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Fichte versus Sartre Alfred Dandyk Der Vergleich mit anderen ...

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(Heidegger, Sein und Zeit, Niemeyer, Tübingen, 1986, Seite 11)<br />

Es ist deutlich zu erkennen, dass Heidegger der Wissenschaftslehre eines <strong>Fichte</strong> distanziert<br />

gegenübersteht. Wissenschaft als das „Ganze eines Begründungszusammenhanges wahrer Sätze“,<br />

das ist die Definition <strong>Fichte</strong>s. Heidegger betont, diese Definition sei weder vollständig, noch treffe sie<br />

den Kern der Wissenschaften. Zwar unterlässt Heidegger, diesen Kern des Wissenschaftlichen<br />

genauer zu erläutern, aber es wird deutlich, dass für ihn die Rückbindung an die menschliche Existenz<br />

entscheidend ist. Darüber hinaus betont Heidegger, dass die Wissenschaft als Verhaltensweise des<br />

Menschen nicht fundamental, sondern sekundär ist. Es gibt auch andere Verhaltensweisen, zum<br />

Beispiel die leidenschaftliche,die magische, die religiöse und die moralische Existenzweise. Insgesamt<br />

ist festzustellen, dass <strong>Fichte</strong> einen engen und unzuzureichenden Wissenschaftsbegriff hat und dass<br />

aus diesem Grunde, seine „Wissenschaftslehre“ im Sinne Heideggers und <strong>Sartre</strong>s als obsolet<br />

betrachtet werden muss. Wie ein adäquater Wissenschaftsbegriff auszusehen hätte, wäre natürlich<br />

genauer zu analysieren. Klar ist jedoch, dass „Wissenschaftlichkeit“ ein komplizierter und unklarer<br />

Begriff ist.<br />

„Approximationswissen“ und „Unabgeschlossenheit“ sind Merkmale des existentialistischen<br />

Wissenschaftsbegriffes<br />

Kierkegaard drückt diese Rückbindung des Wissenschaftlichen an das Menschliche <strong>mit</strong> Hilfe der<br />

Begriffe „Approximationswissen“ und „Unabgeschlossenheit“ aus. In irgendeiner Hinsicht ist das<br />

wissenschaftliche Wissen stets nur „Approximationswissen“ und die Darstellungen dieses Wissens<br />

zeichnen sich stets durch eine gewisse Unabgeschlossenheit aus. <strong>Sartre</strong> lässt <strong>mit</strong> seinem Begriff der<br />

„engagierten Erkenntnis“ keinen Zweifel daran, dass er sich dieser Rückbindung der Wissenschaft an<br />

die menschliche Existenz verpflichtet fühlt. Auch Heideggers Begriff des „Seinsverstehens“ taucht bei<br />

<strong>Sartre</strong> in modifizierter Form in dem Begriff des „Initialentwurfes“ wieder auf. Trotz aller Unterschiede<br />

treffen sich Kierkegaard, Heidegger und <strong>Sartre</strong> in dem Punkt, dass sie den Wissenschaftsbegriff eines<br />

<strong>Fichte</strong> deutlich ablehnen.<br />

Während für <strong>Fichte</strong> das „System“ der Garant seiner Wissenschaftlichkeit ist, ist für Kierkegaard,<br />

Heidegger und <strong>Sartre</strong> das „Approximative“, das „Vorläufige“ und die „Unabgeschlossenheit“ das<br />

Kennzeichen einer existentiellen Wissenschaftstheorie. Anders formuliert: Für den Existentialismus<br />

unterliegt der Begriff der Wissenschaftlichkeit der Zeitlichkeit des Menschen, während für <strong>Fichte</strong> <strong>mit</strong><br />

dem Auftauchen des Systems die Philosophie als selbstevidente Wissenschaft in Erscheinung tritt<br />

und den Status einer ewigen Wahrheit erhält. Hier liegt unter anderem der wesentliche Unterschied<br />

zwischen dem Existentialismus und dem Idealismus.<br />

Diese „Unabgeschlossenheit“ sollte nicht mißverstanden werden. Denn es gibt sehr wohl<br />

wissenschaftliche Theorien, die in gewisser Weise abgeschlossen sind. Dafür sind sie aber in anderer<br />

Weise unabgeschlossen. Zum Beispiel ist die Klassische Mechanik in dem Sinne abgeschlossen, dass<br />

es einen bestimmten Anwendungsbereich gibt, in dem diese Theorie nicht mehr verbessert werden<br />

kann. Aber die Grenzen dieses Anwendungsbereiches zeigen eben an, dass die Klassische Mechanik<br />

hinsichtlich der Gesamtheit des Daseins insuffizient und daher verbesserungswürdig ist. In diesem<br />

Sinne ist die Klassische Mechanik approximativ und unabgeschlossen.<br />

Indem Kierkegaard, Heidegger und <strong>Sartre</strong> davon ausgehen, dass die Wissenschaften in der<br />

menschlichen Existenz gründen, verweisen sie auf die „Grundlosigkeit“ dieser Wissenschaften. Denn<br />

für Heidegger zum Beispiel bedeutet „menschliche Existenz“ das „In-der-Welt-sein“ des Menschen,<br />

das wiederum von einem historisch variablen Seinsverständnis gekennzeichnet ist. Sucht man also<br />

nach einer Begründung der Wissenschaftlichkeit einer Wissenschaft, wird man auf das „In-der-Weltsein“<br />

der Menschen stoßen, das wiederum zu diffus und unspezifisch ist, als dass es einen festen<br />

Grund dieser Wissenschaft bilden könnte. Die moderne Grundlagenforschung - zum Beispiel der

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