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studien zum west-östlichen divan - von Katharina Mommsen

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56 Quellen zu "Sommernacht"<br />

Beutler wies später darauf hin, daß auf der gleichen Seite der<br />

Fundgruben des Orients innerhalb der Sunna folgender Vers zu lesen<br />

ist - er steht zwei Verse vor dem soeben zitierten -:<br />

373. "Wenn die Sonne aufgeht, betet bis sie beraufgestiegen, und wenn die Sonne<br />

untergeht, betet bis sie hinabgesunken ; vernachlässiget nicht das Morgen- und<br />

Abendgebet, denn zwischen bei den zeigt sich das Horn des Teufels."<br />

Es war ganz berechtigt, daß Beutler diesen Vers in Verbindung<br />

brachte mit Burdachs These <strong>von</strong> den islamischen Gebetspflichten, auf<br />

die in "Sommernacht" angespielt sei. Burdach hatte daran erinnert,<br />

daß der Islam den Gläubigen Gebete bei Sonnenauf- und Untergang<br />

zur Pflicht macht, aber auch zur Mitternachtsstunde freiwillige Gebete<br />

empfiehlt. Wir sahen, wie dieser Gedanke die Interpretation des<br />

Gedichts lange Zeit weitgehend und allzu einseitig beeinflußt hat.<br />

Seltsamerweise gab jedoch Burdach im Zusammenhang mit seiner<br />

These keine eigentliche Quelle an - auch ni cht den <strong>von</strong> Beutler zitierten<br />

Vers -, sondern er verwies lediglich auf ein <strong>von</strong> Goethe gar nicht<br />

gekanntes Werk eines neueren Orientalisten (August Müller, Der<br />

Islam im Morgen- und Abendland. Bcrlin 1885 - r887). Es wäre indessen<br />

möglich gewesen, innerhalb der in elen P unelgruben gedruckten<br />

Sunna-Übersetzung eine ganze Reihe <strong>von</strong> Versen aufzuzeigen, die auf<br />

jene Gebetspflichten anspielen. Darunter findet sich auch die Erwähnung<br />

eies freiwilligen Mitternachtsgebets, dessen der <strong>von</strong> Beutler<br />

angeführte Vers ni cht gedenkt. Auf diese Stellen hätte Bmdach verweisen<br />

sollen, denn sie hat Goethc wirklich gelesen. Um dies Versäumnis<br />

nachzuholen, aber auch, um uns ein Bild darüber machen zu<br />

können, welche Bedeutung die Gebets-These für Goethes Gedicht<br />

eigentlich hat, zitieren wir jetzt die wichtigsten der Sunna-Verse 111<br />

der Reihenfolge, wie sie in den F undgruben auftauchen:<br />

,,74. Einer fragte den Propheten, wns er vom Gebete bey der Nacht hielte, er antwortete:<br />

Doppelt, doppelt, lind wenn du den Morgen sch~ust, so verricht es einfach<br />

und abgesondert. [So In)<br />

77 ... Wenn ihr euer Gebet verrichten könnt vor So n n e n auf g a n g, und<br />

vor Sonnenuntergang, so thut es: Lob dem Herrn bey S 0 n n e n auf g a n g ,<br />

und Lob ihm vor S 0 n n e nun t e r g a n g. [So In f.)<br />

Sunna-Verse 57<br />

9 1 •.. Wenn die Menschen ... wüßten, welches Verdienst in der !,!rßten und letzten<br />

Nachtwache liegt, so würden sie dieselbe im Gebete zubringen, und wäre es auch<br />

nur sitzend. [So 159)<br />

93. Kein Gebet fällt dem Heuchler schwerer, als das der Nacht und der erste.n<br />

Morgenröthe, und wenn sie wüßten was darinnen Verdienstliches ist, so würden sie<br />

gerne dabey erscheinen, und wäre es auch nur sitzend. [So 159]<br />

145. Wenn der Prophet ' Na c h t sau f w ach t e, pflegte er so zu beten: Herr<br />

unser Gott, dir gebühret Lob und Preis: Durch dich besteht Himmel und Erde, und<br />

was darinnen. Dir gebühret Lob und Preis: Denn du bist das Licht der Himmeln<br />

und der Erde, und dessen was darinnen .. . [So 164)<br />

148. Ich liebe das Gebet zu Gott, wie David gebetet, und ich liebe die Fasten<br />

Gottes, wie David gefastet; Er schlief nur die halbe Nacht, und stand dann auf,<br />

als der dritte Theil derselben noch übrig war, oder er schlief gar nur den sechsten<br />

Theil derselben ; dann fastete er den Tag hindurch. [So 165]<br />

154. Ich erhöre das Gebet desj enigen, der sich in der Nacht zu mir flücht:t s.agend:<br />

Es ist kein Gott außer Gott dem Einigen der keines Gleichen hat ... sein ISt Lob<br />

und Preis ... Lob dem Herrn. [So 166]<br />

233 .. • Nach dem Morgengebet bey der D ä m m e run g is~ kein~s m e ~r bis<br />

11 ach S 0 n n e n auf g a n g, und nach dem Nachmittagsgebet Ist kellles biS z u<br />

S 0 n n e nun t erg a n g . . . [So I74)<br />

666. Der Prophet pflegte öfters Nachts aufzustehen und zu beten ... [So 3I2]<br />

667. Wenn er sonst bel' Nacht wach war, pflegte er zu sagen: Gott! Lob dir, du<br />

bist das Licht der Himmeln und der Erde und dessen wa.5 darinnen; Lob dir! ... "<br />

[S· 312)<br />

Prüft man an Hand dieses Quellenmaterials, was <strong>von</strong> dem ganzen<br />

Komplex der Morgen-, Abend- und Mitternachtsgebete i~ Go e't~~s<br />

Gedicht eingegangen ist, so ergibt sich folgendes. Vieles spncht dafur,<br />

daß in der Tat zwei Stellen <strong>von</strong> "Sommernacht" durch die Sunna­<br />

Verse angeregt sind: I. die Verse 9 bis 18, die vom Anschaun des<br />

Sternenhimmels handeln (mit den obligaten andächtigen Gefühlen<br />

und Gedanken); 2. Vers 33 f.: des Schenken Erinnerungen daran, daß<br />

der Dichter "oft" des nachts aufwacht, "zu früh ermuntert". (Wir<br />

sahen oben: es hieß ursprünglich V. 33 "Nacht", nicht "Mitternacht".)<br />

Eins steht aber fest: an beiden Stellen ist nicht <strong>von</strong> Gebet die<br />

Rede. Gebetet wird in "Sommernacht" überhaupt nicht. Das "Unendliche"<br />

wird "geschaut", das All "bewundert". Daran schließen

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