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Demokratie - grundrisse.zeitschrift für linke theorie & debatte

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Zur <strong>Demokratie</strong> sozialer Bewegungen<br />

Zur <strong>Demokratie</strong> sozialer Bewegungen<br />

Robert Foltin<br />

Immer wieder wurde durch emanzipatorische<br />

soziale Bewegungen mehr <strong>Demokratie</strong> gefordert.<br />

In den revolutionären Phasen war es die direkte<br />

<strong>Demokratie</strong> der Räte, in den 1970ers tauchte das<br />

Schlagwort „Basisdemokratie“ auf. Die sozialen<br />

Bewegungen der letzten Jahre von unibrennt bis<br />

hin zu den Indignados zeigten sowohl eine Kritik<br />

an der Verfasstheit der demokratischen und parlamentarischen<br />

Strukturen, wie auch „neue“ Formen<br />

der <strong>Demokratie</strong>. So forderten die spanischen<br />

Besetzer_innen der Plaza del Sol in Madrid (die<br />

„Empörten“,Indignados) „<strong>Demokratie</strong> jetzt“. Sie<br />

experimentierten mit Organisationsformen, die eine<br />

Beteiligung der Vielen gewährleisten sollte. Ähnliches<br />

gilt <strong>für</strong> die Strukturen, wie sie 2011 in vielen<br />

Städten durch die Occupy-Bewegung entwickelt<br />

wurden.<br />

In Österreich / Wien entwickelten sich in der<br />

unibrennt-Bewegung 2009 ebenfalls Strukturen, die<br />

das gewöhnliche Verständnis von Wahlen in Frage<br />

stellten. Anfangs konnten die Medien damit kaum<br />

umgehen, dass es keine Ansprechpersonen gab<br />

und die Pressesprecher_innen dauernd wechselten.<br />

Außerdem wurde versucht, zu gewährleisten, dass<br />

sich nicht die übliche Männerdominanz durchsetze.<br />

„Besonders faszinierend finde ich halt, dass Menschen,<br />

die sich noch nie mit basisdemokratischer Entscheidungsfindung<br />

auseinandergesetzt haben, hier plötzlich<br />

basisdemokratisch handeln und zum Teil hab’ ich auch<br />

das Gefühl, dass das auch von einem Impuls ausgeht und<br />

nicht unbedingt von einem theoretischen Hintergrund.“<br />

(Asenbaum et.al. 2010, S. 7) 1<br />

Obwohl sich unterschiedliche <strong>linke</strong>, queere und<br />

feministische Gruppen an den aktuellen Bewegungen<br />

beteiligten, hatten sie keinen sichtbaren,<br />

direkten Einfluss. Die Bewegungen lehnten nicht<br />

selten alle „politischen“ Organisationen ab, was sich<br />

auch gegen anarchistische, autonome oder feministische<br />

Interventionen richtete. Ich will zeigen, dass<br />

es trotzdem gerade diese Formen, wie sie in anarchistischen<br />

und autonomen Strukturen diskutiert<br />

werden, waren und sind, die die Organisierung der<br />

Bewegungen beeinflussen.<br />

Krise der <strong>Demokratie</strong><br />

Warum sind es gerade die aktuellen Bewegungen,<br />

die Entscheidungsfindung und <strong>Demokratie</strong> mehr<br />

diskutieren und reflektieren als frühere Bewegungen?<br />

Die repräsentative <strong>Demokratie</strong> wird schon länger<br />

in Frage gestellt. Guy Debord (1998) kritisierte<br />

bereits in seiner 1967 erschienenen „Gesellschaft<br />

des Spektakels“, dass die kapitalistische Warengesellschaft<br />

ein ebensolches Spektakel sei wie die<br />

demokratische Politik. In aktuellen Wahlkämpfen<br />

gibt es kaum noch einen Unterschied zu Waschmittelwerbung<br />

oder Werbung von Handybetreiber_innen.<br />

Konnte in den früheren Jahrzehnten noch<br />

die Illusion einer Auswahl entstehen, so wurde das<br />

in den letzten Jahren zu Gunsten kapitalistischer<br />

Sachzwänge ganz in Frage gestellt 2 . So wurden Referenden<br />

und Abstimmungen über den EU-Vertrag<br />

so lange wiederholt, bis die Bevölkerung zustimmte.<br />

„Linke“, sozialdemokratische Regierungen setzten<br />

immer und überall die Maßnahmen zu Gunsten<br />

des Kapitals durch. In Italien und Griechenland<br />

wurden Expert_innenkabinette installiert. Die Stimmen<br />

der Wähler_innen, so scheint es, machen der<br />

„Wirtschaft“ heutzutage mehr Sorgen als früher,<br />

als <strong>für</strong> Politik noch Waschmittelwerbung genügte.<br />

So konnte sich die reaktionäre Opposition sozial<br />

gebärden und Wahlen gewinnen. In Ungarn siegte<br />

so die Rechte, von Gaspar Miklos Tamas als „Konterrevolution<br />

gegen die Konterrevolution“ (Tamás<br />

2008) bezeichnet.<br />

Die „Linke“ hat in den letzten Jahren eine selbstmörderische<br />

Anpassung an die herrschenden<br />

„Sachzwänge“ mitgemacht. Diskurse, die einen<br />

ökonomischen Kurswechsel verlangen, dürfen<br />

geäußert werden, sind aber marginalisiert. Was nicht<br />

dem Kapital nutzt, gilt als unrealistisch. Politik und<br />

Medien sind Teil der herrschenden Oligarchie. Dabei<br />

meine ich noch nicht die Korruption, die unter<br />

dem Titel „Parteienfinanzierung“ diskutiert wird,<br />

sondern dass die Führungsetagen von Unternehmen,<br />

Politik und Medien einen privilegierten sozialen<br />

Zusammenhang bilden. Nicht umsonst erhalten<br />

auch <strong>linke</strong> (und grüne) Politiker_innen nach ihrem<br />

Ausscheiden Managementposten in großen Un-<br />

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