zum an<strong>der</strong>en muss <strong>der</strong> Verteilungsmodus für die<br />
Ausgleichszulage überdacht und neu geregelt werden. Hier wird gegenwärtig über folgende<br />
Varianten nachgedacht:<br />
• Anhebung <strong>der</strong> Untergrenze von 3 ha auf 10 bis 20 ha.<br />
• Deckelung des För<strong>der</strong>satzes bei 150 €/ha<br />
• Ausschluss von Standorten mit LVZ > 26,5<br />
• Ausschluss von Flächen (Stilllegung, glöZ-Flächen, Ackerflächen insgesamt)<br />
• Einführung einer Größendegression<br />
• Verschärfung <strong>der</strong> Arbeitskraft bezogenen Obergrenze<br />
• Staffelung <strong>der</strong> Ausgleichszulage nach dem Tierbesatz<br />
Fazit<br />
Mit <strong>der</strong> Neugestaltung des KULAP und <strong>der</strong> Ausgleichszulage ab 2007 ist zu erwarten, dass mit<br />
den Programmen die Erhaltung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung nicht mehr so<br />
umfassend unterstützt werden kann, wie das bislang <strong>der</strong> Fall war. Insbeson<strong>der</strong>e auf dem<br />
Grünland wird <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> För<strong>der</strong>programme zurückgehen.<br />
* * * * *<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 31<br />
9. Februar 2006
Erste Erfahrungen aus <strong>der</strong> InVeKoS-Antragsstellung und Cross Compliance<br />
Peter Ritschel<br />
(Landwirtschafstamt Sömmerda)<br />
Rahmenbedingungen für das Antragsjahr 2005<br />
• Ausführungsverordnungen zur neuen GAP 2003 mit kurzen Vorlaufzeiten zur Umsetzung<br />
• Einführung einer neuen zentralen Datenbank in Thüringen<br />
• Einführung eines neuen Referenzsystems (Digitale Grundkarte Landwirtschaft, incl. des<br />
FIS-DFK auf Basis eines GIS)<br />
• bundesweiter Abstimmungsbedarf über ZID-München<br />
• begrenzte Erfahrungen <strong>der</strong> Verwaltung sowie <strong>der</strong> Antragsteller mit Inhalten und System <strong>der</strong><br />
Antragstellung und –verarbeitung<br />
• einmalige Berechnung und Bescheidung <strong>der</strong> Zahlungsansprüche (ZA) sowie von Härteund<br />
Son<strong>der</strong>fällen<br />
Auswirkungen auf das Antragsjahr 2005<br />
• Kurze Testzeiten für Datenbank und Software<br />
• Großer Aktualisierungsbedarf <strong>der</strong> DFK<br />
• Große Datenmengen waren zu erfassen, zu verarbeiten und zu zentralisieren.<br />
• Zusätzlicher Kontrollaufwand für Cross Compliance<br />
• Hoher Abstimmungsbedarf zwischen Verwaltungsebenen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und des Bundes sowie<br />
innerhalb <strong>der</strong> Thüringer Agrarverwaltung<br />
• Hoher Qualifizierungsbedarf <strong>der</strong> eingereichten Anträge und Nachweise<br />
Großes Engagement von Landwirten und Verwaltungsmitarbeitern<br />
Ergebnisse des Antragsjahres 2005<br />
• KULAP-Bewilligung: 36,5 Mio. €<br />
• NATURA 2000: 0,677 Mio. €<br />
• BENA: 12,88 Mio. € <strong>der</strong> Gemeinschaftsaufgabe<br />
• Teilzahlung Betriebsprämie 2005:<br />
(im Dezember 2005)<br />
• Berechnung <strong>der</strong> ZA in <strong>der</strong> 4. KW<br />
4,82 Mio. € aus Landesprogramm<br />
ca. 200,11 Mio. €<br />
• Abschlusszahlung Betriebsprämie 2005 bis spätestens 30.06.06,<br />
früherer Termin wird angestrebt<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 32<br />
9. Februar 2006
Investitionsför<strong>der</strong>ung in Landwirtschaftsbetrieben<br />
Ergebnisse und Aussichten am Beispiel<br />
<strong>der</strong> Landwirtschaft Körner GmbH & Co. Betriebs. KG<br />
Rüdiger Meyer<br />
(Landwirtschaft Körner GmbH und Co. Betriebs. KG)<br />
Die Landwirtschaft Körner GmbH & Co. Betriebs. KG ist ein mittelgroßer landwirtschaftlicher<br />
Betrieb in Nordthüringen, mit einer LN von 1 620 ha, einer umfangreichen Tierproduktion,<br />
Betreiber einer Biogasanlage, mehrerer Photovoltaikanlagen, sowie Anbieter verschiedener<br />
landwirtschaftlichen Dienstleistungen.<br />
Wie bei die Mehrheit <strong>der</strong> ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebe <strong>der</strong> DDR, galt es auch in<br />
Körner die landwirtschaftliche Produktion inklusive <strong>der</strong> Tierproduktion weiterzuführen, sie<br />
wettbewerbsfähig zu gestalten, sowie sichere Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen und<br />
zu erhalten.<br />
Nach <strong>der</strong> am Anfang notwendigen Reduzierung <strong>der</strong> Beschäftigten, können wir heute, nach<br />
mehr als 12 Jahren sagen, wir haben in unserem Unternehmen die Anzahl <strong>der</strong> Beschäftigten<br />
(ca. 50) und die Anzahl an Ausbildungsplätzen (zwischenzeitlich bis zu 10 Azubi`s in den verschiedensten<br />
Ausbildungsberufen) stabil gehalten.<br />
Diese Entwicklung und Stabilität ist nicht zuletzt <strong>der</strong> umfangreich genutzten Investitionsför<strong>der</strong>ung<br />
geschuldet, denn hierdurch waren rechtzeitige und objektiv begründete Investitionen in<br />
den verschiedensten Bereichen <strong>der</strong> Produktion möglich!<br />
Investitionsför<strong>der</strong>ung in den zurückliegenden Jahren<br />
Schweineproduktion<br />
Ferkelproduktion am Standort Volkenroda<br />
Investitionsvolumen (1994 bis 2005): 175 000 €<br />
• Umbau des gesamten Abferkel-, Besamungs- und Wartestalles <strong>der</strong> 300-er Sauenanlage inklusive<br />
Fütterung, Heizung, Klimasteuerung<br />
• Errichtung eines Flatdeck / Vormastbereiches<br />
• Schaffung von zusätzlichen Jungsauenplätzen<br />
All diese Maßnahmen dienten vor<strong>der</strong>gründig <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Haltungsbedingungen <strong>der</strong><br />
Sauen, Ferkel und Läufer, sowie <strong>der</strong> Verbesserung und Erleichterung <strong>der</strong> Arbeitsbedingungen<br />
<strong>der</strong> Beschäftigten.<br />
Auch wenn wir mit den erreichten Ergebnissen von inzwischen 24 abgesetzten Ferkeln/Sau/Jahr<br />
noch nicht zufrieden sind wurden hier doch stabile Vorraussetzungen für die eigene Mastanlage geschaffen.<br />
Mastanlage Körner<br />
Investitionsvolumen (1994 bis 2005): ca. 190 000 €<br />
Die Schweinemastanlage Körner mit einem Durchsatz von mehr als 6 500 Mastschweinen/<br />
Jahr und <strong>der</strong> fast 100 % Vermarktung am regionalen Schlachthof Mühlhausen, wurde in den<br />
zurückliegenden Jahren ebenfalls auf ein Maß mo<strong>der</strong>nisiert, welches uns ermöglicht auch bei<br />
niedrigem Preisniveau möglichst kostendeckend zu produzieren.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 33<br />
9. Februar 2006
Exakte Klimasteuerung über die gesamte Mastperiode, inklusive <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Abwärme<br />
<strong>der</strong> Biogasanlage zur Heizung, sowie mo<strong>der</strong>ne Fütterungstechnologien ermöglichen hier<br />
Masttageszunahmen > 800 g bei optimaler Fleischqualität und geringen Verlusten.<br />
Milchproduktion<br />
Investitionsvolumen (1992 bis 2005): ca. 1 230 000 €<br />
Schwerpunkt war auch hier die Schaffung von optimalen Haltungsbedingungen zur Erhöhung<br />
<strong>der</strong> Leistung und Verbesserung <strong>der</strong> Tiergesundheit <strong>der</strong> 550 Milchkühe.<br />
• Melktechnik<br />
• Umbau Liegeboxen, Standausrüstung, Abkalbe- und Wellnessbereich<br />
• wind-, regen- und temperaturgesteuerte Klimaregelung durch verschiedene Wickellüftungssysteme<br />
• Umbau Kälberstall + Tränkautomaten<br />
• Umbau Jungrin<strong>der</strong>anlage<br />
Ergebnisse<br />
• deutliche Verbesserung <strong>der</strong> Haltungsbedingungen <strong>der</strong> Kälber, Jungrin<strong>der</strong> und Kühe<br />
• kontinuierliche Leistungssteigerung/Kuh und Jahr von 1995 bis 2003 (von ca. 7 000 auf<br />
9 678 kg)<br />
• Reduzierung <strong>der</strong> Reprorate/Verbesserung <strong>der</strong> Tiergesundheit<br />
• Steigerung <strong>der</strong> Produktivität<br />
• Reduzierung des Erstkalbealters<br />
Pflanzenproduktion<br />
Investitionsvolumen: 800 000 €<br />
In <strong>der</strong> Pflanzenproduktion werden bekanntlich die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tierproduktion<br />
geschaffen. Deshalb war es auch hier unumgänglich, rechtzeitig in notwendige<br />
mo<strong>der</strong>ne Technik zur Silagebereitung, in Siloraum, sowie Trocknungs- und Lagermöglichkeiten<br />
zu investieren.<br />
Durch die getätigten Investitionen z.B. Feldhäcksler (in Kooperation mit zwei an<strong>der</strong>en Betrieben)<br />
sind wir heute in <strong>der</strong> Lage qualitativ hochwertige Silagen zu bergen und verlustarm zu<br />
lagern. Ähnliches gilt für Getreidetrocknungs- und Lagermöglichkeiten zu innerbetrieblichen<br />
Einsatz von wirtschaftseigenen Kraftfuttermitteln<br />
Photovoltaik<br />
AFP-Investitionsvolumen: 520 000 €<br />
Errichtung von mittlerweile fünf Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von ca. 130<br />
kW P, zur weiteren Diversifizierung und Stabilisierung des Unternehmens.<br />
Dachsanierungen<br />
AIP-Investitionsvolumen: ca. 80 000,- €<br />
Sanierung von bisher ca. 3 500 m² Dachflächen. Diese Fläche entspricht jedoch nur einem<br />
Bruchteil <strong>der</strong> in den nächsten Jahren sanierungsbedürftigen Dachflächen.<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 34<br />
9. Februar 2006
Notwendigkeit und Aussichten für die Zukunft<br />
Es ist unser aller Ziel, die Landwirtschaft in Deutschland in Ihrer Vielfalt, Produktivität und<br />
Qualität zu erhalten, zu för<strong>der</strong>n und weiter zu entwickeln. Hierbei geht es darum Wertschöpfung<br />
in den ländlichen Regionen zu betreiben, sowie Arbeitsplätze zu erhalten o<strong>der</strong> neu zu<br />
schaffen.<br />
Die GAP-Reformen und die fortschreitende Globalisierung <strong>der</strong> Agrarmärkte führen bei uns<br />
Landwirten zu einem enormen Anpassungsdruck, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern<br />
und neue Einkommensquellen zu erschließen.<br />
Aus diesem Grund ist es dringend erfor<strong>der</strong>lich, dass wir Landwirte bei <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
und Anpassung unserer Betriebe auch in Zukunft durch geeignete Agrarinvestitionsför<strong>der</strong>ungen<br />
unterstützt werden. Die Sicherung und Verbesserung <strong>der</strong> internationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />
muss das prioritäre, das vor<strong>der</strong>gründige Ziel <strong>der</strong> investiven För<strong>der</strong>ung bleiben.<br />
Aus den aktuellen Verän<strong>der</strong>ungen, sowie den Erfahrungen und Ergebnissen <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
ergeben sich aus unserer Sicht folgende Schwerpunkte:<br />
1. Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Produktion, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Tierproduktion muss<br />
die Hauptaufgabe <strong>der</strong> Agrarför<strong>der</strong>ung bleiben. Hierbei ist die För<strong>der</strong>ung von wirtschaftlich<br />
sinnvollen tiergerechten Haltungsformen beson<strong>der</strong>s notwendig (Klimaregelung, Standausrüstungen<br />
und Liegeflächen).<br />
För<strong>der</strong>ungen von Investitionen in <strong>der</strong> Tierproduktion sollten auch dann möglich sein,<br />
wenn die Tierbestände aufgestockt und das Produktionsvolumen erhöht wird.<br />
Diese For<strong>der</strong>ung ergibt sich aus <strong>der</strong> Entkoppelung <strong>der</strong> Direktzahlungen.<br />
2. Für die Stabilität <strong>der</strong> Betriebe ist die Schaffung und För<strong>der</strong>ung von zusätzlichen, über die<br />
landwirtschaftliche Urproduktion hinausgehenden Wirtschaftsaktivitäten erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Beson<strong>der</strong>e Bedeutung kommt hierbei <strong>der</strong> Erzeugung und Verwertung von Bioenergie<br />
(Biomasse, Biogas, Biotreibstoffe) zu. Dazu sind notwendige Investitionen in die Lagerung<br />
(Siloraum, Raps/Getreidelager), Verarbeitung und Vermarktung (Ölmühlen u.ä.) einbegriffen.<br />
3. Ausgehend von <strong>der</strong> wachsenden Zahl von Biogasanlagen, Ölmühlen u.ä. und <strong>der</strong> damit<br />
verbundenen Verwertung nachwachsen<strong>der</strong> Rohstoffe im landwirtschaftlichen Betrieb, wird<br />
das Aufkommen an betriebseigenen Wirtschaftsdüngemitteln (Gülle) deutlich steigen, d.h.<br />
Rohstoffe verbleiben vermehrt im Betrieb und können sich negativ auf die zu erstellende<br />
Düngebilanz auswirken.<br />
Deshalb kommt <strong>der</strong> gezielten und verlustarmen Ausbringung <strong>der</strong> Gülle nach „Guter fachlicher<br />
Praxis“ und den Regulierungen durch Cross Compliance erhöhte Aufmerksamkeit zu.<br />
För<strong>der</strong>ung in diese Art von Ausbringtechnik, auch in Kooperationen, halten wir zur Nährstoffsicherung<br />
für überaus notwendig.<br />
4. Die in den zurückliegenden Jahren getätigten Investitionen in landwirtschaftlichen Wegebau<br />
und die Pflege von Vorflutern und Gräben ist nach objektiven Erfor<strong>der</strong>nissen beizubehalten.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 35<br />
9. Februar 2006
5. Ziel <strong>der</strong> gesamten investiven För<strong>der</strong>ung muss neben <strong>der</strong> Stabilisierung und Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> landwirtschaftlichen Betriebe die Erhaltung und Schaffung von sicheren Arbeitsplätzen<br />
im ländlichen Raum sein. Eine Verbindung von För<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Erhaltung von<br />
Arbeitsplätzen wird aus Sicht unseres Unternehmens, auch wenn es unbequem ist befürwortet.<br />
6. Ein eigenständiges Thüringer För<strong>der</strong>programm (bisher AIP) o<strong>der</strong> zusätzliche För<strong>der</strong>tatbestände,<br />
welche die regionalen Gegebenheiten Thüringens berücksichtigen, sind auch nach<br />
2006 erfor<strong>der</strong>lich.<br />
* * * * *<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 36<br />
9. Februar 2006
Partnerschaft im ländlichen Raum – das Entwicklungsmodell LEADER<br />
Reinhard Krebs,<br />
(Landwirtschaftsamt Bad Salzungen, Sitz Eisenach)<br />
Markus Kunnen<br />
(Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt)<br />
Die agrarpolitischen Ziele für Thüringen gründen auf eine Landwirtschaft als innovativen und<br />
multifunktionalen Wirtschaftszweig, welcher seither die Thüringer Kulturlandschaft nachhaltig<br />
prägte und auch weiterhin eine tragende Säule für die Stabilität <strong>der</strong> ländlichen Räume bildet.<br />
Interessierte und engagierte Partner aus allen Regionen in Thüringen erkannten darüber hinaus<br />
die innovativen und multifunktionalen Möglichkeiten des gesamten ländlichen Raumes<br />
und nutzen nun die Gemeinschaftsinitiative LEADER <strong>der</strong> Europäischen Union, um mit den<br />
Landwirten und an<strong>der</strong>en Wirtschafts- und Sozialpartnern sowie Vertretern von Kommunen<br />
und Behörden in unterschiedlichsten Projekten ihre spezifische Region integrativ zu entwickeln.<br />
Nach einer erfolgreichen Entwicklung dieses Modells in über zehn Jahren in Thüringen<br />
soll am Beispiel <strong>der</strong> Wartburgregion darüber berichtet werden.<br />
Die Gemeinschaftsinitiative LEADER in Thüringen – eine Erfolgsstory seit 1995<br />
Vor 16 Jahren wurde die EU-Gemeinschaftsinitiative LEADER aus <strong>der</strong> Taufe gehoben als ein<br />
neues För<strong>der</strong>instrument mit ungewöhnlichen Modalitäten bei dessen Umsetzung. Die För<strong>der</strong>ung<br />
von Projekten nach dem „bottom-up“- Prinzip, gesteuert von Menschen aus <strong>der</strong> Region,<br />
die ihre Empfehlungen für eine För<strong>der</strong>ung in Lokalen Aktionsgruppen entwickeln, war eine<br />
völlig neue Herangehensweise. Thüringen fand seinen Einstieg in die Gemeinschaftsinitiative<br />
LEADER II 1995 in sieben Regionen. Nach <strong>der</strong> Fortführung mit dem Programm LEADER + im<br />
Jahr 2002 nutzen mittlerweile zwölf Lokale Aktionsgruppen flächendeckend in den ländlichen<br />
Räumen Thüringens dieses För<strong>der</strong>instrument. Die typischen LEADER-Elemente haben sich in<br />
<strong>der</strong> Praxis bewährt und stellen auch außerhalb dieser För<strong>der</strong>ung gängige Begriffe dar. Ob für<br />
das Projekt „Regionen Aktiv“ o<strong>der</strong> für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> „Integrierten Ländlichen Entwicklung“,<br />
stets stand das LEADER-Modell Pate.<br />
Der Name LEADER stammt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie „Verbindungen<br />
zwischen Aktionen zur Entwicklung des ländlichen Raumes“. Nur in diesem Programm werden<br />
nach dem Partnerschaftsprinzip lokale Entwicklungsansätze durch eine Projektför<strong>der</strong>ung<br />
kohärent und systematisch umgesetzt. Mittlerweile sind etwas über 200 Personen in den<br />
zwölf Lokalen Aktionsgruppen in Thüringen aktiv. Sie vertreten die Landwirtschaft o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en<br />
berufsständische Vertretung, die Wirtschaft, Umweltverbände, aber auch die Gemeinden,<br />
Landkreise und Behörden. 34 Personen gehören keinem Verein o<strong>der</strong> Verband an. Sie wirken<br />
aus eigenem Interesse für den ländlichen Raum mit und bringen ihre persönlichen Kenntnisse<br />
über die Region und ihre Erfahrungen in die Arbeit mit ein. Diese Bürgerbeteiligung ist Grundvoraussetzung<br />
für die Akzeptanz von LEADER. Die Lokalen Aktionsgruppen wirken innerhalb<br />
einer regionalen Gebietskulisse, überwiegend orientiert an den Grenzen von Amtsbereichen<br />
o<strong>der</strong> Landkreisen. Darüber hinaus werden aber auch gebietsübergreifende Kooperationen<br />
praktiziert, wo gemeinsame Potenziale auch gemeinsame Ideen hervorrufen. Auf diesem Wege<br />
konnten bereits 40 Projekte geför<strong>der</strong>t werden. Ein guter Teil davon ist dem so genannten<br />
„LEADER-Modellprojekt Thüringer Wald“, einem Zusammenschluss von fünf Lokalen Aktionsgruppen<br />
unter Fe<strong>der</strong>führung des Verbandes Naturpark Thüringer Wald, zuzuschreiben.<br />
Alle Projekte werden in den För<strong>der</strong>gebieten durch Regionalmanager begleitet und durch die<br />
Landwirtschaftsämter die Projektanträge verwaltungstechnisch aufbereitet bzw. för<strong>der</strong>seitig<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 37<br />
9. Februar 2006
kontrolliert. Im Thüringer Landesverwaltungsamt erfolgt die gesamte Haushaltsmittelverwaltung<br />
und Bewilligung <strong>der</strong> Projekte.<br />
Allein ab dem Jahr 2002 konnten über 500 Projekte einer För<strong>der</strong>ung zugeführt werden. Dabei<br />
entstanden vielfach Projekte, die nicht in das Spektrum gängiger För<strong>der</strong>maßnahmen passen<br />
und sich damit augenscheinlich unterscheiden von För<strong>der</strong>ungen aus finanziell teilweise besser<br />
gestellten Hauptprogrammen. Als Schwerpunkte haben sich eindeutig die Bereiche „Ländlicher<br />
Fremdenverkehr“, „Erhaltung des ländlichen Kulturgutes“, „Vermarktung landwirtschaftlicher<br />
Qualitätsprodukte“ und die „Erbringung von Diensten für die ländliche Wirtschaft und<br />
die Landbevölkerung“ herausgestellt. Damit sind in <strong>der</strong> laufenden För<strong>der</strong>periode rund 16 Millionen<br />
EURO För<strong>der</strong>mittel, die die EU und Thüringen beigesteuert haben, in die Projekte geflossen.<br />
Fast die gleiche Summe wird in den nächsten Jahren aus dem jetzigen LEADER+ -<br />
Programm hinzukommen. Dadurch wird LEADER auch weiterhin Impulse auslösen und die<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> ländlichen Entwicklung in Thüringen flankieren.<br />
Partnerschaften im ländlichen Raum <strong>der</strong> Wartburgregion<br />
Bereits 1995 gründete sich die Lokale Aktionsgruppe (LAG) mit insgesamt 12 Teilnehmern und<br />
ab <strong>der</strong> LEADER+ - För<strong>der</strong>phase 2002 beraten 16 Mitglie<strong>der</strong> die Projekte <strong>der</strong> Wartburgregion,<br />
die den ländlichen Raum des Wartburgkreises und <strong>der</strong> kreisfreien Stadt Eisenach umfasst. Die<br />
LAG arbeitet als Interessengemeinschaft nach einer Geschäftsordnung, in <strong>der</strong> die Aufgaben,<br />
Arbeitsweise und Beschlussfassung geregelt sind. Vertreter von Wirtschafts- und Sozialpartnern<br />
sowie Verbänden, Behörden und Kommunen arbeiten in dieser LAG mit. Sie konnte somit<br />
nach den Prinzipien von „Buttom-up“ aufgestellt werden, indem alle wichtigen, den ländlichen<br />
Raum repräsentierende Bereiche vertreten sind. Im Jahr 2001 bewarb sich die LAG erfolgreich<br />
mit einem Regionalen Entwicklungsplan 2000 bis 2006 für eine Zulassung zur LEA-<br />
DER+ -För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wartburgregion beim Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz<br />
und Umwelt. Dieser Plan enthält eine Stärken-Schwächen-Analyse und entwickelt darauf<br />
aufbauend Entwicklungsziele und Entwicklungsstrategien. So wie eingangs beschrieben<br />
mit <strong>der</strong> EU-Gemeinschaftsinitiative LEADER eine Nutzung <strong>der</strong> innovativen und multifunktionalen<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Region angestrebt wird, einigte sich die LAG auf ein Leitmotto für den<br />
gesamten För<strong>der</strong>zeitraum: „Vernetzte Vielfalt - Chance für die Zukunft des ländlichen Raumes“.<br />
Beispiele aus <strong>der</strong> Wartburgregion zur Umsetzung des Entwicklungsmodells LEADER<br />
Anhand von Beispielen sollen LEADER-Projekte aus <strong>der</strong> Wartburgregion vorgestellt werden,<br />
bei denen sich die Umsetzung des Leitmottos <strong>der</strong> LAG als beson<strong>der</strong>s ganzheitlich und nachhaltig<br />
für die Entwicklung des ländlichen Raumes erwies:<br />
- Projekt Rhönlandhof Dermbach:<br />
Die Agrargenossenschaft Rhönland Dermbach entwickelt kontinuierlich seit 1990 als einer <strong>der</strong><br />
größten Milchproduzenten und Direktvermarkter <strong>der</strong> Region am Betriebssitz das Konzept<br />
„Rhönlandhof“. Diese Betriebsphilosophie verfolgt das Ziel, nicht nur sehr gute wirtschaftliche<br />
Erfolge und damit Arbeitsplätze zu sichern, son<strong>der</strong>n auch als gesellschaftlicher Mittelpunkt im<br />
ländlichen Raum <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>rhön zu wirken. Darüber hinaus soll ebenso „Landwirtschaft zum<br />
Anfassen“ für Je<strong>der</strong>mann die Entwicklung einer hochmo<strong>der</strong>nen und verbraucherschutz- sowie<br />
tierartgerechten Landwirtschaft demonstrieren. So wurde mit Hilfe von LEADER die „Rhönlandscheune“<br />
für Großveranstaltungen errichtet, in <strong>der</strong> die Produkte aus eigener Direktvermarktung<br />
angeboten werden. Diese gelangen auch nebenan im Hofladen als Fleisch- und<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 38<br />
9. Februar 2006
Wurstwaren zum Verkauf. Die Kunden (Zielgruppe: Eltern mit Kin<strong>der</strong>n) können sich unmittelbar<br />
im Streichelzoo und auf dem Kin<strong>der</strong>spielplatz vergnügen. Als Beson<strong>der</strong>heit stellt <strong>der</strong><br />
Betrieb aus eigener Eierproduktion Hausmachernudeln her, <strong>der</strong>en Produktion <strong>der</strong> Kunde hinter<br />
Glas verfolgen kann. Ebenso „gläsern“ kann die Arbeit am Melkkarussell in einem Besucherstand<br />
beobachtet werden. Im „Rhönlandhof“-Konzept <strong>der</strong> nächsten Jahre sind weitere<br />
innovative Verarbeitungsstufen eigener Erzeugnisse enthalten, die die LAG mit Interesse verfolgen<br />
wird.<br />
- Touristische Entwicklung am Nationalpark Hainich<br />
Seit dem 1998 <strong>der</strong> Hainich zum Nationalpark ausgerufen wurde, besteht ein beson<strong>der</strong>er Bedarf<br />
an touristischer Infrastrukturentwicklung im ländlichen Raum.<br />
Das Gelände einer ehemaligen Kaserne auf dem Harsberg unmittelbar am Nationalpark wird<br />
<strong>der</strong>zeit mit viel Aufwand zu einer Jugendherberge als „Urwald-Life-Camp“ ausgebaut. Noch<br />
lange bevor die Bauarbeiten begannen, ermöglichte LEADER, einen früheren Fliegerhangar als<br />
ersten Anlaufpunkt zur Präsentation des Gesamtvorhabens zu sanieren. Damit konnten sich<br />
bereits viele Interessierte informieren und die Chancen künftiger Umweltbildung sowie das<br />
Nationalpark-Anliegen werbewirksam verbreiten.<br />
- Wirtschaftliches, soziales und touristisches Gesamtprojekt „Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn“<br />
In den nach 1990 verwahrlosten Gebäuden <strong>der</strong> alten Saline vor Creuzburg erschloss <strong>der</strong> Projektträger<br />
DIAKONIA e.V. mit Hilfe von Spenden und mit <strong>der</strong> Dorferneuerung Werkstätten,<br />
Wohnräume und ein Cafe für ein sozioökonomisches Netzwerk zur nachtherapeutischen Begleitung<br />
bedürftiger Menschen. Eine Milchschafhaltung und <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Direktvermarktung<br />
von Schafmilchprodukten, Honig und Obst/Gemüse als Agrarinvestition sind im Entstehen.<br />
LEADER unterstützte den Ausbau des Gutshauses, eine innovative Haustechnik sowie<br />
Ausstellungsräume zur Darstellung von Naturschutzzielen.<br />
- Landwirtschaftlicher Aktionshof<br />
Im Moorgrund, nahe <strong>der</strong> Kreisstadt Bad Salzungen, schufen gemeinsam Kommune, Agrargenossenschaft<br />
und Vereine mehrere Projekte, die mittlerweile den ländlichen Raum prägen. In<br />
den Orten sind weithin Maßnahmen <strong>der</strong> Dorferneuerung sichtbar, <strong>der</strong> ansässige Landwirtschaftsbetrieb<br />
baute erfolgreich seine Milchviehhaltung und Direktvermarktung aus. LEADER<br />
för<strong>der</strong>te eine Maßnahme <strong>der</strong> Gemeinde zum Ausbau eines landwirtschaftlichen Informationsweges,<br />
auf dem die Agrargenossenschaft die Möglichkeit hat, ihre Feldkulturen, Stallungen<br />
und Formen <strong>der</strong> Tierhaltung darzustellen. Im Luther-Stammort Möhra entstand mit Hilfe von<br />
LEADER ein einmaliger Geflügelpark, in dem alte Thüringer Rassen gezeigt werden.<br />
Fazit einer Entwicklung <strong>der</strong> ländlichen Wartburgregion mit LEADER<br />
Zweifellos stellt LEADER das von <strong>der</strong> EU propagierte „Experimentierlabor“ für den ländlichen<br />
Raum dar, denn die angeführten Beispiele aus <strong>der</strong> Wartburgregion machen deutlich, dass gerade<br />
innovative, wenn nicht sogar ungewöhnliche För<strong>der</strong>projekte durch diese EU-Gemeinschaftsinitiative<br />
zur erfolgreichen Entwicklung des ländlichen Raumes beitragen. Seit 1995 gelang<br />
es sogar, ein Netz von Projekten zu installieren, an denen die Entwicklung einzelner Teilräume,<br />
wie Thüringische Rhön, Hainich und Thüringer Wald gut ablesbar ist und LEADER-Maßnahmen<br />
wie Mosaiksteine die Region zusammenhalten. Damit wirkt die LEADER-Initiative vor allem als<br />
weicher Standortfaktor, dem letztlich <strong>der</strong> Erhalt von Arbeitsplätzen, die Inwertsetzung natürlicher<br />
und kultureller Potenziale und ein hohes Lebenswertgefühl in unseren Dörfern zu verdanken ist.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 39<br />
9. Februar 2006
Ausblick auf das Partnerschaftsprinzip in den ländlichen Räumen <strong>der</strong> Zukunft<br />
Mit Beginn des Jahres 2007 beginnt eine neue EU-För<strong>der</strong>phase. Den ländlichen Raum betreffend<br />
sind <strong>der</strong>en Grundsätze in <strong>der</strong> so genannten ELER-Verordnung verankert. Eine LEADER-Gemeinschaftsinitiative<br />
als eigenes Programm wird es in Zukunft nicht mehr geben. Vielmehr werden die<br />
für diese För<strong>der</strong>ung typischen Elemente in das Hauptför<strong>der</strong>programm für den ländlichen Raum<br />
einfließen. Auch künftig werden öffentlich-private Partnerschaften analog <strong>der</strong> Lokalen Aktionsgruppen<br />
die inhaltlichen Schwerpunkte <strong>der</strong> ELER-Verordnung umsetzen und das LEADER-Prinzip<br />
wird querschnittsorientiert wesentlicher Bestandteil <strong>der</strong> neuen EU-För<strong>der</strong>ung. An <strong>der</strong> konkreten<br />
Ausgestaltung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>programme ab 2007 arbeiten <strong>der</strong>zeit die zuständigen Stellen. Es liegt<br />
nahe, über eine engere Verknüpfung <strong>der</strong> europäischen LEADER-Methode mit dem Instrument<br />
<strong>der</strong> Integrierten Ländlichen Entwicklung nachzudenken. Die Bündelung gleichartiger Konzepte an<br />
geeigneter Stelle trägt dazu bei, eine regionale Überplanung zu vermeiden und beför<strong>der</strong>t das<br />
Miteinan<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Region.<br />
Das partnerschaftliche Zusammenwirken aller Akteure, wie wir es mit LEADER erfahren haben,<br />
wird im ländlichen Raum zunehmend gefragt sein und auch zukünftig entsprechend in dessen<br />
Entwicklung Eingang finden.<br />
* * * * *<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 40<br />
9. Februar 2006
Sektion<br />
Sektion<br />
„Agrarmärkte „Agrarmärkte <strong>der</strong> <strong>der</strong> Zukunft“<br />
Zukunft“<br />
Wettbewerbsfähige Milcherzeugung im internationalen Vergleich<br />
Prof. Dr. Alois Heißenhuber<br />
* * * * *<br />
Bioenergie – Ein Agrarmarkt <strong>der</strong> Zukunft<br />
Dr. Armin Vetter<br />
* * * * *<br />
Landwirtschaftliche Vermarktung pflanzlicher Produkte<br />
Ullrich Fliege<br />
* * * * *<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Marktposition landwirtschaftlicher Unternehmen – Was hat sich bewährt?<br />
Dr. Horst Schubert<br />
* * * * *<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 41<br />
9. Februar 2006
Wettbewerbsfähige Milcherzeugung im internationalen Vergleich<br />
Prof. Dr. Alois Heißenhuber<br />
(TU München-Weihenstephan)<br />
Die Produktionskosten für Milch liegen in <strong>der</strong> EU deutlich über dem Niveau <strong>der</strong> den Weltmarkt<br />
bestimmenden Län<strong>der</strong>, wenngleich sowohl innerhalb <strong>der</strong> EU als auch innerhalb<br />
Deutschlands extrem große Kostenunterschiede bestehen. Durch den noch gegebenen Importschutz<br />
wirkt sich <strong>der</strong> Weltmarktpreis nur sehr begrenzt auf die Milchwirtschaft <strong>der</strong> EU aus.<br />
Der Weltmarktpreis ist aber für die EU-Exporte von ausschlaggeben<strong>der</strong> Bedeutung (13,5 Mio. t<br />
Exporte in 2005 gegenüber 3,3 Mio. t Importe). Selbst wenn es <strong>der</strong> EU gelingt, im Rahmen <strong>der</strong><br />
WTO-Verhandlungen die Milch als „sensibles Produkt“ einzustufen und damit auch weiterhin<br />
ein relativ hohes Niveau an Importschutz aufrechtzuerhalten, bringt <strong>der</strong> beschlossene und bis<br />
2013 umzusetzende Abbau <strong>der</strong> Exportsubventionen für die Milchwirtschaft <strong>der</strong> EU gravierende<br />
Probleme. Neben den bereits bestehenden Exporten sind langfristig auch die <strong>der</strong>zeit mit Beihilfen<br />
auf den Inlandsmärkten abgesetzten Mengen (10,9 Mio. t in 2005) nicht ohne Probleme<br />
unterzubringen. Tatsache ist also eine Milchüberproduktion in <strong>der</strong> EU von 15 bis 20 %, die<br />
ohne Exporterstattung zu einem starken Preisdruck führt (siehe nachfolgende Abb.).<br />
Prognostizierte Kuhmilchbilanz <strong>der</strong> EU-25 im Jahr 2005<br />
Mio. t<br />
Inlandsangebot Inlandsverbrauch<br />
140<br />
+<br />
+<br />
120<br />
3,3 Mio. t Importe<br />
13,5<br />
10,9<br />
13,5 Mio. t Exporte<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Durch verstärkten<br />
Marktzugang und<br />
Red. <strong>der</strong> Einfuhr -<br />
zölle verstärkter<br />
Einfluss auf das<br />
Binnenpreisniveau<br />
Inlandsangebot<br />
Importe<br />
133,2<br />
Verbrauch zu<br />
Marktpreisen<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 42<br />
9. Februar 2006<br />
112,0<br />
Quelle: WEINDLMAIER auf <strong>der</strong> Basis ZMP (2005): Milch Marktbilanz 2005, S. 93<br />
Durch reduzierte<br />
Exporterstattungen<br />
verstärkter Einfluss<br />
auf das<br />
Binnenpreisniveau<br />
Verbrauch mit<br />
Beihilfen<br />
Exporte<br />
Unter diesen Umständen wird sich <strong>der</strong> Milchpreis auf einem Gleichgewichtsniveau einpendeln,<br />
das deutlich unter dem jetzigen Niveau liegt. Einen Hinweis darauf gibt <strong>der</strong> zukünftige<br />
Interventionspreis (siehe nachfolgende Abb.).
Entwicklung <strong>der</strong> Erzeugerpreise und <strong>der</strong> Preisabsicherung durch die Intervention und durch<br />
die Milchprämien<br />
Cent/kg<br />
36 36<br />
34 34<br />
32 32<br />
30 30<br />
28 28<br />
26 26<br />
24 24<br />
22<br />
20<br />
29,85<br />
Erzeugerpreis Bayern 1)<br />
Erzeugerpreis Deutschland 1)<br />
Erzeugerpreis Nie<strong>der</strong>sachsen 1)<br />
Preisabsicherung plus Milchprämie<br />
Preisabsicherung durch die<br />
30,27 = Ø Preis Bayern, 1. HJ 2005<br />
28,48 = Ø Preis Deutschl ., 1. HJ 2005<br />
26,96 = Ø Preis Nie<strong>der</strong>sachsen,<br />
1. HJ 2005<br />
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />
1) Preise in Cent/kg bei tatsächlichem Fett - und Eiweißgehalt, ab Hof ohne MwSt.; 2005 = 1. Halbjahr (Quelle: ZMP)<br />
2) Eigene Berechnungen für Milch mit durchschnittlichem Fett- und Eiweißgehalt auf <strong>der</strong> Basis von Daten <strong>der</strong> ZMP. Für 2005 – 2007 wurde <strong>der</strong><br />
durchschnittliche Fett - und Eiweißgehalt <strong>der</strong> Jahre 2002 – 2004 zugrunde gelegt.<br />
Quelle: WEINDLMAIER, 2005<br />
30,00 29,81 29,89 29,84 29,80 29,87 29,78 29,79<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 43<br />
9. Februar 2006<br />
2)<br />
27,88<br />
27,59<br />
25,81<br />
26,76 26,74<br />
Ein Konsumanstieg in den Beitrittslän<strong>der</strong>n könnte aber noch zu einer Entlastung führen, weil<br />
<strong>der</strong>en Quote auf dem Niveau des <strong>der</strong>zeitigen Verbrauchs festgelegt wurde. Angesichts <strong>der</strong> zu<br />
erwartenden Verhältnisse auf dem Milchmarkt <strong>der</strong> EU werden folgende zwei Vorgehensweisen<br />
diskutiert:<br />
a) die aktive Verringerung des inländischen Angebotes, um den Milchpreis zu stabilisieren<br />
und<br />
b) die Erhöhung des Preisdruckes, um so ein Marktgleichgewicht zu erreichen (entspricht <strong>der</strong><br />
Beschlusslage <strong>der</strong> EU).<br />
Speziell seitens zahlreicher Milcherzeuger wird in Variante a) eine Chance gesehen, durch eine<br />
Reduzierung <strong>der</strong> Überschüsse, also über ein aktives Milchmengenmanagement, die Erzeugerpreise<br />
zu stabilisieren. Diese Maßnahmen könnten bereits innerhalb des Quotensystems ergriffen<br />
werden. Sie wären aber umso mehr nach einem Auslaufen <strong>der</strong> Quotenregelung erfor<strong>der</strong>lich,<br />
weil auch dann die Milchproduktion nicht völlig freigegeben werden könnte, zumal die<br />
Molkereien nicht dazu in <strong>der</strong> Lage wären, beliebig große Milchmengen abzunehmen. Vorbild<br />
für ein aktives Milchmengenmanagement könnte auch die Schweiz abgeben. Die Nebenwirkungen<br />
dieses Vorgehens sind hohe Quotenpreise mit all den bekannten Konsequenzen, darüber<br />
hinaus bleiben die Konflikte mit an<strong>der</strong>en Mitgliedslän<strong>der</strong>n und mit Handelspartnern außerhalb<br />
<strong>der</strong> EU. Es ist darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Mitgliedslän<strong>der</strong> ganz unterschiedliche<br />
Positionen vertreten. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es keine einheitliche Position.<br />
Die Chancen, durch die gegenwärtig diskutierten Ansätze und Aktivitäten eine Umkehr<br />
des negativen Preistrends zu erreichen sind deshalb sehr begrenzt. Es wird also außerordentlich<br />
schwierig sein, auf diesem Wege mittelfristig eine Stabilisierung o<strong>der</strong> gar eine wesentliche<br />
Erhöhung des Rohmilchpreises zu erreichen.<br />
Sollte es nicht gelingen, ein <strong>der</strong>artiges System, ergänzt um flankierende Maßnahmen, zu installieren,<br />
muss davon ausgegangen werden, dass Vorgehensweise b) zum Zuge kommt mit<br />
Anpassung über den Marktmechanismus, d.h. über einen drastischen Preisdruck mit all den<br />
28,47<br />
23,80<br />
23,19
damit verbunden Konsequenzen. Diese Vorgehensweise entspricht den von <strong>der</strong> EU verabschiedeten<br />
Reformbeschlüssen. Hier könnte sich aber eine ruinöse Marktsituation einstellen<br />
mit fatalen Folgen für Rentabilität und Liquidität gerade auch für die Betriebe, die eigentlich<br />
langfristig bei <strong>der</strong> Milchproduktion bleiben wollten.<br />
Die Vorgehensweise b) bedeutet einen weiteren Preisrückgang. Die einzelnen Milcherzeuger<br />
müssen sich unter diesen Umständen ernsthaft mit <strong>der</strong> Frage auseinan<strong>der</strong>setzen, ob sie weiter<br />
bei <strong>der</strong> Milchproduktion bleiben wollen o<strong>der</strong> ob sie mittelfristig einen Ausstieg aus <strong>der</strong><br />
Milchproduktion anstreben. Soweit ersteres <strong>der</strong> Fall ist, wird es notwendig sein, alle Möglichkeiten<br />
für weitere Kosteneinsparungen zu realisieren. Darüber hinaus wäre zu überlegen, für<br />
einen begrenzten Zeitraum von staatlicher Seite diese Betriebe mit einer Ausweitung <strong>der</strong> Investitionsför<strong>der</strong>ung<br />
zu unterstützen, gegebenenfalls aber auch durch Unterstützung bei Liquiditätsengpässen<br />
Anpassungshilfen zu gewähren. Das Ziel muss in diesem Falle darin bestehen,<br />
so schnell wie möglich eine möglichst große Anzahl leistungsfähiger Milchviehbetriebe<br />
in die Lage zu versetzen, unter den neuen Rahmenbedingungen ertragreich Milch zu erzeugen.<br />
Auf jeden Fall erscheint es unbedingt erfor<strong>der</strong>lich, dass sich die betroffenen Betriebe zusammen<br />
mit ihrer Interessensvertretung und den politischen Entscheidungsträgern ein Bild über<br />
die Chancen und Risiken <strong>der</strong> beiden Ansätze verschaffen sollten, um dann möglichst geschlossen<br />
eine Strategie zu verfolgen.<br />
* * * * *<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 44<br />
9. Februar 2006
Bioenergie – Ein Agrarmarkt <strong>der</strong> Zukunft<br />
Dr. Armin Vetter<br />
(Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft)<br />
Die Energiepolitik rückt zunehmend in das öffentliche Interesse. Dies ist vor allem in einer<br />
starken Sensibilisierung <strong>der</strong> Bevölkerung für umweltpolitische Themen, insbeson<strong>der</strong>e die<br />
„Klimaverän<strong>der</strong>ung“, <strong>der</strong> deutlich werdenden Verknappung von fossilen Rohstoffen sowie <strong>der</strong>en<br />
Verfügbarkeit begründet. Zudem hat <strong>der</strong> Irakkrieg die Abhängigkeit des Preises fossiler<br />
Rohstoffe von äußeren Einflüssen drastisch veranschaulicht. Schlagworte wie „Zeiten des billigen<br />
Öls sind endgültig vorbei“ geben die allgemeine Stimmung wi<strong>der</strong>. Weitere Argumente,<br />
wie Sicherheit und Gewährleistung einer preiswerten Energieversorgung (Problematik Russland<br />
- Ukraine) sowie die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland, dabei<br />
vor allem im ländlichen Raum, spielen ebenfalls zunehmend eine Rolle.<br />
Für eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik werden vor allem die Einsparung an Energie,<br />
die Nutzung von Kernenergie (umstritten) und <strong>der</strong> Ausbau regenerativer Energien als die wesentlichsten<br />
Optionen angesehen.<br />
Deutschland hat sich das Ziel gesetzt bis zum Jahr 2010 12,5 % des Stroms und 4,2 % des<br />
Primärenergieverbrauchs und bis 2020 mindestens 20 % des Stroms und 10 % <strong>der</strong> Primärenergie<br />
aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Thüringen hat dieses Ziel nach Abschätzungen<br />
des TMWTA bereits 2003 erreicht. Den Hauptanteil hat dabei noch stärker, wie in<br />
Deutschland, die Biomasse beigetragen.<br />
Wenn mit Biomasse weitere Marktanteile erschlossen werden sollen, gilt es vor allem drei Gesichtspunkte<br />
zu klären:<br />
1. Ist ein ausreichendes Flächenpotenzial vorhanden?<br />
2. Welche Energiemärkte sind beson<strong>der</strong>s aussichtsreich?<br />
3. Welche politischen und ökonomischen Risiken sind zu beachten?<br />
Die Flächenverfügbarkeit gilt es daher als erstes herzuleiten bzw. nachzuweisen.<br />
Die Erträge von Getreide als dominierende Kulturpflanze steigen in Deutschland und Europa<br />
seit den 60iger Jahren kontinuierlich an. Nach Prognosen <strong>der</strong> FAO wächst die Agrarproduktion<br />
schneller als die Bevölkerung. Dies ist vor allem auf die Züchtung, verbesserte Agrotechnik,<br />
dabei vor allem einem verbesserten Pflanzenschutz und einer optimierten Düngung sowie<br />
sicher auch auf eine erhöhte CO 2-Versorgung durch den Treibhauseffekt zurückzuführen. So<br />
lag Deutschland im Wirtschaftsjahr 2001/2002 bei Getreide bei einem Selbstversorgungsgrad<br />
von 132 %, die EU (15) bei immer noch 116 %. Dieser Selbstversorgungsgrad hat sich mit dem<br />
Beitritt <strong>der</strong> neuen EU-Staaten (27) weiter erhöht. Die landwirtschaftliche Nutzfläche pro Kopf<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung stieg von 3 624 auf 4 082 m 2 , die Ackerfläche sogar von 1 464 auf 2 024 m 2 ,<br />
d. h. um 38 %. In den folgenden Jahren ist bei einer weiteren Verbesserung <strong>der</strong> Agrotechnik in<br />
den Beitrittslän<strong>der</strong>n mit einer erheblichen Steigerung <strong>der</strong> Produktion zu rechnen, die sicher<br />
nicht in gleichem Ausmaß eine Nachfrage innerhalb <strong>der</strong> EU nach sich ziehen wird. Die Überschüsse<br />
auf dem Weltmarkt abzusetzen, gestalten sich bekanntermaßen aufgrund verschiedenster<br />
WTO-Vereinbarungen als schwierig. Fazit: Der Druck auf die deutsche Landwirtschaft<br />
zur Rationalisierung <strong>der</strong> Produktion und zur Erschließung neuer Märkte wird wachsen.<br />
Eine Alternative bzw. Ergänzung zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion wäre die Produktion<br />
von Energiepflanzen. Seriöse Schätzungen gehen von 20 bis 25 % <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />
Nutzfläche Deutschlands aus, das entspricht ca. 3,5 bis 4,0 Mio. ha.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 45<br />
9. Februar 2006
An<strong>der</strong>s als bei Nahrungsmitteln weist z. B. die Shell-Studie einen stetig wachsenden Energiebedarf<br />
nach, <strong>der</strong> sich von 2000 zu 2025 je nach Szenario um 57 bzw. 84 % erhöhen wird. Da<br />
die mit verhältnismäßig geringem finanziellen Aufwand zu erschließenden Ressourcen an Öl<br />
und Gas als die wesentlichsten Energieträger begrenzt sind, sind folglich steigende Preise zu<br />
erwarten. Sinken<strong>der</strong> Lebensstandard und steigende Preise für Produktionsmittel sind die negativen<br />
Auswirkungen. Gleichzeitig werden die Konkurrenzfähigkeit und die Absatzchancen<br />
biogener Energieträger steigen. Diese prinzipielle Aussage wird ihre Gültigkeit behalten, auch<br />
wenn <strong>der</strong> Staat mit Gesetzen, Verordnungen und Steuern in den Markt regulierend eingreift.<br />
Beispielgebend seien die bereits geltenden Verordnungen, etc. aufgeführt:<br />
• Mineralölsteuergesetz (Befreiung Biokraftstoffe)<br />
• Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz<br />
• Erneuerbares Energien Gesetz<br />
• Ökosteuer<br />
• Flächenstilllegungsverordnung<br />
• Energiepflanzenprämie<br />
Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Flächenpotenziale und <strong>der</strong> Konkurrenzbeziehungen zu den jeweiligen<br />
fossilen Sekundärenergieträgern muss <strong>der</strong> Landwirt die Produktlinien Wärme, Kraftstoff<br />
(Antrieb) und Strom (Elektroenergie) einzeln betrachten und diese o<strong>der</strong> mehrere für ihn in<br />
Betracht kommende Optionen auswählen. Bei den Kraftstoffen sind dies <strong>der</strong>zeit und potenziell<br />
Rapsöl/Rapsölmethylester, Ethanol und BTL-Kraftstoffe. Die drei Verwertungslinien gehen von<br />
unterschiedlichen Rohstoffen aus, ermöglichen eine differenzierte Verarbeitungstiefe in <strong>der</strong><br />
Landwirtschaft und erreichten bzw. erreichen zu verschiedenen Zeitpunkten die Marktreife.<br />
Am weitesten entwickelt und am stabilsten ist <strong>der</strong> Rapsöl/Rapsölmethylestermarkt. Ende 2005<br />
lag die Biodieselverarbeitungskapazität bei ca. 2,0 Mio. t. Der Bedarf <strong>der</strong> deutschen Raffinerien<br />
bei einer 5 %igen Zumischung zum Diesel bei 1,6 Mio. t. Die Kapazitäten zur Erfüllung <strong>der</strong> EU-<br />
Biokraftstoffrichtlinie sind somit vorhanden. Theoretisch ergibt sich aus <strong>der</strong> Kapazität ein Flächenbedarf<br />
von 1,4 Mio. ha. Damit liegt <strong>der</strong> Bedarf über <strong>der</strong> gesamten deutschen Rapsanbaufläche<br />
von ca. 1,3 Mio. ha (Food- + Non-Food). Aufgrund <strong>der</strong> fruchtfolgetechnischen Anbaugrenzen<br />
für Raps kann die Anbaufläche nicht wesentlich erweitert werden. Die hohe Nachfrage<br />
kann nur über die Steigerung <strong>der</strong> Erträge und Importe (2004: Netto 900 000 t Saat) abgedeckt<br />
werden. Ein ungesättigter Markt lässt stabile und hohe Preise für die Rohstoffe erwarten.<br />
Um die Wertschöpfung weiter zu erhöhen, sollte die Landwirtschaft verstärkt ihre eigene Saat<br />
zu Kraftstoffen verarbeiten (Abb.: Variante 4). Solange die Nutzung von reinem Pflanzenöl<br />
nicht „Stand <strong>der</strong> Technik“ ist, ist Rapsölmethylester zu favorisieren. Die Nutzung dieses Kraftstoffes<br />
im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb ist weitestgehend problemlos möglich und<br />
durch die zu erwartende Beibehaltung <strong>der</strong> Mineralölsteuerbefreiung zumindest für diesen Sektor<br />
auch finanziell lukrativ. Bei einem Benzinverbrauch von 26 Mio. t müssten bei <strong>der</strong> angestrebten<br />
Beimischung von 5 % (E5) ca. 1,5 Mio. m 3 Ethanol produziert werden. Auf <strong>der</strong> Basis<br />
von Getreide entspricht das einem Rohstoffbedarf von 4,3 Mio. t, das entspricht ca. 600 000<br />
ha o<strong>der</strong> 10 % <strong>der</strong> Getreideanbaufläche Deutschlands. Aus diesen Zahlen ist abzusehen, dass<br />
mit Ethanolgetreide eine gewisse Marktentlastung zu erwarten ist, diese aber sicher nicht so<br />
stark auf die Preise durchschlägt wie bei Raps. Zurzeit existieren drei Anlagen mit einem Getreidebedarf<br />
von ca. 1,4 Mio. t (200 0000 ha Anbaufläche).<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 46<br />
9. Februar 2006
Lagerung/<br />
Transport<br />
Pressung<br />
Veresterung<br />
Variante 1<br />
Handel<br />
Handel<br />
Varianten <strong>der</strong> Rapsverwertung<br />
Non-Food-Rapsanbau in Thüringen<br />
Industrie<br />
Industrie<br />
50.000 bis 70.000 ha<br />
Variante 2<br />
Lohnpressung+<br />
Lohnveresterung<br />
Landwirtschaft<br />
Industrie<br />
Industrie<br />
Variante 3<br />
Pressung<br />
in <strong>der</strong> LW +<br />
Lohnveresterung<br />
Landwirtschaft<br />
Landwirtschaft<br />
Industrie<br />
Variante 4<br />
Pressung und<br />
Veresterung<br />
in <strong>der</strong> LW<br />
Landwirtschaft<br />
Landwirtschaft<br />
Landwirtschaft<br />
Mindestkapazität Rapssaat: > 5000 t/a 15.000 t/a<br />
Um die Zielstellung <strong>der</strong> Biokraftstoffrichtlinie zu erfüllen, ist somit die Errichtung von weiteren<br />
Ethanolanlagen notwendig. Für dezentrale kleinere Anlagen (< 100 000 t Getreide), die für die<br />
Landwirtschaft von Interesse wären, konnte die Wirtschaftlichkeit, d. h. die Herstellung von<br />
Ethanol zu Preisen um die 50 Cent/l noch nicht nachgewiesen werden. Ethanol wird in naher<br />
Zukunft verstärkt zum Einsatz kommen, dies ist darin begründet, dass auf dem Weltmarkt <strong>der</strong><br />
Rohstoff Getreide bzw. Bioethanol aus Zuckerrohr verfügbar ist und die Automobilindustrie,<br />
zumindest <strong>der</strong> VW-Konzern, E10 als Treibstoff für die nahe Zukunft favorisiert. Allerdings soll<br />
als Rohstoffbasis Stroh dienen (IOGEN-Verfahren). Des Weiteren gibt es mit <strong>der</strong> Nutzung von<br />
E85 in FFV-Fahrzeugen (Flexibles-Fuel-Vehicles), die wechselseitig Benzin und ein Benzin-<br />
Ethanol Gemisch (0,15 + 0,85) fahren können eine interessante Option vor allen für Privatverbraucher<br />
(Anbieter Ford, Saab).<br />
Als weiterer biogener Kraftstoff wird „Biomass to liquid“ (BTL) diskutiert. Die Herstellung erfolgt<br />
über die Vergasung von lignocellulosehaltiger Biomasse mit anschließen<strong>der</strong> Fischer-<br />
Tropsch-Synthese. Die Anlagen werden für einen Rohstoffbedarf von mehr als 500.000 t ausgelegt.<br />
Holz, Stroh (pelettiert) und speziell angebaute Energiepflanzen, wie Ganzpflanzengetreide,<br />
Miscanthus, Kurzumtriebsplantagen befinden sich in <strong>der</strong> Diskussion. Eine erste Pilotanlage<br />
<strong>der</strong> Firma CHOREN wurde in Freiberg (Sachsen) errichtet. Da Holz in den anvisierten<br />
Größenordnungen in Mitteldeutschland nicht mehr zur Verfügung steht, könnte <strong>der</strong> Rohstoff<br />
Stroh als verkaufbares Nebenprodukt <strong>der</strong> Landwirtschaft an Bedeutung gewinnen. Für eine<br />
breite Markteinführung dürften noch fünf bis zehn Jahre vergehen. Welche Preise die Verarbeiter<br />
für die Rohstoffe entrichten können ist noch nicht endgültig geklärt.<br />
Seit in Kraft treten des „Erneuerbaren Energien Gesetzes“, das die Einspeisung von regenerativ<br />
erzeugtem Strom regelt, hat es auf dem „Ökostrommarkt“ eine rasante Entwicklung gegeben.<br />
Ende 2005 waren deutschlandweit knapp 120 Heizkraftwerke mit 880 MW elektr. Leistung<br />
und ca. 2 200 Biogasanlagen mit 340 MW elektr. Leistung in Betrieb. Die Heizkraftwerke werden<br />
fast ausschließlich mit Holz in einem Leistungsbereich von 5 MW mit dem Dampfkraftprozess<br />
und 0,5 bis 1,5 MW mit ORC-Technik betrieben. Die EEG-Vergütung gestattet beim Einsatz von<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 47<br />
9. Februar 2006
naturbelassenem Holz bei Dampfturbinenanlagen Preise von max. 50 bis 60 Euro/t atro. Für<br />
landwirtschaftliche Rohstoffe, einschließlich Energieholz aus Kurzumtriebsplantagen, ist daher<br />
dieser Markt bis auf weiteres unlukrativ. An<strong>der</strong>s stellt sich die Situation bei Biogasanlagen dar.<br />
Bei einem Einsatz praxiserprobter Technologien und <strong>der</strong> Einhaltung von den bekannten<br />
Richtwerten für die Investitionen (< 2 500 Euro/kW elektr.) sind die Anlagen mit Gewinn zu<br />
betreiben. Neben Gülle hat sich durch die Einführung des NAWARO-Bonus im EEG <strong>der</strong> Einsatz<br />
von landwirtschaftlich erzeugten Kosubstraten durchgesetzt. Dieser Trend wird sich bei<br />
Beibehaltung des <strong>der</strong>zeitigen EEG (Novellierung 2008) weiter, eventuell bis hin zur Monofermentation<br />
von nachwachsenden Rohstoffen, verstärken. Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit<br />
ist streng zwischen Feldbau, d. h. Preis <strong>der</strong> Biomasse frei „Maul Biogasanlage“ und<br />
Kosten für die Stromerzeugung zu trennen. Mit Preisen < 80 Euro t/TM für Silagen und Getreide<br />
kann im Pflanzenbau nicht kostendeckend kalkuliert werden. Für Biogasanlagen gilt<br />
analog zur Rapsverwertung die Wertschöpfung sollte vorrangig über den Verkauf des Endproduktes,<br />
d. h. Strom und Wärme erfolgen und nicht über den Verkauf von landwirtschaftlichen<br />
Rohstoffen. Die <strong>der</strong>zeitige Anbaufläche von 10 000 ha „Biogaspflanzen„ dürfte sich in Zukunft<br />
erheblich ausdehnen. Hierbei ergibt sich für die Landwirtschaft die Chance die Fruchtfolgen<br />
aufzulockern. In Ackerbaugebieten mit geringer Rin<strong>der</strong>haltung können das <strong>der</strong> Mais, in Vorgebirgslagen<br />
mehrjähriges Ackerfutter, aber auch neue Kulturarten wie Sudangras o<strong>der</strong> Durchwachsene<br />
Silphie sein. Entscheidend ist dabei nicht die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> Fruchtart im<br />
Anbaujahr, son<strong>der</strong>n die betriebswirtschaftliche Betrachtung <strong>der</strong> gesamten Fruchtfolge.<br />
Für den weiteren Ausbau <strong>der</strong> Stromerzeugung aus Biomasse ist das EEG mit den darin festgelegten<br />
Einspeisesätzen inkl. Boni von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung. Im Gegensatz zum Kraftstoff-<br />
und Wärmemarkt ist die Wirtschaftlichkeit von Strom aus Biomasse bei einer Netzeinspeisung<br />
nach den <strong>der</strong>zeit gültigen Preisen für „Braunkohle- o<strong>der</strong> Kernkraftwerkstrom“ bei<br />
weitem noch nicht gegeben.<br />
Ein bisher von <strong>der</strong> Landwirtschaft weitestgehend vernachlässigter Markt ist die Erzeugung und<br />
<strong>der</strong> Verkauf von Wärme. Im Gegensatz zu den Preissteigerungen bei Kraftstoffen wurde die<br />
nahezu Verdreifachung <strong>der</strong> Heizölpreise kaum wahrgenommen. Kurz- und mittelfristig ist<br />
durch die Landwirtschaft <strong>der</strong> Wärmemarkt auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Rohstoffe Stroh und Holz zu erschließen.<br />
Dieser Markt unterliegt keinen indirekten För<strong>der</strong>ungen (Mineralölsteuerbefreiung,<br />
EEG, etc.) und steht in direktem Wettbewerb zu Öl und Gas. An geeigneten Standorten mit<br />
hoher Wärmedichte können Anlagen mit einer kurzen Amortisationszeit betrieben werden.<br />
Voraussetzung ist allerdings die Errichtung preisgünstiger Anlagen und ein erheblicher Aufwand<br />
bei <strong>der</strong> „Kundengewinnung“, d. h. es müssen die Betreiber von größeren Objekten, wie<br />
z. B. Schulen, Krankenhäuser, Altenheime, Wohnblöcke und Gewerbegebiete von den wirtschaftlichen<br />
Vorteilen einer Wärmeversorgung mit Bioenergie überzeugt werden. Neben dem<br />
Betrieb von Heizanlagen auf Holzbasis bestehen zukünftig aufgrund <strong>der</strong> sich abzeichnenden<br />
Verknappung von Waldholz Chancen für die Bereitstellung von Holz aus Kurzumtriebsplantagen.<br />
Auch die Herstellung und <strong>der</strong> Vertrieb von Strohpellets als preisgünstige Alternative zu<br />
Holzpellets sind als Zukunftsmarkt anzusehen.<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sowohl die Wärme-, Elektroenergie- und Kraftstofferzeugung<br />
für die Landwirtschaft neu zu erschließende Märkte darstellen, die es konsequent<br />
zu nutzen gilt. Die Bioenergieerzeugung kann und muss zu einem wesentlichen Standbein,<br />
gleichberechtigt neben <strong>der</strong> pflanzlichen und tierischen Nahrungsmittelproduktion werden.<br />
Die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sind zurzeit sowie mittel- und<br />
langfristig als äußerst günstig anzusehen.<br />
* * * * *<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 48<br />
9. Februar 2006
Landwirtschaftliche Vermarktung pflanzlicher Produkte<br />
Agrargenossenschaft Pfiffelbach e. G.<br />
Ulrich Fliege<br />
(Agrargenossenschaft Pfiffelbach)<br />
In persönlichen Gesprächen und bei vielfältigen Kontakten zu Berufskollegen aus an<strong>der</strong>en Agrarunternehmen<br />
ist festzustellen, dass die Vermarktung <strong>der</strong> eigenen Produkte mehr und mehr<br />
zum Tabuthema wird. Gespräche dieser Art kommen entwe<strong>der</strong> gar nicht mehr zustande o<strong>der</strong><br />
werden nur noch sehr allgemein und an <strong>der</strong> Oberfläche geführt. Erst mit größeren räumlichen<br />
Entfernungen zu Berufskollegen nimmt die Gesprächsbereitschaft wie<strong>der</strong> zu.<br />
In Zeiten gesättigter Märkte und auch aus existenziellen Gründen steigt <strong>der</strong> Wettbewerb zwischen<br />
den Erzeugern pflanzlicher Produkte immer mehr. Insbeson<strong>der</strong>e regionale Märkte werden<br />
stark umworben. Zunehmend und z.T. berechtigt, bestehen Bedenken, dass Betriebe im<br />
unmittelbaren Umfeld praktizierte Vermarktungsstrategien übernehmen könnten und sich<br />
damit <strong>der</strong> mühsam erarbeitete, vermeintliche Vorsprung zum an<strong>der</strong>en abbaut. Im Folgenden<br />
soll anhand unseres Betriebes dargestellt werden, welchen Zwängen man bei <strong>der</strong> Vermarktung<br />
unterliegt und welche Wege eingeschlagen werden können, um die erzeugten Produkte erfolgreich<br />
am Markt zu platzieren.<br />
Zunächst ist zu erwähnen, dass sich unser Unternehmen einer Handelsgesellschaft im eigenen<br />
Haus bedient, um einen gewissen Teil <strong>der</strong> Erzeugnisse abzusetzen. Zur Vereinfachung<br />
nachfolgen<strong>der</strong> Inhalte werden <strong>der</strong> Absatz <strong>der</strong> Agrargenossenschaft und <strong>der</strong> Handel über diese<br />
Tochtergesellschaft als Einheit dargestellt.<br />
Unter landwirtschaftlicher Vermarktung pflanzlicher Produkte ist in unserem Falle keine Direktvermarktung<br />
im Sinne eines Hofladens zu verstehen. Über diese Schiene wären wir nicht<br />
in <strong>der</strong> Lage, unsere Produkte und Mengen zufrieden stellend auf den Markt zu bringen. Im<br />
Mittel <strong>der</strong> Jahre sind aus unserer eigenen Erzeugung folgende Produktmengen an pflanzlichen<br />
Erzeugnissen im Markt zu platzieren und ergebnisorientiert abzusetzen:<br />
• Mähdruschfrüchte 28 000 t<br />
dav. Winterweizen 12 800 t<br />
dav. Braugerste 8 000 t<br />
• Speisekartoffeln 4 000 t<br />
Die Zuckerrübenproduktion sei an dieser Stelle ausgeblendet, da dieser Markt bisher stark<br />
kontingentiert war und die Zukunft ungewiss erscheint.<br />
In <strong>der</strong> Kartoffelproduktion haben wir in <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong> 90er Jahre aus investiven Gründen<br />
und aus Orientierungsunsicherheiten die Rolle des Rohstofflieferanten wahrgenommen.<br />
Die von uns erzeugten und eingelagerten Kartoffeln wurden als sortierte Speiseware lose an<br />
Handelsunternehmen sowie Aufbereitungs- und Verarbeitungsbetriebe veräußert. Hinsichtlich<br />
des finanziellen Erfolges hat sich dieser Weg als nicht zukunftsfähig erwiesen.<br />
Bereits Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre stand <strong>der</strong> Kartoffelanbau zur Disposition. Es galt, an<strong>der</strong>e Vermarktungsstrategien<br />
zu finden o<strong>der</strong> die Kartoffelerzeugung einzustellen. Erst die Erschließung<br />
<strong>der</strong> direkten Absatzschiene zum Einzelhandel in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> 90er Jahre und die<br />
damit verbundene Investition in die eigene Aufbereitung und Abpackung, machten die Kartoffelerzeugung<br />
im Unternehmen ökonomisch vertretbar.<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 49<br />
9. Februar 2006
Hinzu kommt <strong>der</strong> soziale Aspekt, bei dem die Kartoffel als arbeitsintensive Frucht im Ackerbau<br />
zwei Arbeitskräfte bindet und in <strong>der</strong> Aufbereitung und Vermarktung acht Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern ein Einkommen sichert.<br />
Der Schwerpunkt <strong>der</strong> Vermarktung liegt im Absatz <strong>der</strong> Mähdruschfrüchte mit zufriedenstellenden<br />
Preisen. Dabei sollen und müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass nicht unser<br />
Aufwand, son<strong>der</strong>n stets <strong>der</strong> Markt den Preis bestimmt. Weiterhin wird <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />
Vermarktung maßgeblich durch die jeweilige Marktnähe, das heißt durch die Entfernung<br />
zu Verarbeitungsbetrieben bestimmt.<br />
Im Braugerstenabsatz sind hierbei die in Thüringen, Sachsen und im fränkischen ansässigen<br />
Mälzereien zu nennen. Gleiches trifft für regional ansässige Mühlen und Mischfutterbetriebe<br />
im Weizenabsatz zu.<br />
Besteht solch eine direkte Handelsbeziehung zwischen Erzeuger und Verarbeiter, partizipieren<br />
nach unseren Erfahrungen beide Partner von dieser Verbindung. Natürlich kann keiner <strong>der</strong><br />
Beteiligten dem an<strong>der</strong>en etwas schenken. Es entstehen jedoch über lange Zeiträume Sicherheiten<br />
für beide Seiten sowie faire und vertrauensvolle Umgangsformen auch in angespannten<br />
Marktsituationen. Anbauumfang, Sortenstrategie, Gebrauchswerte, Qualitäten und Liefertermine<br />
werden dabei langfristig planbar und zuverlässig. Unter den heutigen Bedingungen z.T.<br />
gesättigter Märkte geht es nicht nur darum, einen im Verhältnis zum Aufwand darstellbaren<br />
Preis zu erzielen; es geht vielmehr auch darum, die Ware bis zur neuen Ernte überhaupt zufriedenstellend<br />
abzusetzen.<br />
Dennoch kann man vor diesem Hintergrund <strong>der</strong> direkten Vermarktung an Verarbeitungsbetriebe<br />
nicht davon ausgehen, dass 100 % <strong>der</strong> Ware auf diesem Wege absetzbar sind. Die Zusammenarbeit<br />
mit Landhandelsbetrieben ist eine wichtige Säule des Absatzes. Im Wesentlichen<br />
haben große Handelshäuser Zugänge zu Märkten, die uns als Erzeuger z.T. verschlossen<br />
bleiben. Die wir sicher auch nicht in jedem Fall in <strong>der</strong> Lage sind, sie für uns zu erschließen<br />
und zu bedienen.<br />
Hierbei denke ich beson<strong>der</strong>s an das Händling von Exporten, Schiffsverladungen und <strong>der</strong>gleichen<br />
mehr. Vergleicht man die Selbstversorgungsgrade <strong>der</strong> europäischen Staaten und an<strong>der</strong>er<br />
über mehrere Jahre in Bezug auf Getreide, wird deutlich, dass mehr und mehr Getreide exportiert<br />
wird. Hierzu brauchen wir leistungsfähige Handelshäuser, die in <strong>der</strong> Lage sind, funktionsfähige<br />
Exportlinien zu erschließen.<br />
Natürlich müssen wir uns, ganz gleich ob über den Landhandel o<strong>der</strong> Direktvermarktung, hinsichtlich<br />
Qualitäten, Sorten, Gebrauchswerten, Lieferterminen usw. stets nach den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
des Marktes richten. Dazu sind kurze Wege sinnvoll. Dabei kommt es immer wie<strong>der</strong><br />
vor, dass Kompromisse gefunden werden müssen und sich betriebliche Belange den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
des Marktes unterordnen. Ich denke hier an arbeitsorganisatorische Fragen während<br />
<strong>der</strong> Ernte, an die Koordinierung des Anbauumfanges mit den jeweiligen Lagerkapazitäten, an<br />
Maschinenausstattungen und vieles mehr.<br />
Eines <strong>der</strong> entscheidendsten Kriterien zur Nutzung von Spielräumen hinsichtlich landwirtschaftlicher<br />
Vermarktung sehen wir in <strong>der</strong> freien Wahl des Verkaufszeitpunktes. Sind wir durch<br />
verschiedene Bedingungen gezwungen, das Getreide während <strong>der</strong> Ernte zu den dann geltenden<br />
Konditionen zu verkaufen o<strong>der</strong> bringen wir die Ware nach entsprechen<strong>der</strong> Beobachtung<br />
und Analyse auf den Markt?<br />
Das muss je<strong>der</strong> für sich entscheiden. Wir sind bisher sehr gut damit gefahren, uns schrittweise<br />
vom Verkaufsdruck während <strong>der</strong> Ernte zu befreien.<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 50<br />
9. Februar 2006
Wir verfügen heute über eine belüftete Lagerkapazität von 22 500 t Getreide. Damit sind wir in<br />
<strong>der</strong> Lage, 100 % des Getreides und 80 % aller Mähdruschfrüchte im Betrieb einzulagern und<br />
erst zum entsprechenden Zeitpunkt zu vermarkten. Neben <strong>der</strong> Schaffung von Lagerraum in<br />
den letzten Jahren haben sich sowohl die entstandene Aufbereitungsanlage, als auch die Möglichkeiten<br />
zur Qualitätsbestimmung und die vorhandene Fuhrwerkswaage bewährt.<br />
Bei <strong>der</strong> Entscheidung zur Vermarktung unseres Getreides erst nach Ablauf <strong>der</strong> Ernte standen<br />
und stehen folgende Überlegungen im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
• Die Marktpreisentwicklung in den Nacherntemonaten bis hinein in das <strong>der</strong> jeweiligen Ernte<br />
folgenden Jahres.<br />
• Das Einsparpotential hinsichtlich Logistik.<br />
• Planmäßigere und störungsfreiere organisatorische Arbeitsabläufe während <strong>der</strong> Erntesaison.<br />
• Vereinfachte Abrechnungsmodalitäten beim Verkauf <strong>der</strong> Ware aus dem Lager gegenüber<br />
dem Verkauf Ex Ernte.<br />
• Verhandlungsvorteile beim Verkauf nach <strong>der</strong> Ernte im Vergleich zum Direktverkauf unter<br />
Zeitdruck bei laufenden Mähdreschern.<br />
An Hand <strong>der</strong> aufgeführten Schwerpunkte vermarkten wir die gesamte Getreideernte zeitlich<br />
erst nach den Erntearbeiten und sind bisher sehr gut damit gefahren.<br />
Es bedarf des nochmaligen Hinweises, dass Verkäufe aus unserem Lager nicht ausschließlich<br />
nur an die verarbeitende Industrie, son<strong>der</strong>n erhebliche Mengen auch über uns zugängige<br />
Landhandelsunternehmen getätigt werden. Der Landhandel ist auch nach dem Ablauf <strong>der</strong> Getreideernte<br />
ein fester, zuverlässiger und nicht wegzudenken<strong>der</strong> Partner unseres Betriebes. Ein<br />
gesun<strong>der</strong> Handelsmix zwischen Verarbeitung und Landhandel hat sich bewährt.<br />
* * * * *<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 51<br />
9. Februar 2006
Verbesserung <strong>der</strong> Marktposition landwirtschaftlicher Unternehmen –<br />
Was hat sich bewährt?<br />
Dr. Horst Schubert<br />
(Herkunftsverband Thüringer und Eichsfel<strong>der</strong> Wurst und Fleisch e. V.)<br />
Vorbemerkungen:<br />
1. Die Bestimmung <strong>der</strong> Marktposition <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Erzeuger erfor<strong>der</strong>t, die des<br />
Ernährungsgewerbes mit in die Betrachtung einzubeziehen, denn mehr als 90 % <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />
Urerzeugnisse erreichen den Markt über die Be- bzw. Verarbeitung.<br />
2. Möchte ich meinen Beitrag nicht darauf beschränken, über Bewährtes zu sprechen. Denn<br />
Bewährtes überlebt sich schnell, wenn sich die Umfel<strong>der</strong> än<strong>der</strong>n. Und gerade damit haben<br />
wir es mit zunehmen<strong>der</strong> Globalisierung zu tun und das Reagieren auf Weltmarktbedingungen<br />
steht im Fokus <strong>der</strong> heutigen Tagung.<br />
Fragestellungen:<br />
1. 1. Welche Marktposition hat die Thüringer Land- und Ernährungswirtschaft?<br />
2. 2. 2. Was hat sich bewährt?<br />
Regionale Vermarktung<br />
Bündelung <strong>der</strong> Erzeugerangebote<br />
Vertikale Kooperation<br />
Qualitätspolitik<br />
3. 3. Vor welchen Herausfor<strong>der</strong>ungen steht die Thüringer Land- und Ernährungswirtschaft?<br />
Die Generalaufgabe lautet:<br />
Sicherung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Unternehmen <strong>der</strong> Land - und Ernährungswirtschaft<br />
bei wachsen<strong>der</strong> Konzentration und zunehmen<strong>der</strong> Öffnung <strong>der</strong> Märkte.<br />
Was heißt das z.B. für die Thüringer Fleisch- und Milchwirtschaft?<br />
Was taugt Bewährtes - so das Thema - zur Bewältigung <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen von morgen?<br />
Thesen:<br />
• Die Priorität <strong>der</strong> regionalen Vermarktung nimmt mit wachsen<strong>der</strong> Konzentration in Verarbeitung<br />
und Vermarktung ab.<br />
• Die regionale Vermarktung findet verstärkt in <strong>der</strong> Nische statt. Sie hat für diese - in <strong>der</strong> Regel<br />
kleinere - Unternehmen auch weiterhin große Bedeutung.<br />
• Konzernbildung gefährdet die Produkt- und Spezialitätenvielfalt<br />
• Kosten- und Innovationsdruck nehmen weiter zu<br />
• Produktqualität und Produktsicherheit haben höchste Priorität<br />
• Der Druck auf Konzentration und Strukturverän<strong>der</strong>ungen wächst –vor allem im Verarbeitungs-<br />
und Vermarktungsbereich- sie führen zur Polarisierung <strong>der</strong> Unternehmenslandschaft<br />
(Konzernzugehörigkeit - Nischenproduzent).<br />
• Der Exportdruck, vor allem bei den Unternehmen mit Konzernbindung, steigt.<br />
• Produktsicherheit und Risikominimierung zwingen zu stärkerer vertikaler Vernetzung.<br />
• Der Wettbewerb in <strong>der</strong> Horizontalen verlagert sich hin zum Wettbewerb in <strong>der</strong> Vertikalen,<br />
<strong>der</strong> Wettbewerb <strong>der</strong> Unternehmen wird zum Wettbewerb <strong>der</strong> Produktionssysteme.<br />
• Entscheidungskompetenzen wan<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> Peripherie in die Zentralen.<br />
• Diese Zentralen werden durch den Handel und die großen Konzerne in Verarbeitung und<br />
Vermarktung besetzt.<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 52<br />
9. Februar 2006
• Gutes know-how und wettbewerbsfähige Strukturen im Erzeugerbereich müssen zu weiterer<br />
Reduzierung <strong>der</strong> Kosten und stärkerer Bündelung in Beschaffung und Absatz ausgebaut<br />
werden.<br />
• Beibehaltung von unternehmerischer Eigenständigkeit, vor allem im Verarbeitungs- und<br />
Vermarktungsbereich, zwingen zu verstärkter Kooperation und setzen entsprechende Kapitalstärke<br />
voraus, wer Geld hat, kauft, wer keines hat, wird gekauft.<br />
• Die Märkte <strong>der</strong> Zukunft entziehen sich immer stärker <strong>der</strong> politischen Regulierung. Das<br />
Wachstum <strong>der</strong> Märkte ist zunehmend direkte Folge <strong>der</strong> fortschreitenden Konzentration in<br />
Handel, Verarbeitung und Vermarktung.<br />
Diese Prozesse werden durch die Agrarreform <strong>der</strong> Gemeinschaft und die WTO-Verhandlungen<br />
entsprechende Beschleunigung erfahren.<br />
Auf diese Verän<strong>der</strong>ungen haben sich die Wirtschaftsbeteiligten, aber auch diejenigen, die die<br />
Wirtschaft begleiten und beraten (z.B. Agrarmarketing), einzustellen.<br />
Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Marktposition haben vor allem und zuerst etwas mit<br />
Chancengleichheit und gleichen Rahmenbedingungen zu tun.<br />
Dazu kommt, dass Energiekonzerne unter den zehn größten deutschen Konzernen nach <strong>der</strong><br />
TELEKOM die absolut höchsten Gewinne eingefahren haben (RWE: 5,6 , EON 5,9 Mrd. Euro!).<br />
Neben diesen wirtschaftlichen Zwängen ist das Konsumverhalten des Verbrauchers von erheblichem<br />
Einfluss auf die Markt- und Ertragslage <strong>der</strong> Ernährungsbranche.<br />
So hat <strong>der</strong> Freistaat Thüringen in den letzten neun Jahren 150 Tsd. Einwohner verloren, d.h. 45<br />
an jedem Tag. Hinzu kommt, dass die Verbraucherstruktur heut völlig an<strong>der</strong>s ist als vor neun<br />
Jahren.<br />
D.h. das Anfor<strong>der</strong>ungsprofil einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung än<strong>der</strong>t sich: altersgerecht,<br />
gesundheitsför<strong>der</strong>nd, Functional Food, Wellness, Convenience.<br />
Chancen für Ernährungsbranche, rechtzeitig erkennen!<br />
Das Lebensmittelgeschäft in <strong>der</strong> Gemeinschaft hat es obendrein mit einer recht unterschiedlichen<br />
Ausgabementalität <strong>der</strong> europäischen Verbraucher zu tun.<br />
Obgleich die Konzentration im Handel weiter wächst, ist die Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels<br />
in Deutschland nicht die kausale Ursache für das niedrige Ausgabeniveau für<br />
den Einkaufskorb bei Lebensmitteln.<br />
Strukturen im Fleisch- und Milchbereich, wo steht Deutschland, wo Thüringen?<br />
Milch<br />
Entwicklung Trends: Deutschland/Thüringen<br />
Erzeugung:<br />
Milchmenge bleibt konstant, Milchleistung steigt, Kuhbestand geht zurück, Anzahl <strong>der</strong> Betriebe<br />
sinkt (deutschlandweit, halbiert), Tierbestand je Halter steigt!<br />
Strukturvorteil <strong>der</strong> neuen Bundeslän<strong>der</strong>, aber Kosten runter!<br />
Verarbeitung/Milchmarkt:<br />
Weiterer Strukturwandel, auch in Thüringen?, Innovationsdruck bei Nischenproduzenten<br />
8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 53<br />
9. Februar 2006
Chancen Export:<br />
in Wachstumsregionen (Asien, Osteuropa) durch Expansion,<br />
in gesättigten Märkten durch Innovation und Kostenführerschaft<br />
Druck zum Export:<br />
Intervention geht zurück, Drittlandimporte steigen<br />
Fazit<br />
Mehr Unterstützung für Innovation, regionale Spezialitäten (Nischenproduzenten), mehr Exportunterstützung<br />
(CMA), Zugang zu Konzernstandorten wird schwieriger!<br />
Fleisch<br />
Schlachtungen:<br />
liegen über <strong>der</strong> Erzeugung (Schwein!), Rin<strong>der</strong> bei ca. 80 % <strong>der</strong> Erzeugung<br />
Trends:<br />
Konzentration<br />
Bewegung in <strong>der</strong> Branche , Erhöhung <strong>der</strong> Konzentration durch externe Einwirkung!<br />
Aktivitäten durch BestMeat/Vion in Thüringen über Mutterkonzerne von Weimarer Wurstwaren<br />
(Nordfleisch) bzw. Südostfleisch Altenburg über Südfleisch.<br />
Damit > 80 % <strong>der</strong> Thüringer Schlachtungen in nie<strong>der</strong>ländischer Hand.<br />
Vion mit 7 Mrd. Umsatz Branchenprimus in Europa.<br />
Wachsen<strong>der</strong> Discountanteil (> 40 %) auch bei Frischfleisch. Hohe Priorität bei Produkt- und<br />
Prozessqualität.<br />
Fazit<br />
Unterstützung bei Innovationen (Convenience), Qualitätssicherung und Harmonisierung <strong>der</strong><br />
QS-Systeme, Herkunfts- und Markenschutz (Geschützte geografische Bezeichnungen). Ausbau<br />
vertikaler Verbundsysteme.<br />
* * * * *<br />
Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 54<br />
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