Theoretische Grundlagen des Marxismus
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Bildung, nicht die Meinungen, nicht-die Ideen der Menschen,<br />
sondern die Interessen den Lauf der Weltgeschichte be<br />
. herrschen, und ist damit in entschiedenen Gegensatz zu der<br />
~ Aufklärungsphilosophie getreten. Durch die Anerkennung<br />
/ <strong>des</strong> Primats <strong>des</strong> Willens über den Verstand huldigt Marx, wie<br />
gesagt, der voluntaristischen Psychologie <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />
1. Trotzdem hat Marx nicht vollständig mit der<br />
Psychologie der Aufklärungsepoche gebrochen. Zwar betrachtet<br />
er die Praxis <strong>des</strong> sozialen Lebens für das ursprüngliche<br />
und primäre, das Bewufstsein aber für das<br />
sekundäre Moment <strong>des</strong> Gesellschaftslebens. Aber das Charakteristische<br />
der psychologischen Ansichten von Marx besteht<br />
auch in der Ignorierung der Mannigfaltigkeit der<br />
menschlichen Interessen, welche an "esprit classique" der<br />
Aufklärungsepoche stark erinnert. Aus all dem bunten Gewebe<br />
der menschlichen Motive wird von Marx fast nur<br />
ein einziges berücksichtigt -- das ökonomische Interesse<br />
im engsten Sinne, worunter Marx das Streben nach unmittelbarer<br />
Selbsterhaltung versteht. Es scheint sogar, dafs<br />
die Marxsche Psychologie fast ärmer ist als die der Aufklärer:<br />
diese kannten nur einen Beweggrund <strong>des</strong> menschlichen<br />
Handeins - das Streben nach Lust; nun will Marx den<br />
menschlichen Willen in einen noch engeren Kreis einschliefsen<br />
, indem nur eine Art von Lust - die <strong>des</strong> unmittelbaren<br />
Lebensunterhalts - als sozial bedeutender<br />
Beweggrund <strong>des</strong> menschlichen Handeins betrachtet wird 2.<br />
Zwar leugnet Marx nicht die Mannigfaltigkeit der menschlichen<br />
Bedürfnisse und Triebe; aber er glaubt, dafs das ökonomische<br />
Interesse das historisch bei weitem mächtigste<br />
und ausschlaggebende unter allen ist. So geht er in der<br />
Vereinfachung <strong>des</strong> Bewufstseinslebens <strong>des</strong> Menschen noch<br />
weiter als die Aufklärer.<br />
1 Auf die Verwandtschaft <strong>des</strong> <strong>Marxismus</strong> mit dem Voluntarismus von<br />
Schopenhauer weist M a s ary k hin. Vgl. seine Schrift: "Die soziologischen<br />
und philosophischen <strong>Grundlagen</strong> <strong>des</strong> <strong>Marxismus</strong>", 1899, S. 1561f.<br />
2 Vgl. W undt, Ethik, 1903, I, S. 510 ff.