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Blindheit - cisOnline

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Deutungsmustern, individuellen Erfahrungsinhalten und demnach einer ganz<br />

spezifischen Kompetenzausstattung gegeben. Den voll autonomen Menschen<br />

gibt es daher nicht. Man kann sich lediglich an physisch technische und<br />

natürlich soziale Faktoren der Umwelt anpassen. Bei einem blinden Menschen<br />

sind hinsichtlich der Realisierung seiner Autonomie und damit auch seiner<br />

Integration allerdings behinderungsbedingte Einschränkungen vorhanden.<br />

Daher sind in bezug auf seine Erziehung und Bildung sowie die<br />

Verwirklichung seiner individuellen Bedürfnisse entsprechende Bedingungen<br />

zu schaffen, die ihn schließlich dazu befähigen, erhöhte Chancen zur<br />

Integration in der ihn umgebenden, gerade so ausgestatteten Umwelt<br />

wahrzunehmen.<br />

Was bedeutet nun Integration in der Familie? Wenn ich von meiner<br />

persönlichen Lebensgeschichte ausgehe, so war ich nach meiner Erblindung<br />

im Alter von 17 Jahren stets bemüht, mit meiner sehenden Umwelt Schritt zu<br />

halten. Mein um zwei Jahre jüngerer Bruder las leidenschaftlich gern die<br />

Zeitung. Im Vordergrund standen dabei alle Informationen über Sport, denn<br />

das war für die Unterhaltung mit den Freunden stets wichtig. Da auch ich trotz<br />

meiner Erblindung häufig in diesem Kreis verkehrte, waren auch für mich alle<br />

speziellen Nachrichten über Fußball, Skisport oder Eishockey von großer<br />

Bedeutung. Mein Bruder hatte aber verständlicher Weise nicht immer Zeit und<br />

auch nicht immer Lust, mir aus der Zeitung vorzulesen. Deshalb wurde es für<br />

mich zur Routine, mir über die speziellen Sportsendungen im Rundfunk die<br />

nötigen bzw. die mir wichtig erscheinenden Nachrichten anzuhören. Dadurch<br />

hatte ich zwar nicht immer die gleiche Breite an Informationen, aber nicht<br />

selten hatte ich einige Neuigkeiten sogar früher zur Verfügung als mein Bruder<br />

und die gemeinsamen Freunde. Das verschaffte mir nicht nur innere<br />

Befriedigung, sondern trainierte gleichzeitig meine Merkfähigkeit und stärkte<br />

somit auch mein Selbstbewußtsein. Durch diesen hinsichtlich des Zugangs zu<br />

Informationen selbst geschaffenen Ausgleich konnte ich mir in meinem<br />

unmittelbaren sozialen Umfeld ziemlich bald ein gewisses Maß an<br />

Selbständigkeit, Ansehen und Anerkennung erwerben. Ähnlich handelte ich<br />

auch hinsichtlich politischer, wirtschaftlicher und kultureller Nachrichten. Meine<br />

diesbezügliche Verhaltensweise dehnte ich später auch auf mathematische<br />

Formeln, Literatur und Liedertexte aus. All das war für mich sowohl in der<br />

Schule, später natürlich beim Studium und auch in gesellschaftlicher Hinsicht<br />

von Vorteil. Die Realisierung der Maxime "Wissen ist Macht" betrachte ich<br />

daher als eine wesentliche Voraussetzung für die Integration in Familie,<br />

Schule, Beruf und Gesellschaft.<br />

Eine ähnlich große Bedeutung wie die konsequente Aneignung von Wissen<br />

und die Beschaffung von Informationen ist die Anwendung von<br />

lebenspraktischen Fertigkeiten sowie die Umsetzung von Orientierung und<br />

Mobilität. Das Training und die Anwendung von lebenspraktischen<br />

Fertigkeiten sind eine wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches<br />

Auftreten im näheren und weiteren sozialen Umfeld. Wenn ich mir etwa<br />

hinsichtlich meiner Körperhaltung, der Pflege meiner Kleidung oder der<br />

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