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Fichte versus Sartre Alfred Dandyk Der Vergleich mit anderen ...

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Aber auch bei „heißen Kandidaten“, wie der String-Theorie, wird in populären Darbietungen die<br />

Hoffnung auf baldigen Erfolg oft übertrieben. Bei kenntnisreichen Kritikern des Geschehens führt<br />

diese überzogene Zuversicht manchmal sogar zu Ekel und Überdruss. Medien feiern berühmte String-<br />

Theoretiker als die neuen „Einsteins“, obwohl Einsteins Teil-Systeme faktische physikalische Theorien<br />

sind, während die String-Theorien nur mathematische Gebilde darstellen, deren physikalische<br />

Bedeutung vollkommen unklar ist. Ein Physiker schreibt diesbezüglich:<br />

„Actually, I would not even be prepared to call string theory a ‘theory’ but rather a ‘model’, or not<br />

even that: just a hunch...Imagine that I give you a chair while explaining that the legs are still missing,<br />

and that the seat, back and armrest will perhaps be delivered soon; whatever I did give you, can I still<br />

call it chair?”<br />

(Gerard ‘t Hooft, In search of the ultimate building blocks, Cambridge University Press, 1997, Seite<br />

163)<br />

Genau so lautet Kierkegaards Kritik an den Systematikern <strong>Fichte</strong>, Schelling und Hegel. Dabei ist zu<br />

bedenken, dass es sich bei der String-Theorie nur um eine physikalische Theorie handelt, während<br />

<strong>Fichte</strong>, Schelling und Hegel beanspruchen, ein System des Daseins vorgelegt zu haben. Kierkegaard<br />

schreibt dazu:<br />

„System und Abgeschlossenheit sind aber so ungefähr ein und dasselbe, so daß, wenn das System<br />

nicht fertig ist, es auch kein System ist. Ich habe schon an einer <strong>anderen</strong> Stelle daran erinnert, daß<br />

ein System, das nicht ganz fertig ist, eine Hypothese ist; wogegen ein halbfertiges System ein<br />

Nonsens ist. Wollte nun einer sagen, daß das nur ein Streit um Worte sei und daß die Systematiker ja<br />

demgegenüber gerade selbst sagten, daß das System nicht fertig sei, so würde ich bloß fragen:<br />

Warum nennen sie es denn ein System?“<br />

(Kierkegaard, Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, GTB, Seite 100)<br />

<strong>Fichte</strong>, Schelling und Hegel sind berüchtigt dafür, ihr jeweiliges „System“ als Faktum vorgestellt zu<br />

haben. <strong>Der</strong> Existentialismus ist unter anderem eine Bewegung, die dieser Behauptung widerspricht.<br />

Das System als Desideratum wird von den Existentialisten akzeptiert, das System als Faktum wird<br />

abgelehnt. <strong>Der</strong> Hauptgrund für diese Ablehnung ist leicht einzusehen. Denn angenommen, es läge<br />

tatsächlich ein System der Gesamtheit des menschlichen Wissens vor. Dann wäre dieses System der<br />

Ausdruck der Allwissenheit. Allwissenheit ist ein Attribut Gottes. Dieses System wäre also der direkte<br />

Beweis dafür, dass das Streben des Menschen, Gott zu sein, vollendet worden ist.<br />

Wenn also jemand sagt, er habe ein System vorgelegt, dann behauptet er gleichzeitig, er sei Gott<br />

geworden. <strong>Der</strong> Spott seiner Zeitgenossen ist ihm dann gewiß. Man geht eben von vorneherein davon<br />

aus, dass ein Mensch kein Gott ist. Also nimmt man auch an, dass es niemals einen Philosophen<br />

geben wird, der ein „System“ tatsächlich vorlegt.<br />

Man kann den Unterschied auch an Hand des Wortes „Philosoph“ erläutern. <strong>Der</strong> Philosoph ist ein<br />

Freund der Weisheit. Wenn also nun jemand sagt, er sei ein Freund der Weisheit, dann wird man ihn<br />

loben. Wenn er aber behauptet, er sei die Weisheit selbst, dann wird man ihn auslachen. Hier zeigt<br />

sich eine Grundstruktur der menschlichen Existenz. Existenz bedeutet Streben, und zwar unendliches<br />

Streben. Wenn aber jemand sagt, er sei tatsächlich angekommen, dann wird er zur Lachnummer.<br />

Man kann die Richtigkeit dieses Sachverhaltes leicht im alltäglichen Leben nachprüfen. Die Menschen<br />

bemühen sich in ihrem jeweiligen Metier um Perfektion. Wenn man schon ein Schachspieler ist, dann<br />

möchte man auch gut spielen, möglichst perfekt. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Wenn aber nun<br />

jemand behauptet, er sei der perfekte Schachspieler, dann wird er sofort zur Witzfigur, auf den<br />

andere <strong>mit</strong> Fingern zeigen. Es wäre sicher lohnenswert, einmal genauer über diesen Sachverhalt<br />

nachzudenken. Hier liegt offensichtlich eine anthropologische Konstante vor. Ich glaube man kann

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