krautfunding 3.0 Ansgar Warner
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72 | KRAUTFUNDING ALS DAS NÄCHSTE GROSSE DING?<br />
Presse zwischen Paywall & Kostenlos-Kultur<br />
Eine ähnliche Konfrontation wie im Bereich der Musikindustrie erleben wir<br />
mittlerweile bei Büchern und Zeitungen. Online-Nachrichtenportale gibt es<br />
schon seit den 1990er Jahren, bisher meistens mit kostenlosem Zugang –<br />
die Verlage waren vor allem an einer möglichst großen Reichweite<br />
interessiert. Doch sinkende Auflagen und steigender Kostendruck haben die<br />
Ansichten in kurzer Zeit radikal verändert. Plötzlich wird die „Kostenlos-<br />
Kultur“ des Internets lauthals beklagt. Eine probate Lösung sollen Paywalls<br />
bieten, zugleich aber auch kostenpflichtige Apps für Mobilgeräte à la iPhone<br />
und iPad. Nicht nur für die Informationsfreiheit wäre das ein herber<br />
Rückschlag, sondern auch für das Internet als Medium – es lebt schließlich<br />
davon, dass man den angelegten Verlinkungen auch folgen kann.<br />
Doch alleine schon die Gesetze des Wettbewerbs dürften<br />
flächendeckende Bezahlschranken verhindern. Paradoxerweise können<br />
Paid-Content-Modelle einiger Marktteilnehmer sogar den Einsatz von<br />
Crowdfunding bei Mitbewerbern fördern. Geht der monetäre Schlagbaum<br />
nieder, wird schließlich ein Großteil der Leser auf die Seiten der Konkurrenz<br />
gelenkt. Und wie Chris Anderson in seinem Bestseller „Free – The Future of<br />
a Radical Price“ so schön formuliert hat, gibt es keinen<br />
wettbewerbsfähigeren Preis als Null Cent. Vor allem, wenn die<br />
Monetarisierung trotzdem gesichert bleibt, etwa durch Anzeigen,<br />
Bewerbung der Printversion, oder eben auch Crowdfunding. Modelle wie<br />
wie die „taz zahl ich“-Kampagne weisen hier den Weg – aber auch<br />
journalistische Spendenplattformen wie Spot.us oder Public Interest-<br />
Portale wie ProPublica in den USA.<br />
In den letzten zehn Jahren hat dort die Zeitungskrise zu einem<br />
Lernprozeß geführt. Inzwischen fließen aus Richtung des gemeinnützigen<br />
Sektors jedes Jahr etwa 100 Millionen Dollar an die Presse, stellte 2011 eine<br />
gemeinsame Studie von TU Dortmund und der University Wisconsin-<br />
Madison fest („Finanzierung journalistischer Aktivitäten durch<br />
gemeinnützige Organisationen in den USA“). Aus deutscher Perspektive<br />
klingt das fast so utopisch wie staatlich verordnete Subventions-Modelle à<br />
la Frankreich oder Italien. Totalpleiten wie im Fall der Financial Times<br />
Deutschland oder für hochwertigen Journalismus mittelfristig fast ebenso<br />
tödliche Totalsanierungen wie bei der Frankfurter bzw. Westfälischen<br />
Rundschau zeigen jedoch den akuten Handlungsbedarf. Zu Recht fordert<br />
etwa der Dortmunder Journalismus-Forscher Holger Wormer im Fazit der<br />
o.a. Studie seine Landsleute zu publizistischen Experimenten nach dem<br />
Vorbild der USA auf: „In einem Land, in dem man sogar Schlaglöcher auf<br />
maroden Strassen adoptieren kann, sollte es auch möglich sein, Stifter zu<br />
finden, die der vierten Säule der Demokratie wieder zu jener Tragfähigkeit<br />
mit verhelfen, wie es ihrer Systemrelevanz entspricht.“