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Fichte versus Sartre Alfred Dandyk Der Vergleich mit anderen ...

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sicheres Wissen möglich sei. Es zeigt sich also auch bei ihm, dass die Redeweise von einer<br />

„Selbstbewusstseinstheorie“ problematisch ist. Es handelt sich vielmehr um einen Philosophen,<br />

dessen Denken zutiefst <strong>mit</strong> der christlichen Theologie verbunden ist.<br />

In diesem Zusammenhang kommt es zu merkwürdigen Erscheinungen in der Rezeptionsgeschichte<br />

Descartes. Man unterstellt ihm, ein moderner „Bewusstseinsphilosoph“ zu sein, der vom Cogito<br />

ausgeht und das Weltwissen aus dem Cogito „deduziert“. Bei der Analyse dieser sogenannten<br />

Deduktion stellt man dann fest, dass diese vollkommen insuffizient ist. Dabei wird aber übersehen,<br />

dass Descartes gar nicht beansprucht, ein „Bewusstseinsphilosoph“ im Sinne der Neuzeit zu sein,<br />

sondern dass er - wie selbstverständlich - im Rahmen der christlich-scholastischen Theologie<br />

argumentiert, also immer voraussetzt, dass der um Erkenntnis ringende Mensch von einem gütigen<br />

Gott gehalten und unterstützt wird.<br />

Umso vermessener ist der Anspruch <strong>Fichte</strong>s, tatsächlich eine solche Philosophie des<br />

Selbstbewusstseins abgeliefert haben zu wollen, zumal ein offensichtlicher Widerspruch zwischen<br />

seinem Gewißheitsfetischismus auf der einen Seite und seinem Glaubens-Idealismus auf der <strong>anderen</strong><br />

Seite zu bestehen scheint.Während Descartes die Beschränktheit der menschlichen<br />

Erkenntnisfähigkeit anerkennt und die unendliche Diskrepanz zwischen dem Menschlichen und dem<br />

Göttlichen hinsichtlich des Wissens bestätigt, geriert sich <strong>Fichte</strong> als Prophet des „Absoluten Ich“, des<br />

unendlichen reinen Willens, des Prinzips aller Prinzipien, der Wissenschaftslehre als einer<br />

Wissenschaft von allen Wissenschaften und so weiter.<br />

Für einen Anhänger des Existentialismus ist von vorneherein klar, dass dieser Anspruch nicht<br />

eingelöst werden kann, weil er das Menschenmögliche überschreitet. <strong>Der</strong> Mensch ist eben kein Gott<br />

und deswegen sollte er sich nicht quasi-göttliche Fähigkeiten zusprechen. Es ist ja bezeichnend, dass<br />

die <strong>Fichte</strong>-Interpreten hin und her schwanken zwischen der Deutung des „Absoluten Ich“ als einer<br />

quasi-göttlichen Wesenheit und dem tatsächlichen menschlichen Bewusstsein. <strong>Der</strong> Grund dafür liegt<br />

einfach darin, dass <strong>Fichte</strong> auf der Basis seines Vernunft-Absolutismus der Gefahr nicht entgehen<br />

kann, sich selbst zu vergessen und sich an die Stelle Gottes zu setzen. Entsprechend sind auch alle<br />

Versuche zurückzuweisen, den Existentialismus in die Nähe einer solchen idealistischen Philosophie<br />

des Absoluten zu bringen.<br />

„Das Sein und das Nichts“ ist keine Wissenschaftslehre<br />

<strong>Fichte</strong>s „Wissenschaftslehre“ beansprucht eine Wissenschaftslehre zu sein. <strong>Sartre</strong>s „Das Sein und das<br />

Nichts“ ist definitiv keine Wissenschaftslehre, sondern der Versuch einer Analyse der menschlichen<br />

Realität. Während <strong>Fichte</strong> die zeitlos gültige Wissenschaft aller Wissenschaften begründen will,<br />

möchte <strong>Sartre</strong> nur den Stand der philosophisch-anthropologischen Reflexionen seiner Zeit bedenken<br />

und die Ergebnisse seiner Überlegungen in der Form des Versuchs einer phänomenlogischen<br />

Ontologie erläutern. Auch aus diesem Grunde scheint es nicht sinnvoll zu sein, „Das Sein und das<br />

Nichts“ vor dem Hintergrund der „Wissenschaftslehre“ <strong>Fichte</strong>s lesen zu wollen. Die Diskrepanz im<br />

Anspruch dieser beiden Philosophen ist schlicht zu gewaltig.<br />

Was versteht <strong>Fichte</strong> eigentlich unter einer Wissenschaftslehre und inwiefern ist „Das Sein und das<br />

Nichts“ ein Buch ganz anderer Art? Die nächsten Kapitel sind dieser Frage gewidmet. Wildenburg<br />

umschreibt <strong>Fichte</strong>s „Wissenschaftslehre“ folgendermaßen:<br />

„Nach <strong>Fichte</strong>s Verständnis der Philosophie als höchster Wissenschaft - nämlich als<br />

Wissenschaftslehre - muß diese nicht nur ein zusammenhängendes System einander bedingender<br />

Sätze ausmachen, sondern sie muß , wenn sie sich nicht in eine Reihe unendlicher Reflexion verlieren<br />

und Anspruch auf Gewißheit erheben will, an einen obersten Grundsatz zurückgebunden werden. Als<br />

Grundlage alles Wissens und da<strong>mit</strong> auch aller Wissenschaft muß dieser unbedingt und absolut gewiß

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