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Weindozenten stillen Wissensdurst Wenn Laien in den Reben ...

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Beitrag zur Staatsgründung<br />

1952 wurde der Südweststaat Ba<strong>den</strong>-Württemberg aus<br />

Württemberg-Ba<strong>den</strong>, Ba<strong>den</strong> und Württemberg-Hohenzollern<br />

aus der Taufe gehoben. Solche Entscheidungen brauchen e<strong>in</strong>e<br />

längere Vorlaufzeit. Am 2. August 1948 fand beispielsweise<br />

auf dem Hohenneuffen e<strong>in</strong>e Besprechung statt. Der „Täleswe<strong>in</strong>“<br />

aus dem Jahrhundertjahrgang 1947, mit dem die am<br />

9. Mai 1948 gegründete We<strong>in</strong>gärtnergenossenschaft sofort gute<br />

Verkaufserfolge erzielte, leistete hier e<strong>in</strong>en Beitrag. In e<strong>in</strong>er<br />

Chronik ist festgehalten: „Er machte bei manchen Beteiligten<br />

die Zunge locker und die Be<strong>in</strong>e schwer.“<br />

Aber man kann 90 Prozent der Ernte selbst überwiegend<br />

vor Ort ohne Nachlässe verkaufen. Da bleibt unter<br />

dem Strich mehr, als wenn man <strong>in</strong>tensiv mit dem Lebensmittelhandel<br />

paktiert.<br />

H<strong>in</strong>zu kommt, dass die Neuffener schon lange ke<strong>in</strong>e eigene,<br />

kosten<strong>in</strong>tensive Kellerwirtschaft mehr betreiben.<br />

Zwar existiert noch e<strong>in</strong> historischer Keller, aber dar<strong>in</strong><br />

lagern lediglich Flaschen, ansonsten wer<strong>den</strong> hier <strong>in</strong><br />

Nachbarschaft großer Holzfässer gesellige Verkostungen<br />

durchgeführt. Ausgebaut wer<strong>den</strong> die We<strong>in</strong>e seit<br />

1965 bei der We<strong>in</strong>gärtner-Zentralgenossenschaft <strong>in</strong><br />

Mögl<strong>in</strong>gen, die Most (weiß) und Maische (rot) angeliefert<br />

bekommt und dann <strong>den</strong> Rest besorgt. „Wir kommen<br />

sehr gut mite<strong>in</strong>ander aus und s<strong>in</strong>d mit <strong>den</strong> Resultaten<br />

zufrie<strong>den</strong>“, berichtet Buck.<br />

Die Genossenschaft Hohenneuffen-Teck wurde 1948<br />

von damals 150 Wengertern gegründet. Sie hat Vorläufer<br />

<strong>in</strong> We<strong>in</strong>gärtner-Zünften, die um das Jahr 1500 gebildet<br />

wur<strong>den</strong>. Im 20. Jahrhundert gab es e<strong>in</strong>ige Anläufe<br />

zu e<strong>in</strong>em Zusammenschluss. Dann waren sich die Wengerter<br />

der acht We<strong>in</strong>baugeme<strong>in</strong><strong>den</strong> Neuffen, Kohlberg,<br />

Kappishäusern, Beuren, Balzholz, L<strong>in</strong>senhofen, Frickenhausen<br />

und damals noch Owen e<strong>in</strong>ig, <strong>den</strong> Täleswe<strong>in</strong><br />

(nach dem Tal, <strong>in</strong> dem alle liegen) geme<strong>in</strong>sam auszubauen<br />

und zu vermarkten. Später schlüpften außerdem<br />

die Weilheimer unter dieses Dach.<br />

Die Sortenstruktur änderte sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Jahren<br />

merklich. Der Silvaner hatte e<strong>in</strong>st 90 Prozent Flächenanteil.<br />

Ihn gibt es zwar nach wie vor; er steht auf Muschelkalk.<br />

Jürgen Borck verzichtet auf das Modewort<br />

Terroir und me<strong>in</strong>t: „Da kommt das Bo<strong>den</strong>g’fährtle gut<br />

rüber.“ Der Silvaner mit der Bezeichnung „Blaue Mauer“<br />

ist sogar e<strong>in</strong>es der qualitativen Aushängeschilder<br />

des Hauses (und kostet <strong>den</strong>noch nur 5,80 Euro). Aber<br />

längst haben sich zu ihm Müller-Thurgau, Kerner,<br />

Weißburgunder und Johanniter gesellt und dazu e<strong>in</strong>e<br />

Reihe roter Sorten wie Spätburgunder, Schwarzriesl<strong>in</strong>g,<br />

Dornfelder, Regent, Portugieser, Lemberger, Troll<strong>in</strong>ger,<br />

Samtrot und Acolon. Rotwe<strong>in</strong>, vor 25 Jahren<br />

noch bedeutungslos, ist <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Jahren auf 50 Prozent<br />

Absatzanteil geklettert.<br />

E<strong>in</strong>ige der roten Sorten wer<strong>den</strong> für e<strong>in</strong>e gehaltvolle Cuvée<br />

genutzt. Der <strong>in</strong> Barriques gereifte „Berthold zu Nifen“,<br />

e<strong>in</strong> geschmeidig-feuriger Tropfen aus mehreren<br />

neuen roten Sorten aus e<strong>in</strong>em Versuchswe<strong>in</strong>berg, ist<br />

mit se<strong>in</strong>en 12,50 Euro der mit weitem Abstand teuerste<br />

Tropfen auf der Preisliste. Neu im Sortiment ist e<strong>in</strong>e<br />

weiße Cuvée aus e<strong>in</strong>em Bio-We<strong>in</strong>garten <strong>in</strong> Frickenhausen,<br />

<strong>in</strong> dem 2012 die Umstellungsphase beendet war.<br />

Troll<strong>in</strong>ger ist <strong>in</strong> dieser Ecke am Rand von We<strong>in</strong>-Württemberg<br />

nicht bedeutend. E<strong>in</strong> Renner ist dagegen der<br />

vor 20 Jahren e<strong>in</strong>geführte Schillerwe<strong>in</strong>. Der süffige,<br />

herzhafte Hellrote hat e<strong>in</strong>en Absatzanteil von 25 Prozent<br />

und mit 4,30 Euro Schnäppchen-Charakter. Bei der<br />

Geschmacksrichtung ist trocken mit e<strong>in</strong>en Anteil von<br />

rund 30 Prozent nicht dom<strong>in</strong>ant. Wo nichts dabeisteht,<br />

ist der We<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Regel im halbtrockenen Bereich. Der<br />

als Ergänzung zum Sekt e<strong>in</strong>geführte Perlwe<strong>in</strong> „Secco“<br />

hat Hit-Charakter. „Wir verkaufen vom Weißen <strong>in</strong>zwischen<br />

8000 Flaschen, vom Rosé 4500“, freut sich Geschäftsführer<strong>in</strong><br />

Anhut. In e<strong>in</strong>igen Monaten wird e<strong>in</strong><br />

Weißwe<strong>in</strong> angesetzt, der <strong>in</strong> der kalten Jahreszeit stark<br />

nachgefragt ist, e<strong>in</strong> sehr aromatischer, leichtgewichtiger<br />

„Würzwe<strong>in</strong>“. „Unsere Antwort auf roten Glühwe<strong>in</strong>“,<br />

schmunzelt Christ<strong>in</strong>e Anhut.<br />

Die Vielfalt des We<strong>in</strong>angebotes wird deutlich bei e<strong>in</strong>em<br />

Spaziergang <strong>in</strong> <strong>den</strong> We<strong>in</strong>gärten, wo wir gerade e<strong>in</strong><br />

weibliches Mitglied der Genossenschaft treffen. Anneliese<br />

Kiehlneker, deren Mann Gerd Bucks Vorgänger als<br />

Vorstandsvorsitzender war, schneidet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Höllentempo<br />

mit scharfem Blick die <strong>Reben</strong>. Man sieht ihr an,<br />

dass diese Arbeit unter freiem Himmel richtig Spaß machen<br />

kann.<br />

Wanderer können hier e<strong>in</strong>iges lernen. Etwa 20 Informationstafeln<br />

vor Rebzeilen klären über die speziellen Eigenschaften<br />

der jeweiligen Sorten auf, von <strong>den</strong> Eltern<br />

e<strong>in</strong>er Züchtung über <strong>den</strong> Züchtervater, die Reifezeit,<br />

<strong>den</strong> We<strong>in</strong>typ bis h<strong>in</strong> zu <strong>den</strong> durch Reb-Genforschung<br />

ermittelten „Urahnen“.<br />

Nach e<strong>in</strong>em Spaziergang sollte noch e<strong>in</strong>e Runde durch<br />

Neuffen selbst auf dem Programm stehen. Das historische<br />

Zentrum, <strong>in</strong> dem sich auch die Genossenschaft<br />

mit ihrer Verwaltung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schönen alten Fachwerkhaus<br />

bef<strong>in</strong>det, wurde zwischen 1978 und 2005 mit viel<br />

F<strong>in</strong>gerspitzengefühl und hohem f<strong>in</strong>anziellen Aufwand<br />

saniert. E<strong>in</strong>e Anfahrt auf <strong>den</strong> Kelterplatz zum E<strong>in</strong>la<strong>den</strong><br />

von e<strong>in</strong>igen We<strong>in</strong>kartons ist trotz Verkehrsberuhigung<br />

nach wie vor möglich…<br />

Fotos: Jana Kay<br />

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