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studien zum west-östlichen divan - von Katharina Mommsen

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106 Verse · <strong>zum</strong> Wiener Kongreß<br />

Sartorius auch über dessen aufgezwungenes Antichambrieren: "DUN<br />

Unangenehme, was Sie erduldet, wird in kurzer Zeit verschwinden<br />

gegen die Vortheile, die Ihnen für's ganze Leben zurückbleiben . . . ':<br />

. Die Wendung "Mäusedreck und Coriander" brauchte schon d r<br />

Ju~ge Goethe in seinem "Fastnachtsspiel vom Pater Brey". In den<br />

DIvan-Kommentaren wird hierauf mit Recht regelmäßig verwiesen.<br />

Offenbar erinnerte sich Goethe durch Sartorius' Erwähnung der Hexenküche<br />

im Faust an das barocke, der Küchensprache entlehnt<br />

Gleichnis in dem anderen Jugendwerk und ward angeregt, es zu zitieren.<br />

Im "Pater Brey" deutet die Metapher ganz ähnlich wie im Divan<br />

hin auf eine Art Durcheinander im "Gouvernement" (V. 181):<br />

Ich bin ein reicher Edelmann<br />

Habe gar viel Gut und Geld<br />

Die schönsten Dörfer auf der Welt<br />

Aber mir fehlts am rechten Mann<br />

Der all das guberniren kann.<br />

Es geht, geht alles durcheinander<br />

Wie Mäusedreck und Coriander<br />

Die Nachbarn leben in Zank und Streit<br />

Unter Brüdern ist keine Einigkeit ...<br />

Chaos im Bereich des Obrigkeitlichen, Fehlen der leitenden Autorität<br />

- das waren Dinge, die Goethe auch am Wiener Kongreß kritisierte.<br />

Wir begegneten oben einigen Versen, die gerade unter diesen<br />

Aspekten das "Zusammenkommen der Könige" bespotteten.6) Es läßt<br />

sich jetzt besser begreifen, warum dem Dichter durch Sartorius' Brief<br />

diese Stelle des "Pater Brey" ins Gedächtnis kam: sie drückt präzis<br />

Gedanken aus, die sich ihm in jenen Tagen bei Erhalt der Nachrichten<br />

aus Wien aufdrangen.<br />

Ü) V gl. oben S. 98.<br />

"Spricht man mit jedermann"<br />

107<br />

Dafür, daß die dritte Strophe <strong>von</strong> "Keinen Reimer wird man finden"<br />

durch Sartorius' Sendungen angeregt wurde, sprechen aber wei-.<br />

I ("I" au ch die gut übersehbaren chronologischen Verhältnisse. Der <strong>von</strong><br />

Ilcxcnküche und Antichambrieren handelnde Brief traf wohl am<br />

I. Dezember 1814 in Weimar ein.7) Sartorius' Aufsatz über die Wiener<br />

Kll ngreß-Politik ging zunächst an die Adresse der Herzogin Luise.<br />

N:lchdem diese ihn gelesen hatte, wurde er durch C. G. v. Voigt an<br />

l ;' H.:the geschickt, der sich inzwischen in Jena aufhielt,s) Goethe erhielt<br />

ih ll am 6. Dezember und las ihn alsbald am 7· Dezember 1814 (Tagehllch).<br />

Zwischen 7. und 15. Dezember entstand aber - wie wir oben<br />

,liI hen _ die Handschrift H10, auf der die dritte Strophe <strong>von</strong> "Keinen<br />

I{ 'imer wird man finden" niedergeschrieben ist. Das läßt darauf<br />

/,chließen, daß die Verse mit den Parallelen zu dem Sartoriusbrief<br />

IIl1nüttelbar unterm Eindruck der Lektüre des Aufsatzes über die<br />

Wicner Kongreß-Politik geschrieben wurden: am 6. oder 7· Dezember<br />

IHI4 oder an den nächstfolgenden Tagen.<br />

Auf der gleichen Handschrift H 10 steht unmittelbar unter der<br />

SI rophe "Und so sah ich es auch juste" folgendes Fragment: 9)<br />

wenn alle sprechen<br />

Ganz gewiss da hört man keinen.<br />

,) Vgl. Goethes Tagebuch 1. Dezember 1814: "Briefe <strong>von</strong> Wien." Auch den oben<br />

S. 105 Anm. 5 erwähnten Brief Gersdorffs wird Goethe an diesem Tage erhalten<br />

haben.<br />

01) Vgl. C. G . v. Voigt an Goethe 5. Dez. 1814: "Ew. Excell. übermache ich die <strong>von</strong><br />

Sartorius der Herzogin zugesendete Beurtheilung der CongreßPolitik. Nach sei­<br />

"ern bey liegenden Brief sollte dieser Aufsatz nur Ew. Excell. und mir, commu­<br />

"icirt werden. Allerdings gehört er auch für vertraute Leser; denn er tritt derb<br />

II"d unverholen auf _ Obgleich manche Aeußerung nicht ganz unbefangen erscheint<br />

_ und wie wäre das möglich - so ist das Ganze doch gewiß vortrefflich<br />

zusammengestellt. Die HauptResultate sind uns auch schon nicht fremd geblieben.<br />

Ich wünschte etwas vorzulegen, was eine ruhigere Zukunft verspräch[el."<br />

(Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar. Eing. Br. 1814, 45 2.)<br />

!I) WA I 6, S. 475. Divan, Akademie-Ausgabe 3, S. 52.

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