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Verstehen heißt Wiedererfinden - Freinet-Kooperative eV

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gen, weil ich ihm nicht garantieren konnte, dass meine<br />

Übersetzungen in diese Sprache 100%ig richtig waren. Ich<br />

konnte ihm erzählen, was ich wollte: Selbst wenn ich eine<br />

Geheimsprache anbieten würde, könnte man darin etli che<br />

Sprachregeln entdecken. Aber er wollte nicht mitspie len:<br />

Unterricht, das ist etwas Ernsthaftes. Er war ein ‚direttore‘<br />

(ein Rang, der dem Bezirksschulrat in Frank reich entspricht).<br />

Er hatte eine Art Zwangsvorstellung von Wissen<br />

und Wissensvermittlung.<br />

Aber auch wir wissen, was wir wollen: Unser vorrangiges<br />

Bemühen ist es, die Kinder mit einem Maximum<br />

an Wissen, an Techniken und an Fähigkeiten zur Lebensbewältigung<br />

auszustatten, weil dies unerlässlich ist, um<br />

in unserer heutigen so schwierigen Gesellschaft zu überleben<br />

und um es ganz einfach zu leben. Aber nicht jeder<br />

wird ein ‚direttore‘. Deshalb darf man nicht aus schließlich<br />

den Stoff, der vermittelt werden soll, im Auge haben. Man<br />

muss auch versuchen zu verstehen, wie das Speichergerät<br />

Gehirn überhaupt funktioniert.<br />

Ich habe Marcello die Liste von all den Dingen gezeigt,<br />

die 8- bis 9-jährige Kinder dank dieser Methode, die die<br />

Lernprozesse in den Mittelpunkt stellt, lernen konnten.<br />

Aber er wollte nichts davon wissen. Er hatte seinen Standpunkt<br />

und den konnte er nicht verlassen. Vielleicht, weil<br />

er sein Gesicht nicht verlieren wollte. Aber das machte<br />

nichts: Nicht für ihn habe ich gearbeitet, sondern für die<br />

anwesenden Praktiker, die Tag für Tag mit diesen Problemen<br />

umgehen und die sich nicht so grandios darü ber hinwegsetzen<br />

können.<br />

Hier zwei weitere Erfahrungen, die man mit ‘die Gruppe<br />

für‘ und ‚die Gruppe gegen‘ überschreiben könn te. Zuerst<br />

also, was uns jemand in Ostia vorgestellt hat:<br />

Tiziano versucht sofort, eine Struktur zu entdecken.<br />

„Nach der 7 gibt es immer sieben Zeichen.“ Allgemeiner<br />

Protest: „Nein, beim zweiten Mal sind es vier .“ Und die<br />

Leute denken: „Was für ein Quatsch, Tiziano spinnt!“ Es<br />

sind ganz offensichtlich nicht sieben Zeichen. Aber Tiziano<br />

lässt sich nicht aus dem Sattel heben. „Aber doch,<br />

nämlich so:“<br />

Die Gruppe protestiert:<br />

„Das ist unmöglich. Das können wir nicht akzeptieren.<br />

Es ist zu sehr an den Haaren herbeigezogen.“<br />

Tiziano hört nicht auf die Proteste. Er starrt auf die<br />

Tafel. Plötzlich sagt er ganz beglückt:<br />

„Aber ja doch, schaut mal die Dreiecke an, es sind sieben!“<br />

Na ja, wir müssen es notgedrungen anerkennen. Aber<br />

wir sind doch noch ein bisschen böse auf diesen Provokateur,<br />

der mit seinen sieben Dreiecken einfach zu viel<br />

Glück hatte. Als es schließlich ruhig wird und niemand<br />

mehr etwas anderes sieht, gebe ich der Autorin das Wort:<br />

„Ich war noch nicht fertig, als Paul mich bat, es an die<br />

Tafel zu schreiben.“ Tiziano stößt ein Triumphgeheul aus:<br />

„Seht ihr, wenn wir sie hätten machen lassen, hätte<br />

sie noch drei weitere Zeichen hingeschrieben, und dann<br />

wären es bei der zweiten Serie auch sieben gewesen“<br />

Das Gelächter angesichts dieser Hartnäckigkeit von<br />

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