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Fichte versus Sartre Alfred Dandyk Der Vergleich mit anderen ...

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und so weiter und so weiter. Trotz dieser offensichtlichen Mängel sind oder waren diese Konstrukte<br />

anerkannte wissenschaftliche Theorien. Von absoluter Gewißheit ist bei ihnen nicht die Rede und<br />

dennoch gelten sie als wissenschaftlich.<br />

Angesichts dieser wissenschaftstheoretischen und wissenschaftshistorischen Tatsachen mutet der<br />

Gewißheitsfanatismus eines <strong>Fichte</strong>s irgendwie naiv an. Mein Eindruck ist, dass <strong>Sartre</strong> <strong>mit</strong> seinem<br />

Wissenschaftsbegriff den Tatsachen der heutigen Wissenschaften viel näher steht als <strong>Fichte</strong>.<br />

Wildenburgs Projekt birgt demnach die Gefahr in sich, <strong>Sartre</strong> <strong>mit</strong> einem für ihn gefährlichen Virus zu<br />

infizieren, dem Virus eines unangemessen Begriffes der Wissenschaftlichkeit. Es besteht die Gefahr,<br />

dass <strong>Sartre</strong> durch das Projekt Wildenburgs <strong>mit</strong> einer Wissenschaftstheorie identifiziert wird, <strong>mit</strong> der<br />

er nichts zu tun hat und auch nichts zu tun haben will. Meines Erachtens ist <strong>Sartre</strong> ein Philosoph des<br />

20. Jahrhunderts, dessen Denken auf das 21. Jahrhundert zielt. Wildenburgs Projekt will aus ihm<br />

jedoch einen Philosophen des 19. Jahrhunderts machen, und ihn <strong>mit</strong> allen möglichen diesbezüglichen<br />

Anachronismen kontaminieren.<br />

<strong>Der</strong> Existentialismus relativiert die Wissenschaften<br />

In diesem Zusammenhang soll auch noch einmal auf die generelle Beziehung zwischen dem<br />

Existentialismus und der Wissenschaft hingewiesen werden. <strong>Der</strong> Existentialismus relativiert die<br />

Bedeutung der Wissenschaften, indem er diese als Leistungen der existierenden Menschen auffasst.<br />

Die Wissenschaften beruhen also auf der Existenz des Menschen und sie sind von ihr abhängig. Das<br />

bedeutet unter anderem, dass Konstruktionen wie „das Bewusstsein überhaupt“, das „Absolute Ich“,<br />

der „Weltgeist“, die „reine Vernunft“, der „reine ewige unendliche Wille“, die „reine Erkenntnis“<br />

niemals Grundlage der Wissenschaft sein können. Grundlage der Wissenschaft ist vielmehr immer<br />

der „existierende Mensch“, <strong>mit</strong> <strong>anderen</strong> Worten der „strebende Mensch“ oder auch das „engagierte<br />

Bewusstsein“ und so weiter. Wenn der Wissenschaftler demnach vorübergehend glaubt, das<br />

„Bewusstsein überhaupt“ oder die „reine Vernunft“ zu sein, so tut er gut daran, sich an seine<br />

menschliche Existenz zurückzubinden und die Relativität seiner Bemühungen anzuerkennen. Letztlich<br />

handelt es sich dabei immer um die Anerkennung der Tatsache, dass man als Mensch kein Gott sein<br />

kann. <strong>Der</strong> Existentialismus verfügt demnach über eine ihm eigene „Wissenschaftstheorie“, die im<br />

Wesentlichen besagt, dass die menschliche Existenz unhintergehbar ist und alle Resultate der<br />

Wissenschaften letztlich an die menschliche Existenz rückgebunden werden müssen.<br />

Kierkegaard und Heidegger haben in unterschiedlicher Weise auf die Notwendigkeit der Rückbindung<br />

der Wissenschaften an die menschliche Existenz hingewiesen. Kierkegaard betont dabei den<br />

Unterschied zwischen dem existentierenden Menschen und Gott, zwischen dem realen menschlichen<br />

Verstand und der reinen Spekulation, zwischen der Unabgeschlossenheit der menschlichen<br />

Bemühungen und der Abgeschlossenheit eines „ wissenschaftlichen Systems“, zwischen dem Dasein<br />

als System für Gott und dem Dasein als Nicht-System für den Menschen. Er schreibt:<br />

„Ein System des Daseins kann nicht gegeben werden. Also gibt es ein solches nicht? Das liegt auch<br />

nicht in dem Gesagten. Das Dasein selbst ist ein System - für Gott; aber es kann es nicht sein für<br />

irgendeinen existierenden Geist. System und Abgeschlossenheit entsprechen einander; Dasein aber<br />

ist gerade das Entgegengesetzte. Abstrakt gesehen lassen sich System und Dasein nicht<br />

zusammendenken, weil der systematische Gedanke, um das Dasein zu denken, es als aufgehoben,<br />

also nicht als daseiend denken muß. Dasein ist das Spatiierende, das auseinanderhält; das<br />

Systematische ist die Abgeschlossenheit, die zusammenschließt.“<br />

(Kierkegaard, Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, GTB, 1994, Seite 111)<br />

Das wissenschaftstheoretische Credo des Existentialismus

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