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20 Prozent überstehen ihre Probezeit nicht Offenburg. Ein Diplom-Psychologe mit 30 Jahren Berufserfahrung bei der Telefonseelsorge soll wissen, wie sich die ersten 100 Tage in einem neuen Job anfühlen? Er weiß es. Nicht zuletzt, weil Konflikte und Stress am Arbeitsplatz häufig Themen bei der Telefonseelsorge sind. Und er gibt sein Wissen seit rund 20 Jahren mit Erfolg weiter. Geschätzte 200 Buchtitel werden von Jürgen Hesse mit einer Auflage von mehr als sechs Millionen in Online- Buchhandlungen geführt. Er betreibt Büros in sieben deutschen Städten, in denen insgesamt eine Viertelmillion Beratungen vorgenommen wurden. Menschen ohne Job sind Hesses Klienten. Aber auch solche mit Job und mit unglücklichen Gefühlen darüber. Am Dienstag, 14.12.2010 war Deutschlands Karriereberater Nummer 1 im Rahmen der FORUM-Vortragsreihe zu Gast auf dem Campus Offenburg und referierte vor einem voll besetzten Hörsaal zum Thema „Die ersten 100 Tage im Job". In der Tat ist es eine wichtige Frage, wie man durch diese Zeit kommt, denn: „20 Prozent der Arbeitnehmer überstehen ihre Probezeit nicht – Tendenz steigend", so Jürgen Hesse. Eine Kurzumfrage des Referenten unter den Studenten ergab: Die meisten rechneten mit fünf bis zehn Prozent Abbruchquote und mussten eine Tatsache zur Kenntnis nehmen, die die Aufmerksamkeit während des Vortrags wohl bei den meisten gesteigert haben dürfte. „Die meisten Unternehmen haben keine speziellen Integrationsprogramme für neue Mitarbeiter", desillusionierte Hesse sein Auditorium weiter. Umso wichtiger sei es, sich die Phasen zu vergegenwärtigen, die jeder Neuling am Arbeitsplatz durchlaufe: „Nach der Vorbereitung folgt mit dem Eintritt in das Unternehmen die Phase der Orientierung, die bestimmt ist von den wechselseitigen Erwartungen. Letztere dienten häufig als Realitätsschock und sorgten vielfach für Konflikte. Umso wichtiger sei die dritte Phase, in der es „um den Versuch der Bewältigung von Widersprüchen zwischen Erwartungen und Realität geht", so Hesse weiter. Wer in dieser Zeit begreife, dass er eine ihm zugedachte Rolle annehmen muss, werde sehr viel schneller zum vollwertigen Mitglied der Arbeitsgemeinschaft. Darüber hinaus zählt laut Hesse selbstredend auch bei Kollegen und Vorgesetzten der erste Eindruck: „Strahlen Sie Selbstvertrauen aus, sperren Sie Augen und Ohren auf und lassen Sie den Mund eher zu. Seien Sie besser kein Besserwisser und holen Sie sich so schnell als möglich ein Feedback in der Probezeit, anfangs wöchentlich, dann alle 14 Tage." Dass man sich am besten an den Dresscode hält (schlichte Eleganz), pünktlich erscheint und allseits freundlich grüßen sollte, dürfte den meisten Zuhörern geläufig gewesen sein. Nicht minder banal, aber von großer Wichtigkeit: „Bestätigen Sie ruhig immer wieder, wie froh Sie sind, im Team arbeiten zu dürfen!" Was die Zuhörer wohl eher verblüfft haben dürfte, ist Jürgen Hesses Erfahrung, dass die Kompetenz zumindest in den ersten 100 Tagen gar keine Rolle spielt: „Ihre neuen Kollegen und auch Ihr Chef denken sowieso, dass sie Ihnen alles beibringen müssen. Was von Ihren VERANSTALTUNGEN Karrieremacher Jürgen Hesse referierte auf Einladung des Career Centers an der Hochschule Äußerungen wahrgenommen wird, sind maximal zehn Prozent Inhalt, 40 Prozent Stimme und 50 Prozent Körpersprache." Aber auch wenn die ersten 100 Tage viel Selbstdisziplin verlangen, empfiehlt Hesse insbesondere den Berufsstartern: „Ziehen Sie es durch. Sie sollten mindestens zwei Jahre in einem Unternehmen bleiben, alles andere macht sich in der Berufsbiografie nicht gut! Einzige Ausnahme: Wenn der Arbeitsplatz so wenig zu einem passt, dass er krank macht." Und so beendete Hesse seinen Vortrag auch mit einem Graffitispruch: „Wir sind nicht auf der Welt, um so zu sein, wie andere uns haben wollen!“ DORIS GEIGER FREIE JOURNALISTIN campus I Das Magazin der Hochschule Offenburg I Winter 2010/11 91
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