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Fichte versus Sartre Alfred Dandyk Der Vergleich mit anderen ...

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Tradition Kants stehend ist auch <strong>Fichte</strong> ein Transzendental-Philosoph, wobei jetzt allerdings die Frage<br />

auftaucht, ob <strong>Fichte</strong> dies im selben Sinne ist wie Kant. Diese Frage ist eher zu verneinen, denn im<br />

Gegensatz zu Kant kennt <strong>Fichte</strong> zum Beispiel keine Trennung von Erkenntnistheorie und Ontologie.<br />

Diese Tatsache hat entscheidende Konsequenzen für die Interpretation <strong>Fichte</strong>s.<br />

Wenn Kant zum Beispiel den Begriff des „Bewusstsein überhaupt“ kreiert, dann bleibt der<br />

ontologische Status bei ihm legitimerweise unklar, denn es geht ja nur um eine transzendentale<br />

Analyse, nicht um eine ontologische Beweisführung. Wenn <strong>Fichte</strong> dagegen sein „Absolutes Ich“<br />

einführt, dann stellt sich die Frage nach dem ontologischen Status dieses „Absoluten Ich“. <strong>Der</strong><br />

Hinweis, es handele sich dabei um das „Bewusstsein überhaupt“ im Sinne Kants zieht nicht, denn <strong>mit</strong><br />

diesem Hinweis bliebe der ontologische Status nach wie vor unklar. So ist es kein Wunder, dass<br />

<strong>Fichte</strong> sich im Laufe seines Lebens immer mehr dazu gedrängt fühlte, den ontologischen Status<br />

dieses „Absoluten Ich“ zu klären. Während man bei Kant diese Unklarheit wegen dessen<br />

transzendentaler Methodik noch halbwegs gelten lassen kann, ist das bei <strong>Fichte</strong> nicht mehr möglich.<br />

Denn er will ja ein System des Daseins errichten und nicht nur eine Kritik der Grenzen der Erkenntnis<br />

darstellen. Also kommt der späte <strong>Fichte</strong> zu der Einsicht, dass es sich bei dem „Absoluten Ich“ um Gott<br />

handelt, allerdings um einen speziellen Gott, um einen Gott im Sinne eines ethischen Pantheismus.<br />

Obwohl diese Deutung in der „Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre“ noch nicht explizit ist,<br />

ist sie doch im Sinne einer unterschwelligen Unklarheit und Unbestimmtheit auch in diesem Werk<br />

vorhanden. Schon die Wortwahl <strong>Fichte</strong>s deutet auf eine fundamentale Unsicherheit hin. Während<br />

das Wort „Ich“ auf eine Deutung im Sinne des subjektiven Idealismus hinweist, zeigt das Wort<br />

„Absolut“ auf eine theistische Interpretation. Man muss allerdings anerkennen, dass diese<br />

Problematik schon bei Kant latent vorhanden und bei <strong>Fichte</strong> nur virulent geworden ist. Denn was soll<br />

das sein: das „Bewusstsein überhaupt“? Ist es ein menschliches Bewusstsein, ist es ein göttliches<br />

Bewusstsein, ist es irgend etwas dazwischen? Jedenfalls ist für mich offensichtlich, dass sich dieses<br />

Problem bei Wildenburgs Vorhaben auf „Das Sein und das Nichts“ übertragen wird und diese<br />

Tatsache ist für mich vollkommen unakzeptabel. Denn während <strong>Fichte</strong>s „Wissenschaftslehre“<br />

zumindest von der Tendenz her einen ethisch-theistischen Idealismus impliziert, ist <strong>Sartre</strong>s „Das Sein<br />

und das Nichts“ eindeutig atheistisch orientiert. Wie sollte es möglich sein, ein Buch <strong>mit</strong> einem<br />

ethisch-theistisch-idealistischen Background als Interpretationsmodell eines atheistischen Werkes zu<br />

benutzen?<br />

Man sieht also, dass <strong>Fichte</strong> in einem <strong>anderen</strong> Sinne ein Transzendental-Philosoph ist als Kant. Denn<br />

bei <strong>Fichte</strong> entbindet das Wort „transzendental“ nicht von der Aufgabe, den ontologischen Status der<br />

benutzten Begriffe aufzuklären. In diesem Sinne steht <strong>Fichte</strong> näher bei <strong>Sartre</strong> als bei Kant. Ist <strong>Sartre</strong><br />

demnach ein Transzendental-Philosoph im Sinne <strong>Fichte</strong>s? Auch <strong>Sartre</strong> stellt sich Fragen, welche die<br />

Struktur „Was ist die Bedingung der Möglichkeit von...“ haben. Demnach ist auch <strong>Sartre</strong> eine Art von<br />

„Transzendental-Philosoph“. <strong>Sartre</strong> sagt selbst, dass das Bewusstsein einer „transzendentalen<br />

Analyse“ zugänglich sei. Also ergibt sich auch in dieser Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen<br />

<strong>Fichte</strong> und <strong>Sartre</strong>. Aber lässt sich daraus folgern, dass <strong>Sartre</strong> der fichteschen Tradition der<br />

Tranzendental-Philosophie zuzuordnen ist? Hier sind allerdings große Zweifel angebracht.<br />

Meiner Ansicht nach unterscheidet <strong>Sartre</strong> gar nicht so genau zwischen empirischen und<br />

transzendentalen Argumenten, und zwar deswegen, weil er erstens in der Wahl seiner Methoden<br />

lässig bis nachlässig ist und weil zweitens im Rahmen seines Denkens der Unterschied zwischen einer<br />

transzendentalen Analyse und einer empirischen Analyse irrelevant ist. Ihm geht es um die<br />

Beschreibung und Analyse der menschlichen Realität und nicht um die Begründung einer Philosophie<br />

als strenge Wissenschaft. Sein Ansatzpunkt ist nicht die „Wissenschaftlichkeit der Philosophie“,<br />

sondern deren Konkretheit im Sinne des „In-der-Welt-seins“ bei Heidegger. Er nimmt die<br />

transzendentale Analyse gerne in Anspruch, wenn sie ihm passend erscheint, aber er argumentiert<br />

auch sehr gerne empirisch, phänomenologisch, logisch, dialektisch, historisch und komplementär im<br />

Sinne der neuen Quantenphysik. Er ist auch ein Dichter-Philosoph im Sinne Kierkegaards und

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