30.12.2013 Aufrufe

Journalistenpreis Ehrenamtliches Engagement. Ausgezeichnete ...

Journalistenpreis Ehrenamtliches Engagement. Ausgezeichnete ...

Journalistenpreis Ehrenamtliches Engagement. Ausgezeichnete ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Ausgezeichnete</strong> Beiträge<br />

kulierenden Gestalten, die ihre Hände<br />

nach den Lebensmitteln ausstrecken.<br />

Das SKA (Streetwork – Koordination –<br />

Akzeptanz) in Kreuzberg ist ein Kontaktladen<br />

für Drogenabhängige. „Hallo<br />

Leute! Kein Konsum, keine Spritzen in<br />

den Hauseingängen der Nachbarschaft.<br />

Danke“, steht auf einem großen Plakat.<br />

Fast nur Männer sitzen in dem verqualmten<br />

Lokal. Es sind Männer, denen<br />

man ansieht, dass sie die meiste Zeit<br />

des Tages auf einem anderen Planeten<br />

verbringen. Leere Blicke aus roten Augen,<br />

abgezehrte Gesichter mit tiefen<br />

Gräben, wie gemeißelt, wo normalerweise<br />

Falten wären. Ein paar junge Türken<br />

spielen in einer Ecke Backgammon,<br />

ein Mann liest Zeitung, aber die<br />

meisten drängen sich lärmend um die<br />

Kisten mit den Lebensmitteln. „Tomaten,<br />

Tomaten“, ruft jemand. Ein alter<br />

türkischer Mann untersucht ein tiefgefrorenes<br />

Brot, befühlt es mit rissigen<br />

Fingern, schlägt mit der Faust dagegen,<br />

klopft sich schließlich ratlos damit an<br />

den Kopf.<br />

15.25: Frauenhaus<br />

Das silberne Schild an der Einfahrt am<br />

Kottbusser Damm nennt nur einen kurzen<br />

Namen, nicht, was es damit auf sich<br />

hat. Dafür wird es Gründe geben. Es ist<br />

ein Frauenhaus, 30 Frauen und Kinder<br />

haben sich hierher gerettet. Micha und<br />

Martina wissen, dass sie nach dem Klingeln<br />

lange warten müssen, die Wohnungen<br />

liegen im vierten Stock, der Fahrstuhl<br />

ist kaputt. Aber wenn sie die Kisten<br />

mit den Lebensmitteln einfach vor<br />

der Tür stellten, wären sie schnell weg.<br />

Das Restaurant in einem der Hinterhöfe<br />

wirbt für sein Mittagsbüfett: „Essen<br />

so viel Sie wollen!“<br />

16.00: Heilsarmee<br />

„Du bist zu spät. Wir waren schon einkaufen“,<br />

witzelt der Koch. Thorsten trägt<br />

die letzte Kiste Blumenkohl durch das<br />

„Café Treffpunkt“ in der Kuglerstraße.<br />

An schmalen Tischen mit bunten Dekken<br />

sitzen stille Menschen und nippen<br />

an ihrem Kaffee. Sie warten auf die<br />

warme Mahlzeit, die die Heilsarmee jeden<br />

Abend serviert. Im Aquarium in<br />

der Ecke dümpeln Guppies. Ein alter<br />

Mann im Holzfällerhemd schaut aus<br />

dem Fenster, regungslos. „Wie eine Familie“,<br />

hat jemand mit Filzstift in einen<br />

Bilderrahmen geschrieben.<br />

10<br />

16.23: Krishna-Tempel<br />

Der Hare-Krishna-Mensch muss ein<br />

kleines Glöckchen läuten, bevor er den<br />

Altar im Keller des Hinterhauses an der<br />

Kastanienallee öffnen darf. So will es<br />

die Krishna-Gemeinde, Thorstens letzter<br />

Abnehmer auf der heutigen Tour. Die<br />

Krishnas verwenden Obst und Gemüse<br />

nicht für sich selbst – jeden Samstag<br />

veranstalten sie ein Fest. Knapp 50<br />

Gäste quetschen sich dann im Kellertempel<br />

vor dem Altar. „Aus allen sozialen<br />

Schichten“, sagt der Krishna-Mann.<br />

Manche kommen, weil sie sich für Hare<br />

Krishna interessieren. Viele kommen,<br />

weil sie Hunger haben.<br />

16.50: Pomp, Duck and Circumstance,<br />

Möckernstraße<br />

Manchmal, nach großen Veranstaltungen,<br />

gibt es tatsächlich Ente zu holen<br />

bei dem Restaurant-Theater. Das ist gut,<br />

weil die Supermärkte meist nur Schweinefleisch<br />

abzugeben haben und viele „Tafel“-Kunden<br />

Muslime sind. Außerdem<br />

haben sie hier die besten selbstgemachten<br />

Brötchen der Stadt, meint Micha.<br />

Aber heute ist ein schlechter Tag. „Die<br />

Berliner Tafel“, ruft Martina durch den<br />

Hintereingang. Und von innen antwortet,<br />

nach einer Pause, eine weibliche Stimme:<br />

„Oh, heute habe ich nichts für Sie.“<br />

17.00: Zentrale Schöneberg<br />

Feierabend. Siebeneinhalb Stunden liegen<br />

hinter Thorsten, als er den Motor<br />

des Kastenwagens abstellt. Ob er sich<br />

trotz aller Freude am Ehrenamt nach<br />

einem richtigen, einem bezahlten Job<br />

umsieht? Thorsten überlegt. Er bemühe<br />

sich, sagt er dann. „Aber wenn ich einen<br />

kriege, bleibe ich trotzdem bei der

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!