OK KID im Interview: - Gießener Allgemeine
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RAMPENLICHT<br />
Tanzen und Feiern, jetzt ist sie zum Nachdenken<br />
und Heulen.«<br />
Trifft es das für euch? Und wollt ihr das?<br />
Kühle: Das ist schon eine übertriebene<br />
Formulierung, aber ich kann schon nachvollziehen,<br />
wie das gemeint ist. Aber andererseits<br />
war ja vollkommen klar, dass wir solche<br />
Songs wie auf der »Elektrisch« nicht mehr<br />
machen würden. Davon wollten wir ganz<br />
klar weg.<br />
Warum?<br />
Kühle: Eine Partyspaßband zu sein, ist musikalisch<br />
und inhaltlich irgendwann vorbei.<br />
Einen Partysong machst du in einer Minute.<br />
Du brauchst einfach nur: (klopft mit der Faust<br />
einen gleichförmigen Beat auf die Stuhllehne)<br />
und irgendeinen spruchreifen Text drauf,<br />
mehr nicht. Darin liegt keine tiefere Befriedigung.<br />
Das ist schnell gemacht und inhaltlich<br />
nicht das, was wir mitteilen wollen.<br />
Schubert: Wobei Schnelligkeit und Partysong<br />
nicht automatisch einfache Musik bedeuten.<br />
Kühle: Ja, aber zum Beispiel einen Song wie<br />
»Steig ein« auf »Elektrisch« würden wir heute<br />
nicht mehr machen.<br />
Schubert: Nee, natürlich nicht.<br />
Rech: Oder »Oh Oh Oh«.<br />
Das war mein Lieblingssong<br />
von Jona:S.<br />
Schubert: Es ist doch auch<br />
für Leute, die uns als Band<br />
schon sechs Jahre kennen,<br />
schön zu sehen, dass wir uns weiterentwickeln,<br />
neue musikalische Einflüsse bekommen<br />
und die den Anspruch haben: Wir wollen –<br />
für uns – bestmögliche Popmusik machen. Es<br />
gibt <strong>im</strong>mer Leute, die sagen: Der Name<br />
»Jona:S« war viel cooler, die alte Version von<br />
»Mehr Mehr« – der einzige Song von »Elektrisch«,<br />
der es aufs neue Album geschafft hat,<br />
war geiler. Das ist aber völlig normal. Der<br />
Mensch mag Sachen, die er kennt, wenn sich<br />
das plötzlich ein bisschen verändert, wird es<br />
skeptisch beäugt. Aber wir sind ja jetzt keine<br />
anderen Menschen. Live wird es <strong>im</strong>mer noch<br />
ziemlich nach vorne gehen und sehr ekstatisch<br />
sein, daran wird sich nichts ändern.<br />
Kühle: Früher ist unsere Musik unter größerem<br />
Zeitdruck entstanden, dadurch waren<br />
die Songs musikalisch oft einfacher, weil es<br />
schnell gehen musste. Wenn man Zeit hat,<br />
kommen Sachen dabei raus, die vielleicht ein<br />
bisschen schwerer zu genießen sind.<br />
Die neue Version von »Mehr mehr« ist be<strong>im</strong><br />
ersten Hören tatsächlich ziemlich sperrig.<br />
Warum gefällt der Song euch so jetzt besser?<br />
Schubert: Nein, nicht besser. Aber …<br />
Kühle: Ich find’s schon besser.<br />
»Es geht nicht nur<br />
um Halligalli«<br />
<strong>OK</strong> <strong>KID</strong>: Moritz Rech, Raffael Kühle und Jonas Schubert.<br />
Schubert: Das ist mit der Zeit so passiert. Wir<br />
haben gedacht: Das ist ein starker Song, den<br />
wollen wir auf der Platte haben und dann so<br />
einbetten, dass er zur Platte passt. Da hätte<br />
dieser normale funky Hip-Hop-Groove überhaupt<br />
nicht funktioniert. Das ist der älteste<br />
Song auf dem Album, und ich würde auch<br />
heute so<br />
einen Text nicht mehr<br />
schreiben, weil er sehr<br />
einfach und gradlinig ist.<br />
Trotzdem wollten wir ihn<br />
definitiv mitnehmen. Dass<br />
er da nicht mehr so klingen kann wie vor vier<br />
Jahren, muss man uns nachsehen.<br />
Ihr habt euch seit »Elektrisch« stark verändert.<br />
Würdet ihr sagen, ihr seid eine<br />
melancholische Band?<br />
Schubert: Wenn du das sagst, würde ich es<br />
stehen lassen, aber wir würden das nie sagen.<br />
Nachdenklich, ja, aber nicht melancholisch.<br />
Die Texte sind nunmal Beobachtungen und<br />
handeln von dem, was wir in unserem Leben<br />
wahrnehmen. Wenn es dann um Party geht,<br />
heißt es halt nicht: »Hey ho, heute geht’s<br />
richtig ab, wir saufen uns schlapp.« Dann<br />
geht’s auch um die negativen Seiten daran,<br />
nicht nur um Halligalli.<br />
»2013 definitiv ein<br />
Konzert in Gießen«<br />
Aber trotzdem glaube ich<br />
nicht, dass wir eine melancholische<br />
Band sind,<br />
weil auch sehr viel Hoffnung<br />
auf der Platte ist.<br />
Immer dann, wenn es melancholisch zu werden<br />
droht, zieht es textlich wieder raus.<br />
Wenn ich merke, jetzt zieh ich mich gerade<br />
runter, kommt in der nächsten Zeile ein Wortspiel<br />
oder irgendwas, was einen wieder rauszieht.<br />
Aber klar: Wir sind eher eine nachdenkliche<br />
Band als eine … progressive<br />
Partykapelle mit positiven Texten.<br />
Alle Fotos: Braunbarth<br />
Trifft es pess<strong>im</strong>istisch besser?<br />
Schubert: Es gibt nur einen Song auf der<br />
Platte, der keine Hoffnung macht. »Alles oder<br />
nichts mehr«. Aber wenn das jemand anders<br />
sieht, ist das auch okay. Wir wollen den Leuten<br />
nicht vorschreiben, was sie bei einem<br />
best<strong>im</strong>mten Song zu denken haben. Die Texte<br />
sind eher Beobachtungen als Feststellungen,<br />
eher Fragen als Antworten.<br />
Eine Frage, die sich eure Fans in der He<strong>im</strong>at<br />
stellen, ist, wann sie euch das nächste Mal in<br />
Gießen zu sehen bekommen.<br />
Kühle: Definitiv 2013. Ob es be<strong>im</strong> Stadtfest<br />
wieder klappt, hängt vom Rahmen ab. Die<br />
Greenhill-Bühne wird es ja leider nicht mehr<br />
geben. Und zeitlich muss man natürlich auch<br />
schauen, ob es passt. Wir haben schon über<br />
30 Festivals diesen Sommer und dazwischen<br />
ist nicht mehr viel Platz.<br />
Was sind die Höhepunkte <strong>im</strong> Plan?<br />
Schubert: Das krasseste ist für uns als Hip-<br />
Hop-Fans das Splash, obwohl es nicht das<br />
größte Festival ist, das wir spielen.<br />
Rech: Wir dürfen es sogar<br />
eröffnen und spielen am<br />
Freitag als erster Act. Das<br />
ist schon besonders.<br />
Kühle: Aber auch Hurricane<br />
und Southside.<br />
Schubert: Oder Frauenfeld, das größte<br />
Schweizer Festival, wo Wu-Tang-Clan und<br />
Snoop Dogg kommen. Unser Booker hat sich<br />
echt den Arsch aufgerissen, dass wir bei vielen<br />
Festivals dabei sind. Wir spielen in diesem<br />
Jahr fast 70 Auftritte. Nikolai Fritzsche<br />
22 streifzug 4/2013