studien zum west-östlichen divan - von Katharina Mommsen
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88 Verse <strong>zum</strong> Wiener Kongreß<br />
"Verschon uns Gott mit deinem Grimme"<br />
89<br />
Eine rechte Crux wurde der Fall des Zaunkönig-Gedichts, nachdem<br />
die Weimarer Ausgabe ein Blatt aus den Goetheschen Divan-Papieren<br />
veröffentlichte, das eigentlich eine Lösung des Quellenproblems erhoffen<br />
lassen durfte. Auf diesem Blatt nämlich, das eine Reihe <strong>von</strong> Notizen<br />
enthält, die der Dichter sich aus Chardins Voyages en Perse<br />
machte, steht auch der folgende Satz:<br />
[V]<br />
[VI]<br />
Alles jagt man mit Falcken<br />
Nur nicht das wilde Schwein<br />
~<br />
Persischer Meerbusen Fischerei,<br />
III 44<br />
Nichts so fischreich<br />
~<br />
Zaunkönige gewinnen Stimme.<br />
Hier hatte man offensichtlich den Keim des Gedichts vor sich, und<br />
es mußte als überaus wahrscheinlich gelten, daß Goethe durch Lektüre<br />
<strong>von</strong> Chardins Reisebeschreibung zu der Aufzeichnung angeregt<br />
wurde. Indessen ist es bis heute niemand gelungen, die Quelle bei<br />
Chardin LiU finden. Von Zaunkönigen ist in den Voyages en Perse,<br />
die ,Goethe übrigens sorgfältig studierte, nirgends die Rede.<br />
Dennoch ist es möglich, zu zeigen, wie jene Aufzeichnung <strong>von</strong> den<br />
"Zaunkönigen", die "Stimme gewinnen", zustande gekommen ist.<br />
Wollen wir sie, und damit zugleich die Herkunft unseres Gedichts,<br />
verstehen lernen, so müssen wir die Handschrift genauer betrachten,<br />
<strong>von</strong> der wir sprachen. Auf einem Folioblatt - siehe Abbilduno'<br />
'"<br />
S. 86/ 87 - schrieb Goethe mit Bleistift fol gende Notizen nieder: 2)<br />
[I]<br />
[II]<br />
[III]<br />
[IV]<br />
An Gottes Tisch sitzen Freund und Feinde<br />
Zaunkönige gewin nen Stimme.<br />
'----v--"<br />
Perle<br />
Nahmen III 3I.<br />
~<br />
Carbunkcl<br />
2) Vgl. WAI6, S. 483 f., Paralip. 3j. Divan, Akademie-Ausgabe 3, S. 149, Paralip.138.<br />
Das Folioblatt diente ursprünglich zur Niederschrift des Wochenreper,<br />
toires und Probenzettels für das Weimarer Theater vom 26.-31. Dezember 1814.<br />
Diese war datiert: ,,22. Dezember".<br />
[VII]<br />
[VIII]<br />
Blut [gestr.] Geblüte aus Georgien<br />
und Circassien<br />
Er speist seinen Hunger<br />
Für vier Gedichte des Buchs der Sprüche findet sich auf dieser<br />
Handschrift die erste keimhafte Skizze. Es entstand:<br />
aus Nr. I: "Welch eine bunte Gemeinde!",<br />
aus Nr. II: "Verschon uns Gott mit deinem Grimme!",<br />
aus Nr. V: "Sich im Respect zu erhalten",<br />
aus Nr. VIII: "Will der Neid sich doch zerreißen".<br />
Entsprechend sind Nr. I, II und VIII mit Tinte, Nr. V mit Bleistift<br />
durchstrichen worden, Lium Zeichen der Erledigung.<br />
Das Verständnis der gesamten handschriftlichen Aufzeichn;ungen<br />
ist dadurch beeinträchtigt, daß bislang ihre Herkunft aus Chardins<br />
Voyages en Perse nicht vollständig erkannt wurde. Nur für Nr. III<br />
bis Vln steht sie fest. 3)<br />
Für Nr. I mußte bisher als Quelle gelten eine Partie aus der deutschen<br />
Übersetzung <strong>von</strong> Saadis Bustan, die an die "Colligirte Reise<br />
Beschreibung" des Adam Olearius in der Ausgabe <strong>von</strong> 1696 angehängt<br />
war.4) Wurm hatte hier in der Vorrede <strong>zum</strong> Bustan die Anregung<br />
für das (aus Nr. I geformte) Gedicht "Welch eine bunte Gemeinde!"<br />
3) Die Nachweise für Nr. IV und VII stammen <strong>von</strong> <strong>Katharina</strong> <strong>Mommsen</strong>. Für<br />
Nr. VII findet sich bei Burdach eine unrichtige Stellenangabe (a. a. 0 .) .<br />
") V gl. oben S. 80.