Nr.17 Frühjahr'89 - SRC Bonn
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leisten konnte, wie schnell, wie wendig, wie kräftig, wie sicher es war und wie diszipli<br />
niert und geschickt die Ruderer sein mußten, um die 170 Riemen aus drei Stockwerken<br />
jederzeit in Takt zu halten.<br />
Nicht in allen Details wurde das Schiff dem antiken Vorbild genau nachgebaut. Statt<br />
der Silberkiefer-Planken mit einem Eichenkiel hat es Planken aus nordamerikanischen<br />
Douglasie-Hölzern und einen Kiel aus lroko-Holz. Das Tauwerk ist aus Polyester, und<br />
die Abdichtung erfolgte nicht mit Werg und Pech, sondern mit modernem Kunststoff.<br />
Aber im Prinzip folgte man der antiken Bauweise, so zum Beispiel, indem man sich für<br />
leichtes, elastisches Holz entschied und vor allem die alten Maße übernahm, soweit sie<br />
bekannt waren, die Länge von 37 Metern und die Breite von 5,45 m.<br />
Die Plätze für die 170 Ruderer sind alle unter Deck. Auf dem Deck ist der Platz für den<br />
Steuermann, ein etwas erhöhter Sitz am Heck. Auf Deck war einst auch, so in der<br />
Schlacht bei Salamis, Platz für vierzehn Hopliten, schwer bewaffnet mit Lanzen,<br />
Schwertern, Schildern, Helmen, Panzern und Beinschienen, und vier Bogenschützen.<br />
Darüber, wie diese schwerbewaffneten Fußsoldaten bei Salamis zum Einsatz kamen<br />
und wie sie sich eigentlich beim Rammen an Deck hielten, werden die Experimente mit<br />
der nachgebauten Triere nichts aussagen, auch nicht darüber, ob und auf welche Weise<br />
Hunderte von Trieren zugleich kämpften, ob und wie ihre Kapitäne sich untereinander<br />
und mit dem Flottenchef Themistokles verständigten und ob rote Flaggen, wie von<br />
Fachleuten vermutet, wirklich ein Befehl zum Angriff bedeuten. Uberhaupt wird sich<br />
zum Verlauf jener Entscheidungsschlacht schwerlich etwas Neues ergeben, das die<br />
überlieferten Darstellungen verdeutlichen würde. Diesen ist zwar zu entnehmen, daß<br />
die Hopliten zum Kämpfen kamen, etwa wenn eine Triere nach dem Rammen eines<br />
Perserschiffs verkeilt blieb, aber die Aussagen sind allgemein, ungenau, vor allem<br />
bleibt der Gesamtverlauf der Schlacht unklar.<br />
Über ihn gibt es inzwischen eine umfangreiche Literatur, aber sicher scheint nur zu<br />
sein, daß Themistokles sich mit seiner Flotte in den schmalen Sund zwischen Salamis<br />
und dem Festland zurückzog und die Perser dorthin lockte, wo es ihnen dann nicht<br />
möglich war, ihre zahlenmäßige Überlegenheit zur Geltung zu bringen. Angeblich wur<br />
den die meisten Perserschiffe Opfer der griechischen Rammsporne. Und da die Perser<br />
auf ihren Schiffen sehr viel mehr Fußsoldaten mitführten, sollen ihre Verluste gewaltig<br />
gewesen sein, und zwar vierzigtausend Mann, während die Griechen nur 409 Schiffe<br />
verloren, deren Besatzungen aber an Land geschwommen seien (was die Perser als<br />
Nichtschwimmer nicht gekonnt hätten).<br />
Aber solche antiken Zahlen müssen mit größter Skepsis gelesen werden. Daß die von<br />
Herodot genannte Zahl von 5.283.220 Mann, mit denen Xerxes nach Griechenland ge<br />
kommen sei, gewaltig übertrieben ist, hat schon vor einem dreiviertel Jahrhundert der<br />
Historiker Hans Deibrück gezeigt. Nach seinen Berechnungen kam Xerxes mit allerhöchstens<br />
45.000 bis 55.000 Kriegern und einem Troß von 100.000 bis 200.000 Mann,<br />
die Flottenmannschaft darin eingeschlossen.<br />
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kommen? Gewiß war Athen die größte griechische Stadt. Aber in den Großstädten jener<br />
Zeit, zu denen noch Ephesus und Milet zählten, einige hunderttausend Einwohner<br />
zu vermuten, einschließlich der Metöken, der zugewanderten Fremden, und der Skla<br />
yen, ist durch archäologische Funde nicht zu begründen. Diese lassen im Gegenteil auf<br />
sehr viel niedrigere Einwohnerzahlen schließen. Der Wiederaufbau des zerstörten Milet<br />
wird von den Archäologen Wolfram Hoepfner und Ernst-Ludwig Schwandner aufgrund<br />
neuester Forschungen für nur 15.000 bis 20.000 Menschen geschätzt!<br />
Für die viel zu hohen griechischen Zahlen über Heer und Flotte der Perser gibt es eine<br />
plausible Erklärung. Sie sollten die Siege der Griechen erhöhen, sie bedeutender und<br />
heldenhafter erscheinen lassen. Dies war allein durch Übertreibung der quantitativen<br />
Überlegenheit der Barbaren möglich, da man ihnen Qualitäten nicht zugestehen moch<br />
te; sie konnten nicht einmal schwimmen. Daß seine Zahlen irreal waren, hat Herodot<br />
selber angedeutet, indem er gestand, er wundere sich darüber, woher denn so viele Tausende<br />
von Menschen genug zu leben bekommen könnten.<br />
Die Übertreibung der gegenerischen Stärke führte zwangsläufig auch zur Übertreibung<br />
der eigenen Zahlen. Denn die Behauptung, sich einer Übermacht von 1 .200 Schiffen<br />
mit vielleicht weniger als hundert erwehrt zu haben, wäre unglaubwürdig gewesen. Del<br />
brück meinte sogar, daß „die Zahlenangaben der Griechen gar keinen Glauben verdie<br />
nen, auch nicht den allergeringsten“, und er folgerte, daß wir „ihnen nicht entnehmen<br />
können, ob die numerische Überlegenheit auf Seiten der Griechen oder der Perser“ lag.<br />
Und was wurde aus Themistokles, dem Helden von Salamis, dem „Retter Europas“,<br />
dem eigentlichen Sieger über die Perser, die Barbaren? Als er bereits im Exil war, ver<br />
urteilten ihn die Athener wegen Medismos, d. h. wegen persischer Gesinnung zum<br />
Tode. Der Grund: Nachdem er sich die Spartaner zu Gegnern gemacht hatte, wegen<br />
der Ummauerung Athens und seines Hafens, hatte er überlegt, ob Athen sich nicht bes<br />
ser mit den Persern verbünden solle. Das wurde ihm als Hochverrat ausgelegt. Als Vo<br />
gelfreier auf der Flucht sah Themistokles für sich keine andere Möglichkeit mehr, als<br />
nach Persien zu gehen und seine ehemaligen Feinde um Asyl zu bitten. Die aber setzten<br />
für seine Ergreifung ein hohes Kopfgeld aus. Um nicht erkannt zu werden, wählte The<br />
mistokles eine abseits gelegene Reiseroute, und so kam er in das äolische Städtchen Ai<br />
gai. Dort kannte ihn niemand, erzählt Plutarch, nur sein Gastfreund Nikogenes, der<br />
reichste Mann Äoliens. Der hatte gute Verbindungen zu den persischen Großen und<br />
habe es ermöglicht, daß Themistokles in einem mit Tüchern verhängten Wagen als ver<br />
schleierte persische Frau unbehelligt bis nach Susa zum König Artaxerxes kam, der sich<br />
an dem Sieger von Salamis nicht etwa rächte, sondern ihn im Gegenteil mit persönli<br />
chen Geschenken auszeichnete. Themistokles, so heißt es, lebte fortan in Magnesia als<br />
einer der großen Herren des persischen Reiches.<br />
Heute glaubt niemand mehr an Herodots fünfeinviertel Millionen. Aber merkwürdi<br />
gerweise wird seine Angabe über die Perserschiffe sehr viel weniger angezweifelt und<br />
infolgedessen weniger reduziert, vielleicht deswegen, weil der Augenzeuge Aischylos<br />
ebenfalls eine sehr hohe Zahl nennt, nämlich 1 .207. Doch da auch die Perser überwie<br />
gend Trieren fuhren, wären für so viele Schiffe allein zweihundderttausend Rojer erforderlich<br />
gewesen.<br />
Sogar die Zahl von 347 Trieren der Griechen dürfte übertrieben sein. Mit Hopliten und<br />
Bogenschützen hätte eine so starke Flotte 65.000 Mann gebraucht. Woher sollen die<br />
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(aus: ZEITmagazin Nr. 38/87)<br />
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