06.11.2013 Aufrufe

Fichte versus Sartre Alfred Dandyk Der Vergleich mit anderen ...

Fichte versus Sartre Alfred Dandyk Der Vergleich mit anderen ...

Fichte versus Sartre Alfred Dandyk Der Vergleich mit anderen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Manchmal handelt es sich bei diesen Zuordnungen um bloße Behauptungen, die leicht durch<br />

eine oberflächliche Lektüre von <strong>Sartre</strong>s Texten widerlegt werden können. So behauptet Gloy<br />

zum Beispiel, Husserls Theorie des Zeitbewusstseins finde sich bei <strong>Sartre</strong> wieder. Gloy<br />

schreibt:<br />

„Die Einheit des Objektes einschließlich des Bewußtseinsflusses kommt hier ( Kommentar:<br />

bei Husserl) durch Deckungssynthesen zustande, dadurch dass für jede Phase der<br />

Wahrnehmung eines Objektes die eben aufgezeigte Struktur von Urimpression, Retention,<br />

Retention der Retention bzw. Protention, Protention der Protention usw. gilt und auf diese<br />

Weise die anfänglichen Phasen in den folgenden erhalten bleiben. Husserl sprach von einer<br />

Längsintentionalität des Bewußtseinsstromes, die sich zusammen <strong>mit</strong> der<br />

Querintentionalität einstellen sollte, welche auf die in diesem Strom sich konstituierenden<br />

Objekte zielt.<br />

Auch diese Theorie ist in <strong>Sartre</strong>s Bewußtseinstheorie eingegangen.“<br />

(Karen Gloy, Bewußtseinstheorien, Alber, 2004, Seite 306)<br />

Wenn man nun versucht, diese Behauptung Gloys zu verifizieren, dann findet man in „Das<br />

Sein und das Nichts“ keine Belege dafür. Im Gegenteil: <strong>Sartre</strong> äußert sich zwar selten zu den<br />

Begriffen „Retentionen“ und „Protentionen“, aber wenn er sich äußert, dann immer<br />

ablehnend. Hier sind zwei solcher Stellen:<br />

„Kein Bewußtseinsfaktum ist genaugenommen dieses Bewußtsein - auch wenn man dieses<br />

Bewußtsein wie Husserl ziemlich künstlich <strong>mit</strong> intrastrukturellen Protentionen ausstattet, die<br />

in ihrem Sein keinerlei Mittel haben, das Bewußtsein, von dem sie eine Struktur sind, zu<br />

überschreiten, und die daher elend in sich selbst zusammensinken und Fliegen gleichen, die<br />

gegen das Fenster stoßen, ohne die Scheibe durchfliegen zu können-, sobald man ein<br />

Bewußtsein als Zweifel, Wahrnehmung, Durst usw. definieren will, verweist es uns auf das<br />

Nichts dessen, was noch nicht ist.“<br />

(<strong>Sartre</strong>, Das Sein und das Nichts, Rowohlt, 2009, Seite 208)<br />

„Kann man wie Husserl die Frage umkehren und im gegenwärtigen Bewusstsein ein Spiel von<br />

„Retentionen“ zeigen, die die früheren Bewusstseine festnageln, sie an ihrem Datum<br />

festhalten und sie hindern, sich zu vernichten? Wenn aber das cogito Husserls zunächst als<br />

instantan gegeben ist, gibt es kein Mittel, aus ihm herauszukommen. ...Husserl wurde<br />

während seiner ganzen philosophischen Laufbahn von der Idee der Transzendenz und der<br />

Überschreitung heimgesucht. Aber die philosophischen Instrumente, über die er verfügte,<br />

vor allem seine idealistische Auffassung der Existenz, nahmen ihm die Mittel, über diese<br />

Transzendenz Aufschluss zu geben: seine Intentionalität ist nur deren Karikatur. Das<br />

Husserlsche Bewusstsein kann sich in Wirklichkeit weder zur Welt noch zur Zukunft oder zur<br />

Vergangenheit hin transzendieren.“<br />

(<strong>Sartre</strong>, Das Sein und das Nichts, Rowohlt, 2009, Seite 220)<br />

Es ist also die Unfähigkeit von Husserls Cogito, sich selbst zur Welt beziehungsweise zur<br />

Vergangenheit und zur Zukunft hin zu transzendieren, die in den Augen <strong>Sartre</strong>s die<br />

entscheidende Schwäche in der Phänomenologie Husserls ausmacht. Diese Zitate genügen,<br />

um zu beweisen, dass Gloys diesbezügliche Ausführungen fehlgeleitet sind. Sie sind ohne<br />

jede Grundlage im Text. Die Zeittheorien Husserls werden von <strong>Sartre</strong> rundweg abgelehnt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!