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DAS MEISTERHEFT Mai 2011 - Evonik

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44 MYTHOS BVB<br />

Zuschauer am BVB-Trainingsgelände in Dortmund-Brackel: gute Gelegenheit für Autogramme und Handschlag von den Spielern<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Spiel. Leute treffen, die auch immer da sind. Hoffen,<br />

fiebern, dann den Sieg feiern oder den Kummer<br />

he runterspülen. Deutschlands größtes Fußball sta dion<br />

ist gut besucht. Auch heute sind alle 80.720 Karten verkauft.<br />

Die Dortmunder sind verlässliche Zuschauer,<br />

selbst wenn es mal schlecht läuft. Darauf scheinen die<br />

Schwarz-Gelben sogar besonders stolz zu sein: dass sie<br />

keine Schönwetter-Fans sind, sondern Durch-dick-unddünn-Typen,<br />

immer da, gerade auch in miesen Zeiten.<br />

„Wir sind alle am Borsigplatz geboren“<br />

Und die Spieler? „Das sind keine gelackten Typen, die da<br />

rumlaufen. Die trifft man auch schon mal im Aldi“, sagt<br />

der Metzger und Stadionsänger Andy Schade. Sie mögen<br />

steinreich sein. Doch wenn sie nicht zum Anfassen sind,<br />

taugen sie nicht für Dortmund. „Was ich in Dortmund<br />

gefunden habe“, sagt der Sauerländer Schade, „ist genau,<br />

wonach ich mich gesehnt habe. Da weiß ich, wo ich dran<br />

bin. Da sagt man sich Bescheid, und dann ist das Thema<br />

vom Tisch.“ Dazu kommt diese Wucht: „Wenn man vor<br />

der Süd steht und mitkriegt, wie die bölken und pfeifen,<br />

dann ist das schon eine gewaltige Macht.“ In seiner<br />

BVB-Hymne singt er: „Wir sind alle am Borsigplatz<br />

geboren…“ Was ja eigentlich nicht stimmt, oder? „Na<br />

ja“, sagt der Sänger, „von der Seele her.“<br />

Der Himmel ist schon ganz schwarz, das grelle Flutlicht<br />

lässt den Rasen noch grüner wirken. Es wird kalt.<br />

Doch aus der Menge steigt Wärme auf. Zwei Freunde<br />

– ein Kräftiger und ein Schmaler mit Brille, Thomas<br />

und Ralf, beide 49, Fans seit Jahrzehnten – reden<br />

von Gemeinschaft und von Liebe. „Hier sind Ingenieure,<br />

hier sind Hilfsarbeiter. Wenn Spiel ist, ist das egal.<br />

Die stehen dahinter“, sagt Thomas, hier sei das „Feeling“.<br />

Ralf blickt kopfschüttelnd auf schwere Zeiten<br />

zurück, da Fans und Mannschaft keine Freunde mehr<br />

waren. Jetzt, sagt er strahlend, sei es „totale Sympathie“.<br />

Dauer karte? Beide nicken.<br />

Natürlich gibt es auch die Knalltüten, die „Idioten“,<br />

wie Petra sagt, die „ohne Kopp“, wie es Stefan ausdrückt.<br />

Kerle, die auf Krawall aus sind. Doch die Fans fühlen sich<br />

hier sicher, selbst mit Kindern. „Man sagt immer, die<br />

Tribüne sei die schlimmste, aber ich sehe das gar nicht<br />

so“, meint Ordner Marko, der unten ein Zwischengitter<br />

bewacht. „Ist schon anstrengend. Vor allem, wenn zu<br />

viel getrunken wird“, meint Ordnerin Lisa, die in Block<br />

83 steht, mitten im schwarz-gelben Meer. Sie passt auf,<br />

dass zum Beispiel keiner über die Bande klettert. Ihr<br />

Rezept: „Man ist einfach nur freundlich. Und das wirkt<br />

schon.“ Die Arbeit bringt ihr Spaß, seit zehn Jahren.<br />

„Das Tollste ist, wenn die Tribüne wirklich bebt.“ Was<br />

sie jetzt, in der 89. Spielminute, prompt tut. Der Gegner<br />

schafft den Ausgleich. Während sich ein Borussia-Spieler<br />

verletzt auf dem Rasen windet. Unfair? Die „Süd“ zittert<br />

vor Zorn. Ein riesiger Chorus kreischt, pfeift, brüllt,<br />

bis die Ohren vibrieren. Ein Unentschieden im letzten<br />

Augenblick. Schon gehen die Ersten, stapfen frustriert<br />

durch Pappteller, Senf und Bierlachen.<br />

So viel Gefühl. Das kaum einer wirklich in Worte<br />

fassen kann. Manche zeigen einfach auf ihr Herz, andere<br />

reden von Gänsehaut, Heimat, Geborgenheit, Hingabe<br />

und Leidenschaft. Menschen, die schon im BVB-<br />

Strampler laufen gelernt haben, gucken oft ganz hilflos<br />

und sagen dann: „Das kann man gar nicht beschreiben.“<br />

Auf zu den Wurzeln des Vereins, in die Nordstadt.<br />

Zur katholischen Kirchengemeinde Heilige Dreifaltigkeit<br />

in der Flurstraße, nicht weit vom Borsigplatz.<br />

Wo sich anno 1901 eine gleichnamige „Jünglings sodali<br />

tät“ formte, eine Gruppe junger Männer, die Sport<br />

MYTHOS BVB 45<br />

Die Kampfbahn Rote Erde war von 1937 bis 1974 Austragungsort der BVB-Heimspiele. Für die internationalen Spiele in den 60er-Jahren war das Stadion bald zu klein<br />

treiben wollte. Sie hatten vor allem Spaß an dem neuen<br />

Sport, den andere als „Fußlümmelei“ beschimpften.<br />

Eine Einwanderungsgeschichte: Denn ihre Familien<br />

waren zumeist aus katholischen Gegenden ins<br />

protestantische Dortmund gekommen, um in Hütten<br />

oder Zechen zu arbeiten. Und ein Konflikt: weil der<br />

Kaplan der Gemeinde das um sich greifende Fußballspiel<br />

missbilligte, als ungutes, rohes Treiben betrachtete.<br />

Nach langem Hickhack gründeten die Fußballer<br />

schließlich im Wirtshaus Zum Wildschütz, um die<br />

Ecke in der Oesterholzstraße, trotzig den „Ballspielverein<br />

Borussia 1909“, benannt nach dem Namen einer<br />

Brauerei und dem Gründungsjahr 1909. „Fußball, das<br />

war schon damals eine Inkarnation von Lebensfreude“,<br />

meint Ansbert Junk, 43, einige Jahre lang Pastor der<br />

Dreifaltigkeitsgemeinde, inzwischen nach Herne versetzt.<br />

Aber immer noch ganz BVB-Fan. Vor den Spielen<br />

eilt er meist noch flugs in die Kirche, um eine Kerze<br />

anzuzünden – für die Borussia. „Das ist so ein katholischer<br />

Reflex“, sagt er schmunzelnd. Junk ist zufrieden<br />

mit der Substanz des Vereins, spricht vom Zusammenhalt<br />

im Fußball, von Verbundenheit und dem schwarzgelb<br />

gestärkten Selbstvertrauen. „Und das macht Borussia<br />

heute auch zum Meister. Da ist die Stimmung einfach<br />

gut, da ist der eine für den anderen da.“<br />

„Du willst ja raus aus dem Dreck“<br />

Die stolzen Fußball-Pioniere spielten um die Ecke<br />

auf der Weißen Wiese. Aus der in den 20er-Jahren<br />

ein richtiges Stadion wurde – nachdem der Direktor<br />

der Union-Brauerei auf dem Chefsessel des Vereins<br />

Platz genommen hatte. Sie malochten fast alle<br />

nebenan in der Westfalenhütte der Hoesch AG. Die<br />

wuchs in den 30ern – ein Krieg wurde vorbereitet.<br />

Kirchlicher<br />

Segen und<br />

göttlicher<br />

Beistand<br />

In der Dreifaltig keits-<br />

Gemeinde fi ng<br />

alles an – allerdings<br />

war das Verhältnis<br />

zwischen Kirche und<br />

BVB anfangs nicht<br />

so harmonisch, wie<br />

die Plakette glauben<br />

machen möchte.<br />

Der damalige Kaplan<br />

wollte die Vereinsgründung<br />

1909 noch<br />

höchstpersönlich<br />

verhindern. Heutige<br />

Geistliche wie<br />

Andreas Coersmeier,<br />

Pfarrer der Propsteigemeinde<br />

Dortmund,<br />

sehen die Beziehung<br />

zum Fußball<br />

viel entspannter<br />

FOTOS: DEFODI.DE (3), ARCHIV GERD KOLBE<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>

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