krautfunding 3.0 Ansgar Warner
krautfunding 3.0 Ansgar Warner
krautfunding 3.0 Ansgar Warner
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
77 | KRAUTFUNDING ALS DAS NÄCHSTE GROSSE DING?<br />
Die Crowd als virtuelle Genossenschaft<br />
Vielleicht nicht ganz zufällig wird die Debatte um Crowdfunding, Copyright<br />
und die „Commons“, also neue Formen der digitalen Allmende gerade jetzt<br />
geführt. Denn auch in der realen Welt ist ein Streit um die Grenzen<br />
zwischen öffentlich und privat entbrannt, zwischen Gemeinnutz und<br />
Eigennutz. Nicht zuletzt, weil immer öfter alltägliche, oft auch lebensnotwendige<br />
Dinge durch Privatisierungen der öffentlichen Kontrolle<br />
entzogen werden: etwa die Wasser- und Energieversorgung, das Post- und<br />
Transportwesen oder der Bildungssektor. Wie die Patentierung von Tierund<br />
Pflanzengenen zeigt, ist sogar die „Software“ des Lebens von dieser<br />
Enteignungswelle betroffen. Dagegen regt sich in Deutschland nicht nur<br />
Protest auf politischer Ebene. Es gibt auch eine ganze Menge praktischer<br />
Ansätze. Wir erleben die Rückführung etwa von Wasserwerken oder<br />
Energieversorgern in Gemeineigentum (Stichwort: „Rekommunalisierung“),<br />
aber auch die Übernahme kriselnder Unternehmen durch die Beschäftigten,<br />
wie zuletzt beim Ökoversandhaus Hess Natur. In diesem Zusammenhang<br />
wurde bereits oft von einer Renaissance des Genossenschafts-Gedankens<br />
gesprochen.<br />
Tatsächlich hat das Prinzip von Selbsthilfe, Selbstverwaltung und<br />
Selbstverantwortung in Deutschland eine lange Tradition, Namen wie<br />
Schulze-Delitzsch oder Raiffeisen oder sind vielen ein Begriff. Deutschland<br />
ist ebenso ein Land der Vereine wie der Genossenschaften - und liegt damit<br />
voll im Trend. Das zeigte nicht zuletzt das 2012 von der UN ausgerufene<br />
„internationale Jahr der Genossenschaften“.<br />
Alleine im Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. sind<br />
mehr als 20 Millionen Menschen organisiert. In Vereinen ist statistisch<br />
gesehen sogar jeder von uns aktiv, die mehr als 600.000 eingetragenen<br />
Vereine haben zusammen weitaus mehr Mitglieder, als es überhaupt<br />
Bundesbürger gibt. Aktionäre sind dagegen nur etwa eine Millionen<br />
Bundesbürger. Zwanzig mal mehr Menschen vertrauen also im Alltag lieber<br />
auf eine etwas andere Art von „shareholder value“ – sie investieren in die<br />
Solidargemeinschaft. (Im Web machen sie es aber inzwischen genauso. Zu<br />
den bisher erfolgreichsten Krautfunding-Projekten überhaupt gehört das<br />
genossenschaftlich organisierte Fairtrade-Portal „fairnopoly“.)<br />
Möglicherweise liegt es ja hier, das Geheimnis des Krautfundings. Ohne<br />
eine Vorform der Finanzierung durch eine Crowd – nämlich die direkte<br />
Unterstützung durch möglichst viele Mitglieder – würden genossenschaftliche<br />
Ansätze ebensowenig funktionieren wie die typische deutsche<br />
„Vereinsmeierei“.