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Demokratie - grundrisse.zeitschrift für linke theorie & debatte

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<strong>grundrisse</strong> 45 x 2013<br />

50<br />

Mitglieder und ist nicht juristisch repräsentiert.<br />

Keine Organisation oder Person kann die PGA<br />

repräsentieren.<br />

Die Demonstrationen zu den Aktionstagen wurden<br />

dann von breiten Bündnissen getragen, die sich<br />

gegenseitig akzeptierten und verschiedene Aktionsformen<br />

zuließen. An den Protesten beteiligten<br />

sich wesentlich breitere Kreise als solche, die den<br />

libertären Konzepten der PGA nahe standen. Das<br />

fand seinen Niederschlag in der Entwicklung der<br />

Sozialforumsbewegung mit einem antiautoritären<br />

(anarchistischen oder autonomen) Flügel, aber auch<br />

Gruppierungen und Funktionär_innen von traditionellen<br />

Parteien oder von NGOs.<br />

Was ist von diesen Organisationsformen geblieben?<br />

Die Sozialforen organisierten jährliche Welttreffen<br />

mit regionalen Ablegern. Die Strukturen waren immer<br />

gemischt aus Funktionär_innen <strong>linke</strong>r Parteien<br />

und libertären partizipatorisch-autonomen Strukturen<br />

wie sie u.a. die PGA repräsentierte. Die Sozialforumsbewegung<br />

hat sich, zumindest in Europa,<br />

inzwischen auf einen Haufen Funktionär_innen reduziert,<br />

die staatsfeindlichen Strukturen haben sich<br />

schon länger zurückgezogen. Die PGA ist aus der<br />

Öffentlichkeit verschwunden, dort wird gerade ein<br />

Manifest diskutiert, das auf die neuen Bewegungen<br />

eingeht. Die Organisations- und Koordinationsformen<br />

wurden aber von den aktuellen Bewegungen<br />

übernommen, wie etwa der Gebrauch der Handzeichen.<br />

Dies ermöglicht, dass auch auf Plena, die<br />

von einer großen Anzahl Menschen besucht werden,<br />

sinnvolle Debatten stattfinden und Entscheidungen<br />

getroffen werden, ohne dass das in fruchtlose<br />

Diskussionen ausartet 7 .<br />

Aktualität der direkten <strong>Demokratie</strong><br />

Es sind die radikalen und autonomen sozialen<br />

Bewegungen, die egal, unter welchem Namen, die<br />

Frage der Selbstorganisation oder der <strong>Demokratie</strong><br />

von unten immer wieder aufwerfen. Nicht nur in der<br />

Vielzahl der Besetzungen der letzten Jahre fanden<br />

sich die hier diskutierten „demokratischen“ Strukturen,<br />

sondern auch in einer Reihe von Projekten,<br />

die sich als anarchistisch, autonom oder DIY (do it<br />

yourself ) verstehen. Zusammenfassend lassen sich<br />

folgende Kennzeichen feststellen:<br />

(1) Kritik des Staates und der Begrenztheit der<br />

<strong>Demokratie</strong> durch Wahlen, aber auch von Formen<br />

der Repräsentation in der Öffentlichkeit, oft<br />

verbunden mit einer Kritik an den Medien, die mit<br />

den herrschenden Oligarchien verbunden sind und<br />

sich am (Wahl)Spektakel orientieren. Reflexion<br />

und Selbstkritik an hierarchischen Strukturen im<br />

Inneren, z.B. durch Menschen, die mehr Aktivität<br />

zeigen oder von „Männern“, die sich zu stark in den<br />

Vordergrund schieben.<br />

(2) Die Suche nach Strukturen, die es möglich<br />

machen, dass sich möglichst viele (alle) beteiligen<br />

oder beteiligen können: Plenumsstruktur, Vermeidung<br />

von Abstimmungen, Gemeinsamkeit ohne die<br />

Individualität / Singularität zu unterdrücken.<br />

(3) Direkte Aktion, die sich nicht nur gegen etwas<br />

ausdrückt. Es wird versucht, emanzipatorische<br />

Strukturen schon jetzt zu erzeugen. Das ist die Organisation<br />

des Lebens, von Volksküchen bis hin zur<br />

Organisation von Schlafplätzen.<br />

Viele der aktuellen Bewegungen (unibrennt, Indignados,<br />

Occupy) lehnen, wie schon erwähnt, direkte<br />

anarchistische oder feministische Einflussnahmen<br />

ab. Trotzdem konnten sich die in der libertären<br />

Szene ausprobierten und diskutierten Experimente<br />

durchsetzen. Es gibt den „Sachzwang“ der Organisation,<br />

der es notwendig macht, dass sich viele<br />

beteiligen können und es ist auch die „Propaganda<br />

der Tat“, die von den Bewegungen organisatorisch<br />

umgesetzt wird: Vor unibrennt ereigneten sich in<br />

Wien eine Reihe von Besetzungen (Häuser, soziale<br />

Zentren, aber auch andere, wie die am Augartenspitz),<br />

dort wurde in Arbeitsgruppen, Volksküchen<br />

und demokratischen Strukturen experimentiert.<br />

Die spanische Bewegung und Occupy übernahmen<br />

die Kommunikationsstruktur durch Handzeichen<br />

auf Plenas von den internationalen Treffen der<br />

PGA.<br />

Es ist auch egal, wie diese Erfahrungen benannt<br />

werden: in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

wurden solche Konzepte „Räte“ genannt, inzwischen<br />

ist die Bezeichnung von institutionellen Strukturen<br />

okkupiert. Die Sowjetunion („Räteunion“) hatte<br />

nichts mehr mit den Räten, einer Selbstorganisation<br />

von unten, zu tun. Ebenso wie heutige „Betriebsräte“<br />

fast nur mehr disziplinierende Funktion zu Gunsten<br />

der Unternehmen haben. Aber auch andere Begriffe<br />

wurden inzwischen in Institutionen verwandelt:<br />

„Basisdemokratie“ als Schreckgespenst aus der<br />

Frühzeit der Grünen war zu seiner Zeit auch nicht<br />

viel mehr als ein Versuch, die Eliten rotieren zu<br />

lassen.

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