03.10.2013 Aufrufe

Kurzfassungen der Vorträge - TLL

Kurzfassungen der Vorträge - TLL

Kurzfassungen der Vorträge - TLL

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Thüringer Ministerium<br />

für Landwirtschaft,<br />

Naturschutz und Umwelt<br />

Thüringer Landesanstalt<br />

für Landwirtschaft<br />

8. Jahrestagung<br />

Thüringer Landwirtschaft<br />

9. Februar 2006<br />

Kongresszentrum <strong>der</strong> Messe Erfurt AG<br />

Carl-Zeiss-Saal<br />

<strong>Kurzfassungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong>


PLENARVORTRÄGE<br />

PLENARVORTRÄGE<br />

Die ländliche Entwicklungspolitik 2007 bis 2013 –<br />

Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes<br />

Dr. Martin Scheele<br />

* * * * *<br />

Nationale und regionale Umsetzung <strong>der</strong> ELER-Verordnung – Abschätzung <strong>der</strong><br />

Weiterentwicklung KULAP, Ausgleichszulage und investive För<strong>der</strong>ung<br />

Dr. Joachim Ernst<br />

* * * * *<br />

Einfluss <strong>der</strong> Weltagrarmärkte auf die nationalen Märkte - Tendenzen des Nahrungsmittel- und<br />

Rohstoffbedarfs <strong>der</strong> Erde und Auswirkungen auf die Landwirtschaft<br />

Dr. Josef Schmidhuber<br />

* * * * *<br />

Chancen und Risiken des globalen Schweinefleischmarktes<br />

Matthias Kohlmüller<br />

* * * * *<br />

Neue Arbeitsplätze im ländlichen Raum<br />

Adalbert Kienle<br />

* * * * *<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 2<br />

9. Februar 2006


Die ländliche Entwicklungspolitik 2007 bis 2013 –<br />

Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes<br />

Dr. Martin Scheele *)<br />

(Generaldirektion Landwirtschaft, Europäische Kommission Brüssel)<br />

*) Dieser Beitrag reflektiert die Auffassungen des Autors und deckt sich daher nicht notwendigerweise in allen<br />

Punkten mit <strong>der</strong> Position <strong>der</strong> Europäischen Kommission.<br />

Zielsetzungen einer nachhaltigen Entwicklung <strong>der</strong> Landwirtschaft und des ländlichen Raums<br />

Die Landwirtschaft - und mit ihr die Agrarpolitik - stehen unter dem Druck vielfältiger Ansprüche.<br />

Und in den lebhaften Diskussionen um die Finanzierung <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik<br />

ist deutlich geworden, dass nur die Beachtung dieser Ansprüche die Akzeptanz und den Bestand<br />

<strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik sichern kann.<br />

Das Spektrum <strong>der</strong> gesellschaftlichen Zielsetzungen ist weit: Die Sicherheit <strong>der</strong> Lebensmittel<br />

und <strong>der</strong>en Qualität stehen auf <strong>der</strong> Prioritätenliste ganz oben. Saubere Luft, Wasser, Artenvielfalt<br />

und Habitatschutz sind zentrale Anliegen. Ein größeres Engagement wird hinsichtlich <strong>der</strong><br />

Sicherstellung artgerechter Haltungsformen angemahnt. Und jenseits solcher, teilweise auf<br />

intangible Werte gerichteten For<strong>der</strong>ungen, manifestiert sich <strong>der</strong> Verbraucherwille im Kaufverhalten<br />

als Jagd nach niedrigen Preisen.<br />

In <strong>der</strong> konfliktgeladenen Diskussion um die Gemeinsame Agrarpolitik hat sich mehr und mehr<br />

<strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Nachhaltigkeit als Konsens stiftendes Konzept etabliert, und es ist gewiss kein<br />

Zufall, dass die Zielformulierungen <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik programmatisch auf die<br />

Nachhaltigkeit Bezug nehmen. In den verschiedenen Facetten des Nachhaltigkeitsbegriffs<br />

spiegeln sich Anliegen von Landwirten, Verbrauchern und Umweltschützern wie<strong>der</strong>. Nachhaltigkeit<br />

umfasst den Schutz unserer ökologisch wertvollen Kulturlandschaften und natürlichen<br />

Ressourcen ebenso wie die sozial ausgewogene Entwicklung <strong>der</strong> Lebensbedingungen im ländlichen<br />

Raum. Und es ist evident, dass ökonomische Tragfähigkeit eine grundlegende Voraussetzung<br />

nachhaltiger Entwicklung ist.<br />

Reformen als Antwort auf neue Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

Die Gemeinsame Agrarpolitik hat sich seit ihrem Bestehen beständig fortentwickelt. Dabei hat<br />

die Notwendigkeit einer fortwährenden Anpassung <strong>der</strong> Politik in Richtung einer stärkeren<br />

Wettbewerbs- und Marktorientierung eine bestimmende Rolle gespielt. Außerdem wurde <strong>der</strong><br />

Notwendigkeit von Maßnahmen zur besseren Einhaltung von Standards im Bereich Umwelt,<br />

Nahrungssicherheit und Tierschutz Rechnung getragen.<br />

In Bezug auf die genannten Zielsetzungen haben die zwischen 2003 und 2005 beschlossenen<br />

Reformen <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik - und zwar die Rückführung <strong>der</strong> Preisstützung für<br />

ausgewählte Produkten, die Entkopplung und Neugestaltung <strong>der</strong> Direktzahlungen, und Maßnahmen<br />

zur besseren Einhaltung von Standards - wichtige Beiträge geleistet.<br />

Als vorerst letzter Schritt in einer langen Reihe von Reformen bietet die Neugestaltung <strong>der</strong><br />

Ländlichen Entwicklungspolitik ein weites Spektrum zielgerichteter Instrumente, <strong>der</strong>en Einsatz<br />

auf den regionsspezifischen Handlungsbedarf zugeschnitten werden kann.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 3<br />

9. Februar 2006


Europäische Entwicklungspolitik für den ländlichen Raum<br />

Die ländliche Entwicklungspolitik möchte Lösungen für neue Herausfor<strong>der</strong>ungen und für die<br />

Sicherung neuer Funktionen <strong>der</strong> Landwirtschaft und des ländlichen Raums bereitstellen. Sie<br />

zielt auf eine Verbesserung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit des Agrar- und Ernährungssektors. Sie<br />

för<strong>der</strong>t die Diversifizierung und Innovation in den ländlichen Gebieten. Und sie trägt mit gezielten<br />

Anreizen für die Landwirtschaft zum Erhalt <strong>der</strong> ländlichen Umwelt und Landschaften<br />

und damit <strong>der</strong> Lebensqualität und Attraktivität ländlicher Räume bei.<br />

Kurz – die ländliche Entwicklungspolitik för<strong>der</strong>t Anpassungsprozesse und die Wahrnehmung<br />

gesellschaftlicher Funktionen <strong>der</strong> Landwirtschaft im Sinne einer stärker von Wertschöpfung<br />

und Flexibilität geprägten Wirtschaft und ist daher ein wichtiger Beitrag <strong>der</strong> Gemeinsamen<br />

Agrarpolitik zur Umsetzung <strong>der</strong> Lissabon-Strategie.<br />

Die europäische Entwicklungspolitik für den ländlichen Raum basiert auf gemeinschaftlich<br />

festgelegten Zielen; aber sie muss zugleich den Unterschieden in den ländlichen Gebieten<br />

innerhalb <strong>der</strong> EU Rechnung tragen. Die unterschiedlichen administrativen Strukturen in den<br />

EU-Mitgliedstaaten, verschiedene Kulturen <strong>der</strong> Politikumsetzung und die Unterschiede hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> komplementären nationalen Politiken für den ländlichen Raum müssen in die<br />

Gestaltung <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik einbezogen werden. Schließlich ist es zwingend,<br />

die Nachvollziehbarkeit <strong>der</strong> Mittelverwendung sicherzustellen und Rechenschaft über Ziele<br />

und Effektivität des Mitteleinsatzes abzulegen.<br />

Die Verordnungen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung des ländlichen Raumes<br />

Die neuen Verordnungen für die Finanzierung und inhaltliche Ausrichtung <strong>der</strong> Ländlichen<br />

Entwicklungsprogramme <strong>der</strong> För<strong>der</strong>periode 2007 bis 2013 wurden im Sommer 2005 vom Rat<br />

angenommen. Dabei handelt es sich zum einen um die Ratsverordnung (EG) 1290/2005 zur<br />

Finanzierung <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik und zum an<strong>der</strong>en um die Ratsverordnung (EG)<br />

1698/2005 über die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung des ländlichen Raumes.<br />

Diese Verordnungen schreiben Bewährtes fort und führen darüber hinaus wichtige Neuerungen<br />

ein.<br />

• So wurde die bislang komplizierte, aus verschiedenen Fonds gespeiste Finanzierung durch<br />

ein einziges Finanzierungs- und Programmplanungsinstrument, den Europäischen<br />

Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), ersetzt.<br />

• Die Zusammenfassung <strong>der</strong> Finanzierung in einem einzigen Fond erlaubt die bisher drei<br />

Systeme für Finanzmanagement und Kontrollen auf ein einziges System zu reduzieren. Statt<br />

bisher fünf Programmplanungsvarianten gibt es ab 2007 nur noch ein Programmplanungssystem.<br />

• Neu sind auch <strong>der</strong> strategische Ansatz zur Programmierung und dessen Einbettung in eine<br />

systematische Überprüfung <strong>der</strong> Zielerreichung. Die Programminhalte müssen sich am Bedarf<br />

vor Ort wie auch an auf <strong>der</strong> EU Ebene verabschiedeten strategischen Orientierungen<br />

ausrichten.<br />

• Ein besser abgestimmtes Monitoring- und Evaluierungssystem soll eine Überprüfung <strong>der</strong><br />

Leistungsfähigkeit des eingesetzten Instrumentariums und damit eine bessere Anpassungs-<br />

und Lernfähigkeit <strong>der</strong> Ländlichen Entwicklungspolitik erlauben.<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 4<br />

9. Februar 2006


Inhaltliche Orientierungen <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik 2007 bis 2013<br />

Die neue Verordnung zur Ländlichen Entwicklungspolitik identifiziert drei große Ziele:<br />

• Stärkung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit von Land- und Forstwirtschaft durch die För<strong>der</strong>ung von<br />

Umstrukturierung, Mo<strong>der</strong>nisierung und Qualitätserzeugung<br />

• Umweltschutz und Landschaftspflege durch die För<strong>der</strong>ung eines angemessenen nachhaltigen<br />

Landmanagements<br />

• Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität in ländlichen Gebieten und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Diversifizierung<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlichen Tätigkeit<br />

Jedem <strong>der</strong> drei großen Ziele entspricht im Rahmen <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungsprogramme<br />

eine thematische „Achse“. Die drei thematischen Achsen werden ergänzt durch eine methodische<br />

Achse, die auf dem LEADER-Ansatz basiert.<br />

• Die thematische Schwerpunktachse 1, ist <strong>der</strong> „Verbesserung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong><br />

Land- und Forstwirtschaft“ gewidmet. Sie enthält unter an<strong>der</strong>em Maßnahmen wie Investitionsbeihilfen,<br />

Vermarktungsför<strong>der</strong>ung, Vorruhestand, Fortbildung und Beratung und Infrastrukturmaßnahmen.<br />

• Die thematische Schwerpunktachse 2 betrifft den „Erhalt <strong>der</strong> Umwelt und Kulturlandschaft“.<br />

Diese Achse enthält die Ausgleichszulagen, Ausgleichszahlungen im Rahmen von NATURA<br />

2000, Forstmaßnahmen, Tierschutzmaßnahmen und schließlich die Agrarumweltmaßnahmen,<br />

<strong>der</strong>en Aufnahme in die Programme verbindlich bleibt.<br />

• Die thematische Schwerpunktachse 3 zielt schließlich auf die „Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität<br />

und Diversifizierung“. Diese Achse enthält unter an<strong>der</strong>em Maßnahmen zur Diversifizierung<br />

von Einkommensquellen, die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gründung von Kleinstunternehmen, die<br />

För<strong>der</strong>ung des Fremdenverkehrs und die Dorferneuerung.<br />

• Mit <strong>der</strong> LEADER-Achse werden Maßnahmen <strong>der</strong> Achsen 1 bis 3 auf <strong>der</strong> Grundlage von Entwicklungsstrategien<br />

nach dem LEADER-Konzept umgesetzt. Zentrale Elemente dieses Ansatzes<br />

sind Bürgerbeteiligung, För<strong>der</strong>ung lokaler Initiativen, sowie die Vernetzung von Aktionsgruppen<br />

zum Zweck des Erfahrungsaustausches und gegenseitigen Lernens.<br />

Die Ausgewogenheit des Mitteleinsatzes für die verschiedenen Achsen wird durch Mindestsätze<br />

abgesichert. Mindestens 10 % <strong>der</strong> für einen jeweiligen Mitgliedstaat vorgesehenen Mittel<br />

müssen für die Schwerpunktachsen 1 und 3 und mindesten 25 % für die Schwerpunktachse 2<br />

verwendet werden. Für LEADER sind insgesamt 5 % <strong>der</strong> Mittel, deckungsfähig aus Maßnahmen<br />

<strong>der</strong> Achsen 1 bis 3, vorzusehen.<br />

Die Kofinanzierung durch die EU beträgt für die Achsen 1 und 3 als Standardsatz höchstens<br />

50 %, darf aber in den Konvergenzregionen bis 75 % gehen. Für die Achse 2 betragen die<br />

entsprechenden Kofinanzierungssätze 55 o<strong>der</strong> 80 %.<br />

Der strategischer Ansatz für die Programmplanung<br />

Eine weitere Herausfor<strong>der</strong>ung besteht darin, die ländliche Entwicklungspolitik an einem gemeinschaftlichen<br />

strategischen Rahmen zu orientieren und die Umsetzung auf den Bedarf<br />

unterschiedlicher ländlicher Räume abzustimmen. Die übergreifenden gemeinschaftlichen<br />

Ziele <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik sind in den strategischen Leitlinien <strong>der</strong> EU festgelegt,<br />

die in den nationalen Strategien aufgegriffen und schließlich in den Programmen, unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> regionsspezifischen Beson<strong>der</strong>heiten, umzusetzen sind.<br />

In den strategischen Leitlinien <strong>der</strong> Gemeinschaft werden diejenigen Bereiche identifiziert, in<br />

denen die EU-För<strong>der</strong>ungen für die ländliche Entwicklung den höchsten Zielbetrag erwarten<br />

lässt. Mit den strategischen Leitlinien wird eine direkte Verbindung zwischen zentralen EU-<br />

Prioritäten (Lissabon-Strategie, Göteborg-Strategie) und den strategischen Orientierungen <strong>der</strong><br />

ländlichen Entwicklungspolitik hergestellt. Die strategischen Leitlinien sollen die Kohärenz in<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 5<br />

9. Februar 2006


Bezug auf an<strong>der</strong>e EU-Politiken gewährleisten, insbeson<strong>der</strong>e zu den Bereichen Regionalentwicklung<br />

und Umwelt, und sie sollen sicherstellen, dass die ländliche Entwicklungspolitik die<br />

Reformen <strong>der</strong> ersten Säule <strong>der</strong> Agrarpolitik und die daraus resultierenden strukturellen Anpassungen<br />

adäquat begleitet.<br />

Eine Übertragung <strong>der</strong> EU-Prioritäten auf die jeweilige nationale Situation wird durch nationale<br />

Strategiepläne gewährleistet. Die nationalen Strategiepläne bringen den Bedarf und die Prioritäten<br />

des jeweiligen Mitgliedstaates zum Ausdruck, wie<strong>der</strong>um unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Kohärenz<br />

und Komplementarität zu an<strong>der</strong>en Politiken, insbeson<strong>der</strong>e zur Kohäsionspolitik. Aus<br />

den jeweiligen nationalen Strategieplänen entwickeln sich dann die spezifischen nationalen<br />

o<strong>der</strong> regionalen Entwicklungsprogramme mit klar definierten Maßnahmen zur Erreichung <strong>der</strong><br />

jeweiligen strategischen Ziele in den einzelnen Regionen.<br />

Dieser strategische Ansatz zielt auf die Verwirklichung eines an konsistenten Zielen überprüfbaren<br />

Mitteleinsatzes. Eine logische Konsequenz dieses Ansatzes ist die Einbettung in ein<br />

leistungsfähiges Monitoring- und Evaluierungssystem. Die Evaluierung gewährleistet die Bewertung<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Umsetzungsschritte, von <strong>der</strong> Programmformulierung bis zur Umsetzung<br />

und nachgängigen Programmüberprüfung, nach gemeinschaftlichen Standards. Sie<br />

legt Rechenschaft über Erfolg o<strong>der</strong> Misserfolg <strong>der</strong> Programmumsetzung ab und erlaubt so<br />

eine systematische Programmüberprüfung und gegebenenfalls Programmkorrektur.<br />

Durch den Aufbau eines „Europäischen Netzwerks zur ländlichen Entwicklungspolitik“ soll die<br />

Programmumsetzung sowie die Funktionsfähigkeit des Programm begleitenden Monitoring-<br />

und Evaluierungssystems unterstützt werden. Dieses Netzwerk soll den Erfahrungsaustausch<br />

zwischen verschiedenen Akteuren <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik för<strong>der</strong>n, bei <strong>der</strong> Etablierung<br />

von Daten- und Informationssystemen behilflich sein, das für die Programmevaluierung<br />

erfor<strong>der</strong>liche analytische Instrumentarium fortentwickeln, und durch begleitende Studien und<br />

Seminare zur Verbesserung zur Informationsübermittlung beitragen.<br />

Ausblick<br />

Spätestens seit <strong>der</strong> Agenda 2000 orientiert sich die Fortentwicklung <strong>der</strong> Agrarpolitik an Zielen<br />

<strong>der</strong> stärkeren Marktorientierung, <strong>der</strong> verbesserten Transfereffizienz, <strong>der</strong> besseren Einhaltung<br />

von Standards in den Bereichen Umwelt, Tierschutz und Nahrungsmittelsicherheit, <strong>der</strong> strikten<br />

budgetären Disziplin sowie <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik.<br />

Die Reformen seit 2003 sind mit ihren Elementen <strong>der</strong> Marktpolitikreform, <strong>der</strong> Entkopplung,<br />

Cross Compliance, Modulation, und finanzieller Disziplin und <strong>der</strong> Erweitung des Instrumentariums<br />

<strong>der</strong> ländlichen Entwicklungspolitik klar darauf ausgerichtet, die Gemeinsame Agrarpolitik<br />

im Sinne dieser Zielsetzungen zu konsolidieren.<br />

In all diesen Reformschritten zeigt sich ein breiter Konsens hinsichtlich <strong>der</strong> großen Leitthemen,<br />

nämlich <strong>der</strong> Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Landwirtschaftssektors, <strong>der</strong> Bewahrung<br />

und <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong> ländlichen Umwelt und <strong>der</strong> Kulturlandschaften, <strong>der</strong> Stärkung des sozialen<br />

Gefüges sowie <strong>der</strong> Lebensqualität und kulturellen Vielfalt im ländlichen Raum. Hier weitere<br />

Forschritte zu erreichen, ist die Herausfor<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong> wir uns in den kommenden Jahren<br />

stellen müssen – sei es bei <strong>der</strong> europäischen Agrarmarktpolitik, sei es bei <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong><br />

neuen Verordnung zur ländlichen Entwicklungspolitik.<br />

* * * * *<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 6<br />

9. Februar 2006


Nationale und regionale Umsetzung <strong>der</strong> ELER-Verordnung – Abschätzung <strong>der</strong><br />

Weiterentwicklung KULAP, Ausgleichszulage und investive För<strong>der</strong>ung<br />

Dr. Joachim Ernst<br />

(Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt)<br />

Mit Ablauf des Jahres 2006 endet die Programmperiode für die För<strong>der</strong>ung aus den Europäischen<br />

Finanzfonds.<br />

Das zentrale Dokument für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung des ländlichen Raums ab 2007 ist<br />

künftig die Verordnung des Rates über die „För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung des ländlichen Raums“<br />

durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, kurz<br />

ELER genannt.<br />

Mit Blick auf den Vortrag von Dr. Martin Scheele, <strong>der</strong> uns ja bereits ausführlich über Inhalte<br />

und Ziele <strong>der</strong> ELER-VO informiert hat, beschränke ich mich in meinem Vortrag auf folgende<br />

Themen:<br />

• EU-Finanzierungsinstrumente<br />

• Programmplanung auf drei Ebenen<br />

• strategische Überlegungen<br />

• Finanzierung <strong>der</strong> 2. Säule<br />

• regionale Schwerpunkte<br />

• Arbeitsstand im TMLNU<br />

EU-Finanzierungsinstrumente<br />

Vergleicht man die bisherige und die künftige Struktur zur Finanzierung <strong>der</strong> Gemeinsamen<br />

Agrarpolitik, besteht eine <strong>der</strong> wesentlichen Än<strong>der</strong>ungen darin, dass sich die Kommission<br />

(KOM) dafür entschieden hat, ab 2007 die Finanzmittel für die Entwicklung des ländlichen<br />

Raums (ELER) in einem Fonds zusammenzufassen.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 7<br />

9. Februar 2006


Programmplanung auf drei Ebenen<br />

Für die neue Programmplanungsperiode ist erstmalig ein dreistufiger Planungsprozess vorgeschrieben.<br />

Die Strategischen Leitlinien <strong>der</strong> Gemeinschaft liegen vor und müssen lediglich noch formal verabschiedet<br />

werden.<br />

Der Nationale Strategieplan für die Entwicklung ländlicher Räume soll das Bindeglied zwischen<br />

den Strategischen Leitlinien <strong>der</strong> EU und den Entwicklungsprogrammen <strong>der</strong> 16 Bundeslän<strong>der</strong><br />

sein. Die Nationale Strategie wird seit Wochen gemeinsam mit den Bundeslän<strong>der</strong>n sowie unter<br />

Beteiligung <strong>der</strong> repräsentativen Wirtschafts- und Sozialpartner und Verbänden erarbeitet<br />

und <strong>der</strong>zeit zwischen Bund, Län<strong>der</strong>n und KOM diskutiert.<br />

In <strong>der</strong> nationalen Gesamtstrategie werden deshalb Schwerpunkt übergreifend folgende zentrale<br />

Ziele verfolgt:<br />

1. Stärkung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Landwirtschaft und Forsten, Erschließung neuer<br />

Einkommenspotenziale sowie Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen.<br />

Ich halte dies für sehr wichtig, dass dieser Punkt an 1. Stelle steht, denn nur wenn wir leistungsfähige<br />

und stabile Betriebe haben, können auch die an<strong>der</strong>en Ziele umgesetzt werden<br />

wie Verbesserung des Bildungsstandes und des Innovationspotenzials.<br />

2. Stärkung <strong>der</strong> Umwelt, Natur und des Tierschutzes sowie Verbesserung <strong>der</strong> Produktqualität;<br />

3. Sicherung <strong>der</strong> Kulturlandschaften vor allem durch die Landbewirtschaftung;<br />

4. Erhaltung und Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität im ländlichen Raum.<br />

Bei <strong>der</strong> Erreichung dieser Ziele kommen demzufolge<br />

• <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Investitionen,<br />

• den freiwilligen Agrar- und Waldumweltmaßnahmen und<br />

• den Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile<br />

eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu.<br />

Strategische Überlegungen<br />

Die künftigen Schwerpunkte werden durch einen Strauß vielfältiger Maßnahmen untersetzt.<br />

Betrachtet man die Maßnahmen stellt man fest, dass das Maßnahmenspektrum im Wesentlichen<br />

dem <strong>der</strong> gegenwärtigen För<strong>der</strong>periode entspricht. Allerdings wurde insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong><br />

dritten Schwerpunktachse das Maßnahmespektrum erweitert. Und genau darin liegt für die<br />

Programmplaner in den Regionen - also auch für uns in Thüringen - das Grundproblem.<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 8<br />

9. Februar 2006


Die mit <strong>der</strong> Erweiterung des Maßnahmespektrums geweckte Erwartungshaltung und die Mittelanfor<strong>der</strong>ungen<br />

übersteigen die voraussichtlich zur Verfügung stehenden Finanzmittel ganz<br />

erheblich.<br />

Dies resultiert zum einen aus den künftigen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> KOM an die Län<strong>der</strong>. Beispielhaft<br />

nenne ich hierfür die Umsetzung <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie und die Anfor<strong>der</strong>ungen im<br />

Zusammenhang mit Natura 2000. Zum an<strong>der</strong>en haben wir bei den etablierten Maßnahmen<br />

nach wie vor erheblichen Finanzmittelbedarf, beispielsweise im investiven Bereich, bei den<br />

Umweltmaßnahmen, bei <strong>der</strong> Dorferneuerung o<strong>der</strong> den strukturellen Maßnahmen wie Flurbereinigung<br />

und Wegebau.<br />

Hinzu kommt ein weiteres Problem. Die Struktur <strong>der</strong> ELER-Verordnung mit ihrem umfangreichen<br />

Maßnahmenspektrum weckt insbeson<strong>der</strong>e im dritten Schwerpunkt „Diversifizierung <strong>der</strong><br />

ländlichen Wirtschaft“ und „Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität im ländlichen Raum“ Erwartungen<br />

an<strong>der</strong>er Ressorts, die unsere finanziellen Möglichkeiten bei Weitem übersteigen.<br />

Unsere Programmerstellung muss also die Balance zwischen dem Notwendigen und dem<br />

finanziell Machbaren leisten!<br />

Finanzierung <strong>der</strong> 2. Säule<br />

Die Einigung <strong>der</strong> Regierungschefs über die finanzielle Vorausschau ist begrüßenswert, damit<br />

wir in <strong>der</strong> Vorbereitung für die kommende EU-För<strong>der</strong>periode 2007 bis 2013 weiter kommen.<br />

Allerdings muss noch das Europäische Parlament (EP) hierzu befinden. Immerhin klafft zwischen<br />

den Vorstellungen des EP und dem Rat ein erhebliches Finanzloch und es gibt zahlreiche<br />

kritische Stimmen im EP zum Einsatz <strong>der</strong> EU-Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik.<br />

Die Abbildung zur „Finanziellen Vorausschau“ zeigt, dass in <strong>der</strong> künftigen För<strong>der</strong>periode mit<br />

erheblichen finanziellen Einbußen bei den Agrarausgaben <strong>der</strong> KOM zu rechnen ist. Dies betrifft<br />

natürlich auch die 2. Säule zur För<strong>der</strong>ung des ländlichen Raumes.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 9<br />

9. Februar 2006


Auch wenn die Zahlen des Bundes noch unverbindlich und mit Unsicherheiten behaftet sind,<br />

geben sie eine erste Orientierung und zeigen die zu erwartende Größenordnung. Was seit längerem<br />

bereits befürchtet wurde, bestätigen die vorliegenden Zahlen. Es sind Einbußen von ca.<br />

30 % für die 2. Säule zu erwarten. Die Abbildung verdeutlicht die Differenzen zwischen dem<br />

Gesamtvolumen <strong>der</strong> aktuellen För<strong>der</strong>phase 2000 bis 2006 und <strong>der</strong> neuen För<strong>der</strong>phase ab<br />

2007.<br />

Unsere Unsere regionalen regionalen Schwerpunkte<br />

Schwerpunkte<br />

Wie bereits angedeutet, besteht für eine Vielzahl von Maßnahmen die sich in den einzelnen<br />

Schwerpunktachsen wie<strong>der</strong> finden Finanzbedarf. Die nachfolgende Abbildung gibt hierzu einen<br />

Überblick.<br />

Unter dem Aspekt <strong>der</strong> reduzierten finanziellen Mittel gilt es eindeutig und klar Prioritäten zu<br />

setzen, wobei bestimmten rechtlichen Aspekten <strong>der</strong> EU (Wasserrahmenrichtlinie – Natura<br />

2000) Rechnung getragen werden muss.<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 10<br />

9. Februar 2006


Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Land- und Forstwirtschaft sowie des ländlichen Raumes<br />

sind für mich folgende Maßnahmen prioritär:<br />

Es ist unbestritten, dass die investive För<strong>der</strong>ung und die Umweltmaßnahmen, sprich KULAP<br />

und die Ausgleichszulage sowohl in <strong>der</strong> Vergangenheit als für die neue För<strong>der</strong>phase oberste<br />

Priorität haben. Für diese drei Bereiche haben wir im Durchschnitt <strong>der</strong> letzten Jahre ca. 75 Mio.<br />

EUR pro Jahr ausgegeben. Ob diese Größenordnung zukünftig realistisch ist, bleibt abzuwarten,<br />

ich möchte dies ein wenig bezweifeln.<br />

Arbeitsstand <strong>der</strong> Programmierung im TMLNU<br />

Das TMLNU ist bereits seit Mitte des letzten Jahres mit den vorbereitenden Arbeiten befasst. Dazu<br />

wurde eine hausinterne Arbeitsgruppe eingerichtet.<br />

Seit Ende letzten Jahres stehen das Erarbeiten einer programmatischen Strategie sowie die inhaltliche<br />

Schwerpunktsetzung im Planungsdokument im Vor<strong>der</strong>grund. Die Diskussionen werden in den<br />

nächsten Wochen unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Belange an<strong>der</strong>er Ressorts intensiv fortgeführt. Dazu<br />

werden <strong>der</strong>en Vertreter regelmäßig zu gemeinsamen Besprechungen eingeladen. Eine erste Abstimmungsrunde<br />

fand Anfang Dezember 2005 statt.<br />

Die inhaltliche Ausrichtung ist nicht möglich, ohne Kohärenz zu den weiteren Fondsinterventionen<br />

herzustellen. Dazu dienen u.a. die ressortübergreifenden Beratungen, insbeson<strong>der</strong>e mit den Fondsverwaltern<br />

EFRE (Europäischer Wirtschaftsfonds) und ESF (Europäischer Sozialfonds).<br />

Wesentliche Entscheidungen und Weichenstellungen stehen in den nächsten Wochen und<br />

Monaten an. Von Seiten <strong>der</strong> KOM steht die Durchführungsverordnung ELER für uns an erster<br />

Stelle, damit wir unser Programm konkret erarbeiten können. Auf nationaler Ebene ist es das<br />

Strategiedokument damit exakte Finanzzuordnungen erfolgen können und die endgültigen<br />

Beschlüsse zum Rahmenplan für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung <strong>der</strong> Agrarstruktur<br />

und des Küstenschutzes. Den künftigen Thüringer Entwicklungsplan für den ländlichen<br />

Raum müssen wir gemeinsam mit Augenmaß abstimmen. Mit Blick auf die Finanzausstattung<br />

muss es uns gelingen, dass wir uns auf die wesentlichsten Maßnahmen konzentrieren. Ein<br />

Festhalten an Besitzständen und ein `Weiter so` nur mit weniger Finanzmittel, das kann nicht<br />

unsere Strategie sein.<br />

Meinen Vortrag möchte ich mit einem Satz als Gesamtfazit abschließen:<br />

„Alle Erwartungen können nicht erfüllt werden, aber ich hoffe auf ein Maßnahmenbündel mit<br />

dem die Existenz <strong>der</strong> Land- und Forstwirtschaft in Thüringen am besten gesichert werden<br />

kann.“<br />

* * * * *<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 11<br />

9. Februar 2006


Einfluss <strong>der</strong> Weltagrarmärkte auf die nationalen Märkte -Tendenzen des<br />

Nahrungsmittel- und Rohstoffbedarfs <strong>der</strong> Erde und Auswirkungen auf die<br />

Landwirtschaft<br />

Dr. Josef Schmidhuber<br />

(FAO)<br />

Determinanten Determinanten <strong>der</strong> <strong>der</strong> Nachfrage<br />

Nachfrage<br />

Bevölkerungsentwicklung<br />

• Die Weltbevölkerung wird laut Schätzungen <strong>der</strong> Vereinten Nationen (VN, 2004) von 6,1 in<br />

2000, auf 8,1 in 2030 und ca. 9,1 Milliarden Menschen in 2050 wachsen. Die Wachstumsrate<br />

nimmt damit nicht nur prozentual ab, auch die absoluten Zuwächse werden geringer.<br />

• Auch künftig werden starke län<strong>der</strong>- bzw. regionsspezifische Unterschiede im Bevölkerungswachstum<br />

erwartet. Bis 2030 wird hohes Bevölkerungswachstum für Afrika südlich<br />

<strong>der</strong> Sahara (2,1% p.a.) erwartet, dagegen immer niedrigeres in Ostasien (0,65 % p.a.) und<br />

schrumpfende Bevölkerungszahlen in den Transformationslän<strong>der</strong>n Osteuropas und <strong>der</strong> ehemaligen<br />

Sowjetunion (-0,26 % p.a.).<br />

• Insgesamt entfallen praktisch 100 % des globalen Bevölkerungswachstums bis 2030 (ca. 2<br />

Mrd. Menschen) auf die Entwicklungslän<strong>der</strong> (EL). Aus Sicht <strong>der</strong> Stadt-Land Verteilung ist<br />

bemerkenswert, dass mehr als <strong>der</strong> gesamte Zuwachs (2,1 Mrd.) auf städtische Gebiete<br />

(starke Urbanisierung) entfallen wird.<br />

• Gleichzeitig wird sich die Altersstruktur deutlich verschieben, die auch in vielen EL zu einer<br />

rapiden Veralterung führen wird. In China z.B. wird sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Übersechzigjährigen<br />

von heute weniger als 10 % auf mehr als 30 % bis zum Jahr 2050 erhöhen.<br />

Einkommensentwicklung<br />

• Die Weltbank prognostiziert mit einer jährlichen Zuwachsrate von 2,1 % ein durchaus robustes<br />

globales Wirtschaftswachstum über die nächsten 30 Jahre hinweg.<br />

• Die EL werden dazu entscheidend beitragen und mit 3,6 % Wachstum im Bruttosozialprodukt<br />

(BSP) deutlich über dem globalen Mittel liegen. Beson<strong>der</strong>s hoch soll das Wachstum in<br />

Asien ausfallen, das auf 4,7 % in Südasien und 5,3 % in Ostasien veranschlagt wird. Wichtige<br />

Gründe für das Wachstum ergeben sich aus <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Altersstruktur (Bevölkerungsdividende,<br />

Zunahme <strong>der</strong> Erwerbsbevölkerung), <strong>der</strong> zunehmenden Integration in einen<br />

freieren Welthandel (Globalisierung) und <strong>der</strong> Steigerungen in <strong>der</strong> Gesamtfaktorproduktivität<br />

dieser Län<strong>der</strong> infolge zunehmen<strong>der</strong> Investitionen in Bildung und Forschung. Dagegen<br />

wird Afrika südlich <strong>der</strong> Sahara, <strong>der</strong> Sub-Kontinent mit dem höchsten prozentualen Bevölkerungswachstum,<br />

gleichzeitig das geringste BSP-Wachstum pro Kopf verzeichnen.<br />

• Die BSP-Schätzungen für die Region Naher Osten/Nordafrika erscheinen mit 2,4 % pro<br />

Kopf und Jahr relativ bescheiden. Allerdings sollte die Kaufkraft in dieser Region bei Berücksichtigung<br />

positiver Terms-of-Trade (ToT) Effekte durch steigende Energiepreise deutlich<br />

stärker steigen. Diese Region ist schon heute weltweit die wichtigste Importregion für Nahrungsmittel.<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 12<br />

9. Februar 2006


Politikumfeld<br />

• Das Politikumfeld in <strong>der</strong> Landwirtschaft in den OECD Län<strong>der</strong>n ist nach wie vor durch hohe<br />

Subventionen gekennzeichnet. Die Produzentensubventionsäquivalente (PSEs) <strong>der</strong> OECD<br />

liegen für diese Län<strong>der</strong> seit fast 20 Jahren bei 250 Mrd. US$ pro Jahr.<br />

• Die zunehmende Verschiebung <strong>der</strong> Subventionen weg von Preisstützungen im Produkt-<br />

und Vorleistungsbereich und hin zu direkten Transfers sollte (im Vergleich zur Referenzsituation<br />

ohne Reform) zu etwas höheren Preisen auf den Weltmärkten und niedrigeren Preisen<br />

in den bislang geschützten OECD Län<strong>der</strong>n führen. Die Preisän<strong>der</strong>ungen auf den Weltmärkten<br />

werden je nach Produkt auf -2 bis 25 % geschätzt, die Preissenkungen in stark geschützten<br />

OECD Län<strong>der</strong>n können allerdings deutlich höher ausfallen.<br />

• In den EL sind und bleiben dagegen Subventionen für die Landwirtschaft die Ausnahme.<br />

Viele EL besteuern nach wie vor ihre Landwirtschaft entwe<strong>der</strong> durch direkte Maßnahmen<br />

(Exportsteuern, staatliche Ablieferungszwänge, Höchstpreise) o<strong>der</strong> indirekt durch überhöhte<br />

Wechselkurse.<br />

• Die Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft hat sich über die 90er Jahre hinweg real betrachtet<br />

von 9 Mrd. auf 4.5 Mrd. US Dollar praktisch halbiert. Die externen Impulse zur<br />

Stärkung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Landwirtschaft und <strong>der</strong> Nachfrage in den ärmsten<br />

Län<strong>der</strong>n waren damit begrenzt.<br />

• Allerdings ist die Entwicklungshilfe insgesamt in den letzten Jahren deutlich gestiegen und<br />

hat 2003 immerhin ein Niveau von 69 Mrd. US Dollar erreicht. Gemäß <strong>der</strong> Monterrey Verpflichtungen<br />

sollten die Transfers bis 2006 auf rd. 0,30 % ihres Bruttonationaleinkommens<br />

bzw. rd. 88 Mrd. US$ (in Preisen von 2003) angehoben werden. Dies entspräche einem realen<br />

Zuwachs in Höhe von rd. 50 % im Vergleich zu 2001. Eine Erfüllung dieser Versprechen<br />

könnte sich durchaus stimulierend auf die Nachfrage nach Konsumgütern im Allgemeinen<br />

und auf die für Nahrung im Beson<strong>der</strong>en auswirken.<br />

Sich än<strong>der</strong>nde Ernährungsgewohnheiten<br />

• Die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ernährungsgewohnheiten mit einer zunehmenden Verschiebung von<br />

pflanzlichen zu tierischen Produkten hat in den meisten Industriestaaten bereits ihren Zenit<br />

erreicht o<strong>der</strong> sogar überschritten. Mit zunehmen<strong>der</strong> Sättigung, Problemen mit Übergewicht<br />

und Fettleibigkeit und damit verbundenen ernährungsbedingten Gesundheitsproblemen,<br />

sowie nur noch geringem Bevölkerungswachstum wird sich das weitere Wachstumspotential<br />

<strong>der</strong> Nahrungsmittelmärkte dieser Län<strong>der</strong> in engen Grenzen halten.<br />

• Auch in den EL werden die Effekte eines langsameren Bevölkerungswachstums und einer<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Kalorienversorgung pro Kopf immer wichtiger für die künftige Nahrungsmittelnachfrage.<br />

Allerdings werden kulturelle und/o<strong>der</strong> religiöse Gründe gerade auch<br />

in bevölkerungsstarken Regionen (z.B. Indien) die Zuwachsraten auch bei hohem Einkommenswachstum<br />

begrenzen. Ingesamt betrachtet jedoch ist in den EL <strong>der</strong> Übergang von<br />

pflanzlichen zu tierischen Produkten noch lange nicht abgeschlossen.<br />

Projektionen <strong>der</strong> globalen Nahrungsmittelnachfrage bis 2030 im Überblick<br />

• Die Tabellen 1 und 2 fassen die prognostizierte Nachfrage nach Nahrungsmitteln bis zum<br />

Jahr 2030 zusammen. Sie repräsentieren die Ergebnisse <strong>der</strong> neuesten Langfristprojektionen<br />

<strong>der</strong> FAO. Die Nahrungsmittelnachfrage wird hier als Summe <strong>der</strong> verfügbaren Kalorien dargestellt<br />

(pro Kopf und Region in Tabelle 1 sowie als verfügbare Gesamtkalorien pro Region<br />

und Jahr in Tab. 2).<br />

• Global betrachtet wird sich das Wachstum <strong>der</strong> Nahrungsmittelnachfrage von ca. 2,2 % p.a.<br />

in den letzten 30 Jahren auf 1,3 % p.a. in den nächsten 30 Jahren verlangsamen (Tab. 2).<br />

• Praktisch 95 % des zusätzlichen Nahrungsverbrauchs <strong>der</strong> nächsten 30 Jahren wird in den<br />

EL stattfinden.<br />

• Die Verbesserungen in den EL fallen allerdings nach Regionen sehr unterschiedlich aus. Die<br />

Pro-Kopf-Versorgung in Afrika südlich <strong>der</strong> Sahara sollte sich deutlich verbessern, allerdings<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 13<br />

9. Februar 2006


von einer noch ungenügenden Ausgangssituation aus. Damit werden zwar Fortschritte in<br />

<strong>der</strong> Hungerbekämpfung möglich, jedoch nicht in einem Umfang, <strong>der</strong> ausreichen würde, die<br />

internationalen Entwicklungsziele [World Food Summit (WFS), Millenium Development<br />

Goals (MGS)] bis zum Jahr 2015 zu erreichen.<br />

• In an<strong>der</strong>en Regionen <strong>der</strong> EL, insbeson<strong>der</strong>e in Teilen des Nahen Ostens, Nord Afrikas, Latein<br />

Amerikas o<strong>der</strong> Ostasiens wird sich die Versorgungslage nicht nur weiter verbessern -<br />

mehr Kaufkraft, Urbanisierung und eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ernährungsgewohnheiten erhöhen<br />

sogar die Gefahr <strong>der</strong> Überversorgung und <strong>der</strong> damit verbundenen Gesundheitsprobleme.<br />

Tabelle 1: Verfügbare Kalorien pro Kopf und Tag (Durchschnitt)<br />

Verfügbare Kalorien (pro Kopf und Tag) Wachstumsraten in % p.a.<br />

1970* 2000* 2015 2030<br />

1970*<br />

-2000*<br />

2000*<br />

-2030<br />

2000<br />

-2015<br />

2015<br />

-2030<br />

Welt 2411 2789 2950 3030 0,49 0,28 0,37 0,18<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong> 2111 2654 2855 2950 0,77 0,35 0,49 0,22<br />

• Afrika, südlich <strong>der</strong> Sahara 2100 2194 2420 2600 0,15 0,57 0,66 0,48<br />

• Naher Osten/Nordafrika 2382 2974 3080 3130 0,4 0,17 0,23 0,11<br />

• Lateinamerika & Karibik 2465 2836 2990 3120 0 ,47 0,32 0,35 0,28<br />

• Südasien 2066 2392 2660 2790 0,49 0,51 0,71 0,32<br />

• Ostasien 2012 2872 3100 3175 1,19 0,33 0,51 0,16<br />

Industrielän<strong>der</strong> 3046 3446 3480 3520 0,41 0,07 0,07 0,08<br />

Transformationslän<strong>der</strong> 3323 2900 3030 3145 -0,45 0,27 0,29 0,25<br />

Tabelle 2: Verfügbare Kalorien pro Region und Jahr (Durchschnitt)<br />

Verfügbare Kalorien pro Jahr (10 15 ) Wachstumsraten in % p.a.<br />

1970 2000 2015 2030<br />

1970*<br />

-2000*<br />

2000*<br />

-2030<br />

2000<br />

-2015<br />

2015<br />

-2030<br />

Welt 3249 6180 7749 8991 2,7 1,6 1,52 1,00<br />

Welt (mit FAO<br />

Nahrungsmittelbilanzen)<br />

3240 6156 7713 8949 2,16 1,25 1,51 1,00<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong> 2006 4583 6046 7224 2,79 1,53 1,86 1,19<br />

• Afrika, südlich <strong>der</strong> Sahara 201 486 753 1076 2,99 2,68 2,96 2,41<br />

• Naher Osten/Nordafrika 159 426 586 735 3,33 1,84 2,15 1,52<br />

• Latein Amerika & Karibik 253 533 680 803 2,52 1,37 1,63 1,11<br />

• Südasien 534 1170 1636 2008 2,65 1,82 2,26 1,38<br />

• Ostasien 858 1968 2398 2614 2,80 0,95 1,33 0,58<br />

Industrielän<strong>der</strong> 808 1138 1226 1289 1,15 0,41 0,49 0,33<br />

Transformationslän<strong>der</strong> 426 435 441 436 0,07 0,01 0,09 -0,08<br />

*) Mittleres Jahr eines Dreijahresdurchschnitts, Quelle: Weltlandwirtschaft 2050, FAO 2006 (in Vorbereitung)<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 14<br />

9. Februar 2006


Die Die Nachfrage Nachfrage nach nach Agrarprodukten Agrar<br />

Agrar produkten aus aus dem dem Nicht Nicht-Nahrungssektor: Nicht<br />

Nahrungssektor: Nahrungssektor: Auswirkunge<br />

Auswirkungen<br />

Auswirkunge n<br />

einer einer ve verstärkten ve ve stärkten stärkten Biomasseverwendung<br />

Biomasseverwendung<br />

Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Landwirtschaft in <strong>der</strong> Energiewirtschaft<br />

• Hohe Preise für fossile Energieträger werden sich künftig immer stärker die landwirtschaftlichen<br />

Erzeugerpreise und damit auch die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel beeinflussen.<br />

• Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass die seit 2004 deutlich gestiegenen<br />

Preise für Energie auch künftig auf einem relativ hohen Niveau bleiben werden. Mit dem<br />

Anstieg <strong>der</strong> Ölpreise über 35 bis 40 Dollar/barrel (US$/bbl) wirken sich Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Energiepreise direkt auf die Weltmarktpreise für Agrarprodukte aus. Ab diesem Niveau<br />

kann Brasilien Ethanol auf Zuckerrohrbasis ohne Subventionen o<strong>der</strong> Steuervergünstigen<br />

herstellen. Mit <strong>der</strong> Verwendung von Zuckerrohr für Ethanol steht weniger Zucker für den<br />

Export zur Verfügung was dazu beigetragen hat, dass die Weltmarktpreise für Zucker parallel<br />

mit den Weltmarktpreisen für Öl gestiegen sind.<br />

• Bei höheren Preisen werden immer mehr landwirtschaftliche Rohstoffe als Energiequelle<br />

wettbewerbsfähig. Allerdings hängen die „break-even“ Preise stark vom Preis des Agrarrohstoffs<br />

selbst ab, daneben auch von den jeweiligen Wechselkursen, dem angestrebten Endprodukt<br />

sowie von Größe und Stand <strong>der</strong> Konversionsanlagen und –technologie ab.<br />

• Bei landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen und Wechselkursen von 2001/03 wurden folgende<br />

Paritätspreise für Ethanol und Biodiesel errechnet: Zuckerrohr, Brasilien („Süden/Zentral“):<br />

28 bis 35 US$/bbl; Zuckerrohr, Brasilien (Nordosten): $36 bis 42/bbl; Maniok, Thailand 38<br />

bis 46 US$/bbl, Palmöl, Malaysia (Biodiesel) 44 US$/bbl; Mais, USA 55 bis 59 US$/bbl, Getreide<br />

EU 80 bis 85 US$/bbl. Diese Gleichgewichtspreise berücksichtigen die Kosten für die<br />

Agrarrohstoffe, Arbeit, Kapital, Transport- und Konversionskosten.<br />

• Die großtechnische Konversion von ligno-cellulosehaltigen Rohstoffen wird sich das Rohstoffpotenzial<br />

<strong>der</strong> Agrar- und Forstwirtschaft deutlich erhöhen. Die dafür notwendige Technologie<br />

ist allerdings bislang auf den Pilotprojektstatus begrenzt. Die Verfügbarkeit <strong>der</strong><br />

großindustriellen Nutzung wird sehr unterschiedlich eingeschätzt, Angaben schwanken<br />

zwischen 5 und 15 Jahren.<br />

Das Potenzial von Agrar- und Forstrohstoffen zur Energienutzung<br />

• Biomasse spielt bereits heute eine nicht unerhebliche Rolle für die globale Energieversorgung.<br />

Mit 47 Exajoule 1) (10 18 J) entfielen 2002 laut IEA rund 11 % des Weltenergieangebots<br />

auf Biomasse, 70 % dieser Bioenergie werden in den EL genutzt. Gerade für die ärmsten EL<br />

stellen Holzkohle, Brennholz, o<strong>der</strong> Produkte wie Dung wichtige Energieträger dar. Für die<br />

internationalen Agrar- und Energiemärkte spielen diese, nur bedingt marktgängigen Energiequellen,<br />

allerdings keine wichtige Rolle.<br />

• Noch geringer ist <strong>der</strong> Beitrag vollkommen marktgängiger Bioenergieträger. Schränkt man<br />

dabei die Auswahl auf Ethanol und Biodiesel ein, so liegt <strong>der</strong> Beitrag bei nur 0,9 EJ/a und<br />

damit bei weniger als 0,25 % des globalen Energieangebots.<br />

• Wesentlich besser wird das langfristige Potenzial <strong>der</strong> Gesamtbiomasseproduktion beurteilt.<br />

SCHRATTENHOLZER und FISCHER (2000) schätzen, dass das technologische Energiepotenzial<br />

von Biomasse 1990 bei ca. 225 EJ lag und bis 2050 auf ca. 400 EJ ansteigen könnte.<br />

Das ökonomisch ausbeutbare Potential wird für 2050 mit ca. 160 EJ/a angegeben. In dieses<br />

Potenzial einbezogen ist die Nutzung von noch ungenutzten Grasflächen, Wäl<strong>der</strong>n, freien<br />

Koppelprodukten von genutzten Flächen sowie von landwirtschaftlichen und urbanen Abfällen.<br />

Nicht einbezogen ist die landwirtschaftliche Nutzfläche, die für die Erzeugung von<br />

Nahrungsmitteln bis zum Jahr 2050 gebraucht wird.<br />

1) Exajoule = EJ<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 15<br />

9. Februar 2006


• Das ökonomisch nutzbare Potential von 160 EJ in 2050 würde bei heutiger Konversionseffizienz<br />

und Rohstoffbasis ein Potential von 53 EJ für die Erzeugung von Ethanol und Biodiesel<br />

geben. Dies würde in etwa den heutigen Gesamtverbrauch an Energie für den Straßenverkehr<br />

decken, läge aber immer noch unter dem Gesamtenergiebedarf für Transportzwecke<br />

<strong>der</strong> bei ca. 77 EJ/a und liegt weit unter dem globalen Gesamtenergieverbrauch von über<br />

350 EJ/a. Noch geringer erscheint <strong>der</strong> Beitrag relativ zum Energieverbrauch, <strong>der</strong> bis zum<br />

Jahr 2030 nochmals um 60% steigen wird.<br />

• In <strong>der</strong> Realität <strong>der</strong> Konkurrenz um knappe Ressourcen lässt sich eine „Reservierung“ von<br />

Flächen für die Nahrungsmittelproduktion, wie bei SCHRATTENHOLZER und FISCHER<br />

angenommen, nicht darstellen. Bereits die aktuelle Nutzung von Bioenergie findet vor allem<br />

auf Basis von Produkten statt, die in unmittelbarer Konkurrenz zu marktgängigen Rohstoffen<br />

aus dem Agrar- und Forst-Bereich steht. (Bioethanolproduktion auf Basis von Zuckerrohr<br />

und Mais, Biodiesel auf Basis von Ölsaaten.)<br />

• Würde man versuchen, mit marktgängigen Agrarrohstoffen wie Getreide, Zucker o<strong>der</strong> Ölsaaten<br />

den gegenwärtigen Energiebedarf im Transportsektor zu decken, so müsste man – bei heutigen<br />

Erträgen und bei heutiger Konversionstechnologie - eine Fläche von 850 Millionen Hektar ausschließlich<br />

für Bioenergie reservieren. Dies entspräche <strong>der</strong> gesamten Ackerfläche, die gegenwärtig<br />

in den EL genutzt wird.<br />

• Die Größe des Energiemarktes relativ zu den Agrar- und Forstmärkten verdeutlicht, dass<br />

das Bioenergie insgesamt nur einen begrenzten Beitrag zum Energiebedarf leisten kann;<br />

dieser Beitrag zwar sehr sinnvoll für einen breit angelegten, globalen Energiemix ist aber<br />

keine Lösung des globalen Energieproblems darstellt und dass die Energiemärkte künftig<br />

die Agrarmärkte und Agrarpreise beeinflussen, nicht aber umgekehrt.<br />

Die Die Auswirkungen Auswirkungen eines eines Nachfrageanstiegs Nachfrageanstiegs für für Biomasse Biomasse auf auf auf die die die Weltmarktpreise<br />

Weltmarktpreise<br />

Die neuen Agrarpreisniveaus<br />

• Energiepreise über 35US$/bbl erzeugen ein Mindestpreisniveau für verschiedene Agrarprodukte.<br />

Der Effekt des Mindestpreisniveaus gilt nur für die Weltmarktpreisniveaus. In geschützten<br />

und gestützten Märkten können höhere Weltmarktpreise allerdings zu einer Verringerung<br />

des effektiven Stützungsniveaus führen.<br />

• Bei weiter steigenden Energiepreisen wird es zu einer weiteren Steigerung <strong>der</strong> Weltmarktpreise<br />

für Agrarprodukte kommen. Allerdings können durch steigende Energiepreise die<br />

Agrarpreise langfristig nicht stärker als die Energiepreise selbst steigen. Ein schnellerer Anstieg<br />

würde die Agrarrohstoffe für die Energienutzung zu teuer machen.<br />

• Damit schaffen hohe Energiepreise künftig möglicherweise ein neues Gleichgewicht auf den<br />

Agrarmärkten und bestimmen mithin die Schwankungsbreite <strong>der</strong> Agrarpreise.<br />

• Überschreiten die Energiepreise das Paritätspreisniveau für das jeweilige Agrarprodukt, so<br />

entsteht ein impliziter Mindestpreis. Weitere langfristige Preisanstiege sind dann nur im<br />

Rahmen von Energiepreisanstiegen möglich, o<strong>der</strong> aber über nicht-energiebedingten Nachfrageimpulse<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e, allgemeine Angebotsbegrenzungen.<br />

• Der Einsatz von verschiedenen Agrarrohstoffen hat sehr unterschiedliche Auswirkungen auf<br />

die Höhe und Richtung <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Agrarpreise. Die Verwendung von proteinhaltigen<br />

Rohstoffen wie Ölsaaten o<strong>der</strong> Getreide erhöht zwar die Preise für diese Produkte<br />

selbst, kann aber zu deutlichen Preissenkungen bei den anfallenden Koppelprodukten (Ölkuchen/-schrote)<br />

führen. Ein deutliches Auseinan<strong>der</strong>driften <strong>der</strong> Preise für Produkt und<br />

Koppelprodukt (Energie und Protein) ist allerdings u.a. aufgrund entstehen<strong>der</strong> Substitutionsmöglichkeiten<br />

auf <strong>der</strong> Nachfrageseite langfristig nicht zu erwarten.<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 16<br />

9. Februar 2006


Die Kanäle <strong>der</strong> Preistransmission<br />

• Der Preistransmissionseffekt findet über direkte und indirekte Wege statt. Eine Verwendung<br />

von Agrarrohstoffen für Bioenergie stützt zunächst direkt den Preis für dieses Produkt. Über<br />

eine erhöhte Flächennutzung für das verwendete Produkt erniedrigt sich das Flächenangebot<br />

für an<strong>der</strong>e Produkte und stützt damit auch die Preise dieser Produkte.<br />

• Eine indirekte Preistransmission findet auch auf <strong>der</strong> Nachfrageseite statt, zumindest insofern,<br />

als höhere Energiepreise die Preise für Substitute auf <strong>der</strong> Nachfrageseite erhöhen. Mit<br />

<strong>der</strong> Verteuerung von Kunstkautschuk z.B. erhöht sich die Wettbewerbsfähigkeit von Naturkautschuk.<br />

Ebenso treiben höhere Preise für Nylon und an<strong>der</strong>e Kunstfasern die Preise von<br />

Baumwolle nach oben, auch wenn we<strong>der</strong> Baumwolle noch Kunstkautschuk direkt für die<br />

Verwendung als Bioenergieträger in Frage kommen.<br />

Die Auswirkungen: landwirtschaftliche „Renaissance“ aber auch Ernährungssicherungsprobleme<br />

• Langfristig hohe Energiepreise könnten einen Paradigmenwechsel für die internationale<br />

Landwirtschaft einläuten. Angesichts <strong>der</strong> Größe des Energiemarktes kann davon ausgegangen<br />

werden, dass die Nachfrage nach Agrarprodukten für Energiezwecke weitgehend preiselastisch<br />

ist. Damit kann die Landwirtschaft über höhere Energiepreise langfristig <strong>der</strong> Tretmühle<br />

steigen<strong>der</strong> Produktivitätsanstiege bei schrumpfenden Nachfragezuwächsen und<br />

mithin fallenden Realpreisen entkommen. Landwirtschaft und ländliche Räume insgesamt<br />

könnten damit nach jahrzehntelangen Realpreisverlusten eine „Renaissance’ erleben.<br />

• Eine Stabilisierung <strong>der</strong> Realpreise wird Ressourcen in die Landwirtschaft zurückbringen,<br />

damit verbunden sind höhere Investitionen in die landwirtschaftliche Produktion aber auch<br />

in die ländlichen Räume insgesamt, in <strong>der</strong>en Infrastruktur und Märkte. Höhere Preise sollten<br />

sich langfristig aber auch in höheren Kauf- und Pachtpreisen kapitalisieren (diese erhöhen)<br />

und weiteres Kapital für ländliche Räume anziehen.<br />

• Län<strong>der</strong>, die sowohl Nettoimporteure für Nahrungsmittel als auch für Energie sind, können<br />

mit steigenden Energie- und Agrarpreisen einen erheblichen ToT Verlust erleiden. Für die<br />

ärmsten EL kann damit auch eine Verschlechterung <strong>der</strong> allgemeinen Ernährungssicherung<br />

verbunden sein.<br />

• Wie sich die positiven Impulse für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume in den EL<br />

tatsächlich auswirken werden, ob Armut und Hunger verringert o<strong>der</strong> erhöht werden, ob<br />

Umwelteffekte positiv o<strong>der</strong> negativ ausfallen und ob gesamtwirtschaftliche Entwicklung<br />

insgesamt geför<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>t wird, wird ganz entscheidend von den institutionellen<br />

Rahmenbedingungen in den jeweiligen Län<strong>der</strong>n abhängen. Die Stärkung von Institutionen<br />

wird damit eine noch wichtige Aufgabe <strong>der</strong> Entwicklungspolitik werden.<br />

* * * * *<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 17<br />

9. Februar 2006


Chancen und Risiken des globalen Schweinefleischmarktes<br />

Matthias Kohlmüller<br />

(Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle)<br />

Produktion und Verbrauch von Schweinefleisch steigt weltweit<br />

Die Schweinefleischerzeugung entwickelt sich nach Geflügel- und vor Rindfleisch weltweit dynamisch.<br />

Im abgelaufenen Jahr profitierte <strong>der</strong> weltweite Schweinefleischabsatz von BSE bedingten<br />

Handelsrestriktionen beim Rindfleisch und <strong>der</strong> Verbraucherverunsicherung bei Geflügelfleisch<br />

im Zuge <strong>der</strong> Vogelgrippe, beson<strong>der</strong>s in Asien. Zusätzlich bekam <strong>der</strong> internationale<br />

Handel Auftrieb durch die für den Export günstigen Wechselkurse des US Dollars. Beson<strong>der</strong>s<br />

durch das Bevölkerungswachstum in Asien und Südamerika und die steigende Kaufkraft in<br />

den östlichen Län<strong>der</strong>n Europas und Asiens wird <strong>der</strong> Fleischverbrauch kontinuierlich zunehmen.<br />

Die globale Produktion von Schweinefleisch erreichte 2005 laut FAO Angaben eine Menge<br />

von schätzungsweise 103 Mio. t. Das ist ein Zuwachs von 14 % in den letzten fünf Jahren.<br />

Für 2006 wird ein Anstieg <strong>der</strong> Produktion und des Verbrauchs von 2 bis 3 % erwartet, bei Geflügel<br />

hingegen wird jeweils ein Plus von rund 4 % prognostiziert. Von <strong>der</strong> Gesamtfleischerzeugung<br />

entfallen rund 40 % auf Schweinefleisch, 30 % auf Geflügel- und 24 % auf Rindfleisch.<br />

Schweinefleischproduktion Kontinente<br />

Kontinent Produktion Welt (%) Produktion Welt (%)<br />

(Mio. t)<br />

2005<br />

2000:2005 2000<br />

Asien 57,9 56,4 20,5 53,3<br />

Europa 21,2 20,6 3,0 19,5<br />

Amerika 17,3 16,9 13,4 17<br />

Südamerika 4,5 4,4 29,1 3,9<br />

Afrika 0,8 0,8 17,7 0,8<br />

Ozeanien 0,5 0,5 8,0 0,5<br />

Welt<br />

Quelle: FAO / EUROSTAT<br />

102,7 100,0 14,0 100<br />

Asien produziert über die Hälfte des Weltschweinefleisches<br />

Über die Hälfte des weltweiten Schweinefleischaufkommens wird in Asien produziert. 60 %<br />

<strong>der</strong> Weltbevölkerung leben in Asien, in China allein ein Fünftel <strong>der</strong> Weltbevölkerung. Hier findet<br />

man auch nach Südamerika (hauptsächlich Brasilien) das größte Wachstum <strong>der</strong> Schweinfleischerzeugung.<br />

In Europa mit 750 Mio. Verbrauchern, 11 % <strong>der</strong> Welt, wird ein Fünftel des<br />

Weltschweinefleisches erzeugt. Während in <strong>der</strong> EU die Bevölkerung schrumpft, wird allein in<br />

China die Bevölkerung laut UN Schätzungen bis 2015 um 100 Mio. Menschen wachsen.<br />

Globaler Schweinefleischmarkt (in 1.000 t Schlachtgewicht)<br />

Produktion Verbrauch Export Import<br />

2005 06 (%) 2005 06 (%) 2005 06 (%) 2005 06 (%)<br />

China 48.900 + 4,1 China 48.570 + 4,0 EU-25 1.309 + 1,4 Japan 1.243 - 0,6<br />

EU-25 21.190 + 0,9 EU-25 19.895 + 0,8 USA 1.208 + 3,6 Russland 600 + 3,8<br />

USA 9.402 + 2,4 USA 8.648 + 2,1 Kanada 1.075 + 2,3 Mexiko 495 + 2,0<br />

Brasilien 2.730 + 3,5 Russland 2.220 + 5,8 Brasilien 625 + 1,0 USA 455 0,0<br />

Kanada 1.960 + 0,8 Japan 2.531 + 1,8 China 400 + 3,8 Südkorea 300 + 17,0<br />

Russland 1.663 + 6,4 Brasilien 1.985 + 5,8 Mexiko 55 + 18,2 Hongkong 250 + 8,0<br />

Japan 1.260 - 1,6 Mexiko 1.615 + 1,5 Australien 55 + 5,5 Kanada 135 + 14,0<br />

Mexiko 1.175 + 2,1 Südkorea 1.328 + 1,7 Südkorea 5 + 100,0 Australien 90 + 5,6<br />

Phillipinen 1.100 + 2,0 Phillipinen 1.130 + 1,9 Ukraine 6 + 66,7 China 70 - 28,6<br />

Welt * 102.704 + 2,8 Welt * 102.613 + 2,8 Welt * 4.726 + 1,9 Welt * 4.660 + 1,5<br />

Quelle: ZMP nach USDA vom Nov. 2005; 2005 vorläufig, 2006 Prognose; * Welt laut FAO<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 18<br />

9. Februar 2006


China größter Wachstumsmarkt<br />

Chinas Produktion von Schweinefleisch erreichte 2005 voraussichtlich eine Menge von rund<br />

49 Mio. Tonnen. Das ist knapp die Hälfte <strong>der</strong> Welterzeugung. Seit 2001 hat sich <strong>der</strong> chinesische<br />

Schweinebestand um fast 17 % vergrößert. Auch für das kommende Jahr erwarten amerikanische<br />

Marktexperten vom US Landwirtschaftsministerium USDA eine Erhöhung <strong>der</strong> Erzeugung<br />

und des Verbrauchs von rund 4 %. Das Produktionswachstum resultiert in erster Linie<br />

auf verbesserte Tierleistungen sowie leistungsfähigere Genetik und Fütterung. In China wird<br />

die Bevölkerung (ein Fünftel <strong>der</strong> Weltbevölkerung) bis 2010 laut UNO Angaben um 3 % wachsen.<br />

Das rasante Wirtschaftswachstum und eine höhere Kaufkraft zieht eine steigende<br />

Fleischnachfrage nach sich. Hemmnisse <strong>der</strong> Produktionsausweitung sind Chinas begrenzte<br />

Ressourcen an landwirtschaftlicher Fläche (nur 7 % <strong>der</strong> Weltagrarfläche) Wasser und schlechte<br />

Infrastruktur (schlechte Transportwege, mangelnde Kühlfahrzeuge und Kühltechnik, fehlende<br />

Lebensmittelmärkte in strukturschwachen Gegenden). Außerdem muss die Seuchenbekämpfung<br />

im Land verbessert werden. Somit könnte ein attraktiver Absatzmarkt für exportorientierte<br />

Nationen entstehen. Hier sind jedoch schon mehrere absatzorientierte Nationen am Ball.<br />

Der Export aus <strong>der</strong> EU dorthin wird sich auf Nebenprodukte konzentrieren, die in Asien als<br />

Delikatesse gelten und eine höhere Wertschöpfung als bei uns erfahren. Dazu zählen Pfoten,<br />

Ohren und Innereien. Beim restlichen Schweinefleisch werden sicherlich die weltweit preislich<br />

günstigsten Anbieter zum Zuge kommen.<br />

Entwicklung des Fleischverbrauchs<br />

Gesamtverbrauch (Mio. t/Jahr)<br />

2005 2014 2030 2005-2030 (%)<br />

Industrielän<strong>der</strong><br />

Rindfleisch 27 28 29 7,4<br />

Schweinefleisch 36 38 39 8,3<br />

Geflügelfleisch 34 40 48 41,2<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong><br />

Rindfleisch 36 45 55 52,8<br />

Schweinefleisch 65 79 95 46,2<br />

Geflügelfleisch 40 50 110 175,0<br />

Quelle:ZMP nach OECD und FAO 2005, World agriculture: towards 2015/30<br />

EU ist größter Schweinefleischexporteur<br />

Die EU nimmt im Handel mit Schweinefleisch den ersten Platz mit 30 % aller Exporte <strong>der</strong> führenden<br />

Exportnationen, die von USDA ausgewertet werden (bzw. laut FAO ein Fünftel <strong>der</strong><br />

Weltexporte) ein. Jedoch stagniert das Wachstum. Vor vier Jahren lag <strong>der</strong> Anteil laut USDA<br />

noch bei 35 %. Kanada, USA und Brasilien gewannen Marktanteile hinzu.<br />

Europas Bedeutung in <strong>der</strong> Schweinefleischproduktion ist auf hohem Niveau stabil. Wenngleich<br />

die Produktion mehr o<strong>der</strong> weniger stagniert, so wird <strong>der</strong> innergemeinschaftliche EU Handel<br />

nicht an Bedeutung verlieren. Innerhalb <strong>der</strong> EU ist Dänemark <strong>der</strong> „Weltmeister“ im Schweinefleischexport.<br />

2005 dürften schätzungsweise 1,9 Mio. t (dreimal so viel wie Brasilien) Schweinefleisch<br />

die Landesgrenze verlassen haben. Neben Japan sind Deutschland und die östlichen<br />

neuen EU-Mitglie<strong>der</strong> die wichtigsten Zielmärkte Dänemarks. Deutschland konnte seine Position<br />

in <strong>der</strong> EU-Rangliste nach Dänemark im Export beson<strong>der</strong>s durch den Einfuhrbedarf in den<br />

neuen EU-Mitgliedstaaten dynamisch ausbauen. Da <strong>der</strong> Inlandsverbrauch mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

stagniert, konnte die Rekord-Schweinefleischproduktion in Deutschland von über 48 Mio.<br />

Schlachtschweinen in 2005 (+4 % gegenüber dem Vorjahr) nur durch eine deutliche Steigerung<br />

des Exports - von vermutlich +20 bis +25 % gegenüber 2004 - abgesetzt werden. Laut<br />

ZMP Schätzungen hat Deutschland 2005 1,1 Mio. t Schweinefleisch ausgeführt. Wichtigste<br />

Absatzgebiete für deutsche Schweinfleischvermarkter sind Italien, die Nie<strong>der</strong>lande, Österreich,<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 19<br />

9. Februar 2006


England und die neuen EU-Mitgliedstaaten. Russland ist in erster Linie bedeutsam für den<br />

Absatz von Schweinespeck.<br />

Schweinefleischexporte wichtiger Län<strong>der</strong><br />

Tsd. t Schlachtgewicht (SG) %<br />

2000 2005 2005:2000<br />

Dänemark 1500 1920 28<br />

Deutschland 584 1100 88<br />

Polen 131 195 49<br />

Brasilien 127 625 392<br />

USA 584 1208 107<br />

Kanada 660 1020 55<br />

Quelle: ZMP<br />

Brasiliens Potential am größten<br />

Eine verbesserte Inlands- und Exportnachfrage hat die Expansion des Schweinesektors in Brasilien<br />

vorangetrieben. Die schwächere Währung verbesserte Brasiliens Wettbewerbsfähigkeit<br />

auf dem Weltmarkt. Die Nettoexporte sind in den letzen Jahren kontinuierlich gestiegen, wurden<br />

im vergangenen Jahr, MKS bedingt, leicht ausgebremst. Zusätzlich schmälert <strong>der</strong> Währungsanstieg<br />

des brasilianischen REAL seit Oktober 2005 die Exporte. Im vergangenen Jahr<br />

konnten die Exporte dennoch ein Plus von über 20 % zum Vorjahr auf 625 000 t verbuchen.<br />

Brasilianische Marktexperten rechneten vor den MKS Fällen im Oktober mit einer Exportmenge<br />

von 650 000 t.<br />

Brasilien muss stark im Bereich Tierseuchen und Hygiene investieren, um die Standards <strong>der</strong><br />

Abnehmerlän<strong>der</strong> erfüllen zu können, da die dortigen Schlachthöfe z.B. nicht den EU-Standards<br />

entsprechen. Lediglich 60% aller Schlachthöfe in Brasilien haben eine Veterinärzulassung. Von<br />

diesen wird <strong>der</strong> Export bestritten.<br />

Landwirtschaftliche Fläche und Nutzung in bestimmten Gebieten<br />

Landw. Fläche<br />

in Mio. ha<br />

Genutzt<br />

in Mio. ha<br />

LN genutzt<br />

%<br />

Welt 4974 1364 27,4<br />

USA 418 176 42,1<br />

EU-15 140 73 52,1<br />

Brasilien 370 52 14,0<br />

Quelle: L. Roppa (2003)<br />

Wichtige Wettbewerbs- und Strukturvorteile <strong>der</strong> größten Produzenten 2003<br />

China USA EU15 Kanada Südamerika Brasilien<br />

Fläche in 1 000 km 2<br />

9596 9629 3238 9976 17844 8511<br />

Schweine in Mio. Stück 454,4 59,1 121,8 12,4 57,6 35,4<br />

Schweine/km 2<br />

47,3 6,1 37,6 1,2 3,2 4,1<br />

Jährl. Pro-Kopf-Verbrauch<br />

Produktionskosten<br />

33,7 30,1 43,8 31,0 10,2 12,4<br />

US$/kg Lebendgewicht 0,85-1,20 0,75-0,85 1,00-1,20 0,75-0,85 0,55-1,10 0,55-0,65<br />

Quelle: L. Roppa (2004)<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 20<br />

9. Februar 2006


Der Handel mit Schweinefleisch wächst<br />

Die EU kann im verschärften Wettbewerb allein über den Preis nicht punkten. Hier schlagen<br />

sich die hohen Standards im Verbraucherschutz, im Tier- und Umweltschutz in höhere Produktionskosten<br />

nie<strong>der</strong>. Die mit an <strong>der</strong> Spitze liegende Effektivität und Effizienz in <strong>der</strong> gesamten<br />

Wirtschaftskette kann diese Nachteile nur zum Teil kompensieren.<br />

Prognosen am Weltschweinefleischmarkt 2014<br />

Produktion Verbrauch<br />

2014 2014:2005 (%) 2014 2014:2005 (%)<br />

China 57549 + 19,2 China 57676 + 20,2<br />

EU-25 22704 + 7,5 EU-25 21331 + 6,6<br />

USA 10224 + 8,2 USA 9620 + 6,8<br />

Brasilien 3434 + 24,3 Russland 3363 + 45,0<br />

Kanada 2542 + 26,9 Japan 2745 + 8,6<br />

Russland 2139 + 15,9 Brasilien 2443 + 21,2<br />

Japan 1271 0,0 Mexiko 2050 + 30,1<br />

Mexiko 1543 + 30,3 Südkorea 1328 + 1,7<br />

Phillipinen 1507 + 21,4 Phillipinen 1631 + 32,2<br />

Quelle: ZMP nach FAPRI (2005) und eigenen Berechnungen<br />

Prognosen am Weltschweinefleischmarkt bis 2014<br />

Export Import<br />

2014 2014:2005 (%) 2014 2014:2005 (%)<br />

EU-25 1327 + 17,7 Japan 1470 + 16,3<br />

USA 1287 + 33,0 Russland 1224 + 100,0<br />

Kanada 1244 + 44,7 Mexiko 644 + 30,3<br />

Brasilien 1000 + 60,0 USA 682 + 35,3<br />

China 296 - 27,8 Südkorea 300 + 17,0<br />

Mexiko 0 0,0 Hongkong 390 + 18,2<br />

Australien 150 + 173,0 Rumänien 400 + 200,0<br />

Südkorea 5 + 100,0 Bulgarien 200 + 444,0<br />

Ukraine 6 + 66,7 China 423 + 244,0<br />

Quelle: ZMP nach FAPRI (2005) und eigenen Berechnungen<br />

Deutschland tendiert beim Schweinefleisch vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur.<br />

Vor fünf Jahren lag <strong>der</strong> Selbstversorgungsgrad beim Schweinefleisch noch bei 87 %, 2005 erreichte<br />

<strong>der</strong> Quotient aus Produktion und Verbrauch schätzungsweise 95 %.<br />

Deutsches Schweinfleisch genießt einen guten Ruf. Die Exportsteigerungen im vergangenen<br />

Jahr konnten durch den Wegfall <strong>der</strong> Handelsbarrieren im Zuge <strong>der</strong> EU-Erweiterung und durch<br />

den großen Einfuhrbedarf <strong>der</strong> östlichen Län<strong>der</strong> erreicht werden. Allein Tschechien, dass vor<br />

kurzem noch mit 100 % Selbstversorgungsgrad kaum auf Einfuhren angewiesen war, führte<br />

im vergangenen Jahr ungefähr 150 000 t Schweinefleisch ein (+60 % gegenüber 2004), sowie<br />

44 000 t aus.<br />

Das dynamische Wirtschaftswachstum in den östlichen Län<strong>der</strong>n und auch in Russland und<br />

<strong>der</strong> Ukraine wird von Jahr zu Jahr weiter anhalten. Damit verbunden sind höhere Löhne und<br />

eine steigende Kaufkraft. Somit wächst die Nachfrage nach Fleisch- und Fleischprodukten oft<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 21<br />

9. Februar 2006


asant. Allein in Russland prognostizieren Experten einen jährlichen Anstieg <strong>der</strong> Nachfrage<br />

nach Fleischwaren von fünf bis sieben Prozent. Nach Geflügelfleisch profitiert davon Schweinefleisch<br />

am meisten. Mit einem hohen Einfuhrbedarf an Fleisch kann man auch in Rumänien<br />

und Bulgarien rechnen. Die Handelsbarrieren werden im Zuge des geplanten EU-Beitritts<br />

2007 bzw. 2008 schrittweise wegfallen. An<strong>der</strong>e international bestehende Handelsschranken<br />

werden durch WTO Gespräche und Verhandlungen tendenziell gekürzt. Davon wird <strong>der</strong> weltweite<br />

Agrarhandel profitieren.<br />

Das expansive Produktionswachstum <strong>der</strong> Schweinfleischerzeugung stößt zunehmend auch<br />

auf seine Grenzen, wo bislang unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeiten prognostiziert wurden.<br />

Die verschärften Umwelt- und Genehmigungsverfahren in Dänemark, Deutschland und auch<br />

zunehmend in Spanien begrenzen die Produktionsausweitung in <strong>der</strong> EU. Ähnliche Tendenzen<br />

sind in den Anfängen aber auch in den USA und teils in Brasilien erkennbar.<br />

Zusätzlich gewinnen <strong>der</strong> Verbraucherschutz und die Diskussionen über weltweite Standards<br />

im Tierschutz an Bedeutung. Hierbei belegt Deutschland und Europa eine Spitzenposition im<br />

erreichten Niveau. Auch in Zukunft wird es in Deutschland eine bedeutsame und chancenreiche<br />

Schweineproduktion geben.<br />

* * * * *<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 22<br />

9. Februar 2006


Neue Arbeitsplätze im ländlichen Raum<br />

Adalbert Kienle<br />

(Deutscher Bauernverband e. V. )<br />

Nicht zufällig wurde <strong>der</strong> vorjährige Deutsche Bauerntag in Rostock unter das Motto „Landwirtschaft.Arbeit.<br />

Arbeit. Arbeit.Zukunft.“ Arbeit. gestellt. Denn <strong>der</strong> Standort Deutschland ist für die deutschen Bauern<br />

ohne Alternative. Das Agrarbusiness – mit <strong>der</strong> Landwirtschaft als Nukleus – beschäftigt<br />

rund 4,3 Millionen Erwerbstätige. Die deutschen Landwirte – dies hat <strong>der</strong> jüngste Konjunkturund<br />

Investitionsbarometer Agrar bewiesen – sind bereit, die wirtschaftlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> kommenden Jahre anzunehmen. Hierfür muss die Politik <strong>der</strong> heimischen Land- und<br />

Ernährungswirtschaft mehr Vertrauen entgegenbringen und Belastungen und Bremsklötze<br />

beseitigen. Der „Bürokratieabbau“ ist eine Herkules-Aufgabe, aber wenn jetzt – nach den Ankündigungen<br />

<strong>der</strong> neuen Bundesregierung und <strong>der</strong> EU-Kommission nichts geschieht -, dann<br />

haben wir den Frust total. Wir starten als Bauernverband eine große Kampagne, um den Druck<br />

zu erhöhen. Ohne Fortschritte schaffen wir auch keinen Aufbau <strong>der</strong> Tierbestände in den jungen<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n.<br />

Die Abgabenbelastung auf den Faktor Arbeit ist in Deutschland deutlich höher als in an<strong>der</strong>en<br />

EU-Staaten. Neue Arbeitsplätze werden häufig erst geschaffen, wenn alle an<strong>der</strong>en Möglichkeiten<br />

ausgeschöpft wurden. Es führt über kurz o<strong>der</strong> lang kein Weg daran vorbei, dass unsere<br />

Sozialversicherungssysteme (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung)<br />

zumindest zum Teil auf eine lohnunabhängige Finanzierung umgestellt werden müssen.<br />

In vielen ländlichen Regionen – gerade auch in den jungen Bundeslän<strong>der</strong>n – kommt hinzu:<br />

Viele junge Menschen sehen nach Schulbesuch und Ausbildung keine berufliche Perspektive<br />

in ihrer Heimat, sie wan<strong>der</strong>n schlicht ab – meist in die westdeutschen Ballungsgebieten.<br />

Gleichzeitig gibt es in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n seit 1990 einen vorher nicht gekannten Geburtenrückgang.<br />

Es kann also auch den landwirtschaftlichen Unternehmern schon bald passieren,<br />

dass sie trotz einer immer noch sehr hohen Arbeitslosigkeit keine geeigneten Fachkräfte<br />

mehr bekommen.<br />

Dies hat <strong>der</strong> landwirtschaftliche Berufsstand erkannt – wir werben verstärkt um Auszubildende<br />

in den „grünen Berufen“ und viele landwirtschaftliche Betriebe engagieren. Inzwischen sehen<br />

wir vielerorts auch einen Imagegewinn <strong>der</strong> Landwirtschaft und <strong>der</strong> Arbeit in <strong>der</strong> Landwirtschaft.<br />

Wir sind hier auf einem guten Weg.<br />

Unsere Landwirtschaft ist in Zukunft neben allem „High-Tech“ auch auf einfache Tätigkeiten<br />

angewiesen. Wir sehen dies aktuell bei Saisonarbeitskräften. Wir müssen immer noch um eine<br />

tragbare Regelung bei den Sozialabgaben für die Saisonarbeitskräfte kämpfen. Viele Politiker<br />

haben immer noch nicht erkannt, welches wirtschaftliche Potential im Sektor Obst und Gemüse<br />

steckt. Stattdessen droht <strong>der</strong> Arbeitsminister den Empfängern von Arbeitslosengeld II öffentlich<br />

mit Feldarbeit. Das löst keine Arbeitsmarktprobleme, son<strong>der</strong>n schafft neue. Denn die<br />

300 000 Saisonarbeitskräfte sorgen auch dafür, dass bis 20 000 feste Arbeitsplätze in<br />

Deutschland neu geschaffen wurden.<br />

Die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft, aber auch die Gastronomie, brauchen mehr<br />

als eine Duldung von Saisonarbeitskräften. Der Gesetzgeber sollte sich anstatt Arbeitskräfte<br />

aus an<strong>der</strong>en EU-Län<strong>der</strong>n abzuwehren, darauf konzentrieren, für vergleichbare Mindeststandards<br />

und Arbeitsbedingungen am „Arbeitsmarkt Europa“ zu sorgen.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 23<br />

9. Februar 2006


Gerade wenn wir über neue Märkte und Wertschöpfung reden, sollten wir als Landwirtschaft<br />

auch über unseren eigenen Tellerrand hinausschauen. Wir müssen stärker als bisher auf die<br />

Leistungsfähigkeit unserer Verarbeiter und Vermarkter schauen. Sind unsere Verarbeiter und<br />

Vermarkter bereit und in <strong>der</strong> Lage, sich an neuen Märkten – im Inland wie im Ausland – zu<br />

positionieren? Sind die Verarbeiter in <strong>der</strong> Lage, sich auf ein geän<strong>der</strong>tes Verbraucherverhalten<br />

(Stichwort z.B.: Convenience und Wellness) einzustellen und dafür neue Produkte zu entwickeln?<br />

Wenn aktuell die genossenschaftlichen Molkereien über ihre Aufstellung im Markt nachdenken,<br />

darf die Landwirtschaft nicht als Zuschauer am Rande stehen. Wir unterstützen alle Bemühungen<br />

<strong>der</strong> genossenschaftlichen Molkereien, durch Kooperation o<strong>der</strong> Zusammenschlüsse<br />

die Ergebnisse und die Stellung <strong>der</strong> Molkereien im Markt zu verbessern. Präsident Sonnleitner<br />

mischt sich aktiv in diese Diskussion ein – mit dem erklärten Ziel, aus den Erfahrungen beim<br />

Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> deutschen genossenschaftlichen Schlachtbranche zu lernen. Neben <strong>der</strong> Molkereiwirtschaft<br />

ist aus meiner Sicht zum Beispiel auch die ökologische Nahrungsmittelwirtschaft<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, an ihren Strukturen zu arbeiten. Häufig bleibt noch zu viel Geld buchstäblich<br />

„an den Reifen kleben“.<br />

Im Thema Erneuerbare Energien und Nachwachsende Rohstoffe steckt Musik. Schon in wenigen<br />

Jahren könnten allein in Deutschland 1,5 Millionen Tonnen Bioethanol o<strong>der</strong> mehr als Beimischung<br />

benötigt werden. Das entspricht zumindest etwa 5 Millionen Tonnen Getreide.<br />

Holzpelletsheizungen sind technisch ausgereift, komfortabel zu bedienen und gewinnen immer<br />

mehr Marktanteile. Die Nutzung von Getreide zu Heizzwecken wird folgen. Die höheren<br />

Energiepreise werden über kurz o<strong>der</strong> lang positive Auswirkungen auf die Märkte für Biomasse<br />

haben. Die Landwirtschaft und auch die Forstwirtschaft tun gut daran, sich rechtzeitig auf die<br />

verän<strong>der</strong>te Situation einzustellen. Ein Beispiel: Wenn wir die enormen Holzreserven in unseren<br />

Wäl<strong>der</strong>n mobilisieren wollen, dann müssen wir angesichts zersplitterter Eigentumsstrukturen<br />

noch stärker als bisher auf Forstbetriebsgemeinschaften und Kooperationen setzen.<br />

Damit bin ich auch hier bei den Rahmenbedingungen. Aktuell haben wir hier vor allem über<br />

die Besteuerung von Biokraftstoffen zu reden. Wir halten die im Koalitionsvertrag gefundene<br />

Formel „Beimischungszwang statt Steuerbefreiung“ für mehr als unglücklich. Wir werden alles<br />

dafür tun, dass <strong>der</strong> Markt für Biodiesel nicht durch eine Besteuerung abgewürgt wird. Wir<br />

brauchen auch die Befreiung für die Landwirtschaft bei den Biokraftstoffen.<br />

Zu den EU-Finanzen: Es ist für den Deutschen Bauernverband sehr wichtig, dass mit dem Beschluss<br />

<strong>der</strong> Staats- und Regierungschefs vom Dezember 2005 die finanzielle Ausstattung <strong>der</strong><br />

„ersten Säule“ <strong>der</strong> EU-Agrarpolitik bis zum Jahr 2013 gesichert ist. Doch gibt s harte Einschnitte<br />

in <strong>der</strong> "zweiten Säule". An<strong>der</strong>e EU-Staaten - vor allem Österreich - haben ihre Prioritäten in<br />

den Verhandlungen um die Finanzen ganz an<strong>der</strong>s gesetzt. Jetzt drohen vor allem in Westdeutschland<br />

drastische Kürzungen bei Agrarumweltprogrammen (KULAP, MeKa), Ausgleichszulage<br />

und an<strong>der</strong>en Programmen - bis hin zu För<strong>der</strong>stopps. Der Deutsche Bauernverband hat<br />

in seiner Präsidiumssitzung klar gesagt, dass wir jetzt keine neue Umverteilungsdiskussion<br />

um die Direktzahlungen vom Zaun brechen dürfen.<br />

* * * * *<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 24<br />

9. Februar 2006


Sektion<br />

Sektion<br />

„Umsetzung „Umsetzung gemeinsame gemeinsame Agrarpolitik“<br />

Agrarpolitik“<br />

Integrierte Ländliche Entwicklung – Zukunftsstrategie für die Landwirtschaft<br />

Dr. Karl-Friedrich Thöne<br />

* * * * *<br />

Ausgestaltung von KULAP und Ausgleichszulage ab 2007<br />

Dr. Ingo Zopf<br />

* * * * *<br />

Erste Erfahrungen aus <strong>der</strong> InVeKoS-Antragsstellung und Cross Compliance<br />

Peter Ritschel<br />

* * * * *<br />

Investitionsför<strong>der</strong>ung in Landwirtschaftsbetrieben, Ergebnisse und Aussichten<br />

Rüdiger Meyer<br />

* * * * *<br />

Partnerschaft im ländlichen Raum – Das Entwicklungsmodell LEADER<br />

Reinhard Krebs<br />

Markus Kunnen<br />

* * * * *<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 25<br />

9. Februar 2006


Integrierte Ländliche Entwicklung – Zukunftsstrategie für die Landwirtschaft<br />

Dr. Karl-Friedrich Thöne<br />

(Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt)<br />

Eckdaten zur Ausrichtung <strong>der</strong> Integrierten Ländlichen Entwicklung als Zukunftsstrategie für<br />

die Landwirtschaft<br />

1. Der Freistaat Thüringen wird weiterhin mit seiner För<strong>der</strong>politik die Entwicklung <strong>der</strong> Agrarstruktur<br />

und eine nachhaltige Stärkung <strong>der</strong> Wirtschaftskraft in den ländlichen Räumen im<br />

Rahmen integrierter ländlicher Entwicklungsansätze unterstützen.<br />

2. Die Landentwicklung hat seit ihrem Bestehen mit Hilfe von Agrarstrukturellen Entwicklungsplanungen,<br />

Dorferneuerung, Flurbereinigung, Zusammenführung von Boden- und<br />

Gebäudeeigentum, ländlichem Wegebau und Bodenmanagement als Kernmaßnahmen<br />

(Abb. 1) ein För<strong>der</strong>volumen von 800 Mio. EURO seit 1991 (Abb. 2) für die Landwirtschaft<br />

und für den ländlichen Raum umgesetzt. Die positiven Wirkungen sind allenthalben sichtbar.<br />

3. Die Institutionen, , Ämter für Landentwicklung und Flurneuordnung, Verband für Landentwicklung<br />

und Flurneuordnung, Thüringer Landgesellschaft, sind von <strong>der</strong> Landesregierung<br />

im Bestand und in <strong>der</strong> Organisationsform bestätigt worden.<br />

4. Der Thüringer Weg <strong>der</strong> Private-Public-Partnership, wonach privatwirtschaftliche Institutionen<br />

eng in Planung und Durchführung von Landentwicklungsmaßnahmen eingebunden<br />

werden, ist vor dem Hintergrund von Bürokratieabbau, Deregulierung und Privatisierung<br />

zukunftsfähig.<br />

5. Die Bündelung von Instrumenten in Form eines Gesamtpakets zur Integrierten Ländlichen<br />

Entwicklung mit klarer Agrarstrukturorientierung (Abb. 3) ist wegen <strong>der</strong> Kongruenz zu dem<br />

neuen ELER-Fonds ein Standortvorteil auch für die Einbindung <strong>der</strong> Thüringer Landwirtschaft.<br />

Dorferneuerung und Planungskompetenz in Form vom Integrierten Landentwicklungskonzept<br />

(ILEK) und Regionalmanagement sind auch von <strong>der</strong> För<strong>der</strong>quelle (EU, GAK<br />

= Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung <strong>der</strong> Agrarstruktur und des Küstenschutzes“) her<br />

unverzichtbare Elemente einer effizienten Agrarstruktur- und Landwirtschaftspolitik, <strong>der</strong>en<br />

Einsatz für eine allgemeine För<strong>der</strong>ung des ländlichen Raums als unzulässig angesehen<br />

wird.<br />

6. Die Rahmenbedingungen für eine Integrierte Ländliche Entwicklung sind mit Bezug auf die<br />

gesamtgesellschaftliche Entwicklung komplex und kompliziert (Abb. 4).<br />

7. Das in 2005 (rd. 59 Mio. €) und 2006 (Plan: rd. 56,6 Mio. €) zwar noch auskömmliche aber<br />

insgesamt rückläufige För<strong>der</strong>volumen (siehe Abb. 2) wird sich in <strong>der</strong> neuen EU-För<strong>der</strong>periode<br />

2007 bis 2013 Prognosen zufolge um etwa ein Drittel verringern. Knapper werdende<br />

Mittel und die demografische Entwicklung zwingen zur inhaltlichen Neuausrichtung.<br />

8. Konzentration von För<strong>der</strong>mitteln dort, wo<br />

• die Landwirtschaft eng in die regionale Entwicklung eingebunden ist o<strong>der</strong> gar selbst Impulsgeber<br />

ist,<br />

• mit ortsübergreifen<strong>der</strong> Dorferneuerung und stärkerem Raum- und Regionenbezug im<br />

Wege <strong>der</strong> Aufgabenteilung Ernst gemacht wird,<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 26<br />

9. Februar 2006


• Infrastrukturmaßnahmen einer regionalen Abstimmung unterzogen werden,<br />

• klare Aussagen über künftige Unterhaltung und Erhaltung im Blick auf das angesichts<br />

<strong>der</strong> demografischen Entwicklung zumutbare Infrastrukturerbe vorab gemacht werden,<br />

• inhaltliche Prioritäten <strong>der</strong> ländlichen Entwicklung unter den Aspekten Einkommenserwerb,<br />

Arbeitsplätze, Jugend, Familie, Bildung gesetzt werden,<br />

• <strong>der</strong> Entwicklungsimpuls als Eigeninitiative aus <strong>der</strong> Region selbst kommt.<br />

9. ILEK und Regionalmanagement sind hervorragend geeignet, die Landwirtschaft als Entwicklungsfaktor<br />

für die und in <strong>der</strong> Region herauszuarbeiten (s. Positionspapier des TBV als<br />

Ergebnis einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem TMLNU). Die jüngst angelaufenen<br />

Vorhaben unterstreichen dies.<br />

10. Die Flurbereinigung ist wegen <strong>der</strong> eigentums- und nutzungsregelnden Komponente und<br />

<strong>der</strong> Investitionsför<strong>der</strong>ung von hohem Interesse für die Landwirtschaft. Diskussionen über<br />

die För<strong>der</strong>höhe und den Verzicht <strong>der</strong> Bundeskompetenz im Zuge <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />

dürfen nicht zur Marginalisierung dieses auch von <strong>der</strong> Landesevaluierung im Blick auf<br />

Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze als hocheffizient eingestuften Instruments führen.<br />

11. Die Integrierte Ländliche Entwicklung und LEADER sollen künftig besser miteinan<strong>der</strong> verzahnt<br />

werden, um Synergien dieser konzeptionell ähnlichen Instrumente besser zu nutzen.<br />

12. Das Bodenmanagement im Sinne <strong>der</strong> Verwertung und Verwaltung des staatlichen landwirtschaftlichen<br />

Grundbesitzes und einer Begleitung <strong>der</strong> BVVG-Flächenprivatisierung ist<br />

ein wichtiges Element <strong>der</strong> Agrarstrukturpolitik. Thüringen setzt auf eine Privatisierung seitens<br />

<strong>der</strong> BVVG, die sich an den strukturellen Beson<strong>der</strong>heiten des Agrarsektors und den<br />

län<strong>der</strong>spezifischen Belangen orientiert. Vorrangiges Interesse <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> ist eine weitere<br />

zeitliche Streckung <strong>der</strong> Flächenprivatisierung.<br />

13. Die Flächenhaushaltspolitik im Sinne eines intelligenten Flächenmanagements zum Inwertsetzen<br />

von Brachflächen als neues Politikziel muss im originären Interesse <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />

liegen, um den Flächenverbrauch zu reduzieren und Brachen im ländlichen<br />

Raum umzuwidmen. Für sog. LPG-Brachen müssen Lösungen erarbeitet werden.<br />

14. Das GRÜNE BAND THÜRINGEN ist auch Dank des Engagements <strong>der</strong> Landwirtschaft in<br />

vielen lokalen und regionalen Projekten von einem Konfliktthema zu einem positiven<br />

Landentwicklungsvorhaben entwickelt worden, welches erhebliche Wertschöpfungspotenziale<br />

für die Regionen in sich birgt. Die Verhandlungen mit dem Bund zur Flächenübertragung<br />

stehen vor dem Durchbruch. Dies ist Voraussetzung für die vielen gemeinsam mit<br />

den Landwirtschaftsbetrieben erarbeitete Pflege- und Entwicklungskonzepte.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 27<br />

9. Februar 2006


8. Jahrestagung THÜRINGER LANDWIRTSCHAFT<br />

9. Februar 2006, Messe Erfurt<br />

Landentwicklung in Thüringen 1991-2005<br />

Agrarstrukturelle Entwicklungsplanung (AEP)<br />

232 AEP auf ca. 60 % <strong>der</strong> Landesfläche (ca. 950.000 ha)<br />

Dorfentwicklung von: - 2696 –<br />

1768 Gemeinden und Ortsteile in <strong>der</strong> Dorferneuerung<br />

Investitionsvolumen 1,6 Mrd. Euro<br />

Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz (FlurbG)<br />

157 Verfahren auf 96.000 ha<br />

Eigentumsregelung nach Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG)<br />

von 5425 Anträgen auf Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum<br />

sind 4430 Anträge bearbeitet<br />

Ländlicher Wegebau<br />

1.400 km außerhalb von Bodenordnungsverfahren und 550 km innerhalb<br />

von Verfahren nach dem FlurbG<br />

Management des staatlichen landwirtschaftlichen Grundbesitzes<br />

11.000 ha als strukturpolitisches Instrument<br />

Dr.-Ing. Karl-Friedrich Thöne<br />

Abteilungsleiter Ländlicher Raum im Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt<br />

Abbildung 1<br />

8. Jahrestagung THÜRINGER LANDWIRTSCHAFT<br />

9. Februar 2006, Messe Erfurt<br />

För<strong>der</strong>bereich Integrierte ländliche Entwicklung<br />

För<strong>der</strong>bereich<br />

AEP<br />

Freiwilliger Landtausch<br />

Flurbereinigung<br />

Ländlicher Wegebau<br />

Erosionsschutzpflanzung<br />

Dorferneuerung<br />

Erwerb v. Grundstücken<br />

f. landespfleg. Zwecke<br />

Kooperation / Umnutzung<br />

(ab 2005)<br />

SUMME<br />

480.000<br />

12.000<br />

10.600.000<br />

7.400.000<br />

20.000<br />

40.300.000<br />

200.000<br />

0<br />

59.000.000<br />

600.000<br />

--<br />

12.000.000<br />

7.000.000<br />

30.000<br />

36.200.000<br />

400.000<br />

300.000<br />

56.600.000<br />

Dr.-Ing. Karl-Friedrich Thöne<br />

Abteilungsleiter Ländlicher Raum im Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt<br />

Abbildung 2<br />

2005<br />

2006 (Plan)<br />

Gesamt<br />

1991- 2005 Mio €<br />

10,3<br />

6,2<br />

97,0<br />

79,0<br />

2,0<br />

590,0<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 28<br />

9. Februar 2006<br />

1,3<br />

800,0


ILEK<br />

Dorferneuerung<br />

Dorfentwicklung<br />

Infrastrukturmaßnahmen,<br />

insb. ländlicher Wegebau<br />

Bodenmanagement<br />

8. Jahrestagung THÜRINGER LANDWIRTSCHAFT<br />

9. Februar 2006, Messe Erfurt<br />

Schutzpflanzungen<br />

u.a.<br />

Integrierte<br />

ländliche<br />

Entwicklung<br />

GRÜNES BAND<br />

THÜRINGEN<br />

Dr.-Ing. Karl-Friedrich Thöne<br />

Abteilungsleiter Ländlicher Raum im Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt<br />

Abbildung 3<br />

Kunden/Adressaten/<br />

Konkurrenten:<br />

Land Land- und<br />

Forstwirtschaft<br />

Kommunal Kommunal- und<br />

Regionalentwicklung<br />

Umweltbereich<br />

Umweltbereich<br />

För<strong>der</strong>philosophie:<br />

horizontal horizontal<br />

vertikal vertikal<br />

Bündelung Bündelung<br />

Institutionen:<br />

bottom bottom-up up<br />

Professionalisierung<br />

Professionalisierung<br />

Private Private-Public Public-<br />

Partnership<br />

Integrierte ländliche Entwicklung<br />

Stadt Stadt-Land Land-<br />

Beziehungen<br />

demographischer<br />

demographischer<br />

Faktor<br />

Landentwicklung<br />

Integrierte<br />

ländliche Entwicklung<br />

Eigentum, Nutzung<br />

ländliche Infrastruktur<br />

spezieller Bodenordnungsbedarf<br />

neue Län<strong>der</strong><br />

Dr.-Ing. Karl-Friedrich Thöne<br />

Abteilungsleiter Ländlicher Raum im Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt<br />

Abbildung 4<br />

8. Jahrestagung THÜRINGER LANDWIRTSCHAFT<br />

9. Februar 2006, Messe Erfurt<br />

Finanzplafonds<br />

EU-Fonds<br />

GAK<br />

Landesmittel<br />

Regionalmanagement<br />

Kooperation<br />

Umnutzung<br />

Neuordnung<br />

ländlichen<br />

Grundbesitzes<br />

(FlurbG, LwAnpG)<br />

Flächenhaushaltspolitik<br />

Inwertsetzen von<br />

Brachflächen<br />

Instrumente:<br />

ILEK ILEK<br />

Regionalmanagement<br />

Regionalmanagement<br />

Flurbereinigung<br />

Flurbereinigung<br />

Flurneuordnung<br />

Flurneuordnung<br />

Ländlicher Ländlicher Wegebau<br />

Dorferneuerung<br />

Dorferneuerung<br />

Privatisierung,<br />

Privatisierung,<br />

Bodenfonds<br />

Bodenfonds<br />

Rahmenbedingungen:<br />

Agenda Agenda 21<br />

Agenda Agenda 2000<br />

Agrarreform Agrarreform 2003<br />

Planungen:<br />

integrierter Ansatz<br />

formale formale und informelle<br />

Planungen<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 29<br />

9. Februar 2006


KULAP 2007<br />

Ausgestaltung von KULAP und Ausgleichszulage ab 2007<br />

Dr. Ingo Zopf<br />

(Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt)<br />

Gemäß den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet,<br />

auch in <strong>der</strong> För<strong>der</strong>periode 2007 bis 2013 Agrarumweltmaßnahmen anzubieten. Angesichts<br />

<strong>der</strong> Zwänge, die aus finanzieller Sicht sowie aus Gründen <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Verpflichtungen<br />

im Rahmen von NATURA 2000 und Wasserrahmenrichtlinie entstehen, kann in<br />

Thüringen das KULAP nicht in <strong>der</strong> bekannten Form beibehalten werden. Das KULAP 2000<br />

wird zum KULAP 2007 weiterentwickelt.<br />

Ohne dass im Moment schon sichere Aussagen gemacht werden können, lassen die Beschlüsse<br />

<strong>der</strong> europäischen Regierungschefs zur finanziellen Vorausschau 2007 bis 2013 sowie<br />

<strong>der</strong> Stand <strong>der</strong> Planungen in Thüringen für das KULAP 2007 eine Kürzung des verfügbaren Ansatzes<br />

um 30 bis 50 % erwarten. Daneben ist zur Sicherung <strong>der</strong> nationalen Kofinanzierung<br />

eine Verstärkung <strong>der</strong> Anbindung an die Gemeinschaftsaufgabe erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Vor diesem Hintergrund sollen die Inhalte und die Verfahrensabläufe des KULAP 2007 wie<br />

folgt gestaltet werden:<br />

Zur Verbesserung <strong>der</strong> Transparenz des Programms wird die bisherige Glie<strong>der</strong>ung in die Programmteile<br />

A bis C aufgegeben und die Bezeichnung <strong>der</strong> Maßnahmen nach den Schwerpunkten<br />

Landwirtschaft/Gartenbau, Natur-, Tier- und Wasserschutz vorgenommen.<br />

Im Interesse <strong>der</strong> Konstanz <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung wird eine Reihe bewährter Maßnahmen fortgeführt,<br />

einige bekannte Maßnahmen stärker geän<strong>der</strong>t und neue Maßnahmen eingeführt. Damit werden:<br />

• auf dem Grünland bei Wegfall des betriebszweigbezogenen Ansatzes die tierbezogene Pflege<br />

verstärkt und Einschränkungen zum Betriebsmitteleinsatz reduziert,<br />

• die naturschutzorientierten Maßnahmen auf dem Ackerland deutlich verstärkt und<br />

• einige Maßnahmen speziell auf den Wasserschutz ausgerichtet.<br />

Mit dem KULAP 2007 entfallen einige bisher angebotene Maßnahmen. Das betrifft den kontrolliert-integrierten<br />

Gemüsebau und Heil-/Duft- und Gewürzpflanzenanbau (bisher A 4), den<br />

kontrolliert-integrierten Ackerbau (bisher A 7) sowie die Extensivierung von Wiesen (bisher<br />

B 3).<br />

Die Einführung und die Beibehaltung des ökologischen Landbaus werden in Thüringen weiterhin<br />

geför<strong>der</strong>t.<br />

Der Tierschutz soll im KULAP 2007 nicht berücksichtigt werden. Für die bislang vorgenommene<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> vom Aussterben bedrohten Tierrassen wird gegenwärtig geprüft, ob zukünftig<br />

ein eigenständiges För<strong>der</strong>programm außerhalb des KULAP installiert werden soll.<br />

Es ist vorgesehen, die meisten Maßnahmen nur noch in speziellen, naturschutzfachlich und<br />

wasserwirtschaftlich identifizierten Kulissen anzubieten. Der flächendeckende Ansatz, jede<br />

Maßnahme überall in Thüringen anwenden zu können, entfällt weitgehend. Das KULAP 2007<br />

ist insgesamt wesentlich stärker problem- und zielorientiert als das bislang angebotene Programm.<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 30<br />

9. Februar 2006


Wegen <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Referenz und wegen <strong>der</strong> stärkeren Orientierung an <strong>der</strong> Gemeinschaftsaufgabe<br />

wird die Höhe <strong>der</strong> Beihilfen insgesamt zurückgehen. Das trifft auf alle Programmteile<br />

vom Ökolandbau bis zum Vertragsnaturschutz zu.<br />

Auch für das Verwaltungsverfahren sind Neuerungen vorgesehen. Das betrifft das KULAP-Jahr,<br />

das Antragsverfahren sowie das Abstimmungsverfahren für die Maßnahmen des Vertragsnatur-<br />

und des Wasserschutzes.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> erwarteten finanziellen Restriktionen wird es tatsächlich erst im Jahr<br />

2008 zum ersten Antragsverfahren für das KULAP 2007 kommen. Bis dahin werden die zurzeit<br />

laufenden Verpflichtungen im KULAP 2000 die vorhandenen Mittel binden. Mit den Genehmigungen<br />

in 2008 werden zudem die gesamten Mittel für das KULAP für fünf Jahre gebunden.<br />

Folge ist, dass in den Folgejahren bis 2013 keine weiteren Antragsverfahren für das<br />

KULAP mehr möglich sind.<br />

Ausgleichszulage in den benachteiligten Gebieten<br />

Für die Ausgleichszulage haben die heute gültigen Rechtsgrundlagen zunächst bis 2009 Bestand.<br />

Damit sind die Neuabgrenzung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>kulisse und die größenabhängige Degression<br />

<strong>der</strong> Beihilfe für die nächsten vier Jahre vom Tisch.<br />

Trotzdem wird es in Thüringen ab 2007 nicht möglich sein, die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> benachteiligten<br />

Gebiete ohne Verän<strong>der</strong>ungen fortzuführen. Ursachen dafür sind die Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> verfügbaren<br />

EU-Mittel um 30 bis 50 % und die Än<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> nationalen Kofinanzierung. Daraus<br />

ergeben sich Konsequenzen in zwei Richtungen:<br />

Das Landesprogramm entfällt ersatzlos. Zum an<strong>der</strong>en muss <strong>der</strong> Verteilungsmodus für die<br />

Ausgleichszulage überdacht und neu geregelt werden. Hier wird gegenwärtig über folgende<br />

Varianten nachgedacht:<br />

• Anhebung <strong>der</strong> Untergrenze von 3 ha auf 10 bis 20 ha.<br />

• Deckelung des För<strong>der</strong>satzes bei 150 €/ha<br />

• Ausschluss von Standorten mit LVZ > 26,5<br />

• Ausschluss von Flächen (Stilllegung, glöZ-Flächen, Ackerflächen insgesamt)<br />

• Einführung einer Größendegression<br />

• Verschärfung <strong>der</strong> Arbeitskraft bezogenen Obergrenze<br />

• Staffelung <strong>der</strong> Ausgleichszulage nach dem Tierbesatz<br />

Fazit<br />

Mit <strong>der</strong> Neugestaltung des KULAP und <strong>der</strong> Ausgleichszulage ab 2007 ist zu erwarten, dass mit<br />

den Programmen die Erhaltung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung nicht mehr so<br />

umfassend unterstützt werden kann, wie das bislang <strong>der</strong> Fall war. Insbeson<strong>der</strong>e auf dem<br />

Grünland wird <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> För<strong>der</strong>programme zurückgehen.<br />

* * * * *<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 31<br />

9. Februar 2006


Erste Erfahrungen aus <strong>der</strong> InVeKoS-Antragsstellung und Cross Compliance<br />

Peter Ritschel<br />

(Landwirtschafstamt Sömmerda)<br />

Rahmenbedingungen für das Antragsjahr 2005<br />

• Ausführungsverordnungen zur neuen GAP 2003 mit kurzen Vorlaufzeiten zur Umsetzung<br />

• Einführung einer neuen zentralen Datenbank in Thüringen<br />

• Einführung eines neuen Referenzsystems (Digitale Grundkarte Landwirtschaft, incl. des<br />

FIS-DFK auf Basis eines GIS)<br />

• bundesweiter Abstimmungsbedarf über ZID-München<br />

• begrenzte Erfahrungen <strong>der</strong> Verwaltung sowie <strong>der</strong> Antragsteller mit Inhalten und System <strong>der</strong><br />

Antragstellung und –verarbeitung<br />

• einmalige Berechnung und Bescheidung <strong>der</strong> Zahlungsansprüche (ZA) sowie von Härteund<br />

Son<strong>der</strong>fällen<br />

Auswirkungen auf das Antragsjahr 2005<br />

• Kurze Testzeiten für Datenbank und Software<br />

• Großer Aktualisierungsbedarf <strong>der</strong> DFK<br />

• Große Datenmengen waren zu erfassen, zu verarbeiten und zu zentralisieren.<br />

• Zusätzlicher Kontrollaufwand für Cross Compliance<br />

• Hoher Abstimmungsbedarf zwischen Verwaltungsebenen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und des Bundes sowie<br />

innerhalb <strong>der</strong> Thüringer Agrarverwaltung<br />

• Hoher Qualifizierungsbedarf <strong>der</strong> eingereichten Anträge und Nachweise<br />

Großes Engagement von Landwirten und Verwaltungsmitarbeitern<br />

Ergebnisse des Antragsjahres 2005<br />

• KULAP-Bewilligung: 36,5 Mio. €<br />

• NATURA 2000: 0,677 Mio. €<br />

• BENA: 12,88 Mio. € <strong>der</strong> Gemeinschaftsaufgabe<br />

• Teilzahlung Betriebsprämie 2005:<br />

(im Dezember 2005)<br />

• Berechnung <strong>der</strong> ZA in <strong>der</strong> 4. KW<br />

4,82 Mio. € aus Landesprogramm<br />

ca. 200,11 Mio. €<br />

• Abschlusszahlung Betriebsprämie 2005 bis spätestens 30.06.06,<br />

früherer Termin wird angestrebt<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 32<br />

9. Februar 2006


Investitionsför<strong>der</strong>ung in Landwirtschaftsbetrieben<br />

Ergebnisse und Aussichten am Beispiel<br />

<strong>der</strong> Landwirtschaft Körner GmbH & Co. Betriebs. KG<br />

Rüdiger Meyer<br />

(Landwirtschaft Körner GmbH und Co. Betriebs. KG)<br />

Die Landwirtschaft Körner GmbH & Co. Betriebs. KG ist ein mittelgroßer landwirtschaftlicher<br />

Betrieb in Nordthüringen, mit einer LN von 1 620 ha, einer umfangreichen Tierproduktion,<br />

Betreiber einer Biogasanlage, mehrerer Photovoltaikanlagen, sowie Anbieter verschiedener<br />

landwirtschaftlichen Dienstleistungen.<br />

Wie bei die Mehrheit <strong>der</strong> ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebe <strong>der</strong> DDR, galt es auch in<br />

Körner die landwirtschaftliche Produktion inklusive <strong>der</strong> Tierproduktion weiterzuführen, sie<br />

wettbewerbsfähig zu gestalten, sowie sichere Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen und<br />

zu erhalten.<br />

Nach <strong>der</strong> am Anfang notwendigen Reduzierung <strong>der</strong> Beschäftigten, können wir heute, nach<br />

mehr als 12 Jahren sagen, wir haben in unserem Unternehmen die Anzahl <strong>der</strong> Beschäftigten<br />

(ca. 50) und die Anzahl an Ausbildungsplätzen (zwischenzeitlich bis zu 10 Azubi`s in den verschiedensten<br />

Ausbildungsberufen) stabil gehalten.<br />

Diese Entwicklung und Stabilität ist nicht zuletzt <strong>der</strong> umfangreich genutzten Investitionsför<strong>der</strong>ung<br />

geschuldet, denn hierdurch waren rechtzeitige und objektiv begründete Investitionen in<br />

den verschiedensten Bereichen <strong>der</strong> Produktion möglich!<br />

Investitionsför<strong>der</strong>ung in den zurückliegenden Jahren<br />

Schweineproduktion<br />

Ferkelproduktion am Standort Volkenroda<br />

Investitionsvolumen (1994 bis 2005): 175 000 €<br />

• Umbau des gesamten Abferkel-, Besamungs- und Wartestalles <strong>der</strong> 300-er Sauenanlage inklusive<br />

Fütterung, Heizung, Klimasteuerung<br />

• Errichtung eines Flatdeck / Vormastbereiches<br />

• Schaffung von zusätzlichen Jungsauenplätzen<br />

All diese Maßnahmen dienten vor<strong>der</strong>gründig <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Haltungsbedingungen <strong>der</strong><br />

Sauen, Ferkel und Läufer, sowie <strong>der</strong> Verbesserung und Erleichterung <strong>der</strong> Arbeitsbedingungen<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten.<br />

Auch wenn wir mit den erreichten Ergebnissen von inzwischen 24 abgesetzten Ferkeln/Sau/Jahr<br />

noch nicht zufrieden sind wurden hier doch stabile Vorraussetzungen für die eigene Mastanlage geschaffen.<br />

Mastanlage Körner<br />

Investitionsvolumen (1994 bis 2005): ca. 190 000 €<br />

Die Schweinemastanlage Körner mit einem Durchsatz von mehr als 6 500 Mastschweinen/<br />

Jahr und <strong>der</strong> fast 100 % Vermarktung am regionalen Schlachthof Mühlhausen, wurde in den<br />

zurückliegenden Jahren ebenfalls auf ein Maß mo<strong>der</strong>nisiert, welches uns ermöglicht auch bei<br />

niedrigem Preisniveau möglichst kostendeckend zu produzieren.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 33<br />

9. Februar 2006


Exakte Klimasteuerung über die gesamte Mastperiode, inklusive <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Abwärme<br />

<strong>der</strong> Biogasanlage zur Heizung, sowie mo<strong>der</strong>ne Fütterungstechnologien ermöglichen hier<br />

Masttageszunahmen > 800 g bei optimaler Fleischqualität und geringen Verlusten.<br />

Milchproduktion<br />

Investitionsvolumen (1992 bis 2005): ca. 1 230 000 €<br />

Schwerpunkt war auch hier die Schaffung von optimalen Haltungsbedingungen zur Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Leistung und Verbesserung <strong>der</strong> Tiergesundheit <strong>der</strong> 550 Milchkühe.<br />

• Melktechnik<br />

• Umbau Liegeboxen, Standausrüstung, Abkalbe- und Wellnessbereich<br />

• wind-, regen- und temperaturgesteuerte Klimaregelung durch verschiedene Wickellüftungssysteme<br />

• Umbau Kälberstall + Tränkautomaten<br />

• Umbau Jungrin<strong>der</strong>anlage<br />

Ergebnisse<br />

• deutliche Verbesserung <strong>der</strong> Haltungsbedingungen <strong>der</strong> Kälber, Jungrin<strong>der</strong> und Kühe<br />

• kontinuierliche Leistungssteigerung/Kuh und Jahr von 1995 bis 2003 (von ca. 7 000 auf<br />

9 678 kg)<br />

• Reduzierung <strong>der</strong> Reprorate/Verbesserung <strong>der</strong> Tiergesundheit<br />

• Steigerung <strong>der</strong> Produktivität<br />

• Reduzierung des Erstkalbealters<br />

Pflanzenproduktion<br />

Investitionsvolumen: 800 000 €<br />

In <strong>der</strong> Pflanzenproduktion werden bekanntlich die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tierproduktion<br />

geschaffen. Deshalb war es auch hier unumgänglich, rechtzeitig in notwendige<br />

mo<strong>der</strong>ne Technik zur Silagebereitung, in Siloraum, sowie Trocknungs- und Lagermöglichkeiten<br />

zu investieren.<br />

Durch die getätigten Investitionen z.B. Feldhäcksler (in Kooperation mit zwei an<strong>der</strong>en Betrieben)<br />

sind wir heute in <strong>der</strong> Lage qualitativ hochwertige Silagen zu bergen und verlustarm zu<br />

lagern. Ähnliches gilt für Getreidetrocknungs- und Lagermöglichkeiten zu innerbetrieblichen<br />

Einsatz von wirtschaftseigenen Kraftfuttermitteln<br />

Photovoltaik<br />

AFP-Investitionsvolumen: 520 000 €<br />

Errichtung von mittlerweile fünf Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von ca. 130<br />

kW P, zur weiteren Diversifizierung und Stabilisierung des Unternehmens.<br />

Dachsanierungen<br />

AIP-Investitionsvolumen: ca. 80 000,- €<br />

Sanierung von bisher ca. 3 500 m² Dachflächen. Diese Fläche entspricht jedoch nur einem<br />

Bruchteil <strong>der</strong> in den nächsten Jahren sanierungsbedürftigen Dachflächen.<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 34<br />

9. Februar 2006


Notwendigkeit und Aussichten für die Zukunft<br />

Es ist unser aller Ziel, die Landwirtschaft in Deutschland in Ihrer Vielfalt, Produktivität und<br />

Qualität zu erhalten, zu för<strong>der</strong>n und weiter zu entwickeln. Hierbei geht es darum Wertschöpfung<br />

in den ländlichen Regionen zu betreiben, sowie Arbeitsplätze zu erhalten o<strong>der</strong> neu zu<br />

schaffen.<br />

Die GAP-Reformen und die fortschreitende Globalisierung <strong>der</strong> Agrarmärkte führen bei uns<br />

Landwirten zu einem enormen Anpassungsdruck, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern<br />

und neue Einkommensquellen zu erschließen.<br />

Aus diesem Grund ist es dringend erfor<strong>der</strong>lich, dass wir Landwirte bei <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

und Anpassung unserer Betriebe auch in Zukunft durch geeignete Agrarinvestitionsför<strong>der</strong>ungen<br />

unterstützt werden. Die Sicherung und Verbesserung <strong>der</strong> internationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />

muss das prioritäre, das vor<strong>der</strong>gründige Ziel <strong>der</strong> investiven För<strong>der</strong>ung bleiben.<br />

Aus den aktuellen Verän<strong>der</strong>ungen, sowie den Erfahrungen und Ergebnissen <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

ergeben sich aus unserer Sicht folgende Schwerpunkte:<br />

1. Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Produktion, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Tierproduktion muss<br />

die Hauptaufgabe <strong>der</strong> Agrarför<strong>der</strong>ung bleiben. Hierbei ist die För<strong>der</strong>ung von wirtschaftlich<br />

sinnvollen tiergerechten Haltungsformen beson<strong>der</strong>s notwendig (Klimaregelung, Standausrüstungen<br />

und Liegeflächen).<br />

För<strong>der</strong>ungen von Investitionen in <strong>der</strong> Tierproduktion sollten auch dann möglich sein,<br />

wenn die Tierbestände aufgestockt und das Produktionsvolumen erhöht wird.<br />

Diese For<strong>der</strong>ung ergibt sich aus <strong>der</strong> Entkoppelung <strong>der</strong> Direktzahlungen.<br />

2. Für die Stabilität <strong>der</strong> Betriebe ist die Schaffung und För<strong>der</strong>ung von zusätzlichen, über die<br />

landwirtschaftliche Urproduktion hinausgehenden Wirtschaftsaktivitäten erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Beson<strong>der</strong>e Bedeutung kommt hierbei <strong>der</strong> Erzeugung und Verwertung von Bioenergie<br />

(Biomasse, Biogas, Biotreibstoffe) zu. Dazu sind notwendige Investitionen in die Lagerung<br />

(Siloraum, Raps/Getreidelager), Verarbeitung und Vermarktung (Ölmühlen u.ä.) einbegriffen.<br />

3. Ausgehend von <strong>der</strong> wachsenden Zahl von Biogasanlagen, Ölmühlen u.ä. und <strong>der</strong> damit<br />

verbundenen Verwertung nachwachsen<strong>der</strong> Rohstoffe im landwirtschaftlichen Betrieb, wird<br />

das Aufkommen an betriebseigenen Wirtschaftsdüngemitteln (Gülle) deutlich steigen, d.h.<br />

Rohstoffe verbleiben vermehrt im Betrieb und können sich negativ auf die zu erstellende<br />

Düngebilanz auswirken.<br />

Deshalb kommt <strong>der</strong> gezielten und verlustarmen Ausbringung <strong>der</strong> Gülle nach „Guter fachlicher<br />

Praxis“ und den Regulierungen durch Cross Compliance erhöhte Aufmerksamkeit zu.<br />

För<strong>der</strong>ung in diese Art von Ausbringtechnik, auch in Kooperationen, halten wir zur Nährstoffsicherung<br />

für überaus notwendig.<br />

4. Die in den zurückliegenden Jahren getätigten Investitionen in landwirtschaftlichen Wegebau<br />

und die Pflege von Vorflutern und Gräben ist nach objektiven Erfor<strong>der</strong>nissen beizubehalten.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 35<br />

9. Februar 2006


5. Ziel <strong>der</strong> gesamten investiven För<strong>der</strong>ung muss neben <strong>der</strong> Stabilisierung und Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> landwirtschaftlichen Betriebe die Erhaltung und Schaffung von sicheren Arbeitsplätzen<br />

im ländlichen Raum sein. Eine Verbindung von För<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Erhaltung von<br />

Arbeitsplätzen wird aus Sicht unseres Unternehmens, auch wenn es unbequem ist befürwortet.<br />

6. Ein eigenständiges Thüringer För<strong>der</strong>programm (bisher AIP) o<strong>der</strong> zusätzliche För<strong>der</strong>tatbestände,<br />

welche die regionalen Gegebenheiten Thüringens berücksichtigen, sind auch nach<br />

2006 erfor<strong>der</strong>lich.<br />

* * * * *<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 36<br />

9. Februar 2006


Partnerschaft im ländlichen Raum – das Entwicklungsmodell LEADER<br />

Reinhard Krebs,<br />

(Landwirtschaftsamt Bad Salzungen, Sitz Eisenach)<br />

Markus Kunnen<br />

(Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt)<br />

Die agrarpolitischen Ziele für Thüringen gründen auf eine Landwirtschaft als innovativen und<br />

multifunktionalen Wirtschaftszweig, welcher seither die Thüringer Kulturlandschaft nachhaltig<br />

prägte und auch weiterhin eine tragende Säule für die Stabilität <strong>der</strong> ländlichen Räume bildet.<br />

Interessierte und engagierte Partner aus allen Regionen in Thüringen erkannten darüber hinaus<br />

die innovativen und multifunktionalen Möglichkeiten des gesamten ländlichen Raumes<br />

und nutzen nun die Gemeinschaftsinitiative LEADER <strong>der</strong> Europäischen Union, um mit den<br />

Landwirten und an<strong>der</strong>en Wirtschafts- und Sozialpartnern sowie Vertretern von Kommunen<br />

und Behörden in unterschiedlichsten Projekten ihre spezifische Region integrativ zu entwickeln.<br />

Nach einer erfolgreichen Entwicklung dieses Modells in über zehn Jahren in Thüringen<br />

soll am Beispiel <strong>der</strong> Wartburgregion darüber berichtet werden.<br />

Die Gemeinschaftsinitiative LEADER in Thüringen – eine Erfolgsstory seit 1995<br />

Vor 16 Jahren wurde die EU-Gemeinschaftsinitiative LEADER aus <strong>der</strong> Taufe gehoben als ein<br />

neues För<strong>der</strong>instrument mit ungewöhnlichen Modalitäten bei dessen Umsetzung. Die För<strong>der</strong>ung<br />

von Projekten nach dem „bottom-up“- Prinzip, gesteuert von Menschen aus <strong>der</strong> Region,<br />

die ihre Empfehlungen für eine För<strong>der</strong>ung in Lokalen Aktionsgruppen entwickeln, war eine<br />

völlig neue Herangehensweise. Thüringen fand seinen Einstieg in die Gemeinschaftsinitiative<br />

LEADER II 1995 in sieben Regionen. Nach <strong>der</strong> Fortführung mit dem Programm LEADER + im<br />

Jahr 2002 nutzen mittlerweile zwölf Lokale Aktionsgruppen flächendeckend in den ländlichen<br />

Räumen Thüringens dieses För<strong>der</strong>instrument. Die typischen LEADER-Elemente haben sich in<br />

<strong>der</strong> Praxis bewährt und stellen auch außerhalb dieser För<strong>der</strong>ung gängige Begriffe dar. Ob für<br />

das Projekt „Regionen Aktiv“ o<strong>der</strong> für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> „Integrierten Ländlichen Entwicklung“,<br />

stets stand das LEADER-Modell Pate.<br />

Der Name LEADER stammt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie „Verbindungen<br />

zwischen Aktionen zur Entwicklung des ländlichen Raumes“. Nur in diesem Programm werden<br />

nach dem Partnerschaftsprinzip lokale Entwicklungsansätze durch eine Projektför<strong>der</strong>ung<br />

kohärent und systematisch umgesetzt. Mittlerweile sind etwas über 200 Personen in den<br />

zwölf Lokalen Aktionsgruppen in Thüringen aktiv. Sie vertreten die Landwirtschaft o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en<br />

berufsständische Vertretung, die Wirtschaft, Umweltverbände, aber auch die Gemeinden,<br />

Landkreise und Behörden. 34 Personen gehören keinem Verein o<strong>der</strong> Verband an. Sie wirken<br />

aus eigenem Interesse für den ländlichen Raum mit und bringen ihre persönlichen Kenntnisse<br />

über die Region und ihre Erfahrungen in die Arbeit mit ein. Diese Bürgerbeteiligung ist Grundvoraussetzung<br />

für die Akzeptanz von LEADER. Die Lokalen Aktionsgruppen wirken innerhalb<br />

einer regionalen Gebietskulisse, überwiegend orientiert an den Grenzen von Amtsbereichen<br />

o<strong>der</strong> Landkreisen. Darüber hinaus werden aber auch gebietsübergreifende Kooperationen<br />

praktiziert, wo gemeinsame Potenziale auch gemeinsame Ideen hervorrufen. Auf diesem Wege<br />

konnten bereits 40 Projekte geför<strong>der</strong>t werden. Ein guter Teil davon ist dem so genannten<br />

„LEADER-Modellprojekt Thüringer Wald“, einem Zusammenschluss von fünf Lokalen Aktionsgruppen<br />

unter Fe<strong>der</strong>führung des Verbandes Naturpark Thüringer Wald, zuzuschreiben.<br />

Alle Projekte werden in den För<strong>der</strong>gebieten durch Regionalmanager begleitet und durch die<br />

Landwirtschaftsämter die Projektanträge verwaltungstechnisch aufbereitet bzw. för<strong>der</strong>seitig<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 37<br />

9. Februar 2006


kontrolliert. Im Thüringer Landesverwaltungsamt erfolgt die gesamte Haushaltsmittelverwaltung<br />

und Bewilligung <strong>der</strong> Projekte.<br />

Allein ab dem Jahr 2002 konnten über 500 Projekte einer För<strong>der</strong>ung zugeführt werden. Dabei<br />

entstanden vielfach Projekte, die nicht in das Spektrum gängiger För<strong>der</strong>maßnahmen passen<br />

und sich damit augenscheinlich unterscheiden von För<strong>der</strong>ungen aus finanziell teilweise besser<br />

gestellten Hauptprogrammen. Als Schwerpunkte haben sich eindeutig die Bereiche „Ländlicher<br />

Fremdenverkehr“, „Erhaltung des ländlichen Kulturgutes“, „Vermarktung landwirtschaftlicher<br />

Qualitätsprodukte“ und die „Erbringung von Diensten für die ländliche Wirtschaft und<br />

die Landbevölkerung“ herausgestellt. Damit sind in <strong>der</strong> laufenden För<strong>der</strong>periode rund 16 Millionen<br />

EURO För<strong>der</strong>mittel, die die EU und Thüringen beigesteuert haben, in die Projekte geflossen.<br />

Fast die gleiche Summe wird in den nächsten Jahren aus dem jetzigen LEADER+ -<br />

Programm hinzukommen. Dadurch wird LEADER auch weiterhin Impulse auslösen und die<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> ländlichen Entwicklung in Thüringen flankieren.<br />

Partnerschaften im ländlichen Raum <strong>der</strong> Wartburgregion<br />

Bereits 1995 gründete sich die Lokale Aktionsgruppe (LAG) mit insgesamt 12 Teilnehmern und<br />

ab <strong>der</strong> LEADER+ - För<strong>der</strong>phase 2002 beraten 16 Mitglie<strong>der</strong> die Projekte <strong>der</strong> Wartburgregion,<br />

die den ländlichen Raum des Wartburgkreises und <strong>der</strong> kreisfreien Stadt Eisenach umfasst. Die<br />

LAG arbeitet als Interessengemeinschaft nach einer Geschäftsordnung, in <strong>der</strong> die Aufgaben,<br />

Arbeitsweise und Beschlussfassung geregelt sind. Vertreter von Wirtschafts- und Sozialpartnern<br />

sowie Verbänden, Behörden und Kommunen arbeiten in dieser LAG mit. Sie konnte somit<br />

nach den Prinzipien von „Buttom-up“ aufgestellt werden, indem alle wichtigen, den ländlichen<br />

Raum repräsentierende Bereiche vertreten sind. Im Jahr 2001 bewarb sich die LAG erfolgreich<br />

mit einem Regionalen Entwicklungsplan 2000 bis 2006 für eine Zulassung zur LEA-<br />

DER+ -För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wartburgregion beim Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz<br />

und Umwelt. Dieser Plan enthält eine Stärken-Schwächen-Analyse und entwickelt darauf<br />

aufbauend Entwicklungsziele und Entwicklungsstrategien. So wie eingangs beschrieben<br />

mit <strong>der</strong> EU-Gemeinschaftsinitiative LEADER eine Nutzung <strong>der</strong> innovativen und multifunktionalen<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Region angestrebt wird, einigte sich die LAG auf ein Leitmotto für den<br />

gesamten För<strong>der</strong>zeitraum: „Vernetzte Vielfalt - Chance für die Zukunft des ländlichen Raumes“.<br />

Beispiele aus <strong>der</strong> Wartburgregion zur Umsetzung des Entwicklungsmodells LEADER<br />

Anhand von Beispielen sollen LEADER-Projekte aus <strong>der</strong> Wartburgregion vorgestellt werden,<br />

bei denen sich die Umsetzung des Leitmottos <strong>der</strong> LAG als beson<strong>der</strong>s ganzheitlich und nachhaltig<br />

für die Entwicklung des ländlichen Raumes erwies:<br />

- Projekt Rhönlandhof Dermbach:<br />

Die Agrargenossenschaft Rhönland Dermbach entwickelt kontinuierlich seit 1990 als einer <strong>der</strong><br />

größten Milchproduzenten und Direktvermarkter <strong>der</strong> Region am Betriebssitz das Konzept<br />

„Rhönlandhof“. Diese Betriebsphilosophie verfolgt das Ziel, nicht nur sehr gute wirtschaftliche<br />

Erfolge und damit Arbeitsplätze zu sichern, son<strong>der</strong>n auch als gesellschaftlicher Mittelpunkt im<br />

ländlichen Raum <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>rhön zu wirken. Darüber hinaus soll ebenso „Landwirtschaft zum<br />

Anfassen“ für Je<strong>der</strong>mann die Entwicklung einer hochmo<strong>der</strong>nen und verbraucherschutz- sowie<br />

tierartgerechten Landwirtschaft demonstrieren. So wurde mit Hilfe von LEADER die „Rhönlandscheune“<br />

für Großveranstaltungen errichtet, in <strong>der</strong> die Produkte aus eigener Direktvermarktung<br />

angeboten werden. Diese gelangen auch nebenan im Hofladen als Fleisch- und<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 38<br />

9. Februar 2006


Wurstwaren zum Verkauf. Die Kunden (Zielgruppe: Eltern mit Kin<strong>der</strong>n) können sich unmittelbar<br />

im Streichelzoo und auf dem Kin<strong>der</strong>spielplatz vergnügen. Als Beson<strong>der</strong>heit stellt <strong>der</strong><br />

Betrieb aus eigener Eierproduktion Hausmachernudeln her, <strong>der</strong>en Produktion <strong>der</strong> Kunde hinter<br />

Glas verfolgen kann. Ebenso „gläsern“ kann die Arbeit am Melkkarussell in einem Besucherstand<br />

beobachtet werden. Im „Rhönlandhof“-Konzept <strong>der</strong> nächsten Jahre sind weitere<br />

innovative Verarbeitungsstufen eigener Erzeugnisse enthalten, die die LAG mit Interesse verfolgen<br />

wird.<br />

- Touristische Entwicklung am Nationalpark Hainich<br />

Seit dem 1998 <strong>der</strong> Hainich zum Nationalpark ausgerufen wurde, besteht ein beson<strong>der</strong>er Bedarf<br />

an touristischer Infrastrukturentwicklung im ländlichen Raum.<br />

Das Gelände einer ehemaligen Kaserne auf dem Harsberg unmittelbar am Nationalpark wird<br />

<strong>der</strong>zeit mit viel Aufwand zu einer Jugendherberge als „Urwald-Life-Camp“ ausgebaut. Noch<br />

lange bevor die Bauarbeiten begannen, ermöglichte LEADER, einen früheren Fliegerhangar als<br />

ersten Anlaufpunkt zur Präsentation des Gesamtvorhabens zu sanieren. Damit konnten sich<br />

bereits viele Interessierte informieren und die Chancen künftiger Umweltbildung sowie das<br />

Nationalpark-Anliegen werbewirksam verbreiten.<br />

- Wirtschaftliches, soziales und touristisches Gesamtprojekt „Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn“<br />

In den nach 1990 verwahrlosten Gebäuden <strong>der</strong> alten Saline vor Creuzburg erschloss <strong>der</strong> Projektträger<br />

DIAKONIA e.V. mit Hilfe von Spenden und mit <strong>der</strong> Dorferneuerung Werkstätten,<br />

Wohnräume und ein Cafe für ein sozioökonomisches Netzwerk zur nachtherapeutischen Begleitung<br />

bedürftiger Menschen. Eine Milchschafhaltung und <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Direktvermarktung<br />

von Schafmilchprodukten, Honig und Obst/Gemüse als Agrarinvestition sind im Entstehen.<br />

LEADER unterstützte den Ausbau des Gutshauses, eine innovative Haustechnik sowie<br />

Ausstellungsräume zur Darstellung von Naturschutzzielen.<br />

- Landwirtschaftlicher Aktionshof<br />

Im Moorgrund, nahe <strong>der</strong> Kreisstadt Bad Salzungen, schufen gemeinsam Kommune, Agrargenossenschaft<br />

und Vereine mehrere Projekte, die mittlerweile den ländlichen Raum prägen. In<br />

den Orten sind weithin Maßnahmen <strong>der</strong> Dorferneuerung sichtbar, <strong>der</strong> ansässige Landwirtschaftsbetrieb<br />

baute erfolgreich seine Milchviehhaltung und Direktvermarktung aus. LEADER<br />

för<strong>der</strong>te eine Maßnahme <strong>der</strong> Gemeinde zum Ausbau eines landwirtschaftlichen Informationsweges,<br />

auf dem die Agrargenossenschaft die Möglichkeit hat, ihre Feldkulturen, Stallungen<br />

und Formen <strong>der</strong> Tierhaltung darzustellen. Im Luther-Stammort Möhra entstand mit Hilfe von<br />

LEADER ein einmaliger Geflügelpark, in dem alte Thüringer Rassen gezeigt werden.<br />

Fazit einer Entwicklung <strong>der</strong> ländlichen Wartburgregion mit LEADER<br />

Zweifellos stellt LEADER das von <strong>der</strong> EU propagierte „Experimentierlabor“ für den ländlichen<br />

Raum dar, denn die angeführten Beispiele aus <strong>der</strong> Wartburgregion machen deutlich, dass gerade<br />

innovative, wenn nicht sogar ungewöhnliche För<strong>der</strong>projekte durch diese EU-Gemeinschaftsinitiative<br />

zur erfolgreichen Entwicklung des ländlichen Raumes beitragen. Seit 1995 gelang<br />

es sogar, ein Netz von Projekten zu installieren, an denen die Entwicklung einzelner Teilräume,<br />

wie Thüringische Rhön, Hainich und Thüringer Wald gut ablesbar ist und LEADER-Maßnahmen<br />

wie Mosaiksteine die Region zusammenhalten. Damit wirkt die LEADER-Initiative vor allem als<br />

weicher Standortfaktor, dem letztlich <strong>der</strong> Erhalt von Arbeitsplätzen, die Inwertsetzung natürlicher<br />

und kultureller Potenziale und ein hohes Lebenswertgefühl in unseren Dörfern zu verdanken ist.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 39<br />

9. Februar 2006


Ausblick auf das Partnerschaftsprinzip in den ländlichen Räumen <strong>der</strong> Zukunft<br />

Mit Beginn des Jahres 2007 beginnt eine neue EU-För<strong>der</strong>phase. Den ländlichen Raum betreffend<br />

sind <strong>der</strong>en Grundsätze in <strong>der</strong> so genannten ELER-Verordnung verankert. Eine LEADER-Gemeinschaftsinitiative<br />

als eigenes Programm wird es in Zukunft nicht mehr geben. Vielmehr werden die<br />

für diese För<strong>der</strong>ung typischen Elemente in das Hauptför<strong>der</strong>programm für den ländlichen Raum<br />

einfließen. Auch künftig werden öffentlich-private Partnerschaften analog <strong>der</strong> Lokalen Aktionsgruppen<br />

die inhaltlichen Schwerpunkte <strong>der</strong> ELER-Verordnung umsetzen und das LEADER-Prinzip<br />

wird querschnittsorientiert wesentlicher Bestandteil <strong>der</strong> neuen EU-För<strong>der</strong>ung. An <strong>der</strong> konkreten<br />

Ausgestaltung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>programme ab 2007 arbeiten <strong>der</strong>zeit die zuständigen Stellen. Es liegt<br />

nahe, über eine engere Verknüpfung <strong>der</strong> europäischen LEADER-Methode mit dem Instrument<br />

<strong>der</strong> Integrierten Ländlichen Entwicklung nachzudenken. Die Bündelung gleichartiger Konzepte an<br />

geeigneter Stelle trägt dazu bei, eine regionale Überplanung zu vermeiden und beför<strong>der</strong>t das<br />

Miteinan<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Region.<br />

Das partnerschaftliche Zusammenwirken aller Akteure, wie wir es mit LEADER erfahren haben,<br />

wird im ländlichen Raum zunehmend gefragt sein und auch zukünftig entsprechend in dessen<br />

Entwicklung Eingang finden.<br />

* * * * *<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 40<br />

9. Februar 2006


Sektion<br />

Sektion<br />

„Agrarmärkte „Agrarmärkte <strong>der</strong> <strong>der</strong> Zukunft“<br />

Zukunft“<br />

Wettbewerbsfähige Milcherzeugung im internationalen Vergleich<br />

Prof. Dr. Alois Heißenhuber<br />

* * * * *<br />

Bioenergie – Ein Agrarmarkt <strong>der</strong> Zukunft<br />

Dr. Armin Vetter<br />

* * * * *<br />

Landwirtschaftliche Vermarktung pflanzlicher Produkte<br />

Ullrich Fliege<br />

* * * * *<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Marktposition landwirtschaftlicher Unternehmen – Was hat sich bewährt?<br />

Dr. Horst Schubert<br />

* * * * *<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 41<br />

9. Februar 2006


Wettbewerbsfähige Milcherzeugung im internationalen Vergleich<br />

Prof. Dr. Alois Heißenhuber<br />

(TU München-Weihenstephan)<br />

Die Produktionskosten für Milch liegen in <strong>der</strong> EU deutlich über dem Niveau <strong>der</strong> den Weltmarkt<br />

bestimmenden Län<strong>der</strong>, wenngleich sowohl innerhalb <strong>der</strong> EU als auch innerhalb<br />

Deutschlands extrem große Kostenunterschiede bestehen. Durch den noch gegebenen Importschutz<br />

wirkt sich <strong>der</strong> Weltmarktpreis nur sehr begrenzt auf die Milchwirtschaft <strong>der</strong> EU aus.<br />

Der Weltmarktpreis ist aber für die EU-Exporte von ausschlaggeben<strong>der</strong> Bedeutung (13,5 Mio. t<br />

Exporte in 2005 gegenüber 3,3 Mio. t Importe). Selbst wenn es <strong>der</strong> EU gelingt, im Rahmen <strong>der</strong><br />

WTO-Verhandlungen die Milch als „sensibles Produkt“ einzustufen und damit auch weiterhin<br />

ein relativ hohes Niveau an Importschutz aufrechtzuerhalten, bringt <strong>der</strong> beschlossene und bis<br />

2013 umzusetzende Abbau <strong>der</strong> Exportsubventionen für die Milchwirtschaft <strong>der</strong> EU gravierende<br />

Probleme. Neben den bereits bestehenden Exporten sind langfristig auch die <strong>der</strong>zeit mit Beihilfen<br />

auf den Inlandsmärkten abgesetzten Mengen (10,9 Mio. t in 2005) nicht ohne Probleme<br />

unterzubringen. Tatsache ist also eine Milchüberproduktion in <strong>der</strong> EU von 15 bis 20 %, die<br />

ohne Exporterstattung zu einem starken Preisdruck führt (siehe nachfolgende Abb.).<br />

Prognostizierte Kuhmilchbilanz <strong>der</strong> EU-25 im Jahr 2005<br />

Mio. t<br />

Inlandsangebot Inlandsverbrauch<br />

140<br />

+<br />

+<br />

120<br />

3,3 Mio. t Importe<br />

13,5<br />

10,9<br />

13,5 Mio. t Exporte<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Durch verstärkten<br />

Marktzugang und<br />

Red. <strong>der</strong> Einfuhr -<br />

zölle verstärkter<br />

Einfluss auf das<br />

Binnenpreisniveau<br />

Inlandsangebot<br />

Importe<br />

133,2<br />

Verbrauch zu<br />

Marktpreisen<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 42<br />

9. Februar 2006<br />

112,0<br />

Quelle: WEINDLMAIER auf <strong>der</strong> Basis ZMP (2005): Milch Marktbilanz 2005, S. 93<br />

Durch reduzierte<br />

Exporterstattungen<br />

verstärkter Einfluss<br />

auf das<br />

Binnenpreisniveau<br />

Verbrauch mit<br />

Beihilfen<br />

Exporte<br />

Unter diesen Umständen wird sich <strong>der</strong> Milchpreis auf einem Gleichgewichtsniveau einpendeln,<br />

das deutlich unter dem jetzigen Niveau liegt. Einen Hinweis darauf gibt <strong>der</strong> zukünftige<br />

Interventionspreis (siehe nachfolgende Abb.).


Entwicklung <strong>der</strong> Erzeugerpreise und <strong>der</strong> Preisabsicherung durch die Intervention und durch<br />

die Milchprämien<br />

Cent/kg<br />

36 36<br />

34 34<br />

32 32<br />

30 30<br />

28 28<br />

26 26<br />

24 24<br />

22<br />

20<br />

29,85<br />

Erzeugerpreis Bayern 1)<br />

Erzeugerpreis Deutschland 1)<br />

Erzeugerpreis Nie<strong>der</strong>sachsen 1)<br />

Preisabsicherung plus Milchprämie<br />

Preisabsicherung durch die<br />

30,27 = Ø Preis Bayern, 1. HJ 2005<br />

28,48 = Ø Preis Deutschl ., 1. HJ 2005<br />

26,96 = Ø Preis Nie<strong>der</strong>sachsen,<br />

1. HJ 2005<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

1) Preise in Cent/kg bei tatsächlichem Fett - und Eiweißgehalt, ab Hof ohne MwSt.; 2005 = 1. Halbjahr (Quelle: ZMP)<br />

2) Eigene Berechnungen für Milch mit durchschnittlichem Fett- und Eiweißgehalt auf <strong>der</strong> Basis von Daten <strong>der</strong> ZMP. Für 2005 – 2007 wurde <strong>der</strong><br />

durchschnittliche Fett - und Eiweißgehalt <strong>der</strong> Jahre 2002 – 2004 zugrunde gelegt.<br />

Quelle: WEINDLMAIER, 2005<br />

30,00 29,81 29,89 29,84 29,80 29,87 29,78 29,79<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 43<br />

9. Februar 2006<br />

2)<br />

27,88<br />

27,59<br />

25,81<br />

26,76 26,74<br />

Ein Konsumanstieg in den Beitrittslän<strong>der</strong>n könnte aber noch zu einer Entlastung führen, weil<br />

<strong>der</strong>en Quote auf dem Niveau des <strong>der</strong>zeitigen Verbrauchs festgelegt wurde. Angesichts <strong>der</strong> zu<br />

erwartenden Verhältnisse auf dem Milchmarkt <strong>der</strong> EU werden folgende zwei Vorgehensweisen<br />

diskutiert:<br />

a) die aktive Verringerung des inländischen Angebotes, um den Milchpreis zu stabilisieren<br />

und<br />

b) die Erhöhung des Preisdruckes, um so ein Marktgleichgewicht zu erreichen (entspricht <strong>der</strong><br />

Beschlusslage <strong>der</strong> EU).<br />

Speziell seitens zahlreicher Milcherzeuger wird in Variante a) eine Chance gesehen, durch eine<br />

Reduzierung <strong>der</strong> Überschüsse, also über ein aktives Milchmengenmanagement, die Erzeugerpreise<br />

zu stabilisieren. Diese Maßnahmen könnten bereits innerhalb des Quotensystems ergriffen<br />

werden. Sie wären aber umso mehr nach einem Auslaufen <strong>der</strong> Quotenregelung erfor<strong>der</strong>lich,<br />

weil auch dann die Milchproduktion nicht völlig freigegeben werden könnte, zumal die<br />

Molkereien nicht dazu in <strong>der</strong> Lage wären, beliebig große Milchmengen abzunehmen. Vorbild<br />

für ein aktives Milchmengenmanagement könnte auch die Schweiz abgeben. Die Nebenwirkungen<br />

dieses Vorgehens sind hohe Quotenpreise mit all den bekannten Konsequenzen, darüber<br />

hinaus bleiben die Konflikte mit an<strong>der</strong>en Mitgliedslän<strong>der</strong>n und mit Handelspartnern außerhalb<br />

<strong>der</strong> EU. Es ist darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Mitgliedslän<strong>der</strong> ganz unterschiedliche<br />

Positionen vertreten. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es keine einheitliche Position.<br />

Die Chancen, durch die gegenwärtig diskutierten Ansätze und Aktivitäten eine Umkehr<br />

des negativen Preistrends zu erreichen sind deshalb sehr begrenzt. Es wird also außerordentlich<br />

schwierig sein, auf diesem Wege mittelfristig eine Stabilisierung o<strong>der</strong> gar eine wesentliche<br />

Erhöhung des Rohmilchpreises zu erreichen.<br />

Sollte es nicht gelingen, ein <strong>der</strong>artiges System, ergänzt um flankierende Maßnahmen, zu installieren,<br />

muss davon ausgegangen werden, dass Vorgehensweise b) zum Zuge kommt mit<br />

Anpassung über den Marktmechanismus, d.h. über einen drastischen Preisdruck mit all den<br />

28,47<br />

23,80<br />

23,19


damit verbunden Konsequenzen. Diese Vorgehensweise entspricht den von <strong>der</strong> EU verabschiedeten<br />

Reformbeschlüssen. Hier könnte sich aber eine ruinöse Marktsituation einstellen<br />

mit fatalen Folgen für Rentabilität und Liquidität gerade auch für die Betriebe, die eigentlich<br />

langfristig bei <strong>der</strong> Milchproduktion bleiben wollten.<br />

Die Vorgehensweise b) bedeutet einen weiteren Preisrückgang. Die einzelnen Milcherzeuger<br />

müssen sich unter diesen Umständen ernsthaft mit <strong>der</strong> Frage auseinan<strong>der</strong>setzen, ob sie weiter<br />

bei <strong>der</strong> Milchproduktion bleiben wollen o<strong>der</strong> ob sie mittelfristig einen Ausstieg aus <strong>der</strong><br />

Milchproduktion anstreben. Soweit ersteres <strong>der</strong> Fall ist, wird es notwendig sein, alle Möglichkeiten<br />

für weitere Kosteneinsparungen zu realisieren. Darüber hinaus wäre zu überlegen, für<br />

einen begrenzten Zeitraum von staatlicher Seite diese Betriebe mit einer Ausweitung <strong>der</strong> Investitionsför<strong>der</strong>ung<br />

zu unterstützen, gegebenenfalls aber auch durch Unterstützung bei Liquiditätsengpässen<br />

Anpassungshilfen zu gewähren. Das Ziel muss in diesem Falle darin bestehen,<br />

so schnell wie möglich eine möglichst große Anzahl leistungsfähiger Milchviehbetriebe<br />

in die Lage zu versetzen, unter den neuen Rahmenbedingungen ertragreich Milch zu erzeugen.<br />

Auf jeden Fall erscheint es unbedingt erfor<strong>der</strong>lich, dass sich die betroffenen Betriebe zusammen<br />

mit ihrer Interessensvertretung und den politischen Entscheidungsträgern ein Bild über<br />

die Chancen und Risiken <strong>der</strong> beiden Ansätze verschaffen sollten, um dann möglichst geschlossen<br />

eine Strategie zu verfolgen.<br />

* * * * *<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 44<br />

9. Februar 2006


Bioenergie – Ein Agrarmarkt <strong>der</strong> Zukunft<br />

Dr. Armin Vetter<br />

(Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft)<br />

Die Energiepolitik rückt zunehmend in das öffentliche Interesse. Dies ist vor allem in einer<br />

starken Sensibilisierung <strong>der</strong> Bevölkerung für umweltpolitische Themen, insbeson<strong>der</strong>e die<br />

„Klimaverän<strong>der</strong>ung“, <strong>der</strong> deutlich werdenden Verknappung von fossilen Rohstoffen sowie <strong>der</strong>en<br />

Verfügbarkeit begründet. Zudem hat <strong>der</strong> Irakkrieg die Abhängigkeit des Preises fossiler<br />

Rohstoffe von äußeren Einflüssen drastisch veranschaulicht. Schlagworte wie „Zeiten des billigen<br />

Öls sind endgültig vorbei“ geben die allgemeine Stimmung wi<strong>der</strong>. Weitere Argumente,<br />

wie Sicherheit und Gewährleistung einer preiswerten Energieversorgung (Problematik Russland<br />

- Ukraine) sowie die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland, dabei<br />

vor allem im ländlichen Raum, spielen ebenfalls zunehmend eine Rolle.<br />

Für eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik werden vor allem die Einsparung an Energie,<br />

die Nutzung von Kernenergie (umstritten) und <strong>der</strong> Ausbau regenerativer Energien als die wesentlichsten<br />

Optionen angesehen.<br />

Deutschland hat sich das Ziel gesetzt bis zum Jahr 2010 12,5 % des Stroms und 4,2 % des<br />

Primärenergieverbrauchs und bis 2020 mindestens 20 % des Stroms und 10 % <strong>der</strong> Primärenergie<br />

aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Thüringen hat dieses Ziel nach Abschätzungen<br />

des TMWTA bereits 2003 erreicht. Den Hauptanteil hat dabei noch stärker, wie in<br />

Deutschland, die Biomasse beigetragen.<br />

Wenn mit Biomasse weitere Marktanteile erschlossen werden sollen, gilt es vor allem drei Gesichtspunkte<br />

zu klären:<br />

1. Ist ein ausreichendes Flächenpotenzial vorhanden?<br />

2. Welche Energiemärkte sind beson<strong>der</strong>s aussichtsreich?<br />

3. Welche politischen und ökonomischen Risiken sind zu beachten?<br />

Die Flächenverfügbarkeit gilt es daher als erstes herzuleiten bzw. nachzuweisen.<br />

Die Erträge von Getreide als dominierende Kulturpflanze steigen in Deutschland und Europa<br />

seit den 60iger Jahren kontinuierlich an. Nach Prognosen <strong>der</strong> FAO wächst die Agrarproduktion<br />

schneller als die Bevölkerung. Dies ist vor allem auf die Züchtung, verbesserte Agrotechnik,<br />

dabei vor allem einem verbesserten Pflanzenschutz und einer optimierten Düngung sowie<br />

sicher auch auf eine erhöhte CO 2-Versorgung durch den Treibhauseffekt zurückzuführen. So<br />

lag Deutschland im Wirtschaftsjahr 2001/2002 bei Getreide bei einem Selbstversorgungsgrad<br />

von 132 %, die EU (15) bei immer noch 116 %. Dieser Selbstversorgungsgrad hat sich mit dem<br />

Beitritt <strong>der</strong> neuen EU-Staaten (27) weiter erhöht. Die landwirtschaftliche Nutzfläche pro Kopf<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung stieg von 3 624 auf 4 082 m 2 , die Ackerfläche sogar von 1 464 auf 2 024 m 2 ,<br />

d. h. um 38 %. In den folgenden Jahren ist bei einer weiteren Verbesserung <strong>der</strong> Agrotechnik in<br />

den Beitrittslän<strong>der</strong>n mit einer erheblichen Steigerung <strong>der</strong> Produktion zu rechnen, die sicher<br />

nicht in gleichem Ausmaß eine Nachfrage innerhalb <strong>der</strong> EU nach sich ziehen wird. Die Überschüsse<br />

auf dem Weltmarkt abzusetzen, gestalten sich bekanntermaßen aufgrund verschiedenster<br />

WTO-Vereinbarungen als schwierig. Fazit: Der Druck auf die deutsche Landwirtschaft<br />

zur Rationalisierung <strong>der</strong> Produktion und zur Erschließung neuer Märkte wird wachsen.<br />

Eine Alternative bzw. Ergänzung zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion wäre die Produktion<br />

von Energiepflanzen. Seriöse Schätzungen gehen von 20 bis 25 % <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />

Nutzfläche Deutschlands aus, das entspricht ca. 3,5 bis 4,0 Mio. ha.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 45<br />

9. Februar 2006


An<strong>der</strong>s als bei Nahrungsmitteln weist z. B. die Shell-Studie einen stetig wachsenden Energiebedarf<br />

nach, <strong>der</strong> sich von 2000 zu 2025 je nach Szenario um 57 bzw. 84 % erhöhen wird. Da<br />

die mit verhältnismäßig geringem finanziellen Aufwand zu erschließenden Ressourcen an Öl<br />

und Gas als die wesentlichsten Energieträger begrenzt sind, sind folglich steigende Preise zu<br />

erwarten. Sinken<strong>der</strong> Lebensstandard und steigende Preise für Produktionsmittel sind die negativen<br />

Auswirkungen. Gleichzeitig werden die Konkurrenzfähigkeit und die Absatzchancen<br />

biogener Energieträger steigen. Diese prinzipielle Aussage wird ihre Gültigkeit behalten, auch<br />

wenn <strong>der</strong> Staat mit Gesetzen, Verordnungen und Steuern in den Markt regulierend eingreift.<br />

Beispielgebend seien die bereits geltenden Verordnungen, etc. aufgeführt:<br />

• Mineralölsteuergesetz (Befreiung Biokraftstoffe)<br />

• Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz<br />

• Erneuerbares Energien Gesetz<br />

• Ökosteuer<br />

• Flächenstilllegungsverordnung<br />

• Energiepflanzenprämie<br />

Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Flächenpotenziale und <strong>der</strong> Konkurrenzbeziehungen zu den jeweiligen<br />

fossilen Sekundärenergieträgern muss <strong>der</strong> Landwirt die Produktlinien Wärme, Kraftstoff<br />

(Antrieb) und Strom (Elektroenergie) einzeln betrachten und diese o<strong>der</strong> mehrere für ihn in<br />

Betracht kommende Optionen auswählen. Bei den Kraftstoffen sind dies <strong>der</strong>zeit und potenziell<br />

Rapsöl/Rapsölmethylester, Ethanol und BTL-Kraftstoffe. Die drei Verwertungslinien gehen von<br />

unterschiedlichen Rohstoffen aus, ermöglichen eine differenzierte Verarbeitungstiefe in <strong>der</strong><br />

Landwirtschaft und erreichten bzw. erreichen zu verschiedenen Zeitpunkten die Marktreife.<br />

Am weitesten entwickelt und am stabilsten ist <strong>der</strong> Rapsöl/Rapsölmethylestermarkt. Ende 2005<br />

lag die Biodieselverarbeitungskapazität bei ca. 2,0 Mio. t. Der Bedarf <strong>der</strong> deutschen Raffinerien<br />

bei einer 5 %igen Zumischung zum Diesel bei 1,6 Mio. t. Die Kapazitäten zur Erfüllung <strong>der</strong> EU-<br />

Biokraftstoffrichtlinie sind somit vorhanden. Theoretisch ergibt sich aus <strong>der</strong> Kapazität ein Flächenbedarf<br />

von 1,4 Mio. ha. Damit liegt <strong>der</strong> Bedarf über <strong>der</strong> gesamten deutschen Rapsanbaufläche<br />

von ca. 1,3 Mio. ha (Food- + Non-Food). Aufgrund <strong>der</strong> fruchtfolgetechnischen Anbaugrenzen<br />

für Raps kann die Anbaufläche nicht wesentlich erweitert werden. Die hohe Nachfrage<br />

kann nur über die Steigerung <strong>der</strong> Erträge und Importe (2004: Netto 900 000 t Saat) abgedeckt<br />

werden. Ein ungesättigter Markt lässt stabile und hohe Preise für die Rohstoffe erwarten.<br />

Um die Wertschöpfung weiter zu erhöhen, sollte die Landwirtschaft verstärkt ihre eigene Saat<br />

zu Kraftstoffen verarbeiten (Abb.: Variante 4). Solange die Nutzung von reinem Pflanzenöl<br />

nicht „Stand <strong>der</strong> Technik“ ist, ist Rapsölmethylester zu favorisieren. Die Nutzung dieses Kraftstoffes<br />

im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb ist weitestgehend problemlos möglich und<br />

durch die zu erwartende Beibehaltung <strong>der</strong> Mineralölsteuerbefreiung zumindest für diesen Sektor<br />

auch finanziell lukrativ. Bei einem Benzinverbrauch von 26 Mio. t müssten bei <strong>der</strong> angestrebten<br />

Beimischung von 5 % (E5) ca. 1,5 Mio. m 3 Ethanol produziert werden. Auf <strong>der</strong> Basis<br />

von Getreide entspricht das einem Rohstoffbedarf von 4,3 Mio. t, das entspricht ca. 600 000<br />

ha o<strong>der</strong> 10 % <strong>der</strong> Getreideanbaufläche Deutschlands. Aus diesen Zahlen ist abzusehen, dass<br />

mit Ethanolgetreide eine gewisse Marktentlastung zu erwarten ist, diese aber sicher nicht so<br />

stark auf die Preise durchschlägt wie bei Raps. Zurzeit existieren drei Anlagen mit einem Getreidebedarf<br />

von ca. 1,4 Mio. t (200 0000 ha Anbaufläche).<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 46<br />

9. Februar 2006


Lagerung/<br />

Transport<br />

Pressung<br />

Veresterung<br />

Variante 1<br />

Handel<br />

Handel<br />

Varianten <strong>der</strong> Rapsverwertung<br />

Non-Food-Rapsanbau in Thüringen<br />

Industrie<br />

Industrie<br />

50.000 bis 70.000 ha<br />

Variante 2<br />

Lohnpressung+<br />

Lohnveresterung<br />

Landwirtschaft<br />

Industrie<br />

Industrie<br />

Variante 3<br />

Pressung<br />

in <strong>der</strong> LW +<br />

Lohnveresterung<br />

Landwirtschaft<br />

Landwirtschaft<br />

Industrie<br />

Variante 4<br />

Pressung und<br />

Veresterung<br />

in <strong>der</strong> LW<br />

Landwirtschaft<br />

Landwirtschaft<br />

Landwirtschaft<br />

Mindestkapazität Rapssaat: > 5000 t/a 15.000 t/a<br />

Um die Zielstellung <strong>der</strong> Biokraftstoffrichtlinie zu erfüllen, ist somit die Errichtung von weiteren<br />

Ethanolanlagen notwendig. Für dezentrale kleinere Anlagen (< 100 000 t Getreide), die für die<br />

Landwirtschaft von Interesse wären, konnte die Wirtschaftlichkeit, d. h. die Herstellung von<br />

Ethanol zu Preisen um die 50 Cent/l noch nicht nachgewiesen werden. Ethanol wird in naher<br />

Zukunft verstärkt zum Einsatz kommen, dies ist darin begründet, dass auf dem Weltmarkt <strong>der</strong><br />

Rohstoff Getreide bzw. Bioethanol aus Zuckerrohr verfügbar ist und die Automobilindustrie,<br />

zumindest <strong>der</strong> VW-Konzern, E10 als Treibstoff für die nahe Zukunft favorisiert. Allerdings soll<br />

als Rohstoffbasis Stroh dienen (IOGEN-Verfahren). Des Weiteren gibt es mit <strong>der</strong> Nutzung von<br />

E85 in FFV-Fahrzeugen (Flexibles-Fuel-Vehicles), die wechselseitig Benzin und ein Benzin-<br />

Ethanol Gemisch (0,15 + 0,85) fahren können eine interessante Option vor allen für Privatverbraucher<br />

(Anbieter Ford, Saab).<br />

Als weiterer biogener Kraftstoff wird „Biomass to liquid“ (BTL) diskutiert. Die Herstellung erfolgt<br />

über die Vergasung von lignocellulosehaltiger Biomasse mit anschließen<strong>der</strong> Fischer-<br />

Tropsch-Synthese. Die Anlagen werden für einen Rohstoffbedarf von mehr als 500.000 t ausgelegt.<br />

Holz, Stroh (pelettiert) und speziell angebaute Energiepflanzen, wie Ganzpflanzengetreide,<br />

Miscanthus, Kurzumtriebsplantagen befinden sich in <strong>der</strong> Diskussion. Eine erste Pilotanlage<br />

<strong>der</strong> Firma CHOREN wurde in Freiberg (Sachsen) errichtet. Da Holz in den anvisierten<br />

Größenordnungen in Mitteldeutschland nicht mehr zur Verfügung steht, könnte <strong>der</strong> Rohstoff<br />

Stroh als verkaufbares Nebenprodukt <strong>der</strong> Landwirtschaft an Bedeutung gewinnen. Für eine<br />

breite Markteinführung dürften noch fünf bis zehn Jahre vergehen. Welche Preise die Verarbeiter<br />

für die Rohstoffe entrichten können ist noch nicht endgültig geklärt.<br />

Seit in Kraft treten des „Erneuerbaren Energien Gesetzes“, das die Einspeisung von regenerativ<br />

erzeugtem Strom regelt, hat es auf dem „Ökostrommarkt“ eine rasante Entwicklung gegeben.<br />

Ende 2005 waren deutschlandweit knapp 120 Heizkraftwerke mit 880 MW elektr. Leistung<br />

und ca. 2 200 Biogasanlagen mit 340 MW elektr. Leistung in Betrieb. Die Heizkraftwerke werden<br />

fast ausschließlich mit Holz in einem Leistungsbereich von 5 MW mit dem Dampfkraftprozess<br />

und 0,5 bis 1,5 MW mit ORC-Technik betrieben. Die EEG-Vergütung gestattet beim Einsatz von<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 47<br />

9. Februar 2006


naturbelassenem Holz bei Dampfturbinenanlagen Preise von max. 50 bis 60 Euro/t atro. Für<br />

landwirtschaftliche Rohstoffe, einschließlich Energieholz aus Kurzumtriebsplantagen, ist daher<br />

dieser Markt bis auf weiteres unlukrativ. An<strong>der</strong>s stellt sich die Situation bei Biogasanlagen dar.<br />

Bei einem Einsatz praxiserprobter Technologien und <strong>der</strong> Einhaltung von den bekannten<br />

Richtwerten für die Investitionen (< 2 500 Euro/kW elektr.) sind die Anlagen mit Gewinn zu<br />

betreiben. Neben Gülle hat sich durch die Einführung des NAWARO-Bonus im EEG <strong>der</strong> Einsatz<br />

von landwirtschaftlich erzeugten Kosubstraten durchgesetzt. Dieser Trend wird sich bei<br />

Beibehaltung des <strong>der</strong>zeitigen EEG (Novellierung 2008) weiter, eventuell bis hin zur Monofermentation<br />

von nachwachsenden Rohstoffen, verstärken. Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit<br />

ist streng zwischen Feldbau, d. h. Preis <strong>der</strong> Biomasse frei „Maul Biogasanlage“ und<br />

Kosten für die Stromerzeugung zu trennen. Mit Preisen < 80 Euro t/TM für Silagen und Getreide<br />

kann im Pflanzenbau nicht kostendeckend kalkuliert werden. Für Biogasanlagen gilt<br />

analog zur Rapsverwertung die Wertschöpfung sollte vorrangig über den Verkauf des Endproduktes,<br />

d. h. Strom und Wärme erfolgen und nicht über den Verkauf von landwirtschaftlichen<br />

Rohstoffen. Die <strong>der</strong>zeitige Anbaufläche von 10 000 ha „Biogaspflanzen„ dürfte sich in Zukunft<br />

erheblich ausdehnen. Hierbei ergibt sich für die Landwirtschaft die Chance die Fruchtfolgen<br />

aufzulockern. In Ackerbaugebieten mit geringer Rin<strong>der</strong>haltung können das <strong>der</strong> Mais, in Vorgebirgslagen<br />

mehrjähriges Ackerfutter, aber auch neue Kulturarten wie Sudangras o<strong>der</strong> Durchwachsene<br />

Silphie sein. Entscheidend ist dabei nicht die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> Fruchtart im<br />

Anbaujahr, son<strong>der</strong>n die betriebswirtschaftliche Betrachtung <strong>der</strong> gesamten Fruchtfolge.<br />

Für den weiteren Ausbau <strong>der</strong> Stromerzeugung aus Biomasse ist das EEG mit den darin festgelegten<br />

Einspeisesätzen inkl. Boni von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung. Im Gegensatz zum Kraftstoff-<br />

und Wärmemarkt ist die Wirtschaftlichkeit von Strom aus Biomasse bei einer Netzeinspeisung<br />

nach den <strong>der</strong>zeit gültigen Preisen für „Braunkohle- o<strong>der</strong> Kernkraftwerkstrom“ bei<br />

weitem noch nicht gegeben.<br />

Ein bisher von <strong>der</strong> Landwirtschaft weitestgehend vernachlässigter Markt ist die Erzeugung und<br />

<strong>der</strong> Verkauf von Wärme. Im Gegensatz zu den Preissteigerungen bei Kraftstoffen wurde die<br />

nahezu Verdreifachung <strong>der</strong> Heizölpreise kaum wahrgenommen. Kurz- und mittelfristig ist<br />

durch die Landwirtschaft <strong>der</strong> Wärmemarkt auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Rohstoffe Stroh und Holz zu erschließen.<br />

Dieser Markt unterliegt keinen indirekten För<strong>der</strong>ungen (Mineralölsteuerbefreiung,<br />

EEG, etc.) und steht in direktem Wettbewerb zu Öl und Gas. An geeigneten Standorten mit<br />

hoher Wärmedichte können Anlagen mit einer kurzen Amortisationszeit betrieben werden.<br />

Voraussetzung ist allerdings die Errichtung preisgünstiger Anlagen und ein erheblicher Aufwand<br />

bei <strong>der</strong> „Kundengewinnung“, d. h. es müssen die Betreiber von größeren Objekten, wie<br />

z. B. Schulen, Krankenhäuser, Altenheime, Wohnblöcke und Gewerbegebiete von den wirtschaftlichen<br />

Vorteilen einer Wärmeversorgung mit Bioenergie überzeugt werden. Neben dem<br />

Betrieb von Heizanlagen auf Holzbasis bestehen zukünftig aufgrund <strong>der</strong> sich abzeichnenden<br />

Verknappung von Waldholz Chancen für die Bereitstellung von Holz aus Kurzumtriebsplantagen.<br />

Auch die Herstellung und <strong>der</strong> Vertrieb von Strohpellets als preisgünstige Alternative zu<br />

Holzpellets sind als Zukunftsmarkt anzusehen.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sowohl die Wärme-, Elektroenergie- und Kraftstofferzeugung<br />

für die Landwirtschaft neu zu erschließende Märkte darstellen, die es konsequent<br />

zu nutzen gilt. Die Bioenergieerzeugung kann und muss zu einem wesentlichen Standbein,<br />

gleichberechtigt neben <strong>der</strong> pflanzlichen und tierischen Nahrungsmittelproduktion werden.<br />

Die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sind zurzeit sowie mittel- und<br />

langfristig als äußerst günstig anzusehen.<br />

* * * * *<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 48<br />

9. Februar 2006


Landwirtschaftliche Vermarktung pflanzlicher Produkte<br />

Agrargenossenschaft Pfiffelbach e. G.<br />

Ulrich Fliege<br />

(Agrargenossenschaft Pfiffelbach)<br />

In persönlichen Gesprächen und bei vielfältigen Kontakten zu Berufskollegen aus an<strong>der</strong>en Agrarunternehmen<br />

ist festzustellen, dass die Vermarktung <strong>der</strong> eigenen Produkte mehr und mehr<br />

zum Tabuthema wird. Gespräche dieser Art kommen entwe<strong>der</strong> gar nicht mehr zustande o<strong>der</strong><br />

werden nur noch sehr allgemein und an <strong>der</strong> Oberfläche geführt. Erst mit größeren räumlichen<br />

Entfernungen zu Berufskollegen nimmt die Gesprächsbereitschaft wie<strong>der</strong> zu.<br />

In Zeiten gesättigter Märkte und auch aus existenziellen Gründen steigt <strong>der</strong> Wettbewerb zwischen<br />

den Erzeugern pflanzlicher Produkte immer mehr. Insbeson<strong>der</strong>e regionale Märkte werden<br />

stark umworben. Zunehmend und z.T. berechtigt, bestehen Bedenken, dass Betriebe im<br />

unmittelbaren Umfeld praktizierte Vermarktungsstrategien übernehmen könnten und sich<br />

damit <strong>der</strong> mühsam erarbeitete, vermeintliche Vorsprung zum an<strong>der</strong>en abbaut. Im Folgenden<br />

soll anhand unseres Betriebes dargestellt werden, welchen Zwängen man bei <strong>der</strong> Vermarktung<br />

unterliegt und welche Wege eingeschlagen werden können, um die erzeugten Produkte erfolgreich<br />

am Markt zu platzieren.<br />

Zunächst ist zu erwähnen, dass sich unser Unternehmen einer Handelsgesellschaft im eigenen<br />

Haus bedient, um einen gewissen Teil <strong>der</strong> Erzeugnisse abzusetzen. Zur Vereinfachung<br />

nachfolgen<strong>der</strong> Inhalte werden <strong>der</strong> Absatz <strong>der</strong> Agrargenossenschaft und <strong>der</strong> Handel über diese<br />

Tochtergesellschaft als Einheit dargestellt.<br />

Unter landwirtschaftlicher Vermarktung pflanzlicher Produkte ist in unserem Falle keine Direktvermarktung<br />

im Sinne eines Hofladens zu verstehen. Über diese Schiene wären wir nicht<br />

in <strong>der</strong> Lage, unsere Produkte und Mengen zufrieden stellend auf den Markt zu bringen. Im<br />

Mittel <strong>der</strong> Jahre sind aus unserer eigenen Erzeugung folgende Produktmengen an pflanzlichen<br />

Erzeugnissen im Markt zu platzieren und ergebnisorientiert abzusetzen:<br />

• Mähdruschfrüchte 28 000 t<br />

dav. Winterweizen 12 800 t<br />

dav. Braugerste 8 000 t<br />

• Speisekartoffeln 4 000 t<br />

Die Zuckerrübenproduktion sei an dieser Stelle ausgeblendet, da dieser Markt bisher stark<br />

kontingentiert war und die Zukunft ungewiss erscheint.<br />

In <strong>der</strong> Kartoffelproduktion haben wir in <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong> 90er Jahre aus investiven Gründen<br />

und aus Orientierungsunsicherheiten die Rolle des Rohstofflieferanten wahrgenommen.<br />

Die von uns erzeugten und eingelagerten Kartoffeln wurden als sortierte Speiseware lose an<br />

Handelsunternehmen sowie Aufbereitungs- und Verarbeitungsbetriebe veräußert. Hinsichtlich<br />

des finanziellen Erfolges hat sich dieser Weg als nicht zukunftsfähig erwiesen.<br />

Bereits Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre stand <strong>der</strong> Kartoffelanbau zur Disposition. Es galt, an<strong>der</strong>e Vermarktungsstrategien<br />

zu finden o<strong>der</strong> die Kartoffelerzeugung einzustellen. Erst die Erschließung<br />

<strong>der</strong> direkten Absatzschiene zum Einzelhandel in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> 90er Jahre und die<br />

damit verbundene Investition in die eigene Aufbereitung und Abpackung, machten die Kartoffelerzeugung<br />

im Unternehmen ökonomisch vertretbar.<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 49<br />

9. Februar 2006


Hinzu kommt <strong>der</strong> soziale Aspekt, bei dem die Kartoffel als arbeitsintensive Frucht im Ackerbau<br />

zwei Arbeitskräfte bindet und in <strong>der</strong> Aufbereitung und Vermarktung acht Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern ein Einkommen sichert.<br />

Der Schwerpunkt <strong>der</strong> Vermarktung liegt im Absatz <strong>der</strong> Mähdruschfrüchte mit zufriedenstellenden<br />

Preisen. Dabei sollen und müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass nicht unser<br />

Aufwand, son<strong>der</strong>n stets <strong>der</strong> Markt den Preis bestimmt. Weiterhin wird <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />

Vermarktung maßgeblich durch die jeweilige Marktnähe, das heißt durch die Entfernung<br />

zu Verarbeitungsbetrieben bestimmt.<br />

Im Braugerstenabsatz sind hierbei die in Thüringen, Sachsen und im fränkischen ansässigen<br />

Mälzereien zu nennen. Gleiches trifft für regional ansässige Mühlen und Mischfutterbetriebe<br />

im Weizenabsatz zu.<br />

Besteht solch eine direkte Handelsbeziehung zwischen Erzeuger und Verarbeiter, partizipieren<br />

nach unseren Erfahrungen beide Partner von dieser Verbindung. Natürlich kann keiner <strong>der</strong><br />

Beteiligten dem an<strong>der</strong>en etwas schenken. Es entstehen jedoch über lange Zeiträume Sicherheiten<br />

für beide Seiten sowie faire und vertrauensvolle Umgangsformen auch in angespannten<br />

Marktsituationen. Anbauumfang, Sortenstrategie, Gebrauchswerte, Qualitäten und Liefertermine<br />

werden dabei langfristig planbar und zuverlässig. Unter den heutigen Bedingungen z.T.<br />

gesättigter Märkte geht es nicht nur darum, einen im Verhältnis zum Aufwand darstellbaren<br />

Preis zu erzielen; es geht vielmehr auch darum, die Ware bis zur neuen Ernte überhaupt zufriedenstellend<br />

abzusetzen.<br />

Dennoch kann man vor diesem Hintergrund <strong>der</strong> direkten Vermarktung an Verarbeitungsbetriebe<br />

nicht davon ausgehen, dass 100 % <strong>der</strong> Ware auf diesem Wege absetzbar sind. Die Zusammenarbeit<br />

mit Landhandelsbetrieben ist eine wichtige Säule des Absatzes. Im Wesentlichen<br />

haben große Handelshäuser Zugänge zu Märkten, die uns als Erzeuger z.T. verschlossen<br />

bleiben. Die wir sicher auch nicht in jedem Fall in <strong>der</strong> Lage sind, sie für uns zu erschließen<br />

und zu bedienen.<br />

Hierbei denke ich beson<strong>der</strong>s an das Händling von Exporten, Schiffsverladungen und <strong>der</strong>gleichen<br />

mehr. Vergleicht man die Selbstversorgungsgrade <strong>der</strong> europäischen Staaten und an<strong>der</strong>er<br />

über mehrere Jahre in Bezug auf Getreide, wird deutlich, dass mehr und mehr Getreide exportiert<br />

wird. Hierzu brauchen wir leistungsfähige Handelshäuser, die in <strong>der</strong> Lage sind, funktionsfähige<br />

Exportlinien zu erschließen.<br />

Natürlich müssen wir uns, ganz gleich ob über den Landhandel o<strong>der</strong> Direktvermarktung, hinsichtlich<br />

Qualitäten, Sorten, Gebrauchswerten, Lieferterminen usw. stets nach den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

des Marktes richten. Dazu sind kurze Wege sinnvoll. Dabei kommt es immer wie<strong>der</strong><br />

vor, dass Kompromisse gefunden werden müssen und sich betriebliche Belange den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

des Marktes unterordnen. Ich denke hier an arbeitsorganisatorische Fragen während<br />

<strong>der</strong> Ernte, an die Koordinierung des Anbauumfanges mit den jeweiligen Lagerkapazitäten, an<br />

Maschinenausstattungen und vieles mehr.<br />

Eines <strong>der</strong> entscheidendsten Kriterien zur Nutzung von Spielräumen hinsichtlich landwirtschaftlicher<br />

Vermarktung sehen wir in <strong>der</strong> freien Wahl des Verkaufszeitpunktes. Sind wir durch<br />

verschiedene Bedingungen gezwungen, das Getreide während <strong>der</strong> Ernte zu den dann geltenden<br />

Konditionen zu verkaufen o<strong>der</strong> bringen wir die Ware nach entsprechen<strong>der</strong> Beobachtung<br />

und Analyse auf den Markt?<br />

Das muss je<strong>der</strong> für sich entscheiden. Wir sind bisher sehr gut damit gefahren, uns schrittweise<br />

vom Verkaufsdruck während <strong>der</strong> Ernte zu befreien.<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 50<br />

9. Februar 2006


Wir verfügen heute über eine belüftete Lagerkapazität von 22 500 t Getreide. Damit sind wir in<br />

<strong>der</strong> Lage, 100 % des Getreides und 80 % aller Mähdruschfrüchte im Betrieb einzulagern und<br />

erst zum entsprechenden Zeitpunkt zu vermarkten. Neben <strong>der</strong> Schaffung von Lagerraum in<br />

den letzten Jahren haben sich sowohl die entstandene Aufbereitungsanlage, als auch die Möglichkeiten<br />

zur Qualitätsbestimmung und die vorhandene Fuhrwerkswaage bewährt.<br />

Bei <strong>der</strong> Entscheidung zur Vermarktung unseres Getreides erst nach Ablauf <strong>der</strong> Ernte standen<br />

und stehen folgende Überlegungen im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

• Die Marktpreisentwicklung in den Nacherntemonaten bis hinein in das <strong>der</strong> jeweiligen Ernte<br />

folgenden Jahres.<br />

• Das Einsparpotential hinsichtlich Logistik.<br />

• Planmäßigere und störungsfreiere organisatorische Arbeitsabläufe während <strong>der</strong> Erntesaison.<br />

• Vereinfachte Abrechnungsmodalitäten beim Verkauf <strong>der</strong> Ware aus dem Lager gegenüber<br />

dem Verkauf Ex Ernte.<br />

• Verhandlungsvorteile beim Verkauf nach <strong>der</strong> Ernte im Vergleich zum Direktverkauf unter<br />

Zeitdruck bei laufenden Mähdreschern.<br />

An Hand <strong>der</strong> aufgeführten Schwerpunkte vermarkten wir die gesamte Getreideernte zeitlich<br />

erst nach den Erntearbeiten und sind bisher sehr gut damit gefahren.<br />

Es bedarf des nochmaligen Hinweises, dass Verkäufe aus unserem Lager nicht ausschließlich<br />

nur an die verarbeitende Industrie, son<strong>der</strong>n erhebliche Mengen auch über uns zugängige<br />

Landhandelsunternehmen getätigt werden. Der Landhandel ist auch nach dem Ablauf <strong>der</strong> Getreideernte<br />

ein fester, zuverlässiger und nicht wegzudenken<strong>der</strong> Partner unseres Betriebes. Ein<br />

gesun<strong>der</strong> Handelsmix zwischen Verarbeitung und Landhandel hat sich bewährt.<br />

* * * * *<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 51<br />

9. Februar 2006


Verbesserung <strong>der</strong> Marktposition landwirtschaftlicher Unternehmen –<br />

Was hat sich bewährt?<br />

Dr. Horst Schubert<br />

(Herkunftsverband Thüringer und Eichsfel<strong>der</strong> Wurst und Fleisch e. V.)<br />

Vorbemerkungen:<br />

1. Die Bestimmung <strong>der</strong> Marktposition <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Erzeuger erfor<strong>der</strong>t, die des<br />

Ernährungsgewerbes mit in die Betrachtung einzubeziehen, denn mehr als 90 % <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />

Urerzeugnisse erreichen den Markt über die Be- bzw. Verarbeitung.<br />

2. Möchte ich meinen Beitrag nicht darauf beschränken, über Bewährtes zu sprechen. Denn<br />

Bewährtes überlebt sich schnell, wenn sich die Umfel<strong>der</strong> än<strong>der</strong>n. Und gerade damit haben<br />

wir es mit zunehmen<strong>der</strong> Globalisierung zu tun und das Reagieren auf Weltmarktbedingungen<br />

steht im Fokus <strong>der</strong> heutigen Tagung.<br />

Fragestellungen:<br />

1. 1. Welche Marktposition hat die Thüringer Land- und Ernährungswirtschaft?<br />

2. 2. 2. Was hat sich bewährt?<br />

Regionale Vermarktung<br />

Bündelung <strong>der</strong> Erzeugerangebote<br />

Vertikale Kooperation<br />

Qualitätspolitik<br />

3. 3. Vor welchen Herausfor<strong>der</strong>ungen steht die Thüringer Land- und Ernährungswirtschaft?<br />

Die Generalaufgabe lautet:<br />

Sicherung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Unternehmen <strong>der</strong> Land - und Ernährungswirtschaft<br />

bei wachsen<strong>der</strong> Konzentration und zunehmen<strong>der</strong> Öffnung <strong>der</strong> Märkte.<br />

Was heißt das z.B. für die Thüringer Fleisch- und Milchwirtschaft?<br />

Was taugt Bewährtes - so das Thema - zur Bewältigung <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen von morgen?<br />

Thesen:<br />

• Die Priorität <strong>der</strong> regionalen Vermarktung nimmt mit wachsen<strong>der</strong> Konzentration in Verarbeitung<br />

und Vermarktung ab.<br />

• Die regionale Vermarktung findet verstärkt in <strong>der</strong> Nische statt. Sie hat für diese - in <strong>der</strong> Regel<br />

kleinere - Unternehmen auch weiterhin große Bedeutung.<br />

• Konzernbildung gefährdet die Produkt- und Spezialitätenvielfalt<br />

• Kosten- und Innovationsdruck nehmen weiter zu<br />

• Produktqualität und Produktsicherheit haben höchste Priorität<br />

• Der Druck auf Konzentration und Strukturverän<strong>der</strong>ungen wächst –vor allem im Verarbeitungs-<br />

und Vermarktungsbereich- sie führen zur Polarisierung <strong>der</strong> Unternehmenslandschaft<br />

(Konzernzugehörigkeit - Nischenproduzent).<br />

• Der Exportdruck, vor allem bei den Unternehmen mit Konzernbindung, steigt.<br />

• Produktsicherheit und Risikominimierung zwingen zu stärkerer vertikaler Vernetzung.<br />

• Der Wettbewerb in <strong>der</strong> Horizontalen verlagert sich hin zum Wettbewerb in <strong>der</strong> Vertikalen,<br />

<strong>der</strong> Wettbewerb <strong>der</strong> Unternehmen wird zum Wettbewerb <strong>der</strong> Produktionssysteme.<br />

• Entscheidungskompetenzen wan<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> Peripherie in die Zentralen.<br />

• Diese Zentralen werden durch den Handel und die großen Konzerne in Verarbeitung und<br />

Vermarktung besetzt.<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 52<br />

9. Februar 2006


• Gutes know-how und wettbewerbsfähige Strukturen im Erzeugerbereich müssen zu weiterer<br />

Reduzierung <strong>der</strong> Kosten und stärkerer Bündelung in Beschaffung und Absatz ausgebaut<br />

werden.<br />

• Beibehaltung von unternehmerischer Eigenständigkeit, vor allem im Verarbeitungs- und<br />

Vermarktungsbereich, zwingen zu verstärkter Kooperation und setzen entsprechende Kapitalstärke<br />

voraus, wer Geld hat, kauft, wer keines hat, wird gekauft.<br />

• Die Märkte <strong>der</strong> Zukunft entziehen sich immer stärker <strong>der</strong> politischen Regulierung. Das<br />

Wachstum <strong>der</strong> Märkte ist zunehmend direkte Folge <strong>der</strong> fortschreitenden Konzentration in<br />

Handel, Verarbeitung und Vermarktung.<br />

Diese Prozesse werden durch die Agrarreform <strong>der</strong> Gemeinschaft und die WTO-Verhandlungen<br />

entsprechende Beschleunigung erfahren.<br />

Auf diese Verän<strong>der</strong>ungen haben sich die Wirtschaftsbeteiligten, aber auch diejenigen, die die<br />

Wirtschaft begleiten und beraten (z.B. Agrarmarketing), einzustellen.<br />

Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Marktposition haben vor allem und zuerst etwas mit<br />

Chancengleichheit und gleichen Rahmenbedingungen zu tun.<br />

Dazu kommt, dass Energiekonzerne unter den zehn größten deutschen Konzernen nach <strong>der</strong><br />

TELEKOM die absolut höchsten Gewinne eingefahren haben (RWE: 5,6 , EON 5,9 Mrd. Euro!).<br />

Neben diesen wirtschaftlichen Zwängen ist das Konsumverhalten des Verbrauchers von erheblichem<br />

Einfluss auf die Markt- und Ertragslage <strong>der</strong> Ernährungsbranche.<br />

So hat <strong>der</strong> Freistaat Thüringen in den letzten neun Jahren 150 Tsd. Einwohner verloren, d.h. 45<br />

an jedem Tag. Hinzu kommt, dass die Verbraucherstruktur heut völlig an<strong>der</strong>s ist als vor neun<br />

Jahren.<br />

D.h. das Anfor<strong>der</strong>ungsprofil einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung än<strong>der</strong>t sich: altersgerecht,<br />

gesundheitsför<strong>der</strong>nd, Functional Food, Wellness, Convenience.<br />

Chancen für Ernährungsbranche, rechtzeitig erkennen!<br />

Das Lebensmittelgeschäft in <strong>der</strong> Gemeinschaft hat es obendrein mit einer recht unterschiedlichen<br />

Ausgabementalität <strong>der</strong> europäischen Verbraucher zu tun.<br />

Obgleich die Konzentration im Handel weiter wächst, ist die Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels<br />

in Deutschland nicht die kausale Ursache für das niedrige Ausgabeniveau für<br />

den Einkaufskorb bei Lebensmitteln.<br />

Strukturen im Fleisch- und Milchbereich, wo steht Deutschland, wo Thüringen?<br />

Milch<br />

Entwicklung Trends: Deutschland/Thüringen<br />

Erzeugung:<br />

Milchmenge bleibt konstant, Milchleistung steigt, Kuhbestand geht zurück, Anzahl <strong>der</strong> Betriebe<br />

sinkt (deutschlandweit, halbiert), Tierbestand je Halter steigt!<br />

Strukturvorteil <strong>der</strong> neuen Bundeslän<strong>der</strong>, aber Kosten runter!<br />

Verarbeitung/Milchmarkt:<br />

Weiterer Strukturwandel, auch in Thüringen?, Innovationsdruck bei Nischenproduzenten<br />

8. Jahrestagung Thüringer Landwirtschaft 53<br />

9. Februar 2006


Chancen Export:<br />

in Wachstumsregionen (Asien, Osteuropa) durch Expansion,<br />

in gesättigten Märkten durch Innovation und Kostenführerschaft<br />

Druck zum Export:<br />

Intervention geht zurück, Drittlandimporte steigen<br />

Fazit<br />

Mehr Unterstützung für Innovation, regionale Spezialitäten (Nischenproduzenten), mehr Exportunterstützung<br />

(CMA), Zugang zu Konzernstandorten wird schwieriger!<br />

Fleisch<br />

Schlachtungen:<br />

liegen über <strong>der</strong> Erzeugung (Schwein!), Rin<strong>der</strong> bei ca. 80 % <strong>der</strong> Erzeugung<br />

Trends:<br />

Konzentration<br />

Bewegung in <strong>der</strong> Branche , Erhöhung <strong>der</strong> Konzentration durch externe Einwirkung!<br />

Aktivitäten durch BestMeat/Vion in Thüringen über Mutterkonzerne von Weimarer Wurstwaren<br />

(Nordfleisch) bzw. Südostfleisch Altenburg über Südfleisch.<br />

Damit > 80 % <strong>der</strong> Thüringer Schlachtungen in nie<strong>der</strong>ländischer Hand.<br />

Vion mit 7 Mrd. Umsatz Branchenprimus in Europa.<br />

Wachsen<strong>der</strong> Discountanteil (> 40 %) auch bei Frischfleisch. Hohe Priorität bei Produkt- und<br />

Prozessqualität.<br />

Fazit<br />

Unterstützung bei Innovationen (Convenience), Qualitätssicherung und Harmonisierung <strong>der</strong><br />

QS-Systeme, Herkunfts- und Markenschutz (Geschützte geografische Bezeichnungen). Ausbau<br />

vertikaler Verbundsysteme.<br />

* * * * *<br />

Kurzfassung <strong>der</strong> <strong>Vorträge</strong> 54<br />

9. Februar 2006

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!