krautfunding 3.0 Ansgar Warner
krautfunding 3.0 Ansgar Warner
krautfunding 3.0 Ansgar Warner
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
73 | KRAUTFUNDING ALS DAS NÄCHSTE GROSSE DING?<br />
E-Books als das neue MP3? Piraterie in der Buchbranche<br />
Etwas anders ist die Problemlage in der Buchbranche. E-Books haben erst<br />
in den letzten fünf Jahren einen echten Boom erlebt, ausgehend von den<br />
USA, wo Amazon mit dem Kindle-Reader die Branche kräftig<br />
durcheinandergewirbelt hat. Die Teilung des Buchmarktes in 50 Prozent<br />
digital und 50 Prozent Print – vor wenigen Jahren noch völlig unvorstellbar<br />
– wird nun bereits für die Jahre 2015 bis 2020 prognostiziert. Das<br />
Geschäftsmodell der Verlage gerät dabei von mehreren Seiten aus unter<br />
Beschuss: „Gatekeeper“ wie Apple oder Amazon reden nun mit, zu welchen<br />
Preisen Bücher angeboten werden sollen. Bestseller-Autoren entdecken das<br />
Direktpublishing – und veröffentlichen ihre E-Books an den Verlagen<br />
vorbei, was ihnen Tantiemen von bis zu 75 Prozent einbringt. Doch vor<br />
allem laufen die Leser in Scharen davon – sie besorgen sich nicht nur ihre<br />
Musik, sondern auch ihre Lektüre auf Filesharing-Plattformen oder via<br />
Direktlink-Download bei Rapidshare & Co.<br />
Unbekümmert davon wollen die Paid-Content-Befürworter die Regeln der<br />
Gutenberg-Galaxis in das drahtlose Zeitalter hinüberretten – bei Zeitungen<br />
mit Paywalls, bei Musik und Büchern mit „Digital Rights Management“ und<br />
zur Not auch rigorosen Maßnahmen wie Netzsperren (siehe Frankreich).<br />
Vielleicht sollte die Verlagsbranche den Hinweis von Matt Mason<br />
beherzigen. In seinem Klassiker „The Pirate’s Dilemma“ warnt er die<br />
Content-Industrie: „If suing customers for consuming pirate copies<br />
becomes central to a company’s or industry’s business model, then the truth<br />
is that that company or industry no longer has a competitive business<br />
model.“<br />
Wie obsolet die alten Geschäftsmodelle sein können, zeigte die im April<br />
2011 veröffentlichte Studie „Gutenberg <strong>3.0</strong> – Ebook-Piraterie in<br />
Deutschland“ (erstellt im Auftrag des irischen Consulting-Unternehmen<br />
Lisheennageeha Consulting ltd.). Die illegalen Seiten konkurrieren nicht<br />
einfach nur mit Null-Euro-Preisen, sondern auch mit einem breiteren<br />
Angebot: „Unter den Werken finden sich häufig auch von den ‚Piraten‘<br />
selbst digitalisierte Bücher (meist in hoher Qualität), die offiziell gar nicht<br />
als Ebooks angeboten werden. (…) Der legale Markt geht oft an den Kunden<br />
und ihren Bedürfnissen vorbei“. Mit der bisherigen Verlagspolitik geht die<br />
Studie dementsprechend hart ins Gericht: Schlimmer als bei der<br />
Musikindustrie würden einige Verlage die Nutzer regelrecht dazu erziehen,<br />
illegalen Angeboten den Vorzug zu geben. Als Rezept empfehlen die<br />
Autoren der Studie dieselben Strategien, mit denen die Musikindustrie zur<br />
Zeit schon experimentiert: Verzicht auf Kopierschutz und Übergang zu<br />
Flatrate-Tarifen. DRM halten die Autoren der Studie ohnehin nur noch für<br />
kontraproduktiv und „nicht mehr zeitgemäß“.