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Journalistenpreis Ehrenamtliches Engagement. Ausgezeichnete ...

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1. Preis<br />

Wollen Sie damit sagen, dass in unserer<br />

Stadt Schulkinder hungern?<br />

Ja, und es nimmt zu. Es gibt drei Gruppen<br />

Kinder in Berlin: Gut ernährte. Fehlernährte<br />

– das sind oft die, die fett sind.<br />

Und unterernährte.<br />

Klingt nach Nachkriegszeit und Dritter Welt...<br />

Wenn ein Kind permanent Hunger hat,<br />

weil es zu Hause nichts oder deutlich zu<br />

wenig zu essen bekommt, würde ich es<br />

als unterernährt bezeichnen. Wir beliefern<br />

seit zwei Jahren zwölf Berliner<br />

Grundschulen, alle in Neukölln, Wedding<br />

und Moabit, und es waren Eltern<br />

und Lehrer, die sich an uns wandten.<br />

Sie hatten Kinder, die ständig den Unterricht<br />

störten, alles half nichts, sie gingen<br />

der Sache nach und stellten fest, dass<br />

diese Kinder schlichtweg dauerhaft Hunger<br />

hatten. Es gibt viele Kinder, die kennen<br />

gar keine Mahlzeit mehr – nur noch<br />

Zeug, das man sich am Kiosk kauft. In<br />

vielen Familien wird nur noch ein, zwei<br />

Mal die Woche gekocht.<br />

Da hilft aber eine Kiste Obst wenig.<br />

Im März eröffnen wir ein Kinder- und<br />

Jugendrestaurant in Kreuzberg, in der<br />

Methfesselstraße. Da wollen wir regelrechte<br />

Frühstückstüten ausgeben, mit<br />

Broten, Obst und Getränk. Damit diese<br />

Kinder überhaupt etwas zu essen bekommen<br />

und damit sie wieder den Umgang<br />

mit vernünftiger Ernährung lernen.<br />

„,Tafel‘“. Dann fahre ich abends, mit<br />

meinem Privatauto.“<br />

Interview: In Berlin hungern Kinder.<br />

Und es werden mehr<br />

Berliner Illustrirte Zeitung: Die „Tafel“ – war<br />

das Ihre Idee?<br />

Sabine Werth: Die Idee entstand vor elf<br />

Jahren. Wir waren damals ein Frauenverein<br />

und wollten etwas tun, um den<br />

Armen hier in Berlin zu helfen.<br />

Also eine Idee aus Berlin?<br />

Nicht ganz. Eine von uns hatte in der<br />

Zeitung etwas über „City Harvest“ gelesen,<br />

das war das Vorbild in New York.<br />

Wir sagten uns, eine amerikanische<br />

Idee, die drüben funktioniert, lässt sich<br />

problemlos nach Deutschland übertragen,<br />

das wissen wir Deutschen nur zu<br />

gut. Aber wir in Berlin waren die ersten,<br />

die das in Deutschland gemacht haben.<br />

Seither haben viele unsere Idee übernommen.<br />

Es gibt heute die „Tafel“ in<br />

350 deutschen Städten.<br />

Was tun Sie genau?<br />

Wir sammeln Monat für Monat 150<br />

Tonnen Lebensmittel. Das schaffen rund<br />

200 ehrenamtliche Mitarbeiter – ganz<br />

unterschiedliche Menschen. Arbeitslose,<br />

Angestellte, Selbstständige, Rentner,<br />

Hausfrauen. Wenn Grüne Woche<br />

ist oder ähnliches, werden es auch mal<br />

200 Tonnen. Die holen wir bei Bäckereien,<br />

Supermärkten, Großmärkten und<br />

Kantinen ab und verteilen sie an rund<br />

360 soziale Einrichtungen in der Stadt.<br />

Wir versorgen also 15 000 Menschen<br />

täglich mit Essen, darunter ein Viertel<br />

Kinder und Jugendliche.<br />

Wir haben gehört, es ginge der „Tafel“ selbst<br />

nicht gut.<br />

Im letzten Jahr hatten wir noch genau<br />

360 Euro auf dem Konto. Das löste eine<br />

Spendenwelle aus: allein 65 000 Euro<br />

im letzten halben Jahr. Aber es kann<br />

jederzeit wieder eng werden. Darum<br />

wollen wir eine Berliner-Tafel-Stiftung<br />

gründen, um unserer Arbeit eine halbwegs<br />

verlässliche Basis zu geben. Wir<br />

dümpelten jahrelang bei 300 Mitgliedern<br />

herum, jetzt sind es knapp 550.<br />

Jedes Mitglied zahlt mindestens 2,75<br />

Euro monatlich, das jüngste ist neun<br />

Jahre alt, es heißt Leon und zahlt die<br />

2,75 Euro von seinem Taschengeld.<br />

Wenn wir noch 250 Mitglieder mehr<br />

hätten, wäre unsere Arbeit gesichert.<br />

Auch Stiftungskapitalgeber sind herzlich<br />

willkommen.<br />

Das Gespräch führte Wolfgang Büscher<br />

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