Verstehen heißt Wiedererfinden - Freinet-Kooperative eV
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Setting bei Erwachsenen und Kindern<br />
In meinen Seminaren kümmere ich mich anfangs sehr<br />
wenig um fachliche (in diesem Fall mathematische) Inhalte:<br />
Ich versuche vor allem das ‚Verhalten des Menschen<br />
beim Lernen‘ herauszuarbeiten. Um das zu erreichen,<br />
bitte ich die Teilnehmer, eine mathematische Erfindung zu<br />
machen. Das bringt sie zunächst ganz durcheinander, weil<br />
sie sich nicht an das klammern kön nen, was sie bereits<br />
wissen, bzw. weil sie sich nicht auf hinlänglich erprobte<br />
Strategien zurückziehen können.<br />
Die Teilnehmer befinden sich so in einer für sie völlig<br />
neuen Lage, und sie reagieren auf diese ungewohnte<br />
Situation ganz offen und spontan. Sie zeigen sich so, wie<br />
sie wirklich sind, weil sie ihre Verhaltensweisen und Gefühle<br />
zu diesem Zeitpunkt nur wenig kontrollieren, denn<br />
sie nehmen diese selbst (noch) nicht wahr. Ich sehe es als<br />
meine Aufgabe an, ihnen diese Verhaltensweisen und Gefühle<br />
bewusst zu machen, denn es scheint mir für Lehrer<br />
sehr wichtig zu sein zu lernen, wie man solche Reaktionen<br />
erkennt und entschlüsselt. Dies fällt ihnen übrigens sehr<br />
leicht, weil es ihre eigenen Reaktionen sind. So sage ich<br />
z.B.:<br />
„Macht eine mathematische Erfindung!“<br />
Anschließend ahme ich die Bestürzung einiger Teilnehmer<br />
nach, indem ich die Hände über dem Kopf zusammenschlage:<br />
„Eine Erfindung? Das kann ich nicht!“<br />
Und ich fahre fort: „Aber klar doch! Aber ja doch! Ihr<br />
schafft das. Als erstes: Was ist eigentlich eine Erfindung?<br />
Es ist ganz einfach: Es ist irgendetwas! Also: Ihr geht von<br />
Ziffern, Zahlen, Punkten oder Buchstaben aus und macht<br />
damit irgendetwas. Und dieses ‚Irgendetwas‘, das kann<br />
jeder!“<br />
Ich füge hinzu: „Zermartert euch nicht den Kopf!<br />
Wenn ihr es jetzt noch nicht genau verstanden habt,<br />
dann versuchen wir es noch einmal.”<br />
Aber in der Regel braucht man diesen zweiten Anlauf<br />
nicht, weil jeder mitmacht. Schließlich sind diese Personen<br />
hier, weil sie es wollen. (Eigentlich arbeite ich sehr<br />
selten in einem ‚offiziellen‘ Rahmen und unter Pflichtbedingungen.<br />
Und so habe ich es sozusagen immer nur mit<br />
Freiwilligen zu tun, die immer mitarbeiten wol len.)<br />
Während dieser Arbeit gehe ich durch die Reihen und<br />
bitte einzelne Teilnehmer, diese oder jene Erfindung an<br />
die Tafel zu schreiben. Und ich füge hinzu: „Entschuldigt<br />
bitte, wenn ich nicht alle Erfindungen nehmen kann. Das<br />
ist schade, denn durch die Kommentare zur eigenen Erfindung<br />
lernt man am besten. Als Ausgleich werden morgen<br />
diejenigen Vorrang haben, die heute nicht ausge wählt wurden.<br />
Aber ich mache euch darauf aufmerksam, dass jeder,<br />
der heute nicht dran kommt, frustriert sein wird. Und es<br />
besteht die Gefahr, dass er keine Lust mehr hat etwas zu<br />
erfinden und so benachteiligt sein wird! Und eine letzte<br />
Anmerkung: Wenn ich bestimmte Erfin dungen eher auswähle<br />
als andere, so geschieht dies nicht, weil sie besser<br />
wären, sondern ich wähle diejenigen aus, die schneller<br />
ausgewertet werden können. Normaler weise würde ich<br />
von jedem eine Erfindung besprechen.“<br />
Bevor ich mit der Besprechung anfange, vergesse ich<br />
selten hinzuzufügen:<br />
„Ich mache euch schon im Voraus darauf aufmerksam,<br />
dass dieses Seminar nicht das halten kann, was es verspricht,<br />
weil wir nicht genug Zeit haben. Und die Zeit ist<br />
ein wichtiges Element der natürlichen Methode. Sie erlaubt<br />
uns, Themen später noch einmal aufzunehmen, auf<br />
Vergangenes zurückzugreifen, sich zurückzubesinnen, zu<br />
wiederholen, zu...., denn oftmals taucht dieselbe Idee im<br />
Laufe von zwei Tagen, einer Woche oder eines Monats<br />
mehrmals auf. Und genau diese wiederholten Betrach-<br />
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