oead.news Nr. 88/2013 - Österreichischer Austauschdienst
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Die demokratische Transition verläuft nie geradlinig.<br />
buchstäblich die internationale Gemeinschaft in<br />
Post-Dayton-Bosnien jeden kleinsten Kompromiss,<br />
um das Land einen Schritt vorwärts zu bringen.<br />
Autoritäre Herausforderungen<br />
Dass die Pfade zur Demokratie nie geradlinig und<br />
nach einem einfachen und normativ vorbestimmten<br />
Muster verlaufen, ist mittlerweile eine generelle akzeptierte<br />
Erkenntnis der Demokratisierungswissenschaft.<br />
Die Demokratisierungspfade im Donauraum<br />
sind das beste Beispiel dafür. Die globale Finanz- und<br />
Wirtschaftskrise sowie die Euro-Krise innerhalb der<br />
EU haben auch in einigen Staaten des Donauraums<br />
all die Brüchigkeit des demokratischen Konsenses<br />
aufgezeigt. In Ungarn spricht man seit dem Machtantritt<br />
von Viktor Orban im Jahr 2010 sogar von einer<br />
autoritären Wende. Rumänien macht in den letzten<br />
beiden Jahren ebenfalls eine tiefe Krise durch. Der eigenwillige<br />
nationalbewusste Kurs von Viktor Orban<br />
und die rumänischen Notverordnungen stoßen auf<br />
heftige Kritik aus Brüssel. Auch in jenen Staaten, die<br />
sich in der EU-Erweiterungsschlange befinden, sind<br />
die politischen Folgen der Rezession schwerwiegend.<br />
In Serbien konnten sich die nationalistischen Kräfte<br />
an der Macht festsetzen. Bosnien-Herzegowina<br />
befindet sich in einer politischen Paralyse, die ihresgleichen<br />
sucht und das Land an den Rand der Regierbarkeit<br />
bringt. In der Ukraine ist vom Geist der<br />
Orangenen Revolution wenig zu spüren. Die ohnehin<br />
wenig prosperierende Republik Moldau stöhnt unter<br />
den Folgen der Krise.<br />
In einem Artikel im britischen Guardian im letzten<br />
Sommer sprach man die autoritären Tendenzen in<br />
manchen osteuropäischen Staaten wie Ungarn oder<br />
Rumänien an und schlussfolgerte, dass diese Tendenzen<br />
›einen Blick in den Abgrund Europas‹ erlauben,<br />
das ›die europäische Idee längst aufgegeben hat.‹<br />
(Andrea Capussela, Why the eurozone crisis threatens<br />
liberal reform in the east, in: The Guardian, 5.8.2012)<br />
Wenn auch dies eine äußerst pessimistische Meinung<br />
ist, die hoffentlich von den zukünftigen Entwicklungen<br />
in Europa eines Besseren belehrt werden<br />
wird, gibt es genug Anlass zur Sorge.<br />
setzungen stehen an der Tagesordnung. Jene postdemokratischen<br />
Tendenzen (Colin Crouch), die wir vom<br />
Westen kennen, sind längst Teil des Donauraumes<br />
geworden. Die Regierungen greifen immer öfters zu<br />
Mitteln und Wegen, die aus Brüssel als antiliberal und<br />
undemokratisch verurteilt werden. EU-weite Debatten<br />
über Europa von mehreren Geschwindigkeiten,<br />
über ein Kern- und ein Randeuropa, begleitet mit<br />
einer akuten Erweiterungsmüdigkeit, verringern die<br />
Anreize für interne Reformen und erhöhen die Tendenz<br />
zur negativen politischen Instrumentalisierung<br />
der EU.<br />
Wider den Populismus und EU-Skeptizismus<br />
– Neue Protestbewegungen als<br />
Demokratieelixier<br />
Sowohl in jenen Staaten des Donauraumes, die bereits<br />
Mitglieder der EU sind, als auch in jenen, die<br />
noch in der Warteschlange stehen, sind wir Zeugen<br />
eines weitverbreiteten EU-Skeptizismus, der im Donauraum<br />
durch nationale Sentimentalitäten genährt<br />
wird. Man wehrt sich gegen Brüssel, dem man eine<br />
Beschränkung der Souveränität vorwirft. Manche Politiker<br />
so wie der scheidende tschechische Präsident<br />
Vaclav Klaus griffen in ihren Anti-Brüssel-Reflexen<br />
sogar zu Vergleichen Brüssels mit Moskau in der Zeit<br />
des Kalten Krieges. Mit der Schaffung eines Gegners<br />
im scheinbaren Außen mobilisiert man interne Kräfte<br />
und glaubt – zumindest kurzfristig - Macht stabilisieren<br />
zu können.<br />
Ein populistischer Wettlauf gegen die EU scheint in<br />
manchen Staaten der Donauregion en vogue zu sein.<br />
Der Populismus und nationalistische Agitation stellen<br />
zweifelsohne eine große Gefahr für die jungen Demokratien<br />
des Donauraumes dar. Sie regen aber auch<br />
den Widerstand an. Zahlreiche Bürger/innen sind<br />
nicht mehr bereit, leere populistische Worthülsen und<br />
die selbstbezogenen – oft korrupten Praktiken – der<br />
eigenen politischen Eliten zu akzeptieren. So wird<br />
paradoxerweise ausgerechnet die Krise zu einem potentiellen<br />
Lebenselixier für die Weiterentwicklung der<br />
jungen Demokratien in der Donauregion.<br />
In Ungarn sind im Februar <strong>2013</strong> mehrere Tausend<br />
Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen<br />
Armut, Not und die ›anti-soziale‹ Politik der Regierung<br />
Orban zu protestieren. Oppositionelle Proteste<br />
In allen Staaten des Donauraumes ist das Vertrauen<br />
der Menschen in die Regierenden gering, der Populismus<br />
am Vormarsch. Heftige politische Auseinandergegen<br />
den Allherrschaftsanspruch von<br />
Viktor Orban und seinen offensiven<br />
Kurs gegen die EU begleiten weiterhin<br />
den ungarischen Alltag. In Slowenien<br />
gehören die Straßenproteste und Wut<br />
gegen die Korruption in der Regierung<br />
seit Wochen und Monaten zur<br />
Tagesordnung. In Montenegro gab es<br />
letzten Sommer eine breite zivilgesellschaftliche<br />
Protestfront, die sich für<br />
ein offenes und demokratisches Montenegro<br />
im Rahmen der EU einsetzte.<br />
In manchen Staaten der Donauregion<br />
bekamen EU-Gegner von der Bevölkerung<br />
einen Denkzettel verpasst: Bei<br />
den vorgezogenen Wahlen in der Slowakei<br />
Anfang 2012 setzten sich die<br />
expliziten Pro-Europäer/innen durch.<br />
Proteste und neue zivilgesellschaftliche<br />
Bewegungen im europäischen<br />
Osten und Südosten zeigen, dass die<br />
demokratischen Werte der Freiheit,<br />
Gleichheit und menschlicher Würde,<br />
die mühsam erkämpft wurden, von<br />
vielen Bürger/innen als unumstößlich<br />
betrachtet werden. Jene Student/<br />
innen, die tagtäglich in Ungarn protestieren,<br />
junge Slowen/innen, die<br />
die korrupten politischen Eliten an<br />
den Pranger stellen oder jene Rumän/<br />
innen, die genug von Korruption und<br />
Misswirtschaft haben – all diese und<br />
die vielen anderen Menschen des Donauraumes,<br />
die friedlich ihre Stimme<br />
gegen Missstände in ihren Staaten erheben,<br />
stellen jene emanzipatorischen<br />
Kräfte dar, die diese jungen Demokratien<br />
dringend benötigen. Sie benötigen<br />
sie umso mehr, als die Sympathisant/<br />
innen einer rückwärtsgewandten nationalistischen<br />
Politik und Gegner/innen<br />
der Demokratie in der Krise stärker geworden<br />
sind. Ob dies die xenophoben<br />
und Roma feindlichen Jobbik-Anhänger/innen<br />
in Ungarn sind, die rechtsnationalistischen<br />
Gruppierungen in<br />
Serbien oder jene Hooligans, die sich<br />
Anfang 2012 in Rumänien Straßen-