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oead.news Nr. 88/2013 - Österreichischer Austauschdienst

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33<br />

Florian Bieber<br />

Nur scheinbar unüberbrückbare Hindernisse<br />

Joint Degree in Southeast European Studies<br />

Florian Bieber ist Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Karl-<br />

Franzens-Universität in Graz. Sein Forschungsschwerpunkte liegen auf Nationalismus,<br />

interethnischen Beziehungen und politischen Systemen in Südosteuropa.<br />

Er hat Monographien u.a. zum ›Nationalismus in Serbien vom Tode Titos<br />

zum Ende der Ära Milošević‹ (Münster 2005) und ›Post-War Bosnia‹ (London<br />

2006) verfasst und zahlreiche Bücher herausgegeben. Neben seiner wissenschaftlichen<br />

Tätigkeit ist er auch in der Politikberatung aktiv.<br />

Das interdisziplinäre Masterprogramm Southeast European Studies wurde im<br />

Rahmen von JoinSEE TEMPUS entwickelt.<br />

© Univ. Graz<br />

Wie viel muss ein Diplom wiegen? Wo muss der Stempel<br />

der Universität stehen? Solch scheinbar banale Fragen,<br />

die meist kaum jemanden interessieren, rücken bei<br />

einem gemeinsamen Masterprogramm mehrerer Universitäten<br />

mitunter in den Vordergrund. Das Gewicht<br />

des Papiers ist vorgeschrieben, ebenso die Platzierung<br />

des Uni-Logos und auf einmal entstehen scheinbar unüberbrückbare<br />

Hindernisse für Universitäten die zusammen<br />

arbeiten wollen.<br />

Seit 2011 können Studierende an der Karl-Franzens-<br />

Universität Graz ›Südosteuropa‹ auf Englisch studieren.<br />

Gemeinsam mit den Universitäten von Belgrad, Zagreb<br />

und Skopje hat Graz nach mehrjähriger Planung ein gemeinsames<br />

Master Programm in Südosteuropakunde<br />

auf die Beine gestellt. Studierende beginnen an einer<br />

der Partneruniversitäten und nach dem ersten Jahr verbringen<br />

sie ein Semester an einer anderen Uni, sei es in<br />

Südosteuropa oder anderswo in der EU. Dieses Jahr haben<br />

sich 14 Studierende in Graz, 18 in Belgrad und drei<br />

in Skopje für den Joint Degree in Southeast European<br />

Studies eingeschrieben.<br />

Es handelt sich hierbei nicht nur um ein Programm nur<br />

für Studierende aus Österreich, Serbien, Kroatien oder<br />

Mazedonien, sondern um einen internationalen<br />

Studiengang. So studieren<br />

hier auch Personen aus Bosnien, aus den<br />

Niederländen und Kanada in Graz und<br />

Österreicher/innen in Belgrad. Auch die<br />

Professor/innen der Fächer Geschichte,<br />

Politikwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften,<br />

Soziologie und Rechtswissenschaften<br />

sind international. Somit<br />

stellt das Studium Vorurteile zwischen<br />

Disziplinen und Nationen in Frage. Im<br />

Westen wird das südöstliche Europa<br />

teilweise noch immer als Kriegs- und Krisenregion<br />

wahrgenommen. Auch wenn<br />

die Kriege der neunziger Jahre in die Gegenwart<br />

hinein wirken und die aktuelle<br />

wirtschaftliche Lage Armut und Unterentwicklung<br />

verstärkt hat, so so ist die<br />

Region vielschichtiger und spannender<br />

als nur ein ehemaliger Kriegsschauplatz.<br />

Der Balkan ist keine exotische Region<br />

über die man aus sicherer Entfernung im<br />

stillen Kämmerlein lernt. Das südöstliche<br />

Europa lernt man am besten kennen,<br />

wenn man nicht nur über die Region lernt, sondern dort<br />

auch Zeit verbringt. Auch innerhalb Südosteuropas dominiert<br />

die Orientierung nach Westen während man oft<br />

wenig über den Nachbarn weiß. Wenn man heute mit<br />

dem Flugzeug von einem Land Südosteuropas in ein<br />

anderes reisen will, führt der Weg meist über Wien oder<br />

Istanbul. Kaum eine Einrichtung beschäftigt sich mit<br />

der ganzen Region, sondern meist nur mit dem eigenen<br />

Land.<br />

Doch zurück zum Gewicht des Diploms. Um das Joint<br />

Degree-Programm in die Wege zu leiten, waren die<br />

größten Hindernisse nicht Meinungsunterschiede darüber,<br />

wie man den Studierenden Südosteuropa näher<br />

bringen solle, sondern wie viele ECTS Punkte eine Vorlesung<br />

haben soll, wie Studierende zu welchen Bedingungen<br />

aufgenommen werden können oder wie dieses<br />

Joint Degree Programm in die Universitätslandschaft<br />

hineinpasst – viele kleine bürokratische Hürden. Trotz<br />

Internationalisierung und Europäischer Union funktioniert<br />

jede Universität noch immer in einem nationalen<br />

System, das oft wenig Flexibilität und Verständnis für<br />

den internationalen Kontext und die Regeln der anderen<br />

besitzt. Trotzdem hat es der Master in Southeast European<br />

Studies geschafft Diplome richtig abzuwiegen,<br />

ECTS Punkte gut zu verteilen, die Zustimmung von Senaten,<br />

Ministerien, Rektoren und Dekanen zu bekommen<br />

und das zunehmende Interesse von Studierenden<br />

zeigt, dass sich die Mühen gelohnt haben.<br />

© florian bieber<br />

Die Studierenden des<br />

Masterlehrgangens an<br />

der Universität Belgrad<br />

infopoint<br />

www.seestudies.eu<br />

www.suedosteuropa.uni-graz.at

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