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Journalistenpreis Ehrenamtliches Engagement. Ausgezeichnete ...

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3. Preis<br />

men, sind mit roten Kreuzen überklebt<br />

– von dort kommen keine Gelder mehr.<br />

Damit reiht sich der Verein in die ständig<br />

wachsende Gruppe jener Einrichtungen,<br />

die wegen ausfallender Subventionen<br />

nach neuen Wegen suchen müssen,<br />

um ihr Angebot zu sichern.<br />

Hinter dem Fenster steht Ute Brückner<br />

und schenkt Saft an Vernissage-Gäste<br />

aus. Ohne sie und acht andere kunstinteressierte<br />

Dresdnerinnen, die ehrenamtlich<br />

für die regelmäßige Öffnung der<br />

Gallerie sorgen, wäre die Ausstellung<br />

nicht möglich. Eine bezahlte Aufsicht<br />

kann sich der Verein nicht leisten. Ute<br />

Brückner wiederum macht die Arbeit<br />

Freude. „Ich komme mit Künstlern und<br />

Besuchern ins Gespräch, lerne viel über<br />

moderne Malerei“, sagt die 61-Jährige.<br />

Als sie noch als Lehrerin gearbeitet habe,<br />

sei ihre Liebe zur Kunst zu kurz gekommen.<br />

„Jetzt im Vorruhestand kann ich<br />

endlich machen, was mich interessiert.“<br />

„Selbstverwirklichung“ und „Spaß“ sind<br />

die meistgenannten Motive heutiger Ehrenamtlicher.<br />

„Engagierten Individualismus“<br />

nennen Soziologen die neue Art<br />

von Nächstenliebe, die sich vor allem am<br />

persönlichen Interesse orientiert. Die Institutionen,<br />

für die Leute wie Ute Brückner<br />

arbeiten, profitieren wiederum von<br />

der Leidenschaft, mit der sich solche<br />

Helfer auf ihre Aufgabe stürzen.<br />

Eine perfekte Symbiose. Doch die kann<br />

auch Schattenseiten haben. „Wenn die<br />

Politik das Ehrenamt missbraucht, um<br />

Subventionen streichen zu können, wird<br />

es gefährlich“, sagt Achim Dresler, stellvertretender<br />

Direktor des Chemnitzer<br />

Industriemuseums. „Man muss das richtige<br />

Verhältnis von haupt- und ehrenamtlichen<br />

Mitarbeitern finden, sonst<br />

sinkt das Niveau.“ Dresler weiß, wovon<br />

er spricht. Sein Museum beschäftigt<br />

rund 100 Ehrenamtliche. Zum Beispiel<br />

den Monteur Joachim Pöschmann, ohne<br />

den die alte Handschuhmaschine<br />

nicht vorgeführt werden könnte. Denn<br />

außer ihm weiß keiner mehr, wie sie<br />

funktioniert. Der 64-jährige Rentner<br />

übernahm die Wartung „aus Liebe zur<br />

Kunst“. Und genießt den Kontakt zu<br />

anderen Maschinenfans.<br />

Um ihn und die anderen Ehrenamtlichen<br />

kümmern sich im Industriemuseum<br />

vier hauptamtliche Mitarbeiter. Sie<br />

organisieren die Diensteinteilung, arbeiten<br />

neue Helfer ein, veranstalten Fortbildungen.<br />

„Freiwilligenmanagement“<br />

heißt das in Fachkreisen. Und es ist leider<br />

in vielen Kultureinrichtungen noch<br />

ein Problem. Oft weil die Hauptamtlichen<br />

Angst haben, von den Ehrenamtlichen<br />

ersetzt zu werden und ihnen deshalb<br />

mit Misstrauen begegnen.<br />

Ergänzung statt Verdrängung lautet<br />

deshalb die Parole, die nicht nur Achim<br />

Dresler, sondern auch die örtlichen<br />

Freiwilligenbörsen ausgeben. „Manches<br />

können Ehrenamtliche einfach nicht<br />

übernehmen, etwa die Planung einer<br />

Ausstellung“, sagt Winfried Ripp von<br />

der Bürgerstiftung Dresden. Doch sie<br />

könnten durch Zusatzleistungen, wie<br />

Führungen oder Musseumsshops, die<br />

Einrichtung fürs Publikum attraktiver<br />

machen – und damit letztlich auch die<br />

Jobs der Hauptamtlichen sichern helfen.<br />

Die Bindung von Ehrenamtlichen an<br />

„ihren“ Kulturbetrieb liegt deshalb im<br />

Interesse aller Beteiligten. Sympathiepunkte<br />

sammeln Einrichtungen dabei<br />

zum einen durch eine sorgfältige Betreuung<br />

wie im Industriemuseum, doch<br />

auch eine regelmäßige Anerkennung<br />

der Leistung schafft gute Stimmung.<br />

Zum Beispiel durch Instrumente wie<br />

den Dresdner Ehrenamtspass, der dem<br />

Inhaber viele Vergünstigungen in der<br />

Stadt ermöglicht. Die wirkungsvollste<br />

Anerkennung kann freilich nur von<br />

denen kommen, denen all die Martin<br />

Hoffmanns, Ute Brückners und Joachim<br />

Pöschmanns immer wieder spannende<br />

Kulturerlebnisse ermöglichen. Vom<br />

Publikum selbst. Durch ein Lächeln,<br />

durch einen Gruß oder einfach nur<br />

durch ein „Danke.“ Man sollte es mal<br />

ausprobieren.<br />

Kristina Maroldt<br />

Tipps und Adressen<br />

Freiwilligenbörse, Sie vermitteln Ehrenamtliche<br />

an Einrichtungen:<br />

Chemnitz: Freiwilligenzentrum Chemnitz,<br />

Rembrandtstr. 13a/b, 0911 Chemnitz,<br />

Tel.: (03 71) 6 00 48 60.<br />

Dresden: Treffpunkt Hilfsbereitschaft,<br />

Barteldeplatz 2, 01309 Dresden, Tel.:<br />

(03 51) 3 15 81 20.<br />

Freiberg: Freiwilligenbörse Freiberg,<br />

Paul-Müller-Str. 78, 09599 Freiberg,<br />

Tel.: (0 37 31) 7 65 87.<br />

Görlitz: Pontes-Werkstatt, Fischmarkt 8,<br />

02826 Bautzen, Tel.: (0 35 81) 41 27 33<br />

Leipzig: Freiwilligenagentur Leipzig<br />

e.V., Große Fleischergasse 12, 04109<br />

Leipzig, Tel.: (03 41) 1 49 47 29.<br />

Checkliste für zukünftige Helfer<br />

Bevor man ein Ehrenamt antritt, sollte<br />

man folgende Fragen klären: Aufgabengebiet:<br />

Was genau soll ich tun? Wie<br />

sind die Arbeitszeiten? Einarbeitung:<br />

Wie lange dauert die Einarbeitungszeit?<br />

Wer arbeitet mich ein? Kostenerstattung:<br />

Welche Kosten werden mir erstattet?<br />

Schulungen: Welche Möglichkeiten<br />

gibt es? Wer trägt die Kosten? Versicherungen:<br />

Besteht eine Haftpflicht- und<br />

Unfallversicherung? Abschied: Wie<br />

kann ich meine Tätigkeit beenden?<br />

Kann ich einen Nachweis für meine Arbeit<br />

oder die Schulungen bekommen?<br />

Interview<br />

„Arbeitslosigkeit ist ein Dämpfer“<br />

Analyse. Ehrenamtsexperte Olaf Ebert<br />

über Lust und Frust der Ostdeutschen<br />

am unbezahlten Helfen.<br />

Jeder dritte Deutsche engagiert sich in seiner<br />

Freizeit regelmäßig ehrenamtlich. Im Osten<br />

mit durchschnittlich 28 Prozent allerdings<br />

weitaus seltener als im Westen mit 34 Prozent.<br />

Wieso?<br />

Teilweise liegt das an den unterschiedlichen<br />

Traditionen: Im Westen war die<br />

freiwillige Bindung an Wohlfahrtsverbände<br />

und Kirchen immer sehr stark,<br />

im Osten fand das <strong>Engagement</strong> – abgesehen<br />

vom <strong>Engagement</strong> in Kirchen und<br />

oppositionellen Gruppen – häufig verordnet<br />

und in staatsnahen Organisationen<br />

statt, die es jetzt natürlich nicht<br />

mehr gibt. Ein starker Dämpfer ist aber<br />

auch die hohe Arbeitslosigkeit. Wer um<br />

seinen Job bangt, hat kaum Zeit und<br />

Motivation, sich nebenbei ehrenamtlich<br />

zu engagieren. Und wer bereits arbeitslos<br />

ist, ist frustriert und sieht nicht ein,<br />

wieso er jetzt plötzlich etwas für die Gemeinschaft<br />

tun soll – und dazu noch unbezahlt.<br />

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