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news science - ÖZBF

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Tagungsberichte 53<br />

zur Förderung hochbegabter und besonders<br />

begabter Schüler entwickelt. Damit war für<br />

die Bundesrepublik Deutschland erstmals in<br />

einer staatlichen Schule ein Modell entstanden,<br />

in dem Schüler/innen bereits mit zehn<br />

Jahren, von Beginn der Gymnasialausbildung<br />

an, nach ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten<br />

gefördert werden können. Die Entscheidung,<br />

diese Förderung in speziellen Klassen zu versuchen,<br />

erwuchs aus den Erfahrungen der ersten<br />

Jahre, die zeigten, dass eine integrative<br />

Förderung wegen der notwendigen Differenzierung<br />

einen wesentlich höheren personellen<br />

Aufwand und Einsatz erfordern würde<br />

(der nicht zur Verfügung stand). Heute führt<br />

das Deutschhaus-Gymnasium in jeder Jahrgangsstufe<br />

eine Modellklasse mit ca. zwanzig<br />

Schülerinnen und Schülern.<br />

Zum Verständnis der pädagogischen Konzeption<br />

(www.deutschhaus.de) muss angemerkt<br />

werden, dass die Aufnahme in diese Klassen<br />

nicht allein vom IQ-Wert oder einer zu<br />

erwartenden schulischen Hochleistung abhängt,<br />

sondern stärker von der Überlegung<br />

bestimmt ist, welche Kinder wegen ihrer besonderen<br />

Begabung, ihrer speziellen Interessen<br />

und ev. auch ihrer sozialen Eigenheiten<br />

einer solchen Modellklasse bedürfen. Allerdings<br />

muss auch zugestanden werden, dass<br />

die Zahl der sozialen oder lernpraktisch sehr<br />

auffälligen Kinder (die sog. Underachiever)<br />

relativ gering sein muss, wenn im Kontext<br />

einer staatlichen Schule dieses Projekt gelingen<br />

soll.<br />

In unserem Verständnis ist Hochbegabtenförderung<br />

nicht zuerst eine Frage von Enrichment<br />

und zusätzlicher schulischer Angebote,<br />

die es geben kann und muss. Mehr ist es<br />

eine Frage der inneren Gestaltung des täglichen<br />

Unterrichts und noch wesentlicher ist<br />

die Haltung, die die Lehrerin/der Lehrer dem<br />

begabten Kind gegenüber einnimmt, d.h. ob<br />

und wie sie/er Begabungen wahrnimmt, akzeptiert<br />

und zur Geltung bringen will.<br />

In unserem Verständnis ist Begabtenförderung<br />

vor allem eine spezifische Qualität im<br />

Beziehungsgeschehen zwischen den Lehrerinnen/Lehrern<br />

und den Schülerinnen/<br />

Schülern. D.h. die individuelle Begleitung<br />

und dadurch Förderung und eine schulische<br />

Struktur, die individuelles Lernen aus den<br />

Schemen unserer normierenden Strukturen<br />

herauslöst, ist das Qualitätsziel dieser besonderen<br />

Klassen. Dahin ist noch ein weiter<br />

Weg. Herkömmliche schulische Organisations-<br />

und Verhaltensmuster sind mächtige,<br />

widerständige Kräfte auf dem Weg zu einer<br />

begabungsfördernden Schule.<br />

Eine zweite Idee bestimmt unseren Weg.<br />

Es ist die Idee der sozialen Rückbindung der<br />

Begabung. Begabung als unverdientes Geschenk<br />

verstanden verlangt die „Rückgabe“<br />

als Verantwortung für die anderen und für<br />

das Umfeld. In diesem Verständnis wird der<br />

Geruch des Elitären aufgehoben und umgewandelt<br />

in einen sozialen und gesellschaftlichen<br />

Wert der Talente des Einzelnen.<br />

Worin unterscheiden sich unsere Klassen von<br />

den regulären Klassen unseres Gymnasiums?<br />

Es ist nicht die pure Leistung, die sich vornehmlich<br />

in Noten ausdrückt, obgleich sie natürlich<br />

messbar vorhanden ist. Zuerst ist es<br />

ein höherer Leistungsanspruch an die Schüler/innen,<br />

die neben den üblichen zwei Fremdsprachen<br />

eine dritte erlernen, dazu das volle<br />

Pensum des naturwissenschaftlich-technologischen<br />

Gymnasiums mit Physik, Chemie und<br />

Informatik zu belegen haben und darüber hinaus<br />

mit Philosophie und dem Fach Europäisches<br />

Denken einen dritten, geisteswissenschaftlichen<br />

Schwerpunkt haben.<br />

Wesentlicher als dieses quantitative Merkmal<br />

ist die methodische Spezifizierung, die<br />

pauschalierend mit den Begriffen der Individualisierung<br />

des Lernens und der Differenzierung<br />

der Leistung umschrieben werden kann.<br />

Dieses Moment ist neben der personalen<br />

Begleitung und Orientierung der eigentliche<br />

Kern des Modellprojekts. Individualisierung<br />

auf dem Hintergrund des oben benannten<br />

Ideals der Wahrnehmung und Akzeptanz von<br />

unterschiedlichen Begabungen, die sich in<br />

konkreten Interessen äußern können, führt<br />

in der Konsequenz zu einer Auflösung der<br />

herkömmlichen, geschlossenen Strukturen<br />

des Unterrichts. Schule wird dann in Teilen<br />

zu einem offenen Lernraum, in dem sich die<br />

Lehrer/innenrolle hin zur/zum Begleiter/in<br />

und Unterstützer/in der Lernprozesse verändern<br />

muss. In diesen Kontext ist eine gewisse<br />

Wahlfreiheit in der Fächerzusammenstellung<br />

(Additum genannt) einzureihen. Das<br />

Ziel dieser Vorstellung ist auch in unserem<br />

Gymnasium noch lange nicht erreicht. Was<br />

erreicht ist, sind erste Schritte.<br />

Mit dieser Vision verbindet sich das dritte<br />

Merkmal der Begabtenförderung: eine intensivere<br />

Begleitung und Orientierung. Sie realisiert<br />

sich in der Teamführung der Klassen,<br />

dem Coaching oder Mentoring (in unserer<br />

Schule Kontaktlehrer/innen oder Mentorinnen/Mentoren<br />

genannt) und im Fach Personale<br />

Kompetenz, das grundlegende Fragen<br />

des Lernens, des sozialen Umgangs, der Organisation<br />

u.a. beinhaltet.<br />

Der geraffte und unvollständige Überblick<br />

verdeutlicht jedoch eines:<br />

Begabtenförderung ist zuerst Förderung der<br />

einzelnen, begabten Schülerin/des begabten<br />

Schülers. Es gibt weder den Hochbegabten<br />

an sich noch die Begabtenförderung für sich.<br />

Noch weniger gibt es die Gewissheit, dass<br />

alle personalen und strukturellen Öffnungen<br />

qua se erfolgreich sein müssen. In der Hochbegabtenförderung<br />

kommt es mehr auf die<br />

Begabte/den Begabten selbst an. Die Schule<br />

ist gefordert, ihr/ihm und ihnen einen Entfaltungsraum<br />

anzubieten. Diese Definition von<br />

Schule klingt sehr bescheiden. Sie verschiebt<br />

aber schon im Anfangsstadium der Realisierung<br />

unsere herkömmlichen Vorstellungen<br />

von Unterricht und Schule, die sich immer<br />

mit Klassen und gleichen Normen und vor<br />

allem mit der Rolle der Lehrerin/des Lehrers<br />

als Instruktor/in und als Wissensvermittler/<br />

in, kurzum als „Professorin/Professor“ verbindet.<br />

Zu lernen, dass Lernen von unterschiedlichen<br />

Geschwindigkeiten, verschiedenen<br />

Wegen und andersartigen Interessen<br />

bestimmt wird, ist die schwierigste Aufgabe<br />

dieses Modellprojekts.“ (Zitat Ende)<br />

Nach dem dichten Input-Teil des Vormittags<br />

war das Nachmittagsprogramm dem eigent-

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