II - CCA Monatsblatt
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Weltkrieges auf deutscher Seite entstammt er so genannten kleinbürgerlichen<br />
Verhältnissen mit dem berüchtigten Drang nach „Höherem“. Fermentiert durch<br />
die Führerideologie, das Herrenmenschenprinzip der SS und das bis zur<br />
Selbstaufgabe gehende „Pflichtbewusstsein“ wurde Barbie zu dem, was er war<br />
und auch später nie bereute: Dem „Schlächter von Lyon“.<br />
Von 1942 bis 1944 befehligte er als Leiter der Abteilung IV des<br />
Sicherheitsdienstes die Lyoner Außenstelle der Geheimen Staatspolizei<br />
(Gestapo). „Ich bin gekommen, um zu töten“, soll Barbie gesagt haben, als er<br />
das Kommando übernahm.<br />
Während dieser 21 schrecklichen Monate wurden in der Stadt 14.311<br />
Verhaftungen, 7.591 Deportationen und 4.342 Hinrichtungen vorgenommen.<br />
Tausende Männer, Frauen und Kinder soll Barbie gefoltert, in<br />
Vernichtungslager verschickt oder gleich selbst getötet haben. Sicher ist: Auf<br />
seinen Befehl hin überfielen Bewaffnete am 6. April 1944 ein Heim jüdischer<br />
Kinder in Izieu. 41 Verschleppte im Alter zwischen drei und dreizehn Jahren<br />
starben wenig später in den Gaskammern von Auschwitz.<br />
Überlebende erinnerten sich an Barbie als sadistischen Henkersknecht. Lisa<br />
Lesevre, die im Krieg dem französischen Widerstand gegen die<br />
Besatzungsmacht angehört hatte und vor Gericht als Zeugin auftrat, war Barbie<br />
im März 1944 in die Hände gefallen. Damals war sie 43, verheiratet, zweifache<br />
Mutter. „Barbie ist ein wildes Tier“, sagte sie vor dem Beginn des Prozesses<br />
1987 dem SPIEGEL-Reporter Peter Schille – und wählte dabei ganz bewusst die<br />
Gegenwartsform.<br />
Barbie habe sie 19 Tage lang verhört und gefoltert. „Wenn er keine Lust mehr<br />
hatte, schaute er zu, wie seine Büttel mich folterten“, sagte die damals 86jährige<br />
Lesevre. „Barbie war sehr, sehr grausam. Er war verrückt. (...) Es machte<br />
ihm Spaß, Menschen zu quälen.“ Er habe sie mit einer Peitsche malträtiert, an<br />
deren Ende sich eine Bleikugel befand. Er habe sie in eiskaltes Wasser gedrückt,<br />
minutenlang, sodass sie zu ertrinken glaubte. Er habe sie mit einer Knute<br />
geprügelt, einer stacheligen Eisenkugel an einer langen Kette. Barbie wollte,<br />
dass Lisa Lesevre den Namen eines Résistance-Anführers preisgab. Doch sie<br />
schwieg beharrlich. Sie erinnerte sich: „Ich fühlte mich wie lebendig begraben.“<br />
Kaum vorstellbar, welche Grausamkeiten sich in der Suite 68 im zweiten Stock<br />
des Lyoner Hotel Terminus abgespielt haben, in dem sich Barbie eingenistet<br />
hatte. Von „Orgien unsäglich scheußlicher Gemeinheiten“ berichtete Barbies<br />
Biograph Tom Bower. SPIEGEL-Autor Heinz Höhne beschrieb „schauerliche<br />
Szenen“: „Nackte Frauen, die bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt und dann von<br />
Hunden sexuell missbraucht wurden, katholische Pfarrer, die Barbie mit<br />
Elektroschocks quälte und an den Füßen aufhängen ließ, bis ihnen das Blut aus<br />
Mund, Nase und Ohren schoss, Kinder, die er Tag für Tag prügelte und hungern<br />
ließ.“<br />
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