krautfunding 3.0 Ansgar Warner
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47 | STARTUP-KULTUR & AGENDA SETTING<br />
Echtes Kraut-Funding: Guerilla-Gardening mitten in Berlin<br />
Wer hätte das gedacht: Krautfunding ist nicht nur eine Grassroot-<br />
Bewegung, es kann auch echte Kräuter sprießen lassen. Der beste Beweis<br />
dafür sind die „Prinzessinnengärten“ im Berliner Bezirk Kreuzberg: am<br />
Moritzpatz, nur einen Seedball-Wurf von der Mauer entfernt, existierte seit<br />
Kriegsende eine Brachfläche - bis im Jahr 2009 eine Gruppe von urbanen<br />
Guerilla-Gärtnern aktiv wurde. Auf den knapp 6000 Quadratmetern<br />
entstand in kurzer Zeit ein lebendiger Nutzgarten, wo Gemüse und Kräuter<br />
in Bio-Qualität angebaut werden, Hobbyimker ihre Bienenkästen aufstellen<br />
und ein Gartencafé Besucher einlädt.<br />
Öffentliche Förderung gab es dafür nicht, getragen wurde die Aktion von<br />
Anfang an von hunderten Freiwilligen, die neben Geld- und Sachspenden<br />
vor allem eins mitbrachten: ihre Arbeitskraft und die Lust am Gärtnern.<br />
„In einem Bezirk mit hoher Verdichtung, wenig Grün und vielen sozialen<br />
Problemen können Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Nachbarn,<br />
interessiete Laien, passionierte Gärtner und Freiluftenthusiasten - mit<br />
einem Wort: jeder, der will - in dieser sozialen und ökologischen<br />
Landwirtschaft gemeinsam mit uns lernen, wie man lokal Lebensmittel<br />
herstellt und gemeinsam einen neuen Ort urbanen Lebens schafft“,<br />
schreiben die Prinzessinnengärtner auf ihrer Website.<br />
Mit einem klassischen Kleingarten darf man die grüne Insel am<br />
Moritzplatz natürlich nicht verwechseln: denn niemand hat hier sein<br />
eigenes Beet, alle Flächen werden gemeinsam bewirtschaftet. Außerdem ist<br />
deutlich mehr los als in der normalen Parzelle am Stadtrand: im Jahr 2012<br />
zählten die Prinzessinengärten sage und schreibe 50.000 Besucher.<br />
Die urbanen Guerilla-Gärtner sind aber mindestens so gut organisiert<br />
wie die klassische Schreber-Bewegung: Für den Betrieb sorgt eine<br />
gemeinnützige GmbH namens „Nomadisch Grün“, die an die Stadt Berlin<br />
für die Nutzung der Flächen Gebühren zahlt. Doch wirklich etabliert sind<br />
die Prinzessinengärten an ihrem aktuellen Standort nicht. Der Mietvertrag<br />
gilt immer nur für ein Jahr, was den „mobilen“ Charakter des Projekts<br />
erklärt: Die Gebäude bestehen aus Containern, die Pflanzen werden in<br />
tragbaren Modulen angebaut, von recycelten Bäckerkisten über voluminöse<br />
Reissäcke bis zu kleinen Tetrapaks.<br />
Der dauerhaften Nutzung standen bisher finanzielle Interessen des<br />
Berliner Senats entgegen - schließlich ist das Grundstück eine Menge Geld<br />
wert. Zum Glück findet bei den Hauptstadt-Politikern jedoch gerade ein allgemeiner<br />
Umdenkprozess statt: soziale und kulturelle Belange bekommen<br />
endlich mehr Gewicht.