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Verstehen heißt Wiedererfinden - Freinet-Kooperative eV

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Hier spürt man das Vorhandensein von bewussten<br />

oder unbewussten Konstruktionsregeln, die sofort die<br />

Auf merksamkeit der Teilnehmer erregen. Und tatsächlich<br />

wird so das Gehirn in Bewegung gesetzt.<br />

Manchmal reicht ein einziges Wort aus, um eine<br />

Erfindung auszulösen:<br />

Der Autor hat uns folgende Erklärung gegeben: „Es<br />

sind die Buchstaben des Wortes ‚EUROPA‘. Ich bin darauf<br />

gekommen, weil Rinaldo bei der Vorstellung des Semi nars<br />

von Europa sprach. Aber halt, jetzt fällt mir noch mehr<br />

ein. Vor einem Jahr hat meine Klasse an einem Wettbewerb<br />

der Europäischen Gemeinschaft teilgenom men und<br />

dabei einen Preis gewonnen. Also, eigentlich dachte ich,<br />

dass meine Erfindung nur etwas mit Rinaldos Beitrag zu<br />

tun hätte, aber in Wirklichkeit verbindet sich eine frühere<br />

Erfahrung mit diesem Wort. Durch die Erfin dung ist sie<br />

mir wieder bewusst geworden. Ohne sie hätte ich mich<br />

nicht daran erinnert.“<br />

Diese Erkenntnis hat mich am meisten erstaunt. Ich<br />

hatte etwas Ähnliches zuerst bei Schülern beobachtet,<br />

aber nicht vermutet, dass es auch bei Erwachsenen auftreten<br />

könnte. Ich hatte die Erwachsenen eher für Spieler, für<br />

oberflächlicher und für distanzierter gehalten. Wenn ich<br />

nun zu Beginn der Arbeit sage: „Macht irgend etwas!“,<br />

so kommt dabei selten etwas Beliebiges heraus. Und<br />

genau dies macht die Besonderheit aus. Denn in diesen<br />

Erfin dungen, selbst den schnellen oder den scheinbar banalen,<br />

steckt sehr viel Persönliches des Menschen. Und<br />

dies ist ein Hauptpunkt der natürlichen Methode. Wie im<br />

mutter sprachlichen Unterricht stütze ich mich auch hier<br />

auf den freien Ausdruck. Diejenigen, die dort vor mir<br />

sitzen, sind nicht mehr Schüler oder Seminarteilnehmer,<br />

sondern menschliche Wesen mit allem Drum und Dran,<br />

ein schließlich dem unbewussten Bedürfnis, sich mit allen<br />

Mitteln, die diese neue Sprache bietet, auszudrücken. Und<br />

es ist sogar überraschend zu sehen, wie sich das Be dürfnis<br />

einschleicht, etwas über sich mitzuteilen, wo es sich doch<br />

eigentlich nur um kalte, abstrakte mathemati sche Dinge<br />

handelt.<br />

Das funktioniert deshalb so gut, weil man hier, wie<br />

beim Zeichnen, seine Botschaft viel leichter tarnen kann.<br />

Worte würden da viel mehr offen legen. Natürlich versuche<br />

ich, nicht zu interpretieren. Wir sind hier in der Mathematik,<br />

nicht in der Psychoanalyse. Trotzdem kann ich es<br />

nicht vermeiden, von der psychologischen Dimension der<br />

Dinge zu sprechen, denn sie ist ein wichtiges Element,<br />

wenn nicht gar ein Hauptbestandteil der natürlichen Methode,<br />

weil sie alle Dimensionen des menschlichen Wesens<br />

berührt.<br />

So kommt es vor, dass einige Teilnehmer ganz spontan<br />

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